„Gehen Sie dorthin, selbst wenn es Dermatologie ist!“ Diese Empfehlung gab ihm sein chirurgischer Chefarzt, nachdem sein späterer verehrter Lehrer Professor Keining den damaligen cand. med. Otto Braun-Falco in der Dermatologie als letztem Fach des Staatsexamens geprüft und danach gefragt hatte: „Wollen Sie bei mir tätig sein? Ich habe für Sie immer eine bezahlte Stelle.“ Mit der mit 95 Mark monatlich dotierten Assistentenstelle begann 1949 eine berufliche Laufbahn, welche in ihrer Fülle die deutsche und internationale Dermatologie klinisch, wissenschaftlich und menschlich über Jahrzehnte geprägt und auch heute noch ihre Wirkung nicht verloren hat. Die Berufung auf den Lehrstuhl für Dermatologie und Venerologie der Philipps-Universität Marburg/Lahn 1961 und auf den Lehrstuhl für Dermatologie und Venerologie der Ludwig-Maximilians-Universität München 1966 sind wesentliche Stationen seiner Laufbahn als Ordinarius. Von ihm nicht angenommene Berufungen auf entsprechende Lehrstühle in Köln, Heidelberg, Wien und Zürich sind weitere akademische Anerkennungen seines Berufslebens, das er schweren Herzens 1991 offiziell mit der Emeritierung beendete. „Too old, but too young to die“ stand damals in einer Notiz an seinen französischen Kollegen und Freund Jean Thivolet.

Viele unterschiedliche Facetten kennzeichneten die Persönlichkeit von Prof. Otto Braun-Falco, stets auch OBF genannt, der die deutsche Dermatologie auf unvergleichliche Weise geformt hat (Abb. 1). Das Wohl seiner Patienten, wissenschaftliche Neugier, der Einsatz für die Weiterbildung der Studenten und Assistenten, die Förderung der beruflichen Entwicklung seiner Mitarbeiter/innen sowie die Begeisterung, die Dermatologie klinisch und wissenschaftlich vor Ort, aber auch international zu vertreten, zu verantworten und voranzutreiben, sind nur einige Aspekte im Gesamtbild von „Otto dem Großen“, wie ihn die Süddeutsche Zeitung entsprechend einer „dermatologischen Kaiserwürde“ in ihrem Nachruf 2018 respektvoll bezeichnet hatte. Er strukturierte die Systematik der Dermatologie in dem Lehrbuch „Dermatologie und Venerologie“, das, entsprechend der Einbandfarbe als „blaue Bibel“ bezeichnet, unter Mitwirkung seiner Schüler Gerd Plewig und Helmut H. Wolff als 3. Auflage des ursprünglich mit Keining zusammen verfassten Lehrbuchs für Studierende und Ärzte 1984 neu herausgegeben wurde. Es ist auch heute noch als Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie in der jetzt kommenden 8. Auflage die Grundlage für den Erhalt und die Vermittlung des Wissens in der deutschsprachigen Dermatologie. Die ins Englische übersetzten Ausgaben machen die dermatologischen Grundlagen zudem weltweit verfügbar. Aus seiner Auffassung von der Manifestation der Hautkrankheiten entstand eine morphologisch geprägte dermatologische Schule, in der die exakte Erfassung des Hautbefundes die Grundlage für eine korrekte Differenzialdiagnose ist. Wer bei OBF lernen durfte, wurde durch die beiden Satzanfänge „Betroffen ist die Haut an … (Lokalisationen und Verteilung)“ und „Hier finden sich … (Nennung der Primär- und Sekundäreffloreszenzen)“ für die Erstellung des Hautbefundes für das ganze dermatologische Leben geprägt. Die von OBF stets geforderte Erfassung der Nebenbefunde, also von Hautveränderungen außerhalb des eigentlichen Krankheitsbildes, hat dabei den Blick für das gesamte Integument geschärft. Einen Nebenbefund übersehen und nicht aktenkundig gemacht zu haben war eine stete Sorge, wenn OBF bei den Chefvisiten auf Station die Bettdecke der Patienten zurückschlug, denn es folgte, begleitet von einem Fingerzeig auf eine oft unscheinbare Hautveränderung, unweigerlich die Frage: „Steht das im Hautbefund?“

OBF suchte in seinen Mitarbeitern die besonderen individuellen Fähigkeiten und Interessen und gab ihnen die Freiheit, diese beruflich zu entwickeln. Hierdurch wurde die Breite des Faches in der Klinik und wissenschaftlich ausgeschöpft, und zahlreiche neue Schwerpunkte wurden begründet. Sein leistungsmäßiges Fordern und Fördern brachte hierbei ganz unterschiedliche persönliche Entwicklungen zur Reife und hatte die Besetzung von 19 Lehrstühlen und dermatologischen Chefarztpositionen durch seine Schüler zur Folge. Dieser „Otto-Versand“ führte zu einer Verbreitung seiner klinischen und wissenschaftlichen Schule auf zahlreiche Kliniken, welche durch die dermatologische Facharztausbildung auch die Qualität im Bereich der niedergelassenen Dermatologie sichern konnten. Er selbst prüfte jeden Mitarbeiter vor dem Facharztgespräch persönlich und überzeugte sich hierdurch von der Facharztreife und Befähigung zur selbstständigen dermatologischen Tätigkeit.

Mit dem Münchner Lehrstuhl übernahm OBF auch das Motto „Freundschaft durch Forschung“ seines Vorgängers Prof. Alfred Marchionini, der nach dem 2. Weltkrieg der deutschen Dermatologie wieder internationale Anerkennung verschafft hatte. Besondere Zuwendung widmete er hierbei den deutsch-polnischen Begegnungen. Diese besaßen zunächst keinen formellen Charakter, um dann durch Dr. Josef Wenning und Prof. Enno Christophers im Förderkreis von Deutschen und Polnischen Dermatologen e. V. institutionalisiert zu werden, begleitet von der Vergabe des Otto Braun-Falco-Stipendiums an polnische Dermatologen. Ausgehend von der engen Freundschaft zwischen Prof. Alfred Marchionini und der Warschauer Dermatologin Frau Prof. Stefania Jabłońska, war dies eine wichtige Annäherung zwischen beiden Ländern auf dermatologischer Ebene nach den verheerenden Folgen des 2. Weltkriegs, der sich OBF auch weiterhin verpflichtet fühlte. Frau Prof. Jabłońska und OBF blieben ihr Leben lang freundschaftlich eng verbunden.

Das klinische und wissenschaftliche Œuvre von OBF, das alle Bereiche der Dermatologie abdeckt, umfasst 850 Veröffentlichungen mit seinem Namen als Autor oder Koautor, 19 von ihm herausgegebene Bücher sowie 16 Lehrbücher. Sie zeigen seine Fähigkeit, visionäre Weitsicht mit praktischer Umsetzung zu verbinden. Dies führte zu verschiedenen Schwerpunkten an der Klinik, welche die neuen klinischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis umsetzten und auch heute noch von praktischer Bedeutung sind. Hierzu gehören die Entwicklung des Dermatoskops gemeinsam mit seinem Schüler Wilhelm Stolz und dem dermatologischen Fotografen Peter Bilek ebenso wie die Erforschung der klinischen Manifestationen von Aids und die psychosoziale Betreuung von HIV-Patienten. Nur wenige Tage, nachdem ihn sein Freund Professor Rudolf Baer von der Hautklinik der New York University Medical School auf die Häufung von homosexuellen Patienten mit einem Kaposi-Sarkom aufmerksam gemacht hatte, diagnostizierte und publizierte OBF die ersten Aids-Fälle in Deutschland. Die auf die Diagnose folgende soziale Stigmatisierung von Aids-Patienten führte unter der Erkenntnis, dass die Medizin mit der Psyche verbunden werden muss, nach OBFs Intervention bei dem damaligen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß zur Etablierung der auch heute noch hochaktiven psychosozialen Beratungsstelle als erste ihrer Art an der dermatologischen Klinik. Andere Beispiele sind die Einführung der dermatologischen Lasertherapie und neuer diagnostischer Verfahren wie der Elektronenmikroskopie und Immunhistologie, die von Beginn an Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit waren, sowie die Förderung der Dermatochirurgie, der dermatologischen Onkologie und der Allergologie.

Die Persönlichkeit selbst strahlte eine charismatische und fachliche Autorität, menschliche Zuwendung und Disziplin in der ärztlichen Tätigkeit aus. Wer die Möglichkeit und das Glück hatte, unter OBF Dermatologie zu lernen, bekam eine fundierte Ausbildung durch einen überragenden akademischen Lehrer. Die Weiterentwicklung der Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie, die in diesem Jahr zum 28. Mal stattfindet, zeigt das Engagement von OBF für die Qualität der dermatologischen Fort- und Weiterbildung, lange bevor diese verpflichtend wurde.

Zahlreiche Ehrenmitgliedschaften in weltumspannenden dermatologischen Fachgesellschaften und die Wahl in das International Committe of Dermatology, dem mit Jadassohn, Sulzberger, Degos und Lapière die prominentesten Dermatologen der Zeit angehörten und dessen Präsident er von 1977 bis 1982 wurde, spiegeln die wissenschaftliche Reputation und das Engagement von OBF auf internationaler Ebene wider. OBF wurden viele nationale und internationale Auszeichnungen und Ehrungen zuteil. Vier Ehrendoktorwürden durch renommierte Universitäten, zahlreiche wissenschaftliche Preise und Medaillen, Verdienstorden einschließlich der Verleihung des „Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst“, des japanischen „Order of rising Sun with golden Stripes on Neck Ribbon“ 1988 auf Empfehlung des Kaisers von Japan anlässlich der Präsidentschaft auf dem Weltkongress für Dermatologie 1982 in Tokio sowie des „Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland“ 1993 sind nur ein kleiner Auszug hieraus.

Seine Tätigkeit war für OBF eine lebenslange Verpflichtung gegenüber seinen Patienten, Mitarbeitern und der Weiterentwicklung des Faches. Zu seinen Ehren verleiht die Deutsche Dermatologische Gesellschaft jährlich die Otto-Braun-Falco-Medaille an herausragende Persönlichkeiten, die sich um die Dermatologie verdient gemacht haben. Hiermit hält sie den Anspruch an die Qualität der deutschen Dermatologie aufrecht, wie sie OBF stets vertreten und gefordert hat.

Am 09.04.2018 ist Prof. Otto Braun-Falco verstorben. Vieles mehr aus seinem umfassenden Schaffen für die Dermatologie könnte hier noch gewürdigt werden. Am 25.04.2022 hätte Prof. Otto Braun-Falco sein 100. Lebensjahr vollendet. Er hat die Dermatologie in seiner Zeit und darüber hinaus gestaltet wie kaum ein anderer.

Univ.-Prof. Dr. Jörg C. Prinz und Univ. Prof. Dr. Lars E. French

Abb. 1
figure 1

Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Otto Braun-Falco