Spätherbst

Horizonte
Ausgabe
2017/49
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.06167
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(49):1667

Publiziert am 06.12.2017

Zwei Männer im Spätherbst ihres Lebens halten Rückschau. Eine ehrliche, selbstkritische Bilanz, nicht ohne Selbstzweifel, nicht ohne Melancholie. Der Psychiater Niklaus Gaschen ist schon berufsbedingt auf eine Innenschau des Menschen ­ausgerichtet, ein introvertierter Suchender zwischen Couch und Reise-Camper. Der Chir­urg Andreas Steiner blickt auf Jahrzehnte eines überaus tätigen Lebens, als Arzt und Allrounder unter schwierigsten Feldbedingungen, zurück. Dann studiert das Multitalent noch Philosophie und am Ende sind sich beide Autoren ähnlich.

Selbstsuche

Niklaus Gaschen
Monaco – Ein Mann sucht eine Stadt oder: Mahler plays Mahler
Hanau: Haag + Herchen; 2017.
130 Seiten. 25.90 CHF.
ISBN 978-3898467995
Hungerbühler, ein reformierter Pfarrer, macht sich mit seinem Caravan auf eine Reise in den Süden Frankreichs. Wieder einmal in einer Lebenskrise, sucht er nach der imaginären Stadt Monaco. Ein einsamer, fahrender Geselle, mit einer Vorliebe für die Texte und Symphonien von Gustav Mahler. Das Leben des früh verstorbenen Komponisten, der als Pianist erstmals für die Pianorollen des Welte-Mignon-Systems Leipzig aufsucht, bildet eine Art Hintergrundfolie einer Selbstsuche, gemäss Autor eine allegorische und ­tiefenpsychologische Arbeit. Assoziativ und kenntnisreich verknüpft Niklaus Gaschen Innen- und Aus­senwelt im Rhythmus einer Autofahrt entlang der Côte d’Azur. Der «innerlich singende und träumende Romantiker» findet den verschütteten Zugang zu seiner eigenen europäischen Identität, Geschichte, Heimat und Verwurzelung. Mit herbstlicher Prosalyrik und einer Interpretation seines eigenen Werkes schliesst das Buch: Beide (Hungerbühler und Mahler) versuchen ihr Werk in bleibenden Dokumenten festzuhalten. Beide, der eine zumindest zeitweise, haben dessen öffentliche Würdigung schmerzhaft vermisst.

Auslandseinsätze

Andreas Steiner
Als Arzt in Urwald und Gebirge
Lebensrückblicke zwischen Entwicklungshilfe und Migration
Basel: Münsterverlag; 2017.
320 Seiten. 30 CHF.
ISBN 978-3-905896-71-8
«Lebensrückblicke zwischen Entwicklungshilfe und Migration», steht im Untertitel. Dem Einsatz im jemenitischen Bürgerkrieg folgen chefärztliche Funktionen in Lambarene, in den Anden, in Zaire und eine ­Dozentur in Äthiopien. Steiner ist ein guter Erzähler. Gespannt folgt man seinen zahlreichen Begegnungen mit Einheimischen und Patienten, hört von medi­zinisch-chirurgischen Problemen und staunt über die Herausforderungen, als Baumeister, Ausbildner und selbst Gärtner. Die Weissen und besonders die Funktio­näre kommen bei ihm nicht gut weg, Konflikte waren mehr die Regel als eine Ausnahme. Andreas Steiner betont mehrmals, dass diese Art von Hilfe ein gegenseitiger Prozess ist, der nur funktioniert, wenn beide bereit sind voneinander zu lernen. «Ich brauchte Afrika mindestens so sehr, als mich Afrika brauchte. Ich musste in jene Welt vordringen, deren Vorstellung sich in meinem Inneren regte.» Eine spannende Reportage aus einem überaus aktiven, vielseitigen Leben, farbig und dicht erzählt. Und am Ende die Erkenntnis: «Das, was in mir angelegt war, ist zum Vorschein gekommen, hat Gestalt und Wesen angenommen.»
erhard.taverna[at]saez.ch