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Wörternetze chinesischer Deutschlernender

2023
978-3-3811-0352-2
Gunter Narr Verlag 
Yibo Min
10.24053/9783381103522

Wohin wird die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden beim Selbstlernen gerichtet? In diesem Band geht es um das selbständige Wortschatzlernen mit den Medien Lehrbuch und digitale Lernplattform bei chinesischen DaF-Lernenden im außerschulischen Kontext. Dabei wird das Eyetracking eingesetzt, das bisher kaum im DaF-Bereich angewandt wurde. Es besteht ein Zusammenhang zwischen den Outputs und dem Blickverhalten. Allerdings lässt sich kein eindeutiger Lernvorteil eines Mediums für das Selbstlernen feststellen, obwohl die Lernenden den Eindruck hatten, dass sie effektiver mit dem Buch lernen würden. Außerdem werden Bilder in den Lernmaterialien nur bedingt betrachtet. Der Band diskutiert diese Ergebnisse und trägt damit zu einem besseren Verständnis des Lernendenverhaltens bei, wovon die Entwicklung lernförderlicher Materialien für das außerschulische Selbstlernen profitieren kann.

Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Yibo Min Wörternetze chinesischer Deutschlernender Eine empirische Eyetracking-Untersuchung zum Wortschatzlernen mit unterschiedlichen Medien von chinesischen DaF-Lernenden auf der Niveaustufe A2 Wörternetze chinesischer Deutschlernender G I E S S E N E R B E I T R ÄG E Z U R F R E M D S P R A C H E N D I DA K T I K Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner (†) und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho Yibo Min Wörternetze chinesischer Deutschlernender Eine empirische Eyetracking-Untersuchung zum Wortschatzlernen mit unterschiedlichen Medien von chinesischen DaF-Lernenden auf der Niveaustufe A2 DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783381103522 © 2023 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-381-10351-5 (Print) ISBN 978-3-381-10352-2 (ePDF) ISBN 978-3-381-10353-9 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 1 11 2 15 2.1 16 2.2 21 2.2.1 21 2.2.2 28 2.2.3 33 2.2.4 42 3 51 3.1 52 3.2 54 3.3 58 3.4 63 4 73 4.1 74 4.2 76 4.3 83 5 91 5.1 91 5.2 94 5.2.1 94 5.2.2 97 6 101 6.1 103 6.1.1 103 6.1.2 104 6.1.3 109 Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wörter und mentales Lexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wörter als sprachliche Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das mentale Lexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsweise des mentalen Lexikons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau des mentalen Lexikons und Struktur lexikalischer Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwerb des L2-Lexikons und dessen Verhältnis zum L1-Lexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten des mentalen Lexikons von chinesischen Deutschlernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wortschatz und Wortschatzlernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutungsdimensionen des Wortschatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wortspezifische Sinnrelationen und Wörternetze . . . . . . . . . . . . . . . . . Wortschatzlehren und -lernen im Kontext der Fremdsprachendidaktik Besonderheiten des Wortschatzlernens in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstlernen mit Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstlernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medien beim Fremdsprachenlernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenwert der digitalen Medien für das Selbstlernen (in China) . . . . Visuelle Wahrnehmung und Augenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrnehmung von visuellen Reizen und Augenbewegungen . . . . . . . Eyetracking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik des Eyetrackings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eyetracking-Technologie im fremdsprachendidaktischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsdesign und Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhebungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schriftliche Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Videografie und Eyetracking-Geräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Retrospektives Lautes Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 111 6.2.1 111 6.2.2 112 6.3 113 6.4 114 6.4.1 115 6.4.2 119 7 125 7.1 126 7.2 142 7.2.1 143 7.2.1.1 144 7.2.1.2 184 7.2.2 253 7.2.2.1 254 7.2.2.2 288 7.3 322 7.4 327 7.4.1 328 7.4.2 337 7.4.3 347 7.4.4 349 7.4.4.1 349 7.4.4.2 355 7.4.4.3 359 7.4.4.4 365 8 371 9 375 10 381 395 395 396 403 423 Beteiligte an der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Probanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigene Rolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitales Lernangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenauswertung und -analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wörternetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien . . . . . Erste Studie (Thema: Schule und Ausbildung) . . . . . . . . . . . . . . Gruppe A: Buch „Schritte international neu“ . . . . . . . . . . . . . . Gruppe B: Online-Lernplattform „Community Deutsch für dich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweite Studie (Thema: Freizeit und Urlaub) . . . . . . . . . . . . . . . Gruppe A: Buch „Schritte international neu“ . . . . . . . . . . . . . . Gruppe B: Online-Lernplattform „Community Deutsch für dich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schriftliche Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenführung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wörter in den Wörternetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Augenbewegungen und ihr Verhältnis zu Einträgen der Wörternetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstevaluation zum Selbstlernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussion der Forschungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fokus: Funktion von Bildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fokus: Länge der Blickfixationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fokus: Wortschatzerwerb und Medienwahl . . . . . . . . . . . . . . . . Fokus: Selbstlernen chinesischer Deutschlernender . . . . . . . . . Kritische Rückschau auf die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schluss und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 1: Einverständniserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 2: Persönliche Daten der Teilnehmenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 3: Wörternetze der Teilnehmenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 4: Video-Replays und ergänzende Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt 423 429 437 439 442 445 451 A 5: Schriftliche Befragung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 6: Beispiele von Dialogen mit ChatGPT (Screenshots) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 7: Manuskript zum Video (Das Deutschlandlabor: Schule) . . . . . . . . . . . . . . . A 8: Manuskript zum Video (Das Deutschlandlabor: Wandern) . . . . . . . . . . . . . A 9: Manuskript zum Video (Das Deutschlandlabor: Urlaub) . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 Danksagung Diese Studie wurde als Dissertationsprojekt im Jahr 2018 vom Institut für Germanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen angenommen. Die vorliegende Arbeit stellt das Ergebnis des mehrjährigen Dissertationsprojekts dar. Von der Planung der explorativen Einzelarbeit über die Umsetzung und die Datenerhebung der Studie bis hin zu der Analyse der erhobenen Forschungsdaten bin ich als Verfasser auf viele unerwartete Schwierigkeiten in verschiedener Hinsicht in Corona-Pandemiezeiten gestoßen. Ohne die Hilfe und Unter‐ stützung einer Vielzahl von Personen hätte dieses Projekt als Einzelarbeit nur schwer erfolgreich realisiert werden können. An vorrangiger Stelle gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dietmar Rösler, mein ganz besonderer Dank für seine hervorragende Betreuung und seine Begutachtung der Arbeit. Ihm bin ich für viele konstruktive und inspirierende Gespräche mit wertvollen Ratschlägen im ganzen Forschungsprozess äußerst dankbar. Keine Worte reichen aus, um meinen tiefsten Dank für seine uneingeschränkte geduldige Bereitschaft und Ermutigung mit seinen aufmunternden Worten sowie auch für seine volle Unterstützung für meine Promotion in jeglicher Hinsicht ausdrücken zu können. Sein großes persönliches Engage‐ ment hat wesentlich zum Gelingen dieser Dissertation beigetragen. Außerdem sei Frau Prof. Dr. Anja Voeste für ihre immerwährende Unterstützung, Ermutigung und auch für ihre kritischen Rückmeldungen mit konstruktiven Vorschlägen sowie für die Begutachtung der Arbeit von Herzen gedankt. Bei ihr möchte ich mich noch für ihr Interesse und für die inspirierenden Gespräche mit neuen Impulsen aus einem anderen Blickwinkel herzlich bedanken. Des Weiteren danke ich auch meinen Untersuchungsteilnehmenden aus verschiedenen chinesischen Universitäten für ihr Vertrauen und ihre Neugierde ganz herzlich. Ohne ihre freiwillige Teilnahme wäre es nicht möglich gewesen, spannende Forschungsdaten für diese Untersuchung zu gewinnen. Als explorative Arbeit im DaF-Bereich wird die Eyetracking-Technologie für das vorlie‐ gende Dissertationsprojekt eingesetzt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich daher bei dem Unternehmen Tobii AB herzlich dafür bedanken, dass das Unternehmen mir seine modernen Eyetracker bedingungslos zur Verfügung gestellt hat. Dabei bin ich besonders Herrn Xiaofeng Liang und Frau Meifei Zhong sowie allen ihren Kolleginnen und Kollegen von Tobii China für die Kooperation sowie die anhaltende technische Unterstützung dankbar. Darüber hinaus möchte ich mich auch bei allen Mitgliedern der TechAG für ihre wert‐ vollen Rückmeldungen und für den wissenschaftlichen Austausch bedanken, insbesondere bei Frau Dr. Tamara Zeyer für ihre fachlichen Anregungen und ihre unaufhörlichen Aufmunterungen sowie ihre stete Hilfsbereitschaft. Meinen Dank möchte ich ebenfalls Frau Dr. Almut Ketzer-Nöltge für ihre Unterstützung sowie Diskussionsbereitschaft und Frau Selmin Hayircil für ihre Ermunterung sowie Hilfestellung aussprechen. Bei Herrn Dr. Sebastian Kilsbach und Frau Yee Cheng Foo bedanke ich mich besonders für die Unterstützung hinsichtlich der Organisation der Disputation ganz herzlich. Für kritisches Korrekturlesen danke ich Herrn Robert Matthiesen sehr herzlich. Bei Herrn Rolf L. Wagner möchte ich mich ebenfalls für seine kritische Durchsicht sowie auch für seine fortwährende Unterstützung und Aufmunterungen vom Herzen bedanken. Weiterhin gilt mein Dank auch meinen Freunden Herrn Dr. Yves Klinger, Herrn Daniel Neubert und Frau Dr. Julia Wollny für ihre Ermunterungen und auch Feedbacks aus der naturwissenschaftlichen Perspektive. Desgleichen danke ich auch Herrn David Joecks, Frau Mengqing Chen, Herrn Laurin Off, Frau Yu Cai, Frau Yiran Tu und Herrn Xiwei Liu sowie allen meinen Freunden für ihre Rücksichtnahme und verständnisvolle moralische Unterstützung. Nicht zuletzt möchte ich mich aus tiefstem Herzen bei meinen Eltern und meiner ganzen Familie für ihre uneingeschränkte, liebevolle und vielseitige Unterstützung sowie Ermutigung während meiner Promotion bedanken, ohne die diese Dissertation nicht möglich gewesen wäre. 衷心感谢我的博士导师 Dietmar Rösler 教授和第二导师 Anja Voeste 教授、我的家人以 及朋友们的一路陪伴、鼓励与支持! Gießen, im Juli 2022 Yibo Min 10 Danksagung 1 Einleitung Im Zeitalter der Globalisierung werden die Menschen international immer enger mitein‐ ander verbunden. Ein typisches Beispiel für das globalisierte Zeitalter ist die intensive Zusammenarbeit von Deutschland und China. Seit vielen Jahren kommunizieren die Menschen aus beiden Ländern aufgrund des stark anwachsenden Handels immer häufiger miteinander. Dabei manifestiert sich der intensive Austausch zwischen beiden Ländern heutzutage nicht nur in der wirtschaftlichen Kooperation, sondern auch in vielen anderen Bereichen, wie zum Beispiel in Technik, Kultur, Wissenschaft und Umwelt. Für die inter‐ nationale Kommunikation spielen vor allem fremdsprachliche Kenntnisse eine zentrale Rolle, weil die Sprachkenntnisse einen verhandlungssicheren Gedankenaustausch mit den Menschen voraussetzen. Jedoch fällt das Deutschlernen den chinesischen Lernenden oft nicht leicht. Die Schwie‐ rigkeiten sind individuell unterschiedlich. Dabei ist das Problem mit dem deutschen Wort‐ schatz bei vielen chinesischen Lernenden häufig anzutreffen. Ein möglicher Grund hierfür liegt darin, dass Chinesisch und Deutsch keine verwandten Sprachen sind. Es ist damit zu rechnen, dass die lexikalischen Kenntnisse der deutschen Sprache von chinesischen Ler‐ nenden nicht als einfach wahrgenommen werden. Daher ist der Wortschatz als komplexer Lerngegenstand anzusehen, weil viele schwer überwindbare Hindernisse für chinesische Lernende beim Wortschatzlernen in der Fremdsprache Deutsch bestehen. Da die Fertig‐ keiten im Sprachgebrauch im engen Zusammenhang mit dem Wortschatz stehen, kann das Wortschatzlernen nicht außer Acht gelassen werden. In diesem Zusammenhang ist es für die Fremdsprachendidaktik von wesentlicher Bedeutung, die didaktischen Konzepte für die Förderung der Aneignung der lexikalischen Kenntnisse ständig weiterzuentwickeln. Im Hinblick auf die Wortschatzarbeit führen chinesische Deutschlernende nach ihrem Deutschunterricht noch verschiedene Wortschatzübungen durch. Beispielsweise wieder‐ holen sie die Wörter, die in ihrem Lehrwerk gelistet werden. Hinzu kommen noch zusätzliche gedruckte Übungsmaterialien. Im Zuge der Digitalisierung verwenden einige Lernende auch initiativ digitale Medien, um ihre lexikalischen Kenntnisse zu erweitern. Es lässt sich sagen, dass die Deutschlernenden nach dem Unterricht beim Selbstlernen unter‐ schiedliche Medien für das Wortschatzlernen verwenden können. Vor diesem Hintergrund ist es von Interesse, wie die chinesischen Deutschlernenden beim Wortschatzlernen mit einem analogen oder mit einem digitalen Medium die dort übermittelten Informationen wahrnehmen. Hierzu wird eine empirische Untersuchung in der vorliegenden Arbeit durchgeführt. Dabei wird beobachtet und analysiert, wie die chinesischen Deutschlernenden beim außerschulischen Selbstlernen mit einem Buch und mit einem internetgestützten digitalen Lernangebot die Lerninhalte wahrnehmen und die deutschen Wörter lernen. Darüber hinaus wird darauf eingegangen, wie sich die Lernergebnisse der chinesischen Deutsch‐ lernenden nach dem Selbstlernen mit den beiden unterschiedlichen Medien als komplexe kognitive Handlung entwickeln. In der empirischen Untersuchung geht es um das außerschulische selbstständige Wort‐ schatzlernen mit einem Buch und mittels einer Online-Lernplattform. In der empirischen Studie werden alle Lernenden aufgefordert, Wörternetze zu einem bestimmten Thema selbstständig zu entwickeln. Diese Wörternetze werden als Output bzw. Lernprodukt des selbstgesteuerten Selbstlernen der Lernenden angesehen und sie werden inhaltlich analysiert. Hierbei stellt sich eine Frage, wie sich die Lernprodukte der chinesischen Lernenden nach dem außerschulischen Selbstlernen mit den beiden Medien dar‐ stellen. Im Hinblick auf den Lernprozess des Selbstlernens liegt in der vorliegenden Arbeit noch ein Fokus auf der Informationswahrnehmung. Dazu wird die Eyetracking-Techno‐ logie eingesetzt, damit die (visuelle) Wahrnehmung bzw. das Blickverhalten der chinesi‐ schen Lernenden bei ihrem Wortschatzlernen mit den beiden Medien visualisiert werden kann. Hierbei stellt sich die zweite Forschungsfrage und sie bezieht sich darauf, wie die chinesischen Lernenden beim außerschulischen Selbstlernen mit den beiden Medien die dort übermittelten Informationen wahrnehmen. Mit Hilfe der Eyetracker können die Augenbewegungen der Lernenden visualisiert werden. Es kann daher beob‐ achtet werden, wohin die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden gerichtet wird, wenn sie beim Selbstlernen mit den beiden verschiedenen Medien die Übungen behandeln. Dabei wird beispielsweise beobachtet, wie die Texte und die Bilder von den Lernenden betrachtet werden. Da viele digitale Lernangebote den Lernenden Videos zur Verfügung stellen, ist es für diese Arbeit auch spannend, wie die Lernenden die Videos anschauen. Darüber hinaus werden die Augenbewegungen der Lernenden und ihre Lernprodukte also die Wörternetze, welche die Lernenden nach dem Selbstlernen produziert haben, zusammenhängend be‐ trachtet. Hierbei bezieht sich die dritte Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit auf das Verhältnis zwischen der visuellen Aufmerksamkeit bzw. den Blickfixationen der Lernenden und den Einträgen in ihren Wörternetzen: Wie hängen die Augenbewegungen mit den Einträgen der von ihnen produzierten Wörternetzen zusammen? Das Hauptziel der Arbeit besteht darin, die visuelle Wahrnehmung der chinesischen Lernenden bei ihrem außerschulischen Selbstlernen identifizieren zu können. Ein weiteres Ziel ist es, den Zusammenhang zwischen den Augenbewegungen der Lernenden und ihren Wörternetzen zu untersuchen. Basierend darauf wird versucht, Handlungsvorschläge für das außerschulische Selbstlernen im Kontext der Fremdsprachendidaktik bzw. des Fachgebiets Deutsch als Fremdsprache zu entwickeln. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Teile. Zunächst werden der Wortschatz und die Wortschatzvermittlung behandelt (Kapitel 2 und Kapitel 3). Dabei wird über Wörter dis‐ kutiert und auf den Wortschatzerwerb eingegangen, wobei die spezifischen Eigenschaften der chinesischen Deutschlernenden in den beiden Kapiteln miteinbezogen werden. Als zweiter Teil der Arbeit werden weitere theoretische Grundlagen bezüglich des Themenbe‐ reiches „Selbstlernen mit (digitalen) Medien“ in Kapitel 4 beleuchtet. Dabei werden die digitalen Medien für das selbstgesteuerte Fremdsprachenlernen unter Bezugnahme auf die entsprechende Fachliteratur in den Blick genommen. Das Kapitel 5 thematisiert die Augenbewegungen und das Eyetracking. In diesem Kapitel wird zuerst die Wahrnehmung von visuellen Reizen beschrieben und im Anschluss daran die Eyetracking-Technologie sowie ihre Rolle im Kontext der Fremdsprachendidaktik erläutert. Der nächste Teil besteht aus zwei Kapiteln (Kapitel 6 und Kapitel 7) und er bezieht sich auf die empirische 12 1 Einleitung Untersuchung der vorliegenden Arbeit. In diesem Teil werden zuerst Forschungsdesign und Datenerhebung dargestellt und danach werden die erhobenen Daten sowohl separat als auch zusammenhängend ausgewertet. In Kapitel 8 wird eine kritische Rückschau auf diese empirische Untersuchung vorgenommen und schließlich wird eine Zusammenfassung der zentralen Aspekte der vorliegenden Arbeit dargestellt. Dabei sollen basierend auf den erfassten Daten der Augenbewegungen nicht nur fremdsprachendidaktische Vorschläge (für chinesische Deutschlernende) zur Förderung des außerschulischen selbstständigen Wortschatzlernens, sondern auch ein Ausblick auf die spannenden Fragestellungen nach‐ folgender Untersuchungen mit dem Einsatz der Eyetracking-Technologie gegeben werden. 1 Einleitung 13 1 Eine linguistische Begriffsbestimmung zum „Wort“ vgl. beispielsweise Kilsbach 2018. 2 Wörter und mentales Lexikon Wie in der Einleitung erwähnt, wird das Wortschatzlernen mit einem gedruckten und einem digitalen Lernangebot in der vorliegenden Arbeit analysiert. Bevor die Ergebnisse der Nutzung beider Medien auf einzelne Aspekte des Wortschatzlernens bei chinesischen Deutschlernenden als ein Schwerpunkt der Arbeit dargestellt werden, sollen in diesem theoretisch orientierten Kapitel zunächst der Begriff des Wortes und des Wortschatzer‐ werbs in der Fremdsprache Deutsch als theoretische Basis fokussiert werden. Die Wörter sind sehr wichtig, weil „keine menschliche Sprache ohne Wörter [auskommt] und keine sprachliche Einheit so viel öffentliches Interesse [genießt] wie das Wort“ (Mei‐ bauer et al. 2007: 15). In diesem Zusammenhang lässt sich sagen, dass der Bereich des Wort‐ schatzlernens angesichts der großen Bedeutung von Wörtern für das Fremdsprachenlernen keinesfalls ignoriert oder unterschätzt werden sollte. Die fremdsprachliche Kompetenz eines Lernenden hängt zum großen Teil von der Beherrschung des Wortschatzes der zu erlernenden Sprache ab, denn alle sprachlichen Fertigkeiten stehen in einer engen Beziehung mit Wörtern. In diesem Kapitel wird zuerst der Begriff „Wort“ definiert. Hierbei sollte zunächst angemerkt werden, dass es in dem empirischen Teil der vorliegenden Arbeit nicht um eine ausführliche linguistische Analyse geht, in welcher die Outputs der Lernenden in der Untersuchung sprachwissenschaftlich ausgewertet werden. Daher wird keine umfassende und ausführliche Diskussion über den Begriff „Wort“ aus der germanistischen linguisti‐ schen Perspektive als theoretische Grundlage vorgenommen. 1 Stattdessen liegt der Fokus auf der Beziehung oder der Assoziation zwischen den Wörtern sowie dem gedanklichen Konzept von Menschen. Somit wird der Begriff „Wort“ hier aus der semiotischen Sicht behandelt, wobei die Wörter als sprachliche Zeichen angesehen werden und der Begriff „Wort“ mehr mit dem zugehörenden gedanklichen Konzept behandelt wird. In Kapitel 2.2 wird das mentale Lexikon dargestellt, in welchem die Wörter bzw. das lexikalische Wissen gespeichert werden, weil das mentale Lexikon sowohl in der Sprachrezeption als auch in der Sprachproduktion eine wichtige Rolle spielt. Indem die Operationsprinzipien des mentalen Lexikons beschrieben werden, kann erläutert werden, warum das mentale Lexikon für viele Sprachhandlungen relevant ist. Außerdem wird auch die Entwicklung des mentalen Lexi‐ kons beim Fremdsprachenlernen durch einige Modelle dargestellt. Dabei wird über manche Besonderheiten des mentalen Lexikons von chinesischen Deutschlernenden diskutiert (vgl. Kapitel 2.2.4). Die Diskussion basiert auf den erwähnten Theorien, was die nachkommenden Interpretationen und Analysen der Forschungsdaten unterstützen kann. All dies trägt dazu bei, auf den Begriff des Wortes und seine Merkmale näher einzugehen. Zugleich wird die Wichtigkeit des Wortschatzes im fremdsprachendidaktischen Kontext durch die theoretische Darstellung hervorgehoben. Dies stellt einen Motivationsgrund für die Bestimmung des Themas der vorliegenden Arbeit dar. 2.1 Wörter als sprachliche Zeichen Aus der Perspektive der Semiotik kann eine Sprache als Zeichensystem charakterisiert werden. Als gemeinsame Merkmale aller Zeichen werden deren Wahrnehmbarkeit und deren Verweismöglichkeit angesehen. Basierend auf der Zeichentheorie von Peirce (2000) können alle Zeichen in drei grundlegende Subklassen eingeordnet werden und sie lassen sich als Index, Ikon oder Symbol kategorisieren (vgl. Peirce 2000: 205). Bei den inde‐ xikalischen Zeichen handelt es sich um Zeichen, die unausweichlich bzw. direkt mit dem bezeichneten Denotat verbunden sind. Mitunter besteht auch eine Folge-Relation zwischen Zeichen und Denotat (vgl. Nöth 2000: 185-192). Beispielsweise ist Fieber ein Anzeichen für eine Erkrankung und verrät, dass es jemandem nicht gut geht. Ikonische Zeichen stellen die zweite Zeichenart dar und zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie keine natürlichen, sondern künstliche Zeichen sind. Mittels derartiger Zeichen wird ein Ähnlichkeitsverhältnis zwischen dem Bezeichnenden und dem Bezeichneten etabliert. Zu dieser Zeichenklasse gehören zum Beispiel Fotos, graphische Darstellungen und lautmalerische Wörter (vgl. ebd.: 193-198). Zudem ist unverkennbar, dass ikonische Zeichen aufgrund ihrer künstlichen Beschaffenheit durch gesellschaftliche und kulturelle Faktoren beeinflusst werden können. Im Gegensatz zu den ersten beiden Zeichenarten kann das Verhältnis zwischen Bezeichnendem und Bezeichneten anhand symbolischer Zeichen nicht ohne Weiteres und nicht auf der Basis visueller Darstellungen erschlossen werden. Symbole sind arbiträr und konventionell (vgl. ebd.: 178-184). Zu den bekanntesten Beispielen dieser Zeichengruppe zählen unter anderem mathematische Zeichen und viele menschliche Sprachen. Für das Sprachzeichen schlug Saussure einen speziellen Zeichenbegriff - den bilateralen Zeichenbegriff - vor. Mittels dieses Zeichenbegriffs erklärt er die Funktionen und die spezifischen Eigenschaften von sprachlichen Zeichen. Er vertritt die Auffassung, dass sich ein Sprachzeichen aus dem Lautbild und der mit diesem Lautbild verbundenen Vorstellung zusammensetzt (vgl. Saussure 2001: 77). In seiner Theorie werden in diesem Zusammenhang die beiden Termini „Signifié“ und „Signifiant“ eingeführt, denen jeweils Be‐ zeichnetes (Vorstellung, Signifikat) und Bezeichnendes (Lautbild, Signifikant) als deutsche Entsprechungen sind. Das bedeutet, dass mit dem Fachbegriff „Signifiant“ den Ausdruck der sprachlicher Zeichen fokussiert wird. Es geht um das Lautbild, das psychisch ein mentales Äquivalent für die Sprachverarbeitung und zugleich einen physikalischen Lautkörper darstellt (vgl. Römer 2019: 94). Der Fachbegriff „Signifié“ bezieht sich auf die Bedeutung der Sprachzeichen, die auch psychisch ist und im Langzeitgedächtnis behalten wird (vgl. ebd.). Die Bedeutung steht in einem Zusammenhang mit dem Denotat sowie der (gedanklichen) Vorstellung des Rezipienten im Hinblick auf das zu versprachlichende Objekt oder den zu versprachlichenden Sachverhalt (vgl. Linke et al. 2004: 30). Das Verhältnis zwischen ihnen stellt aber nicht ausschließlich eine 1: 1-Zuordnung dar (vgl. Galliker 2013: 87). Als sprachliches Zeichen hat im Allgemeinen ein Wort in einer menschlichen Sprache eine Formseite und eine Inhaltsseite, was durch die folgende Abbildung (siehe Abb. 2-1) illustriert werden kann. 16 2 Wörter und mentales Lexikon 2 Die Abbildung wurde in Anlehnung von Saussure 2001: 78 erstellt. 3 Da einige chinesische Schriftzeichen zum Piktogramm oder zur Ideographie zählen, ist der Zusam‐ menhang zwischen der graphischen Form der Schriftzeichen und dem zu versprachlichenden Objekt leicht nachvollziehbar. Jedoch ist das akustische Lautbild der chinesischen Schriftzeichen schwer zu erklären, was genauso wie bei den deutschen Wörtern der Fall ist. Betreffend die ausführliche Darstellung der chinesischen Schrift vgl. beispielweise Schlobinski 2001. Abb. 2-1: Bilaterales Zeichenmodell 2 Dabei impliziert die Inhaltsseite des sprachlichen Zeichens eine Bedeutung bzw. ein gedankliches Konzept. Dieses Konzept ist auf der Grundlage der Form des sprachlichen Zeichens wahrzunehmen, die akustisch oder graphisch zum Ausdruck gebracht wird. Aufgrund der Besonderheit symbolischer Zeichen besteht zwischen beiden Seiten des Zeichens kein logischer Zusammenhang, sondern die entsprechende Relation entsteht unter dem Einfluss der Konvention. Beispielsweise heißt das Wort für ein Gebäude, das den Menschen zum Wohnen dient, in der deutschen Sprache nicht „Gaus“ (/ [gaʊ̯s]/ ), sondern „Haus“ (/ [haʊ̯s]/ ). Die Entscheidung des Lautbildes kann aber durch einen logischen Zusammenhang schwer begründet werden. Ebenfalls ist dies bei Wörtern der chinesischen Sprache der Fall. Beispielweise ist es schwierig, durch logische Überlegungen abzuleiten, warum die Vorstellung von „Haus“ in der chinesischen Sprache durch das akustische Laut‐ bild „fáng“ und durch die graphische Form „ 房 “ präsentiert wird. 3 Dieses Merkmal über die Korrelation beider Seiten sprachlicher Zeichen ist besonders bei solchen einfachen Wörtern in den beiden Sprachen anzutreffen. In diesem Zusammenhang hebt Elsen (2013) hervor, dass ein Wort zunächst aufgrund der Besonderheit seines symbolischen Zeichencharakters und unter Berücksichtigung der individuellen Denkweise des Menschen nicht immer ohne Weiteres analysiert werden kann. Insbesondere im Falle der Simplizia spielt der Aspekt der Arbitrarität in Bezug auf die beiden Seiten eines sprachlichen Zeichens eine entscheidende Rolle (vgl. Elsen 2013: 18). Bei Komposita wiederum, die sich beispielsweise aus zwei oder mehreren Simplizia zusammensetzen können, ergeben sich die Inhalte des jeweiligen komplexen Wortes im Idealfall aus der Summe der entsprechenden Teilbedeutungen der komponierten Lexeme. Beispielsweise lässt sich die Semantik des deutschen Wortes „Haustür“ sowohl im Hinblick auf die Ausdrucksals auch auf die Inhaltsseite leicht erschließen, sofern dem Rezipienten die Wörter „Haus“ und „Tür“ vertraut sind. Dies ist bei dem chinesischen Wort „ 房 (fáng, Haus) 门 (mén, Tür)“ auch anzutreffen, welches 2.1 Wörter als sprachliche Zeichen 17 4 Dargestellt in Ogden & Richards 1972: 11. die gleiche Vorstellung des deutschen Wortes „Haustür“ präsentiert. Jedoch ist dies bei Komposita nicht immer der Fall, wodurch sich im Einzelfall Verständnisschwierigkeiten ergeben können. In der Praxis sind sprachliche Zeichen nicht ausschließlich auf innersprachlicher Ebene zu untersuchen, sondern für eine eingehende Analyse sprachlicher Zeichen soll basierend auf der Zeichentheorie de Saussures, als weitere Größe der Gegenstand bzw. der Referent in den Analyseprozess einbezogen werden (vgl. ebd.). Ein möglicher Erklärungsansatz dafür kann darin gesehen werden, dass sprachliche Zeichen im Rahmen des sprachlichen Handelns im Prinzip kein Selbstzweck sind bzw. nicht nur für sich selbst stehen, sondern eine Verweisfunktion übernehmen und das entsprechende gedankliche Bild (im Kopf des Rezipienten) aktivieren, wodurch eine Beziehung zu dem entsprechenden außersprachli‐ chen Gegenstand oder Sachverhalt (in der Realität) hergestellt wird. Hierbei sind drei relevante Komponenten des sprachlichen Zeichens von Relevanz: der Zeichenausdruck, der Zeicheninhalt und der Referent. Das Verhältnis der drei Komponenten des sprachlichen Zeichens wird durch das semiotische Dreieck (Abb. 2-2) angezeigt (vgl. Ogden & Richards 1972: 11). Abb. 2-2: Semiotisches Dreieck 4 So wird beispielsweise beim Lesen oder Hören des Wortes „Haus“ (/ [haʊ̯s]/ ) seitens des Rezipienten, der über Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, das zum Wohnen dienende Gebäude assoziiert. Mithilfe dieser Vorstellung wird bei einer sprachlichen Handlung auf den betreffenden konkreten Referenten verwiesen, bei dem es sich um ein reales Haus handeln kann (jedoch ist auch ein Gespräch über ein in Zukunft geplantes Haus möglich). Auf der Grundlage des semiotischen Dreiecks kann die Mehrdimensionalität sprachlicher Zeichen anschaulich charakterisiert werden. An dieser Stelle ist zu betonen, dass die Bedeutung eines Wortes unter verschiedenen Aspekten charakterisiert werden kann. Einerseits kann sie auf ein gedankliches Konzept verweisen, wobei dann von der jeweiligen Intension die Rede ist. Andererseits kann die Bedeutung eines Wortes mit allen einschlägigen Objekten korrespondieren, bezüglich deren der Zeichenausdruck eine 18 2 Wörter und mentales Lexikon Referenz besitzt. In diesem Falle steht die extensionale Bedeutung bzw. die Extension im Mittelpunkt des Interesses, was exemplarisch an dem Wort „Stuhl“ von Elsen (2013) illustriert wird: Die intensionale Bedeutung von Stuhl kann mithilfe seiner Eigenschaften näher beschrieben werden, etwa „Sitzgelegenheit für eine Person, vier Beine, Rückenlehne, keine Armlehnen, nicht gepolstert“. Die Extension können wir bestimmen über die einzelnen Objekte, auf die das Wort sich bezieht, indem wir beispielsweise auf verschiedene Stühle zeigen. (Elsen 2013.: 19) Daran ist zu erkennen, dass ein Wort neben einer sogenannten grundlegenden Bedeutung auch verschiedene erweiterte Bedeutungen hat, die je nach den Kontexten variieren. Auf der Basis des oben erwähnten Beispiels über das sprachliche Zeichen Stuhl ist zu erkennen, dass man von Intension spricht, wenn diskutiert wird, wie man ein Zeichen versteht bzw. interpretiert. Im Rahmen der Extension des sprachlichen Zeichens ist der bezeichnete Gegenstand mit der Wirklichkeit gleichzusetzen (vgl. Brun & Hirsch Hadorn 2018: 106 f.). Hierbei kommt nicht nur die interne sprachsystematische Dimension in Betracht. Ergänzend wird der außersprachliche Bezug von sprachlichen Zeichen in die Analyse miteinbezogen, sodass das gedankliche Konzept des Gegenstandes oder des Sach‐ verhalts und der Referent in der außersprachlichen Wirklichkeit approximativ differenziert werden. Zwar erweist sich das semiotische Dreieck als aufschlussreich für weiterführende Forschungen, jedoch kann diese Theorie noch modifiziert werden, wobei eine nähere Erläuterung hinsichtlich des Begriffs der Bedeutung bzw. der Intension erforderlich ist angesichts der Tatsache, dass sich diesbezügliche Theorien noch nicht in Einklang bringen lassen (vgl. ebd.: 107). Anders als in der sprachwissenschaftlichen Forschung können Gedanken und die ihnen entsprechenden Gegenstände bzw. Sachverhalte gemeinsprachlich als identisch angesehen werden (vgl. Elsen 2013: 20). Im Allgemeinen setzt sich ein sprachliches Zeichen aus zwei Komponenten zusammen. Die beiden Komponenten sind das Formativ und die Bedeutung. Auf der Formativebene sind zwei untergeordnete Elemente zu unterscheiden, in deren Rahmen sich das sprachliche Zeichen akustisch bzw. visuell manifestiert. Wenn die Rede vom mündlichen bzw. lautlichen Aspekt eines sprachlichen Zeichens ist, spricht man vom Lautbild. Die Komponente auf der schriftlichen Ebene wird als Schriftbild bezeichnet. Beide Komponenten sprachlicher Zeichen (Formativ und Bedeutung) weisen eine psychisch relevante Eigenschaft auf unter Berücksichtigung der Tatsache, dass erstere Komponente einem mentalen Äquivalent für die Rezeption bzw. Produktion kommunikativen Handelns entspricht und dass durch letztere Komponente ein Gegenstand oder Sachverhalt der außersprachlichen Realität im Gedächtnis aktiviert wird (vgl. Römer & Matzke 2010: 63; Linke et al. 2004: 31). Des Weiteren kann im Rahmen der bereits angeführten Theorien und Beispiele davon ausgegangen werden, dass durch ein sprachliches Zeichen nur die Vorstellungen und Gedanken bezüglich des Denotats direkt und immanent fokussiert werden können. Das heißt, dass mit einem sprachlichen Zeichen nicht ein Gegenstand in der Wirklichkeit und die verbale Realisierung dieses Gegenstandes verbunden werden, sondern ein gedankliches Bild und ein Lautbild bei den Zeichenbenutzenden. In Verbindung mit den arbiträren und konventionellen Besonderheiten der Zuordnung der Ausdrucks- und der Inhaltsseite sprachlicher Zeichen ist von einer gewissen Subjektivität bei den 2.1 Wörter als sprachliche Zeichen 19 Rezipienten auszugehen. Demnach kann geschlussfolgert werden, dass durch die Verwen‐ dung sprachlicher Zeichen aufgrund dieser speziellen Eigenschaften keine objektive und völlig reale Abbildung der Außenwelt verbalisierbar ist. Vielmehr werden die Erkenntnisse einer bestimmten Gesellschaft bzw. Gemeinschaft (als einer sprachlichen Gruppe) über diese Außenwelt widergespiegelt. Mit anderen Worten sind die sprachlichen Zeichen, die in einer menschlichen Sprache als Wörter angesehen und verwendet werden, nicht naturgegeben, sondern sie sind von der gesellschaftlichen Kultur und anderen mensch‐ lichen Einflüssen geprägt. Darauf ist beispielsweise die Tatsache zurückzuführen, dass ein identischer Gegenstand in der Realität von unterschiedlichen Menschengruppen aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven verschiedenartig erklärt, interpretiert und damit unterschiedlich assoziiert wird. Zum Beispiel ist es denkbar, dass sich die Assoziation in Bezug auf den Schul- und Studienalltag wegen der gesellschaftlichen Unterschiede und des Schulsystems zwischen Deutschland und China bei den Menschen aus den beiden Ländern voneinander unterscheiden kann. Zum Beispiel kann das sprachliche Zeichen „Stu‐ dienalltag“ bei chinesischen Studierenden zwar mit dem anderen Wort bzw. sprachlichen Zeichen „Studentenwohnheim“, aber kaum mit dem Wort „WG“ oder „Wohnungssuche“ assoziiert werden. Der Grund dafür ist, dass die chinesischen Hochschulen grundsätzlich immer ihren Studierenden die Zulassung zum Studium zugleich mit einem Platz in einem Studentenwohnheim anbieten. Hinzu kommt, dass die Studierenden während ihres Stu‐ diums in der Regel im Studentenwohnheim wohnen. Somit brauchen die Studierenden in China sich nicht um die Unterkunft bzw. die Wohnung zu sorgen, egal wie weit der (frühere) Wohnort der Studierenden von ihrer Hochschule entfernt ist. In diesem Zusammenhang lässt sich sagen, dass das sprachliche Zeichen „Studienalltag“ oder „Studentenleben“ bei chinesischen und deutschen Studierenden zwar einen gleichen Gegenstand oder einen gleichen Sachverhalt in der außersprachlichen Wirklichkeit innehat, aber unterschiedliche Konnotationen im Rahmen eines gedanklichen Bildes. All dies kann zeigen, dass Wörter als sprachliche Zeichen hoch komplex sind. So besteht nicht nur eine Beziehung zwischen dem Lautbild und dem Inhalt sowie dem präsentierten Gegenstand im Rahmen eines einzelnen Wortes, sondern auch eine Beziehung zwischen zwei oder mehreren Wörtern, die durch das gedankliche Konzept hergestellt wird. Diese zwischenwörtliche Beziehung wird im nachfolgenden Kapitel ausführlich dargestellt. Weitere Beispiele im Hinblick auf die Assoziationen von Wörtern werden in Kapitel 7 gezeigt. Beim Fremdsprachenlernen bedeutet das Wortschatzlernen somit nicht nur die sprach‐ liche Aneignung der Wörter im Hinblick auf ihr Lautbild und ihr Schriftbild sowie ihre Bedeutung. Es gibt noch weitere mit den Wörtern verbundene Aspekte, die für das Wortschatzlernen oder die Aneignung einer Fremdsprache wichtig sind. Dazu zählen beispielsweise die Konnotation der Wörter und die Beziehung zwischen den Wörtern selbst. Durch das obige Beispiel über den Studienalltag lässt sich aus der didaktischen Perspektive erkennen, dass chinesische Deutschlernende zum Thema „Studium in Deutschland“ die sich auf die Wohnungssuche beziehenden Wörter erlernen sollten. In diesem Prozess können sie einerseits landeskundliche Kenntnisse über das Studentenleben in Deutschland gewinnen, andererseits sind sie durch das Wortschatzlernen in der Lage, mit der Situation im Hinblick auf die spätere Wohnungssuche für ihr zukünftiges Studium in Deutschland umzugehen. Dafür spricht die Annahme, dass die Beherrschung des Wortschatzes einer 20 2 Wörter und mentales Lexikon Fremdsprache den Gebrach dieser Sprache voraussetzt (vgl. Nezhad Masum 2012: 96). Hinzu kommt, dass der fehlende Wortschatz im Vergleich zur unvollständigen Beherrschung der grammatischen Kenntnisse leichter zu Problemen mit der Verständigung in der Kommunikation führen können (vgl. ebd.). Daraus ist die Wichtigkeit des Wortschatzes im Kontext der Fremdsprachendidaktik zu erkennen und dieser Aspekt wird in Kapitel 3 dargestellt. Im nächsten Teilkapitel wird der Begriff „Wort“ aus der psycholinguistischen Perspektive behandelt, damit die Komplexität des Wortes eingehend dargestellt wird, was die Sprachrezeption und die Sprachproduktion zum Ausgangspunkt nimmt. 2.2 Das mentale Lexikon Den Begriff „mentales Lexikon“ kann man aus zwei unterschiedlichen Perspektiven verstehen. Aus Sicht der allgemeinen Sprachwissenschaft wird das mentale Lexikon als „Gesamtheit des mental repräsentierten Wissens eines Sprachteilhabers über die Wörter seiner Sprache(n)“ (Nezahad Masum 2012: 24) angesehen. Ausgehend von anderen Fach‐ gebieten stellt das mentale Lexikon eine Teilkomponente des kognitiven Systems dar. In dieser Komponente werden verschiedene lexikalische Informationen mental repräsentiert und zusammengeführt (vgl. ebd.: 24 f.). Als Gemeinsamkeit der beiden Betrachtungsweisen ist zu erkennen, dass das mentale Lexikon den mentalen Bestand des lexikalischen Wissens darstellt und es alle lexikalischen Kenntnisse des Sprechenden miteinschließt, die in diversen sprachlichen Handlungen verwendet werden (vgl. Höhle 2012: 13). In der vorlie‐ genden Arbeit wird das mentale Lexikon in Bezug auf die Sprachverarbeitung als Vermittler bzw. Mediator im kognitiven System angesehen, der in den Prozessen betreffend die Konzeptualisierung und die Enkodierung sowie die Dekodierung der grammatischen oder phonologischen Informationen etc. der sprachlichen Einheiten für die Sprachhandlungen eine Rolle spielt (vgl. Wei 2002: 693). In diesem Zusammenhang sind unter anderem folgende Fragen als theoretische Grundlage für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung: Auf welche Weise werden die Merkmale bzw. die Informationen von Wörtern im mentalen Lexikon repräsentiert? Wie werden diese lexikalischen Repräsentationen verbunden? Wie ist das mentale Lexikon organisiert? Wie vollzieht sich der lexikalische Zugriff im mentalen Lexikon, wenn man Wörter bzw. Sprachen rezipiert und produziert? Im nachfolgenden Kapitel wird der Themenkomplex des mentalen Lexikons ausführlich erläutert. 2.2.1 Funktionsweise des mentalen Lexikons Das mentale Lexikon wird als Wortspeicher im menschlichen Gehirn angesehen (vgl. Aitchison 1997: 44) und als „sprachlicher Wissensbestand im Langzeitgedächtnis“ (Dietrich & Gerwien 2017: 26) betrachtet. Wie in einem Wörterbuch werden im mentalen Lexikon permanent neue Wörter aufgenommen, die im Laufe des Spracherwerbs gelesen, gehört und gelernt werden. Im Rahmen dieses Prozesses werden die verschiedenen Wortmerkmale gespeichert. Generell fungiert das mentale Lexikon als internes Wörterbuch, in dem alle lexikalischen Einträge eines Lernenden gespeichert werden und zu einem bestimmten Zeit‐ punkt erforderlichenfalls gesucht bzw. „nachgeschlagen“ und auch bei Bedarf abgerufen 2.2 Das mentale Lexikon 21 werden können. Jedoch weist das sogenannte interne Wörterbuch im Vergleich zu einem realen Wörterbuch große Unterschiede auf. Zum Beispiel wird ein lexikalischer Zugriff im mentalen Lexikon nicht bewusst realisiert, sondern er wird im Prinzip automatisch aktiviert (vgl. Liu 2012: 68). Das mentale Lexikon verfügt über eine dynamische Organisa‐ tionsstruktur und lässt sich beim Lernprozess des Sprachlernens erwerben und zugleich auch erweitern (vgl. Roche 2011: 397). Außerdem werden die Wörter im mentalen Lexikon nicht strikt alphabetisch sortiert, wobei Römer (2019) die Unterschiede zwischen einem schriftlich vorliegenden Lexikon und dem mentalen Lexikon wie folgt charakterisiert: Das mentale Lexikon unterscheidet sich grundlegend von den Buchlexika in folgender Hinsicht: - Das mentale Lexikon ist nicht alphabetisch geordnet, aber gut organisiert. Letzteres zeigt sich daran, dass Sprecher in Millisekunden Wörter erkennen. […]. - Das mentale Lexikon ist nicht begrenzt, sondern vielmehr ständig erweiterbar. Es umfasst qualitativ viel mehr als alle Buchlexika. Das mentale Lexikon ist deshalb nicht statisch, sondern dynamisch. (Römer 2019: 104) Angesichts dieser Anordnung bzw. Organisation der gespeicherten Wörter gestaltet sich der Suchvorgang im mentalen Lexikon dementsprechend ebenfalls anders als in einem Lexikon, das in der Wirklichkeit in gedruckter Form vorliegt. In alltäglichen Situationen werden die gespeicherten Wörter in Abhängigkeit von unterschiedlichen Diskurszwecken adäquat abgerufen, damit zum Beispiel eine monologische oder dialogische Kommunika‐ tion in harmonischer Weise vonstattengehen kann. Vor der Erläuterung der Struktur des mentalen Lexikons ist daher zunächst zur Kenntnis zu nehmen, welche Rolle es spielt, dass die Sprache bzw. das Sprachsystem im Rahmen der Sprachrezeption und -produktion des Menschen ihren konkreten Niederschlag findet. Durch diese Erläuterung kann die Wichtigkeit des mentalen Lexikons, welches einen zentralen Punkt der theoretischen Grundlagen der vorliegenden Arbeit darstellt, in alltäglichen sprachlichen Handlungen deutlich erkannt werden. Da der Prozess der Sprachverarbeitung bisher zum größten Teil auf dem Gebiet der Sprachproduktion demonstriert wurde (vgl. Roche & Suñer 2017: 126), werden vor allem die kognitiven Vorgänge hinsichtlich der Produktion geschriebener und gesprochener Sprache in den Vordergrund gerückt. Im Rahmen der Sprachproduktion wird die Funktion erfüllt, dass die Sprechabsicht einer Person zum Ausdruck gebracht wird. Bevor sich ein Sprecher artikuliert, muss er über eine Intention verfügen, auf deren Basis die Inhalte des Sprechens determiniert werden. Die zu verbalisierenden Informationen werden beispielsweise an den aktuellen Kontext, die Situation und den Zweck der Kommunikation angepasst, was eine entscheidende Voraussetzung für die Überführung der Intention in eine lineare sprachliche Form darstellt, wobei die Berücksichtigung der Verwendungsregeln der Sprache von zentraler Relevanz ist. Sofern Fehler in der Äußerung auftreten und diese seitens des Sprechers registriert werden, können sie von ihm eigenständig korrigiert werden. 22 2 Wörter und mentales Lexikon 5 Die Schritte im Gesamtprozess hinsichtlich der Einzelwortproduktion werden durch ein weiteres Modell von Levelt et al. (1999: 3) dargestellt. Abb. 2-3: Levelts Modell zur Sprachproduktion Die vorstehende Abbildung stellt ein modulares psycholinguistisches Modell von Willem J. M. Levelt dar (1991: 9). In diesem Modell wird der gesamte Prozess der Sprachproduktion in erster Linie in die folgenden Teilprozesse grob gegliedert: die Konzeptualisierung, die For‐ mulierung, die Artikulation und das (Selbst-)Monitoring (vgl. ebd.: 8-14). Es ist erkennbar, dass das mentale Lexikon verschiedene lexikalische Informationen für die Umsetzung einer Sprechabsicht liefert. Entsprechend dem Modell werden dabei die lexikalischen Informa‐ tionen vom mentalen Lexikon zur grammatischen und auch zur phonetischen Codierung abgerufen. In Kombination mit den semiotischen Theorien (vgl. Kapitel 2.1) lässt sich sagen, dass eher die Informationen hinsichtlich der Formseite der Wörter als sprachliche Zeichen im Prozess der Sprachproduktion mitwirken. Levelts Modell 5 ist weit verbreitet und erweist sich im Hinblick auf weiterführende Forschungen zur Sprachverarbeitung als sehr aufschlussreich. Darüber hinaus gelangt dieses Modell auch in anderen einschlägigen Untersuchungsbereichen zur Anwendung (vgl. Müller 2013: 26). Unter Berücksichtigung der Komplexität der Sprachproduktion können drei Arten von Handlungen bei der Sprachproduktion unterschieden werden: sprachferne, sprachnahe und direkt sprachliche Aktivitäten (vgl. Dietrich & Gerwien 2017: 113 f.). Bei den sprachfernen Aktivitäten geht es noch nicht um die Inhalte einer Äußerung, sondern um die Kommuni‐ 2.2 Das mentale Lexikon 23 kationsbedingungen. Bei den sprachnahen Aktivitäten, die durch den Konzeptualisator bewältigt werden, steht die gedankliche Vorbereitung bzw. die Planung der Kommunika‐ tion im Zentrum. In den direkt sprachlichen Aktivitäten, die eine wesentliche Rolle bei der Formulierung und der Artikulation der Äußerung spielen, wird die abstrakte präver‐ bale Struktur durch Abruf lexikalischen Wissens bzw. der erforderlichen Informationen hinsichtlich der Lemmata und Lexeme im mentalen Lexikon des Sprechenden in eine sprachliche Form überführt. Dennoch besitzt das zu verbalisierende Produkt nach den erwähnten Verarbeitungsschritten lediglich eine rein kognitive Repräsentation. Auf der kognitiven Ebene des Sprechenden ist die Existenz eines phonetischen Planes, welcher spezifische Anweisungen zur Realisierung der Artikulation enthält, von zentraler Relevanz. Im Anschluss daran verbalisiert der Sprecher nach der gegebenen Anweisung mithilfe seines artikulatorischen Systems und der entsprechenden Sprechorgane die geplanten Sprechinhalte, damit seine Äußerung akustisch rezipiert werden kann. Während des Ver‐ arbeitungsprozesses können Fehler auftreten. Bei der Selbstkontrolle und -korrektur spielt das Monitoring eine große Rolle, in dessen Verlauf unter anderem der Istzustand des zu ge‐ nerierenden verbalen Produktes in den jeweiligen Teilprozessen der Sprachproduktion mit dem entsprechenden Sollzustand verglichen wird. Zur Anpassung des verbalen Produktes an den aktuellen kommunikativen Kontext und an die Kommunikationssituation werden Fehler bzw. inadäquate Produkte notwendigenfalls korrigiert bzw. modifiziert (zu einer systematischen und detaillierten Darstellung im Hinblick auf die Sprachproduktion vgl. Levelt 1991; Dietrich & Gerwien 2017). Daran ist zu erkennen, dass das mentale Lexikon eine große Rolle bei der Wortproduktion spielt. In Verbindung mit dem konzeptuellen System wirkt es bei allen wichtigen Schritte des Prozesses mit. Im fremdsprachendidaktischen Kontext sollte daher die Entwicklung der lexikalischen Wissensbestände und des seman‐ tisch-konzeptuellen Systems der Lernenden berücksichtigt werden. Diese Entwicklung der Wissensbestände kann durch die Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen beim Lernen gefördert werden. Dies stellt einen der Motivationsgründe für die empirische Untersuchung der vorliegenden Arbeit dar. Die Äußerung, die als sprachliches Signal akustisch wahrgenommen wird, stellt nicht nur das Endprodukt der Sprachproduktion dar, sondern sie erweist sich auch als Ansatzpunkt für das Sprachverstehen. Wie die Sprachproduktion an sich ist der gesamte Prozess der Sprachrezeption in Bezug auf gesprochene und geschriebene Sprache ebenfalls als komplexe kognitive Informationsverarbeitung zu verstehen. Dabei besteht der sprachliche Wahrnehmungs- und Verstehensprozess, der mit dem Schallereignis beginnt und mit der Sachverhaltsvorstellung endet, im Wesentlichen aus der lexikalischen Erkennung und dem Äußerungsverstehen (vgl. Dietrich & Gerwien 2017: 163 f.). Sobald die rezipierte Äußerung ein Wort umfasst, beginnen die beiden Schritte, die sich jeweils aus mehreren Prozesselementen zusammensetzen (zur Lautwahrnehmung vgl. beispielsweise McMurray & Jongman 2011; Liberman & Whalen 2000). Der gesamte Prozess der Worterkennung lässt sich im Allgemeinen in folgende Teilpro‐ zesse gliedern: initialer Kontakt, Selektion und Integration (vgl. Dahan & Magnuson 2006: 251 f.). Während des Worterkennungsprozesses in seiner Gesamtheit wird eine kognitive Handlung ausgeführt. Da die Beobachtung der Worterkennung von Lernenden keinen Schwerpunkt dieser empirischen Untersuchung darstellt, werden die Worterkennungspro‐ 24 2 Wörter und mentales Lexikon 6 Zur Interpretation der Wahrnehmung gesprochener Wörter vgl. beispielsweise McQueen et al. 2006. Zu den Erkennungsprozessen gesprochener Wörter vgl. das Kohortenmodell von Marslen-Wilson & Welsh 1978, Marslen-Wilson & Tyler 1980, das „TRACE“-Modell von McClelland & Elman 1986 sowie das „Shortlist“-Modell von Norris 1994 und Norris & McQueen 2008. Für diese Darstellung in Bezug auf die Rezeption geschriebener Wörter vgl. beispielsweise McClelland & Rumelhart 1981. 7 Da die Syntax bzw. die grammatische Analyse sprachlicher Äußerungen keinen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bildet, werden die Prinzipien und die Arbeitsweise des Parsers bei der Satzstruk‐ turanalyse nicht detailliert illustriert (für detaillierte Darstellungen zu diesem Themengebiet vgl. Anderson 2013: 276-286). 8 Dargestellt in Roche 2020: 83. zesse in diesem Kapitel nicht ausführlich diskutiert. 6 Für das Verstehen der Äußerung ist die Analyse der Satzstruktur (durch Parser 7 ) zwar erforderlich, aber nicht ausreichend. Damit das Ziel der Erfassung der Äußerungsbedeutung erreicht werden kann, sind eine semantische Interpretation und die Einbeziehung der semantisch aktivierten Informationen bzw. lexikalischen Repräsentationen in die syntaktische Gliederung ebenfalls unerlässlich. Abb. 2-4: Das Modell der Sprachverarbeitung 8 Sprachrezeption und -produktion können gemeinsam als Untersuchungsgegenstände des Themenkomplexes „Sprachverarbeitung“ analysiert werden aufgrund der Tatsache, dass beide Prozesse in Bezug auf die Wissensbestände eng miteinander verbunden sind. Zudem 2.2 Das mentale Lexikon 25 erweist sich das sprachliche Wissen, das sowohl gespeichert als auch abgerufen werden kann, im Hinblick auf beide Prozesse als dynamisch (vgl. Neumann 2013: 18). Für die beiden Prozesse wird ein Modell von Roche angeführt, mit dem das Sprachverstehen und die Sprachproduktion miteinander in Korrelation gesetzt werden (siehe Abb. 2-4). Auf der linken Seite des Modells befindet sich das Subsystem für das Sprachverstehen und auf der rechten Seite wird der Prozess der Sprachproduktion illustriert. Das Sprachverstehen vollzieht sich im Wesentlichen (jedoch nicht ausschließlich) als Bottom-up-Prozess. Die wahrnehmbare Sprache wird durch den Parser im Monitor registriert und in eine Nachricht transformiert. Danach geht sie als Input in das System ein, durch welches das Verstehen der Äußerung ermöglicht wird. Beispielsweise wird beim Hören in erster Linie mit der Wahrnehmung verschiedener Laute begonnen und nach der Identifizierung der Lautein‐ heiten kommen mehrere Teilsysteme in Gang. Dabei wird in dem Teilsystem, dem das mentale Lexikon zugänglich ist, der Prozess der Worterkennung initialisiert. Ein weiteres Teilsystem ist zuständig für die Analyse der syntaktischen Beziehungen zwischen den Wörtern und wiederum ein anderes Subsystem steht für die semantische Interpretation zur Verfügung. Zur Erfassung der akustisch wahrgenommenen Äußerungen tragen unter anderem das enzyklopädische Wissen, der Kontext und das Situationswissen entscheidend bei, insbesondere in dem Fall, dass ein Homonym oder ein Polysem in einem gegebenen Satz vorkommt. Hinsichtlich der Polysemie kann unter anderem der folgende Satz als anschauliches Beispiel betrachtet werden: Die Straße wird innerhalb von neun Wochen ausgebaut. Ohne Berücksichtigung von Kontext oder Diskurssituationswissen ist diese Äußerung nicht ohne Verzögerung eindeutig zu verstehen. Bezüglich des Kernstückes der Äußerung sind mindestens drei Interpretationen in Betracht zu ziehen, die im Fol‐ genden kurz angedeutet werden sollen: (1) Die Straße wird (möglicherweise aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens) erweitert; (2) Die Straße wird (möglicherweise wegen ihres schlechten Zustandes) instandgesetzt; (3) Die Straße wird (möglicherweise zu einem Weg, der für andere Zwecke zur Verfügung stehen soll) umgestaltet. Durch Einbeziehung des Kontexts und des Situationswissens kann ein schneller Zugriff auf die jeweils passende Bedeutung der Äußerung gewährleistet werden, die im mentalen Lexikon gespeichert ist, oder es wird gegebenenfalls ein zügiger Ausschluss der unpassenden semantischen Aspekte vorgenommen. Zudem gilt dies auch für die Festlegung einer eventuell für den Beispielsatz relevanten temporalen Angabe bzw. für die Berücksichtigung zeitlicher Faktoren. Anders als beim Sprachverstehen wird bei der Sprachproduktion, die im Wesentlichen (jedoch nicht ausschließlich) als Top-down-Prozess verläuft, ein abstraktes „inneres“ Kon‐ zept bzw. eine Sprechabsicht in ein konkretes und wahrnehmbares Konzept transformiert. Beispielsweise beginnt beim Sprechen die Sprachproduktion mit der Konzeptualisierung einer Nachricht. Hierbei werden die für die Verbalisierung relevanten Informationen se‐ lektiert und organisiert, was sowohl von der Konzeptualisierung als auch vom Sprachsignal beeinflusst werden kann. Da die Sprachproduktion prinzipiell von der Wahrnehmung der umweltspezifischen Kontextfaktoren abhängig ist, erfolgt darüber hinaus eine Verknüp‐ fung dieser Konzeptualisierung mit dem aktuellen Situationswissen des Sprechenden. Hinzu kommen noch das Weltwissen und das prozedurale Wissen, in deren Rahmen unter anderem diverse Kenntnisse bezüglich spezifischer Diskursmuster und Sprachhand‐ lungsprinzipien verankert sind. Der abstrakte Sprechplan stellt das Produkt des Konzep‐ 26 2 Wörter und mentales Lexikon tualisierungsprozesses dar. Bei diesem Sprechplan handelt es sich um eine präverbale Nachricht, die als Input in die sich anschließenden Verarbeitungsprozesse eingeht. Für die erfolgreiche Umsetzung der Sprechabsicht in einen konkreten Sprechplan erweist sich das Modul des Formulators als zentral, durch welchen die präverbalen Strukturen der Nachricht in Sprache transformiert werden. Basierend auf dem Formulator, der über einen Zugang zum mentalen Lexikon verfügt, erfolgen die Aktivierung des lexikalischen Wissens und die Vorbereitung für die Selektion der Wörter bzw. für den lexikalischen Zugriff. Im Anschluss daran wird im Formulator die grammatische Kodierung vorgenommen, wobei syntaktische Spezifikationen der lexikalischen Repräsentationen aus dem mentalen Lexikon zur Generierung eines syntaktischen Rahmens aktiviert werden. Parallel dazu wird der Äußerungsplan generiert, in dessen Rahmen die präverbale Äußerung phonologisch kodiert wird. Im Prozess der phonologischen Kodierung wird allen zu verbalisierenden Elementen eine äußere Form zugewiesen, was unter anderem nicht nur die Phoneme, sondern auch die Intonation und die Flexion betrifft. Als Produkt dieser Prozesse wird im Formulator ein phonetischer Plan erzeugt, der schließlich im Artikulator in konkrete wahrnehmbare Sprache transformiert wird. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass alle Teilprozesse der Sprachproduktion permanent durch den Monitor kontrolliert werden. Basierend auf dem wahrgenommenen Sprachsignal gleicht der Monitor beim Sprachverstehen die Intention des Sprechenden mit den Elementen der zu verbalisierenden Äußerung ab. Des Weiteren wird sichergestellt, dass bei einem potenziellen Fehler im Ab‐ lauf, beispielsweise bei einem Widerspruch oder bei einer Abweichung zur Sprechabsicht, nach einer entsprechenden „Alarmierung“ eine Korrekturoperation in Gang gesetzt wird (eine ausführliche Darstellung vgl. Roche 2020: 81-88). Das Modell kann als eine ausführlich erweiterte Darstellung im Hinblick auf die Sprach‐ verarbeitung angesehen werden. Dabei werden verschiedene Wissensarten konkretisiert, die für eine sprachliche Handlung erforderlich sein könnten. Nach diesem Modell lässt sich ableiten, dass die Kommunikation einen zirkulären Prozess von Sprachrezeption und Sprachproduktion darstellt, wobei das mentale Lexikon an allen Teilprozessen der Sprachverarbeitung einschließlich der Konzeptualisierung miteinbezogen ist. Was auffällt, ist, dass eine Verbindung zwischen dem mentalen Lexikon und dem Konzeptualisator (in der Sprachproduktion) im Modell zu sehen ist. Basierend auf den oben erwähnten Modellen ist zusammenfassend zu erkennen, dass nicht nur semantisches Wissen von Wörtern an der Realisierung einer Sprechabsicht oder einer Wahrnehmung der sprachlichen Signale betei‐ ligt ist und die Sprachverarbeitung eine hoch komplexe Strukturierung aufweist. Hierbei ist auffällig, dass das mentale Lexikon in der Sprachverarbeitung eine zentrale Funktion übernimmt. Die Relevanz des mentalen Lexikons in der Sprachverarbeitung ist durch die grafische Darstellung eindeutig veranschaulicht. Sowohl für die Sprachproduktion als auch für das Sprachverstehen ist der Zugriff auf das mentale Lexikon unerlässlich. Für die erfolgreiche Sprachverarbeitung ist auch eine Kombination des mentalen Lexikons mit vielen Kenntnissen in verschiedener Hinsicht erforderlich. Nach der Darstellung der Funktionsweise des mentalen Lexikons wird somit der Aufbau des mentalen Lexikons in den Blick genommen (vgl. Kapitel 2.2.2). Im Anschluss daran wird die Integration der Einträge der zweiten Sprache in das mentale Lexikon in Verbindung mit dem gedanklichen Konzept beschrieben (vgl. Kapitel 2.2.3). Da es in der vorliegenden Arbeit 2.2 Das mentale Lexikon 27 um das Deutschlernen geht, werden dabei die Besonderheiten des mentalen Lexikons der chinesischen Deutschlernenden diskutiert (vgl. Kapitel 2.2.4), was die Analyse der Daten der vorliegenden empirischen Untersuchung über das Wortschatzlernen bei chinesischen Deutschlernenden untermauert (vgl. Kapitel 7). Nicht zuletzt ist im Hinblick auf das Modell von Roche noch kennzeichnend, dass die Aktivierung des mentalen Lexikons ebenfalls berücksichtigt wird. Das mentale Lexikon wird aktiviert, nicht nur wenn eine Person ein passendes Wort für die zwischenmensch‐ liche Kommunikation auswählt und das Wort richtig bzw. kontextgemäß verwendet. Entsprechend des Modells ist zu ersehen, dass das mentale Lexikon auch aktiviert wird, wenn ein Mensch in einer sprachlichen Handlung neben den Ohren durch seine anderen Sinnesorgane (Auge, Nase, Mund und Haut) Reize aus der Umgebung wahrnimmt und diese Reize anschließend an das Gehirn weitergeleitet werden. Zu den Reizen zählen visuell, olfaktorisch, gustatorisch oder taktil wahrgenommene Signale. Am Beispiel der visuellen Wahrnehmung lässt sich sagen, dass auf die Wissensbestände des mentalen Lexikons zugegriffen wird, wenn ein Mensch durch seine Augen die Umwelt wahrnimmt. Das muss nicht unbedingt in einer zwischenmenschlichen kommunikativen Situation passieren. Der Zugriff kann ein Abruf einer spezifischen Information aus dem mentalen Lexikon sein. Es ist auch denkbar, dass ein visuell wahrgenommener Reiz das mentale Lexikon eines Menschen aktiviert und der Reiz als eine Repräsentation in die Wissensbestände des mentalen Lexikons eingetragen wird. In der Sprachproduktion ruft der Konzeptualisator bei Bedarf nachträglich diesen Eintrag ab, um eine Sprechabsicht auf der gedanklichen Ebene zu generieren. Dies stellt die theoretische Grundlage für die empirische Untersuchung im Hinblick auf die Beobachtung der Augenbewegungen der Lernenden und ihre Wörternetze dar, welche das mentale Lexikon der Lernenden visualisieren können. 2.2.2 Aufbau des mentalen Lexikons und Struktur lexikalischer Einheiten Unter Berücksichtigung der obigen Darstellungen bezüglich der Sprachverarbeitung ist zu erkennen, dass der lexikalische Zugriff aus dem mentalen Lexikon bei der Produktion und Rezeption sprachlicher Äußerungen eine zentrale Rolle spielt. Im Alltag lässt sich beobachten, dass eine Person als erfahrener Sprachbenutzer im Wesentlichen in der Lage ist, eine Vielzahl von Wörtern einer Sprache nicht nur unter einem einzelnen lexikalischen Aspekt, sondern unter diversen Aspekten angemessen zu verwenden. In diesem Zusam‐ menhang ist deutlich zu erkennen, dass es nicht nur semantisches Wissen von Wörtern im mentalen Lexikon gibt, wie die oben angeführten Modelle zeigen. Angesichts dessen stellt sich hierbei eine Frage, die für die vorliegende Arbeit von großem Interesse ist: Aufgrund welcher strukturellen Charakteristika des mentalen Lexikons ist es möglich, dass verschiedene Kenntnisse und die lexikalischen Informationen im mentalen Lexikon zur Realisierung der Kodierungen und Dekodierungen sprachlicher Äußerungen adäquat abgerufen werden können? Frühe Modelle des lexikalischen Zugriffs gehen auf den Frequenzeffekt (vgl. Oldfield & Wingfield 1965) zurück, wonach häufig gebrauchte Wörter schneller produziert und identifiziert werden können als weniger häufig verwendete Wörter. In Anbetracht der auf diesem Effekt basierenden Modellierung wird hinsichtlich der Struktur des mentalen 28 2 Wörter und mentales Lexikon 9 Für eine weiterführende Darstellung einer derartigen Modellierung vgl. Spalek 2012: 56 f. Lexikons postuliert, dass die Wörter im mentalen Lexikon nach ihrer Verwendungshäufig‐ keit in einer Art Liste absteigend angeordnet sind. 9 Dieser Vorstellung steht die Annahme gegenüber, dass das mentale Lexikon über eine netzwerkartige Struktur verfügt. In diesem Zusammenhang stellt jede Spezifikation eines Wortes einen Knoten dar, der mit anderen Knoten dieses Netzwerks in Verbindung steht. Unter Bezugnahme auf die Theorie über die Aktivierungsausbreitung kann ein Informationsfluss im Prozess der Sprachverarbeitung entlang der Verbindungen über die Knoten stattfinden. Diese Modelle wurden von der Informationsweiterleitung im Gehirn inspiriert, bei der unter‐ einander verbundene Nervenzellen mithilfe elektrischer Signale miteinander kommunizieren. In einem Netzwerkmodell stellt jeder Knoten eine Repräsentation eines Wortes oder einer Worteigenschaft dar. Entlang der Verbindungen kann Aktivierungsenergie fließen. Überschreitet die Aktivierungsenergie eines Knotens einen bestimmten Schwellenwert, so wird dieser Knoten ausgewählt. Das heißt, er steht nun zur weiteren Verarbeitung im Sprachproduktions- oder Sprachverstehensprozess zur Verfügung. In einigen dieser Modelle besitzen Knoten, die häufige Wörter repräsentieren, ein höheres Ruhepotenzial als Knoten, die seltene Wörter repräsentieren. Der Frequenzeffekt wird in diesen Modellen so erklärt, dass weniger Aktivierungsenergie nötig ist, um den Schwellenwert für ein hochfrequentes Wort zu überschreiten als für ein niedrigfrequentes Wort. (Spalek 2012: 57) Da die inhaltliche Anordnung der Einträge des mentalen Lexikons anders strukturiert ist als die entsprechende Anordnung in Wörterbüchern, findet bei der Beschreibung des Aufbaus des mentalen Lexikons häufiger der fachliche Ausdruck „lexikalische Einheit“ anstatt des Ausdrucks „Wort“ Verwendung, wobei eine lexikalische Einheit einen Eintrag im mentalen Lexikon darstellt. Die von einer lexikalischen Einheit repräsentierten Informationen lassen sich zunächst in einer vertikalen Dimension in drei Repräsentationsebenen gliedern, was anhand der folgenden schematischen Darstellung veranschaulicht werden kann (Abb. 2-5). 2.2 Das mentale Lexikon 29 10 Dargestellt in Dietrich & Gerwien 2017: 31. Es sollte hier noch angemerkt werden, dass sich diese lexikalische Einheit auf der Lemma-Ebene nicht auf die erste Person (1. Ps), sondern auf die dritte Person (3. Ps) bezieht. Abb. 2-5: Darstellung der vertikalen Gliederung einer lexikalischen Einheit im mentalen Lexikon 10 Wenn das vorliegende Modell unter Berücksichtigung der semiotischen Theorie in Kombi‐ nation mit den Modellen der Sprachverarbeitung betrachtet wird, wird ersichtlich, dass die Bedeutung eines Wortes und sein Ausdruck sowie der von ihm repräsentierte Gegenstand in diesem Modell über das mentale Lexikon weitgehend detailliert veranschaulicht werden. Für die Umsetzung einer Sprechabsicht entwickelt sich eine lexikalische Einheit auf der gedanklichen Ebene durch Konzeptualisierung und durch grammatische und phonetische Kodierung zu einem Wort. Durch die Grafik wird verdeutlicht, dass sich die konzeptuelle Ebene auf die (semantische) Bedeutung einer lexikalischen Einheit und auf die von der le‐ xikalischen Einheit referierte Vorstellung bezieht. Auf der zweiten Ebene („Lemma-Ebene“) geht es um morphologische und syntaktische Informationen, also beispielsweise um Wort‐ arten, Valenz von Verben oder die syntaktische Funktion, die ein Nomen im Satz übernimmt. Auf der dritten Ebene („Form-Ebene“) werden die lautlichen Informationen kodiert, die sowohl phonologische als auch orthographische Spezifikationen einer lexikalischen Einheit enthalten. Angesichts der Tatsache, dass alle lexikalischen Einheiten parallel dazu noch miteinander verknüpft werden, gelangt eine horizontale Vernetzung der lexikalischen Einheiten im gesamten mentalen Lexikon zur Anwendung (vgl. Dietrich & Gerwien 2017: 30 2 Wörter und mentales Lexikon 30), was zeigen kann, dass sich die holistische Struktur aller lexikalischen Einheiten als netzwerkartig erweist. Im Zusammenhang mit der Funktionsweise des mentalen Lexikons ist ferner anzumerken, dass ein Wort nicht als Gesamteinheit im mentalen Lexikon verankert wird. Dies bedeutet, dass sich die Informationen und Spezifikationen der verschiedenen Ebenen einer lexikalischen Einheit eng miteinander verbinden, jedoch parallel zueinander und separat in der Gedächtnisstruktur gespeichert werden. Basierend auf einer solchen Differenzierung ist zu erklären, warum eine lexikalische Einheit bei der Sprachproduktion oder der Sprachrezeption unter Umständen nicht vollständig bzw. nur partiell erfolgreich abgerufen wird. Im Rahmen experimenteller Befunde bezüglich der Unterscheidung von Form und Bedeutung wurden Beobachtungen an Patienten mit Hirn‐ schädigungen angestellt. In einer entsprechenden Untersuchung konnte verifiziert werden, dass diese Patienten trotz der Registrierung der Bedeutung der betreffenden Objekte die entsprechenden Bezeichnungen nicht artikulieren konnten (vgl. Damasio et al. 1996). Ergänzend sind noch Beobachtungen an zerebral gesunden Personen zu berücksichtigen. In unterschiedlichen alltäglichen Sprechsituationen begegnet häufig der Umstand, dass bei zerebral gesunden Personen beispielsweise beim Sprechen ein bekanntes Wort „auf der Zunge liegt“, welches diese Personen semantisch ohne Schwierigkeiten interpretieren können und zu welchem sie sogar Synonyme oder Antonyme aufzuzählen befähigt sind. Dennoch sind sie nicht in der Lage, das betreffende Wort (vollständig) zu artikulieren. Dieses Phänomen wird in der Fachliteratur als TOT-Zustand bezeichnet (Englisch: tip of the tongue) (vgl. beispielsweise Brown & McNeill 1966; Ecke 2009). Dies kann im Hinblick auf die Wortproduktion möglichweise darauf hindeuten, dass eine lexikalische Einheit im mentalen Lexikon bei der Wahrnehmung nicht vollständig eingetragen worden ist (vgl. Brown & McNeill 1966: 335). Der TOT-Zustand ist bei bilingualen Personen (im Vergleich zu monolingualen Personen) häufiger anzutreffen (vgl. Ecke 2009: 192-195). Abbildung 2-5 zeigt zudem, dass das Lautbild eines sprachlichen Zeichens bzw. die Informationen zum grafischen und lautlichen Gehalt einer lexikalischen Einheit auf der Form-Ebene kodiert werden. Auf dieser Ebene lassen sich die lexikalischen Informationen abrufen, die bei der phonologischen Kodierung im Prozess der Sprachproduktion oder bei der phonologischen Dekodierung im Prozess der Sprachrezeption zum Tragen kommen. Diese Informationen beziehen sich hauptsächlich auf den morphologischen Aufbau eines Wortes, die silbische Form und die lautlichen Segmente, die bei Bedarf abgerufen werden können. Auf der Lemma-Ebene der lexikalischen Einheiten in dem mentalen Lexikon finden sich die lexikalischen Informationen, die relevant für Arbeitsschritte in Bezug auf die grammatische Kodierung oder Dekodierung im Prozess der Sprachverarbeitung sind. Mit diesen Informationen sind Sprachbenutzende daher in der Lage, nicht nur einen gramma‐ tisch korrekten Satz zu generieren, sondern es ist auch möglich, einen grammatischen Fehler in einem Satz identifizieren zu können. Die syntaktischen Informationen schließen in erster Linie die Wortkategorie ein, wozu auch die Informationen zählen, die in einer engen Verbindung mit den Informationen der Form-Ebene stehen und Einfluss auf die Wortform ausüben. Auf der sogenannten konzeptuellen Ebene lassen sich hauptsächlich semantische Informationen der lexikalischen Einheiten abrufen, auf deren Basis jeweils spezifische Relationen zwischen Sprache und Welt angedeutet werden können. Hierbei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Wörter bzw. die lexikalischen Einheiten 2.2 Das mentale Lexikon 31 11 Anmerkung: Im Text wird der Plural des Wortes „Nachricht“ als Übersetzung verwendet. Der Singular des Wortes „Nachricht“ entspricht demselben chinesischen Äquivalent [bzw. 消 (xiāo) 息 (xi)]. Wenn der Singular „eine Nachricht lesen“ hierbei verwendet wird, heißt die chinesische Übersetzung: 看 (kàn) 一 (yī) 条 (tiáo) 消 (xiāo) 息 (xi), wobei das Zahlzeichen und die Mengenangabe (bzw. die Zähleinheitswort) in den meisten Fällen nicht weggelassen werden (eine Darstellung im Hinblick auf das Wort im Chinesischen vgl. Krames 2013: 42 f.). Was die bilinguale Wortassoziation betrifft, hat das chinesische Wort „ 消息 “ weitere deutsche Entsprechungen wie zum Beispiel „Information(en)“ und „Neuigkeit(en)“. Das bedeutet, dass chinesische Deutschlernende neben dem Wort „Nachricht(en)“ auch an die beiden erwähnten Wörter im gedanklichen Konzept denken können. Die Entscheidung für die Auswahl des angemessenen Äquivalents wird basierend auf den verschiedenen Aspekten getroffen (zum Beispiel Kontext, Gegenstand, Situation, Verb u. a.). Hieraus ist zu erkennen, dass die Verknüpfung zwischen dem chinesischen Wort und seinen deutschen im mentalen Lexikon nicht nur auf konkrete Gegenstände referieren können, sondern auch dazu beitragen, (hoch) abstrakte Sachverhalte in der Wirklichkeit bzw. im Weltwissen zu bezeichnen. All dies konvergiert mit der Vorstellung über Wörter als sprachliche Zeichen, was bedeutet, dass die Bedeutungen der Wörter bzw. die semantischen Informationen der lexikalischen Einheiten grundlegend für die Referenz auf außersprachliche Begriffe sind und sich sogar eine identische lexikalische Einheit in unterschiedlichen Kontexten semantisch um nur eine Nuance unterscheiden kann. In diesem Zusammenhang ist angesichts der netzwerkartigen Struktur der Gesamtheit lexikalischer Einheiten im mentalen Lexikon unter der holistischen Perspektive davon auszugehen, dass eine lexikalische Einheit als Ansatzpunkt bei der Sprachverarbeitung vielfältige Verbindungen mit anderen Knoten im kognitiven Wissensnetzwerk eingehen kann, was zu unterschiedlichen semantischen Interpretationen der betreffenden Einheit führen kann. Da in verschiedenen Sprachen die semantischen Charakteristika außersprach‐ licher Objekte und Sachverhalte in unterschiedlicher Weise kodiert sind (vgl. Dietrich & Gerwien 2017: 37), kann angenommen werden, dass ein gleiches Konzept bzw. ein identischer Sachverhalt in zwei Sprachen auf unterschiedliche Weise ausgedrückt wird. Beispielsweise wird eine elektronische Rechenanlage als Gegenstand, der im Deutschen mit einem einfachen Wort „Computer“ zum Ausdruck gebracht wird, im Chinesischen mit einem aus zwei Schriftzeichen bestehenden sprachlichen Ausdruck bezeichnet: 电 (diàn) 脑 (nǎo). Dieser Ausdruck ist bei wörtlicher deutscher Übersetzung mit dem Ausdruck „elektronisches Gehirn“ wiederzugeben. Komplikationen können sich in diesem Bereich in Bezug auf die Kollokationen von Wörtern ergeben, was im Folgenden mit zwei einfachen Beispielen in den Sprachen Deutsch und Chinesisch anschaulich verdeutlicht werden kann. Zum Thema „Essen und Trinken“ wird die deutsche Äußerung „Suppe essen“ im Chinesischen mit der Phrase „ 喝 (hē) 汤 (tāng) [Suppe trinken]“ verbalisiert. Als weiteres Beispiel ist das Verb für eine visuelle Wahrnehmung im Chinesisch „ 看 (kàn)“ zu nennen. Das chinesische Verb wird generell als Entsprechung des Wortes „schauen“ oder „sehen “ betrachtet. Ein Beispiel stellt die Phrase „ 看 (kàn) 手 (shǒu) 机 (jī)“ mit dem Verb „ 看 (kàn) “ dar, deren direkte Übersetzung „Handy schauen“ ist. Allerdings ist die Verwendung der direkten Übersetzung nicht deckungsgleich. Dazu wäre die Formulierung „auf das Handy schauen“ genauer und authentischer, wobei das Verb „schauen“ als ein intransitives Verb verwendet wird. Basierend darauf kommt noch die chinesische Phrase „ 看 (kàn) 消 (xiāo) 息 (xi) [Nachrichten] 11 “ als ein weiteres Beispiel hinzu, die ins Deutsche „Nachrichten (auf dem 32 2 Wörter und mentales Lexikon Äquivalenten auf unterschiedliche Weise hergestellt wird. Dieser Aspekt wird im nächsten Kapitel behandelt. Handy) sehen“ wörtlich übersetzt werden kann. Jedoch sollte hierbei entsprechend dem Sprachgebrauch das deutsche Verb „lesen“ anstatt des Verbs „sehen“ verwendet werden. Das deutsche Verb „lesen“ wird allerdings in den meisten Fällen durch ein anderes chine‐ sisches Äquivalent [„ 读 (dú)“] verstanden. Im chinesischen Äquivalent „ 读 (dú)“ liegt im Vergleich mit dem „ 看 (kàn)“ eher eine analytische Handlung verborgen. Daher bezieht sich die Phrase „ 读 (dú) 消 (xiāo) 息 (xi)“ darauf, dass man die exakten Inhalte der Nachrichten zu begreifen versucht. Im Vergleich dazu wird durch die Phrase „ 看 (kàn) 消 (xiāo) 息 (xi)“ gene‐ rell ein Lesevorgang (oder in manchen Situationen das Verstehen der allgemeinen Inhalte) beschrieben. In diesem Zusammenhang kann die deutsche Phrase „Nachrichten lesen“ nicht direkt übersetzt werden. Obwohl die direkte Verwendung der entsprechenden Äquivalente den Fluss der Kommunikation nicht stark beeinträchtigen könnte, ist für die chinesischen Deutschlernenden deutlich zu erkennen, dass das ausschließliche Aneignen der Bedeutung der Wörter für die sprachlichen Handlungen, besonders für die Sprachproduktion, nicht ausreichend ist. Anhand dieser Beispiele kann angenommen werden, dass verschiedene Verbindungen zwischen den lexikalischen Einheiten zweier Sprachen im mentalen Lexikon bestehen könnten. Solche Verbindungen können den Menschen bei den sprachlichen Handlungen in einer zweiten Sprache oder in der Fremdsprache helfen, außerdem können einige Verbindungen in manchen Fällen auch leicht zu Sprachfehlern führen. Daher ist es von Interesse, wie kompliziert das bilinguale oder mehrsprachige mentale Lexikon im Gehirn aufgebaut ist, was im Folgenden erläutert wird. Dabei wird das Verhältnis zwischen den lexikalischen Einträgen aus zwei oder mehreren Sprachen diskutiert, was die theoretische Grundlage für das Design und die Analyse der empirischen Forschung darstellt (Kapitel 6 und 7). 2.2.3 Erwerb des L2-Lexikons und dessen Verhältnis zum L1-Lexikon Wie in Kapitel 2.2.1 beschrieben, spielt das mentale Lexikon in der Sprachverarbeitung eine zentrale Rolle, deshalb stellt sein Erwerb in der Spracherwerbsforschung ein wichtiges Thema dar. Zur theoretischen Analyse und zur Beobachtung des Lexikonerwerbs mit diesem Themenkomplex werden diverse Forschungen durchgeführt (vgl. beispielsweise Stork 2003; Pavlenko 2009; Kersten 2010; Nezhad Masum 2012), durch deren Resultate ein wichtiger Beitrag zu weiterführenden Untersuchungen der Grundlagen der Wortschatz‐ arbeit geleistet werden, insbesondere im fremdsprachlichen didaktischen Kontext. Ange‐ sichts der Tatsache, dass eine Fremdsprache in den meisten Fällen nach dem Erwerb der Erstsprache bzw. Muttersprache erlernt wird, ist es daher unerlässlich, vor der Erläuterung des Wortschatzerwerbs in der L2 bzw. Zweit- oder Fremdsprache zunächst kurz auf den Erstspracherwerb bzw. den kindlichen Spracherwerb im Falle der Einsprachigkeit einzugehen. 2.2 Das mentale Lexikon 33 Beim kindlichen Spracherwerb wird die Erstsprache im Grunde primär akustisch wahrgenommen, was dazu führt, dass die phonologischen Komponenten der Wörter zuerst mental aufgenommen und gespeichert werden. Gemeinhin werden die Wortformen seitens der Kinder beispielsweise mit Unterstützung ihrer Eltern aus dem rezipierten Lautkontinuum isoliert, wodurch allmählich stabile phonologische Repräsentationen der Wörter im mentalen Lexikon aufgebaut werden. Mit zunehmendem Alter entwickelt sich das logische Denken und aufgrund der fortschreitenden analytischen Fähigkeit können die Wörter und ihre jeweiligen Wortbedeutungen bei mehrmaliger Registrierung bzw. Wahrnehmung mental zugeordnet werden. Im nächsten Schritt des L1-Erwerbs erfolgt die Aneignung der dazugehöriger syntagmatischen Verwendungsweisen der Wörter. Ba‐ sierend darauf besteht die Möglichkeit, dass eine sogenannte Sprechabsicht in einen aus mehreren Wörtern bestehenden sprachlichen Ausdruck transformiert wird. In Bezug auf die Wortform ist hervorzuheben, dass die graphematischen Repräsentationen im mentalen Lexikon mit dem Schriftspracherwerb bei den Kindern aufgebaut werden können. Die Verbindungen zwischen den graphematischen Informationen der lexikalischen Einheiten und den Wortbedeutungen sind auf verschiedene Arten herstellbar, zum Beispiel durch Lesen, durch Nutzung des Kontexts oder durch Text-Bild-Zusammenhänge. Wie beim L1-Erwerb werden zu Beginn des L2- oder Fremdsprachenerwerbs in erster Linie ebenfalls die Lautformen der neuen Sprache auf der Basis des rezipierten Laut‐ kontinuums identifiziert und isoliert, damit die phonologischen Repräsentationen der zu erlernenden Sprache mental etabliert und gespeichert werden können. In diesem Prozess spielt das phonologische Arbeitsgedächtnis eine zentrale Rolle. Zwischen dem phonologischen Gedächtnis und dem Vokabellernen in der Fremdsprache besteht den Untersuchungen von Service (1992) zufolge eine Proportionalität, die sich beispielsweise darin äußert, dass bei einer guten Informationsverarbeitung durch das phonologische Ge‐ dächtnis in Bezug auf den Lernerfolg beachtliche Fortschritte seitens der Lernenden erzielt werden. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt auch Singleton (1999), der die Auffassung vertritt, dass die Effizienz des phonologischen Arbeitsgedächtnisses der Lernenden für die lexikalischen Entwicklungsgeschwindigkeiten beim Fremdsprachenlernen entscheidend ist (vgl. Singleton 1999: 80). Was den Erwerb der Wortbedeutung in der Zweitsprache oder der Fremdsprache betrifft, ist davon auszugehen, dass ein neues sprachliches Zeichen in der Fremdsprache bei der ersten Registrierung, basierend auf dem bereits geformten konzeptuellen System und auf dem mit diesem sprachlichen Zeichen zu assoziierenden Referenten, relativ schnell identifiziert werden kann. Im Hinblick auf die Zuordnung der Wortinhalte zu den Wortformen kann der Lernende in der Anfangsphase mit einer Schwierigkeit konfrontiert werden: Im Fall des wortspezifischen Bedeutungserwerbs bei Erwachsenen wird ein neues Wort in der zu lernenden Sprache meistens dadurch ver‐ standen, dass ein in ihrer Erstsprache existierendes Übersetzungsäquivalent gesucht wird. Auf diese Weise kann die Hauptbedeutung eines neuen Wortes zwar sehr „zeitökonomisch“ internalisiert werden, jedoch sind beim Wortschatzerwerb unter Nutzung dieser Methode einige Probleme zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise der Umstand in Betracht zu ziehen, dass die Kenntnis der denotativen Semantik eines Wortes sehr häufig nicht ausreichend ist, um das komplette Referenzpotenzial eines Wortes und dessen Anwendungsvielfalt zu beherrschen. Wie bereits in Kapitel 2.1 beschrieben, 34 2 Wörter und mentales Lexikon kann des Weiteren unter Bezugnahme auf die angeführten Zeichentheorien ein Konzept bzw. ein Sachverhalt in der zu erlernenden neuen Sprache anders als in der Erstsprache interpretiert werden, auch wenn das Konzept in beiden beteiligten Sprachen gleich ist. Demzufolge besteht die Gefahr, dass durch die Nutzung sogenannter Äquivalente der Bedeutungserwerb nicht adäquat unterstützt wird, besonders wenn die zu erlernenden Wörter kulturspezifische Besonderheiten aufweisen, wobei in diesem Fall zusätzlich neue Wortinhalte im mentalen Lexikon aufgebaut werden müssen. So wie beim Erstsprach‐ erwerb wird durch die Zuordnung der Wortinhalte zu den Wortformen grundsätzlich auch beim Erwerb des mentalen Lexikons in der Zweitsprache oder Fremdsprache der Bedeutungserwerb initiiert. Im Laufe des Fremdsprachenlernens werden dann die Wort‐ inhalte bei den weiteren Begegnungen oder Wahrnehmungen der Wörter ergänzt und eventuell revidiert. Dabei ist prinzipiell die Aneignung konnotativer Wortbedeutungen in der Fremdsprache mit einem enormen Zeitaufwand verbunden. Für eine adäquate Erfüllung dieses Lernziels sind umfangreiche, vielfältige und differenzierte Erfahrungen im Rahmen des Sprachenlernens und des Sprachgebrauchs erforderlich (vgl. Koeppel 2016: 124). Ein Grund hierfür liegt darin, dass konnotative Wortbedeutungen als Komponenten von Wortinhalten auf Beziehungen zwischen dem Sprecher und der Sprachgemeinschaft hinweisen, wobei der Zusammenhang zwischen dem Ausdruck und dem Bezeichneten zentral ist. Daher sind konnotative Wortbedeutungen eher als sprachgruppenspezifisch zu klassifizieren, als innerhalb der Gemeinschaft der Zielsprache gefärbt und assoziativ, was unter anderem dazu führt, dass sich die Nebenbedeutungen der zu lernenden Wörter nur schwer auf der Basis der Erstsprache der Lernenden erschließen lassen. Parallel werden erst allmählich auch semantische Beziehungen zwischen den Wörtern hergestellt, sodass ein dynamisches Netzwerk von den neu gelernten und den bereits erlernten Wörtern bei den Lernenden entsteht. Die Auffassung, dass der L2-Erwerb im Hinblick auf die Lernprozesse und -schritte im Allgemeinen überwiegend dem L1-Erwerb ähnelt, kann auf Basis einschlägiger Untersuchungsergebnisse verifiziert werden. Zur Betrachtung dieses Sachverhalts führte Söderman (1989) beispielsweise ein Experiment durch, in dessen Rahmen die die englische Sprache lernenden Probanden nach ihrem jeweiligen Sprachniveau in vier Gruppen aufgeteilt wurden. Allen Probanden wurden Wörter als Stimuli vorgegeben und die Probanden wurden gebeten, mit den Wörtern zu assoziieren. Die von ihnen generierten „stimulusspezifischen“ Wortassoziationen wurden in den jeweiligen Gruppen einem Vergleich unterzogen. Die Untersuchung ergab, dass fort‐ geschrittene Englischlernende hinsichtlich der Stimuli im Assoziationstest paradigmatische Wortbeziehungen bevorzugen, während bei Probanden mit einem geringeren Sprachniveau eher Klangassoziationen und syntagmatische Beziehungen eine bedeutende Rolle spielen. Derartige Proportionen bezüglich der Nutzung unterschiedlicher Beziehungen zwischen Wörtern sind auch mit der Analyse von Zeichnungen von Kindern mit verschiedenen erstsprachlichen Niveaus vereinbar. Jedoch wird seitens des Autors hervorgehoben, dass möglicherweise ein genereller Fortschritt der Lernenden beim Fremdsprachenlernprozess zu dem festgestellten höheren Anteil paradigmatischer Assoziationen hinsichtlich der Stimuliwörter im Test führt (vgl. Söderman 1989, zitiert nach Koeppel 2016: 124 f.). Zur Veranschaulichung des Lexikonerwerbs in der Fremdsprache wird im Folgenden ein psycholinguistisches Modell von Jiang (2000) angeführt. Auf der Grundlage der Theorien 2.2 Das mentale Lexikon 35 12 In Anlehnung von Jiang 2000: 53 wurde die grafische Darstellung erstellt. 13 Die Abbildung wurde in Anlehnung von Jiang 2000: 54 erstellt. von Levelt schlug er ein Modell zur idealen internen Struktur eines fremdsprachlichen Lexikoneintrags im mentalen Lexikon vor, wobei sich die Struktur in folgender Grafik illustrieren lässt. Abb. 2-6: Interne Struktur eines fremdsprachlichen Lexikoneintrags 12 Die Abbildung zeigt, dass sich ein idealer Lexikoneintrag in der L2 bzw. in der Fremdsprache durch vier Spezifika auszeichnet und diese vier Komponenten sehr eng miteinander verbunden sind sowie integriert werden. Hierbei ist anzumerken, dass Wortbedeutungen bzw. semantische Wissensbestände in Bezug auf die lexikalischen Einträge im Modell von Jiang den Inhalten der Lemmata im mentalen Lexikon zugerechnet werden. Das heißt, dass die Komponenten der Semantik und der Syntax kennzeichnend für ein Lemma sind und die Komponenten der Morphologie und der phonologischen bzw. orthographischen Form einem Lexem zugerechnet werden. Darüber hinaus sollte eine direkte Verbindung zwischen dem Konzept und dem fremdsprachlichen mentalen Lexikon existieren. Jiang (2000) vertritt die Auffassung, dass bei der Entwicklung eines idealen lexikalischen Eintrags in der Fremdsprache im Rahmen des traditionellen Unterrichts hauptsächlich drei Phasen durchlaufen werden, was in folgender Grafik (siehe Abb. 2-7) dargestellt wird. Abb. 2-7: Entwicklung des L2-Eintrags im Prozess des Fremdsprachenlernens 13 36 2 Wörter und mentales Lexikon 14 Eine detaillierte Beschreibung vgl. Kapitel 2.2.4. Für die erste Phase der Generierung eines lexikalischen Eintrags in der Fremdsprache („eines L2-Eintrags“) ist zunächst die Repräsentation der gesprochenen und geschriebenen Wortform charakteristisch. In dieser Phase ist der Lemma-Teil des fremdsprachlichen lexikalischen Eintrags noch unbesetzt. Zudem besteht in dieser Phase keine direkte Verbindung zwischen dem Konzept und dem fremdsprachlichen Eintrag. Anschließend wird in der nächsten Phase, welche als „Versöhnungsphase“ bezeichnet werden kann, der Lemma-Teil eines fremdsprachlichen Eintrags auf Basis der Informationen des entsprechenden erstsprachlichen Lemmas („L1-Lemmas“) bzw. einer Kopie der Informationen im erstsprachlichen Lemma-Teil generiert. Schließlich wird die letzte Phase erreicht, sofern die Repräsentationen der vier Eigenschaften vollständig integriert werden. 14 Die drei Phasen vollziehen sich zwar nacheinander, können jedoch nicht direkt aufeinanderfolgend erreicht werden. Es ist festzuhalten, dass der Erwerb des mentalen Lexikons sowohl in der Erstsprache als auch in der Fremdsprache zunächst nicht ohne Weiteres erfolgversprechend und zügig verläuft. Zudem ist daraus abzuleiten, dass ein rascher zielgerichteter Lernerfolg bezüglich des Lexikonerwerbs in der Fremdsprache nicht leicht realisierbar ist, weil beispielsweise eine vollständig natürliche Lernumgebung beim Fremdsprachenlernen unter didaktischer Perspektive im Vergleich zum Erstspracherwerb häufig fehlt. Auch wenn sich Lehrende im Fremdsprachenunterricht bemühen, ihren Lernenden eine günstige Umgebung für den Fremdsprachenerwerb zu bieten, besteht immer noch die Gefahr, dass den Bedürfnissen der Lernenden in Bezug auf den Erwerb des fremdsprachlichen mentalen Lexikons nicht immer hinreichend entsprochen wird. Solche nur mühsam zu umgehenden Restriktionen und weitere Einschränkungen erschweren den Spracherwerbsprozess für die Lernenden in vielerlei Hinsicht, was zu Komplikationen bei der Aneignung der Wortformen und Wortinhalte führen oder bei der Zuordnung der Formseite der lexikalischen Einheiten und der entsprechenden Bedeutungsinformationen hinderlich sein kann. Im vorangegangenen Kapitel wurde erwähnt, dass sich das mentale Lexikon durch eine netzwerkartige Struktur auszeichnet. In Verbindung mit dem Spracherwerb und -gebrauch im Falle der Mehrsprachigkeit ist die folgende Frage von Interesse: Wie ist das (mehrsprachige) mentale Lexikon interlingual organisiert? Unter Berücksichtigung der bereits durchgeführten Forschungen wurden schon unterschiedliche Darstellungsmöglichkeiten im Hinblick auf das Verhältnis von den erstsprachlichen Einträgen (L1) und den zweitsprachlichen bzw. fremd‐ sprachlichen Einträgen (L2) im mentalen Lexikon vorgestellt. Allerdings sind die Meinungen nicht einheitlich und einer der Streitpunkte besteht darin, dass korrelierende Ergebnisse aus den Alltagsbeobachtungen, den Analysen im Hinblick auf den Versprecher und auch in den psycholinguistischen Experimenten sowohl für die gemeinsame als auch für die getrennte Speicherung der lexikalischen Einheiten sprechen (vgl. Koeppel 2016: 126). Im Fall der koor‐ dinativen Relation besitzen die Sprachen, welche sich ein Sprecher aneignet, jeweils eigene, voneinander getrennte lexikalische Systeme auf einer Makroebene des mentalen Lexikons. Es ist jedoch auch denkbar, dass die lexikalischen Einheiten aller vom Sprecher beherrschten Sprachen in einem einzigen Lexikon bzw. in einem gemeinsamen Wörternetz gespeichert (zusammengesetzt) und repräsentiert werden. Eine weitere mögliche Darstellung in dieser Hinsicht ist von einer subordinativen Relation gekennzeichnet und bei dieser Darstellung kann 2.2 Das mentale Lexikon 37 von einem Netzwerk mit Aktivierungsausbreitung ausgegangen werden (vgl. ebd.: 127). Bei dieser Konfiguration besteht jedoch die Möglichkeit, dass einige spezifische Informationen der Wortebene in diesem Netzwerk von bestimmten Teilmengen im Rahmen einer gemeinsamen Repräsentation dennoch getrennt im mentalen Lexikon gespeichert werden (vgl. Bot et al. 2005: 43). Die Auffassung, dass eine gemeinsame Repräsentation der lexikalischen Bedeutungen im mehrsprachigen mentalen Lexikon existiert, wird durch die Forschungsergebnisse gestützt, die anhand von Priming-Experimenten im Rahmen von Studien über mehrsprachigkeitstypische interlinguistische Phänomene gewonnen wurden. Basierend auf diesen Forschungen ist zu erkennen, dass die semantischen Aspekte in einer Sprache einen großen Einfluss auf die Verarbeitung des Zielitems in einer anderen erlernten Sprache ausüben (vgl. Roche & Suñer 2017: 140). Im Hinblick auf die syntaktischen Informationen in der Gesamtstruktur eines multilingualen mentalen Lexikons liegt ebenfalls noch keine einhellige Auffassung vor angesichts der Tatsache, dass die Ergebnisse einiger diesbezüglicher Studien einander teilweise widersprechen oder nicht aussagekräftig genug sind. Beispielsweise wurde in einer Priming-Untersuchung von Hartsuiker et al. (2004) die Satzproduktion mit dem Fokus auf die Verwendung von Aktiv und Passiv in Sätzen von bilingualen Menschen analysiert, die Spanisch als Erstsprache und Englisch als Zweitsprache sprechen. Diese Untersuchung hat ergeben, dass die Produktion eines englischen Satzes mit Passivform nach der schriftlichen Fixierung eines spanischen Passivsatzes signifikant häufiger auftritt als nach der Niederschrift eines spanischen Aktivsatzes. Die Autoren nehmen in diesem Zusammenhang an, dass dieser Befund auf eine gemeinsame Repräsentation des syntaktischen Systems und einen gemeinsamen Knoten im Netzwerk des mentalen Lexikons zurückzuführen ist. Jedoch kann diese Beobachtung in der von Loebell & Block (2003) durchgeführten Studie nicht bestätigt werden. An dieser interlingualen Untersuchung mit Fokus auf den Priming-Effekt und die Gesamtstruktur des mentalen Lexikons beteiligten sich deutsch-englischsprachige Probanden, wobei das oben im Rahmen der Satzproduktion existente Phänomen nicht auftrat. Bei Einbeziehung des konzeptuellen Systems in diese Diskussion können sich zunächst drei Modelle von Kroll und Stewart (1994) als hilfreiche Erklärungsansätze erweisen, die durch die folgende Abbildung illustriert werden. Abb. 2-8: Drei Modelle zu den Verbindungen zwischen dem semantisch-konzeptuellen System und den Wortformen von L1 und L2 38 2 Wörter und mentales Lexikon 15 Die Schaubilder 2-8a und 2-8b sind nach Kroll & Stewart 1994: 150 erstellt und das Schaubild 2-8c wird in Anlehnung an ebd.: 158 angefertigt. Die Komponente „Images“ in den Modellen bezieht sich jeweils auf die Diskussionen über Bilder und korrespondierende Bildbenennungen („picture naming“). Dies bildet die theoretische Basis für die forschungsspezifischen Experimente bildet. Angesichts der Tatsache, dass L2-Wörter von den Lernenden im Fremdsprachenunter‐ richt oft mittels ihrer Erstsprache bzw. durch die sogenannten Übersetzungsäquivalente erworben werden, nehmen Kroll und Stewart unter Nutzung des Wortassoziationsmodells (siehe Abb. 2-8a 15 ) an, dass die L2 als gleichwertiger sprachlicher Ersatz der L1 keine direkte Verknüpfung mit dem semantisch-konzeptuellen System aufweist. Durch Fortschritte beim Fremdsprachenlernen bzw. durch die Steigerung des Sprachniveaus in der L2 ändert sich das gesamte Verhältnis des semantischen Konzeptes zu L1 und L2. Mit der zunehmenden Beherrschung der Fremdsprache werden die L2-Wörter auch mit dem semantisch-konzep‐ tuellen System verknüpft, wobei das System eine Vermittlerrolle übernimmt und eine Brücke zwischen den Wortformen beider beteiligter Sprachen hergestellt wird, was von den Autoren in ihrem Konzeptentwicklungsmodell (siehe Abb. 2-8b) angenommen wird (vgl. Kroll & Stewart 1994: 150 f.). In dieser Studie wird die kategoriale Interferenz im Hinblick auf die Übersetzung und Bildbenennung erforscht. Hierbei werden asymmetrische Verbindungen zwischen den bilingualen lexikalischen Repräsentationen erkannt. Bei der Weiterentwicklung des Modells wird der Faktor in Betracht gezogen, dass sowohl ein Dominanzeffekt als auch eine Asymmetrie zwischen den bilingualen Wörtern existiert. Dabei zeigt sich die Asymmetrie vor allem darin, dass die Probanden in den Experimenten unter Einbeziehung des Kontexts und der Intensität der konzeptuellen Verbindung zu den Wortformen der jeweiligen Sprache langsamer von der L1 in die L2 übersetzten als umgekehrt. Die Erfüllung der Übersetzungsaufgaben von der L2 in die L1 ist eher von den lexikalischen Verbindungen zwischen den beiden Sprachen abhängig. Infolgedessen wird von den Autoren für die Darstellung der mentalen Verkettung zwischen dem konzeptuellen System und den bilingualen lexikalischen Repräsentationen das Revised Hierarchical Model (siehe Abb. 2-8c) vorgeschlagen. In diesem Modell wird die Qualität bzw. Intensität der Verbindungen zwischen allen Komponenten durch zwei verschiedene Strichtypen ange‐ deutet (vgl. Kroll & Stewart 1994: 157 f.). Auf der Basis dieses Modells ist erkennbar, dass die Erstsprache in Bezug auf die Verbindung zum konzeptuellen System eine dominierende Position einnimmt und die zweitsprachliche lexikalische Verbindung zur Erstsprache intensiver erscheint als die erstsprachliche lexikalische Verbindung zu der Zweitsprache. Mit dem sogenannten Revised Hierarchical Model lässt sich die holistische mentale Relation zwischen dem semantisch-konzeptuellen System und den bilingualen lexikalischen Reprä‐ sentationen explizieren. Das angesprochene Modell kann als bemerkenswerter Versuch einer grafischen Darstellung dieses komplexen Sachverhaltes angesehen werden. Es bedarf jedoch noch weiterer detaillierter Modifikationen (beispielsweise im Hinblick auf die Art der Darstellung der Komponente „Konzepte“). In Kapitel 2.1. wurde beschrieben, dass ein identischer Sachverhalt bzw. ein identisches Konzept in der Realität von verschiedenen Menschengruppen aufgrund ihrer jeweiligen Kulturen oder anderer Unterschiede und damit einhergehender differenter Perspektiven und Wertvorstellungen andersartig interpretiert werden kann. Angesichts dessen ist es vor‐ stellbar, dass Einheiten in diesem semantisch-konzeptuellen System, die durch Wortformen 2.2 Das mentale Lexikon 39 16 Dargestellt in Dong et al. 2005: 233. beider Sprachen verbunden sind, keine Kongruenz aufweisen. Obschon das chinesische Schriftzeichen 国 (guó) und das deutsche Wort „Staat“ zweifellos ein übersetzungsäquiva‐ lentes bilinguales Wortpaar darstellen und das mit beiden Wortformen assoziierte Konzept im Prinzip identisch ist, impliziert das chinesische Wort in der Tat noch den Begriff der (konnotativen) semantischen Information „Familie“ in einem weiteren Sinne, der durch das deutsche Wort auf der konzeptuellen Ebene anscheinend nicht stark expliziert wird. Angesichts dessen, dass es nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Nuancen und Schattierungen im semantisch-konzeptuellen System eines Sprechenden in Abhängigkeit von Zugang und Kompetenz bezüglich der jeweils beherrschten Sprachen gibt, schlagen Dong et al. (2005) das sogenannte Shared (Distributed) Asymmetrical Model (siehe Abb. 2-9) vor, in dem Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf die Inhaltskomponenten im konzeptuellen System, das von dem bilingualen mentalen Lexikon belegt wird, als entscheidende Faktoren betrachtet werden. Abb. 2-9: The Shared (Distributed) Asymmetrical Model 16 Dieser Abbildung ist zu entnehmen, dass das semantisch-konzeptuelle System nicht mehr durch ein einzelnes Modul dargestellt wird und es sich in drei Teile gliedert. Hierbei verfügen die L1 und die L2 auf der konzeptuellen Ebene im mehrsprachigen mentalen Lexikon jeweils über eigene sprachspezifische Elemente, auf die jedoch zugleich auf der Basis der jeweils anderen Sprache nur schwer zugegriffen werden kann. Die Gemeinsamkeiten im semantisch-konzeptuellen System bestehen bei beiden Sprachen, jedoch unterscheidet sich die Intensität der jeweiligen Verbindungen zum konzeptuellen System. Im Vergleich zur L2 kann durch das Modul auf die Informationen mit gemeinsamen Elementen leichter zugegriffen werden, was bedeutet, dass zu einem gemeinsamen Konzept ein entsprechendes L1-Wort mit geringerer Schwierigkeit assoziiert werden kann als sein Übersetzungsäquivalent in der L2. Neben dem konzeptuell asymmetrischen Modell von Dong et al. soll in diesem Zusammenhang noch ein weiteres Modell (Abb. 2-10) thematisiert werden, und zwar das Modified Hierarchical Model von Pavlenko (2009). 40 2 Wörter und mentales Lexikon Abb. 2-10: The Modified Hierarchical Model Im modifizierten hierarchischen Modell von Pavlenko (2009: 147) wird die spezifische Dynamik des Fremdsprachenlernprozesses berücksichtigt. Zudem werden im Rahmen dieses Modells sowohl die spezifischen Kategorien beider Sprachen als auch deren Ge‐ meinsamkeiten adäquat implementiert. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Endpunkte der Verbindungen der L2-Wortformen zum konzeptuellen System nicht durch die L2-spezifischen Kategorien dargestellt werden, sondern durch die Konzepte, welche im System zu den gemeinsamen Kategorien zählen. Trotz der Existenz spezifischer Unterschiede zwischen den beiden Sprachen wird bei diesem Modell gleich‐ zeitig die Vermittlerrolle des semantisch-konzeptuellen Systems bzw. die konzeptuelle Mediation in Bezug auf beide Sprachen beim Fremdsprachenerwerb in Betracht gezogen, was in den erwähnten Modellen von Kroll und Stewart inhaltlich noch zu präzisieren wäre. Die Generierung der für die Zweitsprache oder Fremdsprache typischen Kategorien auf der konzeptuellen Ebene ist nicht schlagartig zu realisieren. Vielmehr werden die L2-spezifischen Konzepte mit der Entwicklung der fremdsprachlichen Fähigkeiten und der Sprachbewusstheit des Sprechenden im L2-Erwerb allmählich von der durch die L1 gemeinsam mit der L2 genutzten Zone im konzeptuellen System separiert. Zu beachten ist in Pavlenkos Modell zudem der sogenannte konzeptuelle Transfer, der sich sowohl auf die L1 als auch auf die L2 bezieht und die Tatsache impliziert, dass das konzeptuelle Netzwerk von L1-Wörtern auf ihre Übersetzungsäquivalente übertragen wird, die sich inhaltlich nur partiell in gemeinsamen konzeptuellen Kategorien befinden. Ein derartiger Transfer findet auch von der L2 zur L1 statt. Außerdem nimmt Pavlenko an, dass das Erkennen dieses Effekts eine detailliertere Differenzierung der semantischen und konzeptuellen Repräsentationen voraussetzt. 2.2 Das mentale Lexikon 41 17 Die zitierte Arbeit ist zwar schon etwas älter, aber diese Ausführungen sind immer noch gültig. Diese übermäßige visuelle Abhängigkeit beim Lernverhalten der chinesischen Lernenden kann an den Merkmalen der Muttersprache bzw. der chinesischen Sprache liegen. Was ein einzelnes Wort betrifft, lässt sich sagen, dass die akustische Information bzw. die phonologische Form des chinesischen Wortes im Vergleich zu einem Wort in der deutschen Sprache bei der Sprachwahrnehmung nicht immer eine wichtige Rolle spielen kann, weil es viele Homophone in der chinesischen Sprache gibt. Daher ist oft nicht leicht verständlich, wenn nur ein (chinesisches) Wort ausgesprochen wird. Jedoch ist sofort nachvollziehbar, wenn ein Rezipient ein chinesisches Schriftzeichen sieht. Das kann dazu The term semantic representation refers here to the largely implicit knowledge of: (1) the mapping between words and concepts determining how many concepts and which particular concepts are expressed by a particular word via polysemy or metaphoric extension and (2) connections between words, which account for phenomena such as collocation, word association, synonymy and antonymy […]. This view locates semantic at the level of links between words and concepts, as well as words and other words, and is undoubtedly more narrow than that assumed in a lot of other work in linguistics and psychology. (Pavlenko 2009: 148) Unter Zugrundelegung dieser Differenzierung kann die separate Fokussierung des seman‐ tischen und des konzeptuellen Transfers realisiert werden. Des Weiteren wird m. E. durch diese Auffassung das psycholinguistische Modell Jiangs zum Lexikonerwerb in der L2 gestützt, wobei berücksichtigt wird, dass die semantischen Wissensbestände vom konzeptuellen System im mentalen Lexikon getrennt werden. In diesem Zusammenhang ist erkennbar, dass eine verfeinerte Komposition der semantischen und konzeptuellen Reprä‐ sentationen in den beteiligten Sprachen sowie eine positive konzeptuelle Restrukturierung in der L2 als Indikatoren für Fortschritte im Prozess des Fremdsprachenerwerbs betrachtet werden können. Dies ist einer der Motivationsgründe dafür, warum die konzeptuellen und semantischen Informationen der Repräsentationen im mentalen Lexikon (bei chinesischen Deutschlern‐ enden) als Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit mithilfe der Wörternetze (vgl. Kapitel 7.1) in Kombination mit der Eyetracking-Technologie (vgl. Kapitel 7.2) untersucht werden. Vor der Analyse der empirischen Untersuchung werden für die semantischen Informationen noch die Bedeutungsdimensionen und die Sinnrelationen der Wörter dargestellt, was in Kapitel 3 beschrieben wird. 2.2.4 Besonderheiten des mentalen Lexikons von chinesischen Deutschlernenden In Kapitel 2.2.1 wurden verschiedene psycholinguistische Modelle der Sprachverarbeitung dargestellt. Anhand dieser Modelle ist deutlich zu erkennen, dass das mentale Lexikon, welches z. B. als Unterstützung bei der (Wieder-)Erkennung eines Wortes und bei dem Wortgebrauch zur Verfügung steht, im gesamten Prozess des Sprachverstehens und der Sprachproduktion von zentraler Bedeutung ist. Im Falle einer fehlerhaften Wortproduktion ist die Ursache dafür im mentalen Lexikon zu suchen. Beruhend auf den von Kleppin (1987) angestellten Beobachtungen zum chinesischen Lernverhalten ist die visuelle Abhängigkeit bei chinesischen Deutschlernenden als überwiegend zu charakterisieren (vgl. Kleppin 1987: 255). 17 Ein möglicher Grund dafür ist der muttersprachliche Spracherwerb. Im Vergleich 42 2 Wörter und mentales Lexikon führen, dass chinesische Lernende beim Lernen im Allgemeinen wegen des Erstspracherwerbs oft unbewusst auf die visuelle Wahrnehmung angewiesen sind. 18 Dabei werden die Ausnahmen im Hinblick auf diese drei Personalpronomen wegen der Rhetorik der chinesischen Sprache nicht berücksichtigt. 19 Diese Meinung oder ähnliche Ansichten werden auch von den Probanden der vorliegenden Untersu‐ chung geäußert. Es kann nicht unbedingt um Regeln gehen. Wenn sie beim Lernen etwas geschrieben oder notiert haben, empfinden sie ein Erfolgsgefühl. Dieses Gefühl ist für sie beim Deutschlernen sehr wichtig und es ist einer der entscheidenden Faktoren, welche sie für das Weiterlernen motivieren (vgl. Kapitel 7.3 und Kapitel 7.4). mit der deutschen Sprache liegt eine Vielzahl von Homophonen vor, was bedeutet, dass es viele Wörter bzw. Schriftzeichen gibt, die völlig gleich ausgesprochen werden. Ein typisches Beispiel für dieses Merkmal der chinesischen Sprache ist das Personalpronomen in der dritten Person Singular. Dafür gibt es 他 im Allgemeinen für eine männliche Person, 她 für eine weibliche Person und 它 für Tiere, Pflanzen oder Gegenstände etc. 18 Sie sind schriftlich zwar unterschiedlich, aber all diese drei Personalpronomen werden „tā“ ausgesprochen. Im Rahmen der Wahrnehmung und Erkennung eines einzelnen Wortes ist somit ein einzelnes Schriftzeichen (ohne einen bestimmten kommunikativen Kontext) akustisch schwer sofort genau festzulegen. Zu einer schnellen Erkennung eines einzelnen Wortes kann die orthographische bzw. die visuelle Wortform eines Schriftzeichens einen erkennbar größeren Beitrag leisten. Daher wird der schriftliche bzw. der orthographische Erwerb der chinesischen Sprache besonders stark berücksichtigt, was dazu führen kann, dass sich die visuelle Abhängigkeit für das (Sprachen-)Lernen bei chinesischen Lernenden unbewusst verstärkt. Dieser Aspekt wird in Kapitel 3.4 über das Wortschatzlernen der chinesischen Deutschlernenden ausführlich dargestellt. Oftmals sind chinesische Lernende der Auffassung, erst dann etwas gelernt zu haben, wenn sie es in der Hand halten, wobei sich dies meist auf Texte oder aufgeschriebene Regeln bezieht. 19 Somit verhält es sich üblicher‐ weise so, dass chinesische Deutschlernende es gewohnt sind, die stabile Form eines Wortes durch wiederholtes Buchstabieren zu internalisieren. Dieses „stumme Aufsagen“ endet erst dann, wenn das Wort ohne Hinweise schnell komplett und korrekt buchstabiert werden kann. Angesichts dessen kann es dazu kommen, dass die phonologische Form der Wörter nur teilweise im Kopf behalten werden. Mit anderen Worten ist es denkbar, dass vermutlich nur einige akustische Fragmente der zu lernenden Wörter durch das Lernverhalten im Ge‐ dächtnis gespeichert werden und erhalten bleiben, denn das wiederholte Buchstabieren der Wörter fördert eher die orthografische Form der Wörter, obwohl die Lernenden die Wörter basierend auf der orthografischen Form nach den phonetischen Regeln selbstständig aussprechen können. Das kann dazu führen, dass sich die Wörter bei schriftlichen Übungen schnell, aber bei der akustischen Rezeption bzw. dem Hörverstehen langsam erkennen lassen. Ein Grund hierfür ist, dass für die Bereithaltung akustischer Informationen zum Zwecke einer langfristigen Speicherung eine kontinuierliche Wiederholung erforderlich ist (vgl. Runte 2015: 77). Durch das oben erwähnte Lernverhalten ist die kontinuierliche Wiederholung der akustischen Informationen nicht (vollständig) erfüllt. Darüber hinaus ist experimentell bewiesen, dass das passive Wiederholen (wie z. B. das leise oder stumme Aufsagen eines Wortes) nur unter großer Anstrengung automatisch zu einer langfristigen Speicherung führt (vgl. ebd.: 87). Folglich wird ein Wort im Langzeitgedächtnis von chinesischen Lernenden stark orthographisch, jedoch wesentlich schwächer phonetisch 2.2 Das mentale Lexikon 43 repräsentiert. Hierzu ist noch anzumerken, dass sich die orthographische Komponente von einer Repräsentation nicht unbedingt als stabil erweist und die Informationen im Laufe der Zeit angesichts des oberflächlichen und stark visuell geleiteten Auswendiglernens eines Wortes mit hoher Wahrscheinlichkeit verfallen. Als positiv erweist sich dabei lediglich der Faktor, dass chinesische Lernende durch ihr spezifisches Lernverhalten eine direkte Verbindung zwischen der Form eines Wortes und seiner Bedeutung (wie in ihrer Muttersprache) realisieren, so dass ein Wort schriftlich oder visuell schnell erkannt werden kann. Dieser Umstand kann als Erklärungsansatz für das Phänomen gelten, dass manche chinesische Deutschlernende beim Leseverstehen weitaus seltener Probleme haben als beim Hörverstehen, obwohl beide Fertigkeiten zu den rezeptiven Aufgaben zählen. Es wird durch die von chinesischen Deutschlernenden verwendeten Lernmethoden und durch ihr Lernverhalten beeinflusst. Das Wortschatzlernen von chinesischen Deutschlernenden wird in Kapitel 3 weitgehend dargestellt. Durch die Beschreibung der Auffälligkeit des Lernverhaltens von chinesischen Ler‐ nenden kann die Vermutung nahe liegen, dass die Form eines Wortes durch Erfahrungen im episodischen Gedächtnis verankert wird und dass die starke orthographische Repräsenta‐ tion und die relativ schwache phonologische Repräsentation eines deutschen Wortes bei chinesischen Lernern letztlich im semantischen Gedächtnis zugleich akkumuliert werden. Daher kann davon ausgegangen werden, dass bei chinesischen Deutschlernenden im Grunde eine konkrete akustische Repräsentation eines deutschen Wortes kaum oder nur eingeschränkt existiert. Dies führt dazu, dass bei chinesischen Lernenden die lexikalische Entwicklung der deutschen Sprache beeinträchtigt wird, weil der Erfolg beim Erlernen der Wörter in hohem Maße vom phonologischen Arbeitsgedächtnis abhängig ist (vgl. Koeppel 2016: 123). Im chinesischen DaF-Unterricht und in der Wortschatzarbeit werden die Bedeutungen deutscher Wörter häufig durch metasprachliche Mittel bzw. muttersprachliche Erläuterung oder Übersetzungsäquivalente übertragen. Bei der ersten Begegnung mit einem neuen deutschen Wort können chinesische Lernende dieses Wort zwar schnell und mühelos mit dem entsprechenden Konzept in der chinesischen Sprache verbinden, aber dadurch kann eine direkte „Brücke“ zwischen dem deutschen Wort und dem Konzept schwer ge‐ schlagen werden, weil die (semantischen) Informationen des deutschen Wortes wegen der einfachen erstsprachlichen Bedeutungsübertragung im Grunde nicht im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden. Das führt dazu, dass die Herstellung einer Verbindung zwischen einem deutschen Wort und dem korrespondierenden Konzept sehr stark von den individuellen Kenntnissen der Lernenden in ihrer Erstsprache abhängt. Infolgedessen ist es vorstellbar, dass das semantische Gedächtnis bei chinesischen Deutschlernenden in Bezug auf den deutschen Wortschatz einen nicht näher abschätzbaren fragmentarischen Status aufweist. Da das fremdsprachliche Lexikon (wegen des oben beschriebenen Lernverhaltens der chinesischen Deutschlernenden) mit dem muttersprachlichen korreliert, sollte der Stand des Erstspracherwerbs beim Erlernen einer neuen Sprache nicht vernachlässigt werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang die linguistische Kompetenz chinesischer Lernender in Bezug auf ihre Muttersprache. Beispielsweise sind den meisten chinesischen Lernenden die morphologischen Phänomene ihrer Muttersprache nahezu völlig unbekannt (vgl. Mitschian 1991: 44), weil einerseits aufgrund ihres natürlichen Erstspracherwerbs 44 2 Wörter und mentales Lexikon 20 Die Abbildung wurde in Anlehnung von Jiang 2000: 53 erstellt. bezüglich der entsprechenden morphologischen Kenntnisse keine Sensibilisierung vorge‐ nommen wird und andererseits für viele Chinesen Kenntnisse in einer bestimmten Menge im Hinblick auf das Merkmal chinesischer Schriftzeichen ausreichend ist. Infolgedessen werden im Unterricht häufig eher syntaktische oder semantische Kenntnisse in den Schulen vermittelt. Außerdem wird eine Wortbedeutung im Deutschen oftmals nicht mit der entsprechenden Wortbedeutung im Chinesischen während des Deutschunterrichts verglichen (vgl. Liu 2012: 177). All diese angedeuteten Faktoren üben einen maßgeblichen Einfluss auf den Eintrag und den Abruf von Informationen bezüglich der Fremdsprache Deutsch im mentalen Lexikon bei chinesischen Lernenden aus. Im Anschluss wird näher auf den lexikalischen Eintrag im mentalen fremdsprachlichen Lexikon eingegangen. Generell fungiert das mentale Lexikon als internes Wörterbuch, in dem alle lexikalischen Einträge eines Lernenden gespeichert werden, zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderli‐ chenfalls gesucht (nachgeschlagen) und auch bei Bedarf abgerufen werden können. Jedoch unterscheidet sich das sogenannte interne Wörterbuch von den normalen Wörterbüchern, welche im Alltag beispielsweise für das Nachschlagen eines unbekannten Wortes zur Verfügung stehen. Zunächst ist der Grund hierfür, dass der Umfang des mentalen Lexikons in der Regel flexibel ist und schwer fixiert werden kann. Des Weiteren wird ein lexikalischer Zugriff im mentalen Lexikon nicht bewusst initiiert, sondern er wird im Prinzip automatisch aktiviert (vgl. Liu 2012: 68). Gemäß der Theorie der konnektionistischen Modelle verfügt das mentale Lexikon über eine netzwerkartige Struktur. In Abhängigkeit von der jeweiligen Verarbeitungsintensität werden Wörter bzw. deren Eigenschaften in unterschiedlichem Ausmaß im mentalen Lexikon gespeichert und miteinander verbunden (vgl. ebd.). Ange‐ sichts dessen, dass der lexikalische Zugriff eine zentrale Funktion des mentalen Lexikons darstellt und dass die Wort- und Begriffsrepräsentationen in der Erstsprache und in weiteren Sprachen auf denselben semantisch-kognitiven Konzepten basieren, stehen die Einträge des mehrsprachigen bzw. zielsprachlichen mentalen Lexikons im Hinblick auf den Fremdsprachenerwerb und die Transformation des Wortschatzes im Vordergrund. Auf der Grundlage des Sprachproduktionsmodells von Levelt wird von Jiang eine ideale interne Struktur eines fremdsprachlichen Lexikoneintrags („L2-Lexikoneintrags“) vorgeschlagen und diese lässt sich in folgender Grafik illustrieren. Abb. 2-11: Interne Struktur eines fremdsprachlichen Lexikoneintrags 20 2.2 Das mentale Lexikon 45 21 Dargestellt in Jiang 2000: 54. Anhand der Abbildung ist erkennbar, dass sich ein idealer Lexikoneintrag in der Fremd‐ sprache ebenso wie der Eintrag in der Erstsprache aus vier Teilen zusammensetzt, durch welche vier Wissensbestände sehr eng miteinander verbunden und integriert werden. Dabei sind die Komponenten der Semantik und der Syntax kennzeichnend für ein Lemma, und die Komponenten der Morphologie und der phonologischen bzw. orthographischen Form werden als Lexem bezeichnet. Bei einem idealen Eintrag im mentalen Lexikon sollte außerdem noch eine direkte Verbindung zwischen dem Konzept und dem fremd‐ sprachlichen Lexikon existieren, was den oben dargestellten Modellen über das generelle mehrsprachige mentale Lexikon entspricht (vgl. Kapitel 2.2.3). Die Herstellung dieser direkten Verbindung zwischen Lexikoneintrag und dem konzeptuellen System stimmt auch mit der Perspektive der Semiotik (vgl. Kapitel 2.1) überein. In Anlehnung an Jiang (2000) vollzieht sich die Generierung eines lexikalischen Eintrags in der Fremdsprache im Rahmen des traditionellen Unterrichts in drei Phasen (siehe Abb. 2-12). Abb. 2-12: Lexikalische Entwicklung in der Fremdsprache 21 Wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben, wird in der ersten Phase ein lexikalischer Eintrag in der Fremdsprache („L2“) generiert wird und dieser Eintrag enthält zunächst die Repräsentation hauptsächlich ihre gesprochene und ihre geschriebene Form des entsprechenden Wortes. Dabei ist es auch möglich, dass inzwischen einige semantische und syntaktische Informationen vorhanden sind, welche den Lernenden allerdings normaler‐ weise nicht zur Verfügung gestellt werden können, denn diese Informationen gehören im Allgemeinen lediglich zum expliziten grammatischen Wissen, das durch die L1 vermittelt wird. Daher ist der Lemma-Teil des fremdsprachlichen lexikalischen Eintrags unbesetzt (vgl. Koeppel 2016: 129 f.). In dieser formalen Phase liegt noch keine direkte Verbindung zwischen dem gedanklichen Konzept eines Lernenden und dem fremdsprachlichen Eintrag („L2-Eintrag“) vor. Anschließend erfolgt die Phase der Lemmavermittlung, wobei der Lemma-Teil eines fremdsprachlichen Eintrags auf Basis der Informationen des entspre‐ chenden erstsprachlichen Lemmas („L1-Lemmas“) bzw. einer Kopie der im erstsprachlichen Lemma konzeptualisierten Informationen generiert. Aufgrund der sprachspezifischen Eigenschaften der L2 werden inzwischen noch keine morphologischen Merkmale in der Fremdsprache repräsentiert. In dieser Phase wird zwar eine direkte semantisch-konzeptu‐ 46 2 Wörter und mentales Lexikon 22 Das Wortschatzlernen von chinesischen Deutschlernenden wird in Kapitel 3.4. ausführlich behandelt. elle fremdsprachliche Verbindung generiert, jedoch kann sie unbeständig sein und aufgrund des erforderlichen Übersetzungsprozesses noch deutlich von der Erstsprache abhängig (vgl. ebd.: 130). Schließlich wird die letzte Phase, die als Integrationsphase des L2-Eintrags angesehen werden kann, erreicht, sofern die Repräsentationen der vier Eigenschaften vollständig integriert worden sind und das gedankliche Konzept zugleich unmittelbar in der Fremdsprache zugänglich ist (vgl. Jiang 2000: 51-54). Zwischen den oben beschriebenen Phasen im Hinblick auf die Entwicklung der lexikalischen (L2-)Repräsentation sind mehrere Übergange denkbar (vgl. Koeppel 2016: 131). Wie im letzten Kapitel dargestellt, vollziehen sich die drei Phasen zwar nacheinander und können jedoch nicht direkt aufeinanderfolgend erreicht werden. Vielmehr bestehen zwischen den dargestellten Phasen mehrere kleine Zwischenstadien, die als Überführungen zwischen den drei genannten Phasen fungieren. Zudem ist auch vorzustellen, dass „man sich in der Sprachproduktion stärker auf die L1 verlässt als in der Sprachrezeption […].“ (ebd.). Unter Einbeziehung des oben erwähnten Lernverhaltens von chinesischen (Deutsch-) Lernenden liegt dabei die Vermutung nahe, dass nur eine begrenzte Anzahl an deutschen Wörtern die letzte Phase durchläuft bzw. in einer idealen Struktur im mentalen Lexikon von chinesischen Lernenden repräsentiert und langfristig gespeichert werden kann. Beispielsweise können sich lexikalische Einträge für deutsche Substantive leichter entwickeln. Sie sind leichter wahrzunehmen, weil die Vertreter dieser Wortklasse zu einem großen Teil konkrete Objekte der außersprachlichen Wirklichkeit repräsentieren. Allerdings ist es vorstellbar, dass die Verbindung zwischen den deutschen Lexikoneinträgen und dem gedanklichen Konzept wegen des Auswendiglernens durch chinesische Äquivalente nicht unmittelbar sein kann. Mit anderen Worten ist diese Verbindung nicht so beständig wie die Verknüpfung zwischen den chinesischen Lexikoneinträgen und dem konzeptuellen System. Folglich kann damit gerechnet werden, dass beispielsweise die einschlägigen Konnotationen der Lexikoneinträge oder andere da‐ zugehörenden Informationen nicht mit den lexikalischen Repräsentationen in das mentale Lexikon eingetragen werden. Es ist noch denkbar, dass bei chinesischen Lernenden die lexikalische Entwicklung im mentalen Lexikon in Bezug auf die meisten anderen Wörter in der Fremdsprache Deutsch nur bis zur zweiten Phase oder sogar nur bis zur ersten Phase voranschreitet und dann unvollständig abgeschlossen wird. Auf der Grundlage der lexikalischen Entwicklung der fremdsprachlichen Repräsentationen (siehe Abb. 2-12) in Kombination mit dem Lernver‐ halten 22 sind verschiedene interne Strukturen der Lexikoneinträge (der deutschen Sprache) bei chinesischen Deutschlernenden anzutreffen. Da sich chinesische Lernende häufig auf das mechanische Auswendiglernen konzentrieren, gelangen die morphologischen und syntaktischen Eigenschaften eines Wortes in der lexikalischen Entwicklung zwar beim Lernen leicht bis zur Integrationsphase. Jedoch wird die Integration der phonologischen und orthographischen Form eines Wortes aufgrund des typischen Lernverhaltens chinesi‐ scher Lernender (z. B. regelmäßiges stummes Aufsagen bzw. Buchstabieren der Wörter) beeinträchtigt. Zum Beispiel werden die phonologische Komponente viel schwächer als die orthographische Komponente repräsentiert. 2.2 Das mentale Lexikon 47 23 In China lernt man im Allgemeinen Englisch als erste Fremdsprache. Daher lässt sich nach der Theorie über das mehrsprachige mentale Lexikon ohne Schwierigkeit vorstellen, dass die englische Sprache beim Deutschlernenden auch einen Einfluss auf die Integration der deutschen Einträge in ihr mentales Lexikon ausübt. Allerdings wird dies nicht in der vorliegenden Arbeit behandelt, um den inhaltlichen Umfang der Arbeit einzugrenzen. (Eine Diskussion über Lernschwierigkeiten chinesischer Deutschlerner unter Berücksichtigung der englischen Sprache vgl. Lay 2017). Bemerkenswert ist noch der Lemma-Teil eines Lexikoneintrags. Da die Repräsentati‐ onsformen des mehrsprachigen mentalen Lexikons sowohl getrennt als auch gekoppelt existieren (vgl. Neveling 2004: 51), liegt beruhend auf dem Lernverhalten von chinesischen Deutschlernenden die Vermutung nahe, dass bei den mehrsprachigen Lexikoneinträgen zu einem identischen Gegenstand oder Sachverhalt die semantischen Informationen im Chinesischen häufig eine dominierende Rolle spielen. Als Grund hierfür kann zunächst einmal angeführt werden, dass die im Unterricht gegebenen zielsprachlichen Inputs quantitativ und qualitativ unzureichend sind. Sowohl in der Unterrichtspraxis als auch beim außerschulischen Wortschatzlernen wird diese Technik kaum vermieden, weil chi‐ nesische Lernende oftmals aufgrund ihres jeweiligen vorrangigen Lernziels in Bezug auf das Wortschatzlernen unbewusst ihrer vorrangigen Intention folgen, ein neues deut‐ sches Wort vermittels einer Übertragung aus dem Chinesischen zeitökonomisch mit dem entsprechenden Konzept zu verbinden. Deswegen ist denkbar, dass die Extraktion semantischer Informationen direkt aus einem deutschen Wort bei einem erforderlichen Abruf sehr erschwert sein kann. Es ist möglich, dass die chinesischen Deutschlernenden beim Sprechplan und bei der Umsetzung der Sprechabsicht unbewusst vorzugsweise die Informationen aus ihren muttersprachlichen Sprachkenntnissen aus dem mehrsprachigen mentalen Lexikon abrufen. Aufgrund der schwachen Integration des korrespondierenden deutschen Lemma-Teils und aus der hohen Abhängigkeit ihrer muttersprachlichen Lexi‐ koneinträge werden semantische Informationen primär aus den chinesischen Einträgen des mentalen Lexikons aktiviert, um Fragmente der zu formulierenden Nachricht zu aktualisieren. Dadurch kann die möglicherweise anzutreffende Formulierung „Der Himmel [Es] ist sehr schwarz [dunkel] draußen.“ bei chinesischen Deutschlernenden erklärt werden, wobei chinesische Deutschlernende kein Problem mit dem Buchstabieren der Wörter oder mit dem lexikalischen Zugriff der entsprechenden syntaktischen Informationen haben. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, inwieweit die (gelernten deutschen) Wörter im Hinblick auf den semantischen Aspekt miteinander verbunden sind, um zu betrachten, wie die semantischen Informationen des Lemmas im mentalen Lexikon der chinesischen Deutschlernenden aussehen. 23 Damit das Ziel erreicht werden kann, werden die Wörternetze beobachtet, die von chinesischen Deutschlernenden (nach dem Wortschatzlernen) produziert werden. In den Wörternetzen lässt sich beobachten, wie chinesische Deutschlernende ihre deutsche Wörternetze gestalten. Außerdem ist auch zu betrachten, welche Wörter und welche Relationen von ihnen in den Wörternetzen häufig vorkommen. Durch die Beobachtung der Einträge der Wörternetze kann des Weiteren analysiert werden, inwieweit die orthographische (und phonologische) Form deutscher Lexikoneinträge beim Lernen von chinesischen Deutschlernenden aufgrund des chinesischen Lernverhaltens wahrgenommen und integriert werden. All dies wird bei der Konzipierung der empirischen Untersuchung in der Arbeit berücksichtigt (vgl. 48 2 Wörter und mentales Lexikon Kapitel 6). Da die empirische Untersuchung die Analyse der Wörternetze der chinesischen Deutschlernenden behandelt, wird im folgenden Kapitel auf den Begriff des Wortes bzw. des Wortschatzes näher eingegangen, wobei die Beziehung zwischen Wörtern und das Wort‐ schatzlernen im fremdsprachendidaktischen Kontext berücksichtigt werden. Beispielweise werden wortspezifische Sinnrelationen dargestellt, was in Verbindung mit den in diesem Kapitel bereits erwähnten Theorien die Auswertung der Forschungsdaten der vorliegenden Arbeit untermauert. Außerdem wird auch über das Wortschatzlernen von chinesischen Deutschlernenden diskutiert (vgl. Kapitel 3.4). 2.2 Das mentale Lexikon 49 3 Wortschatz und Wortschatzlernen In Kapitel 2 ging es um die Behandlung des Themas im Allgemeinen mit Fokus auf das Wort als Einzelnes. Dieses Kapitel bezieht sich auf den Wortschatz und auf die allgemeinen Beziehungen zwischen Wörtern. Die Meinungen hinsichtlich der Bestimmung des Begriffs „Wortschatz“ ist nicht einheitlich in der fremdsprachendidaktischen und psycholinguisti‐ schen Fachliteratur (vgl. Nezhad Masum 2012: 95). Es geht darum, welche Wörter zum Wortschatz gehören können. Aus Sicht der Fremdsprachendidaktik sind beispielsweise die Wörter, die ein Lernender nur passiv erkennen kann, nicht zum aktiven Wortschatz bzw. dem Wortschatz zuzuordnen, den der Lernende für produktive Aufgaben aktiv verwenden kann (vgl. ebd.). Als „Wortschatz“ in der vorliegenden Arbeit kann generell die Gesamtheit der Wörter bzw. der Lexeme einer Sprache (in den Lernmaterialien) bezeichnet werden. Die Gesamtmenge der Wörter kann im Hinblick auf ihre Eigenschaften zur Referenz auf Gegenstände und Sachverhalte in der Realität in zwei Klassen eingeteilt werden. Diejenigen Wörter, die sich inhaltlich auf Referenzen in der Realität beziehen können, werden als offene Wortklasse klassifiziert. Dazu zählen Substantive, Verben, Adjektive und auch eine große Anzahl von Adverbien (vgl. Dudenredaktion 2016: 581). Im Gegensatz dazu gehören Artikel, Präpositionen und Konjunktionen zu der geschlossenen Wortklasse. Zwischen den beiden Klassen besteht ein großer Unterschied. Die Inhaltswörter können mit Hilfe des gedanklichen Konzepts oder durch die menschliche Wahrnehmung erkannt werden. Die Bedeutung dieser Wörter kann sich im Laufe des Sprachwandels ändern. Die Wörter aus der geschlossen Wortklasse bleiben hingegen unverändert und sie sind nicht immer vollständig sinnlich erfassbar. Da durch Artikel, Präpositionen und Konjunktionen keine Entitäten der außersprachlichen Realität bezeichnet werden, ist bei diesen Wortarten stets ein Bezug zu den Inhaltswörtern erforderlich, um ihre Funktion im Satz erkennen zu können. Aufgrund der Tatsache, dass diese geschlossene Wortklasse hauptsächlich einen Beitrag zur Herstellung von Verknüpfungen und Zusammenhängen in einem Satz oder in mehreren Sätzen leistet, werden diese Wörter auch als „Funktionswörter“ bezeichnet (vgl. Dudenredaktion 2016: 1079). Da bei den Funktionswörtern im Allgemeinen die grammatische Funktion im Vordergrund steht, wird im folgenden Kapitel die Betrachtung des Wortschatzes auf den Bereich der Inhaltswörter beschränkt. Dementsprechend wird auf die Analyse der Inhaltswörter in der empirischen Untersuchung fokussiert, weil die zu dieser Kategorie gehörenden Wörter im Vergleich zu den Funktionswörtern das gedankliche Konzept einer Person besser darstellen können. Als theoretische Grundlage der vorliegenden Arbeit werden in diesem Kapitel zunächst die Bedeutungsdimensionen des Wortschatzes beschrieben und im Anschluss daran wird ein Überblick hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Wörtern dargestellt, was die Analyse der Forschungsdaten der vorliegenden Arbeit unterstützen kann. Im letzten Teil dieses Kapitels wird das Wortschatzlehren und -lernen im fremdsprachendidaktischen Kontext diskutiert. Dabei werden die Besonderheiten des Wortschatzlernens der chinesi‐ schen DaF-Lernenden beschrieben werden. 3.1 Bedeutungsdimensionen des Wortschatzes Im Sprachgebrauch lässt sich generell beobachten, dass ein Wort in einer Kommunikation zwangsläufig untrennbar mit anderen Wörtern verbunden ist. Es bestehen entscheidende Wechselbeziehungen zwischen Wörtern, wobei sie unter anderem einander ergänzen oder durch die Wörter Unterschiede sowie Einschränkungen in Bezug auf semantische Merkmale expliziert werden. Beispielsweise kann die Referenz, auf die ein Wort bzw. ein sprachliches Zeichen verweist, je nach dem jeweiligen Kontext variieren, obwohl die Ausdrucksseite des Wortes gleich bzw. unverändert bleibt. So referiert zum Beispiel das Substantiv „Hauptstadt“ in Bezug auf das Bundesland Hessen auf die Stadt „Wiesbaden“, während es im Hinblick auf die Bundesrepublik Deutschland auf „Berlin“ hinweist. Aus der linguistischen Sicht können fünf verschiedene Dimensionen des Wortschatzes beschrieben werden (vgl. Storch 2001: 55 f.). Im vorangegangenen Kapitel wurde ausgeführt, dass Wörter zeichentheoretisch auf Gegenstände oder Sachverhalte in der außersprachli‐ chen Wirklichkeit verweisen. In diesem Zusammenhang ist leicht zu erkennen, dass eine wesentliche Dimension von Wörtern in erster Linie die referenzielle Dimension darstellt. Viele Wörter verfügen nicht nur über eine denotative Semantik, welche nicht nur die Grundbedeutung der Wörter impliziert, sondern sie beinhalten auch zusätzlich zur Grund‐ bedeutung weitere semantische Komponenten, die als Konnotationen betrachtet werden. Dabei zählen zur Konnotation affektive, stilistische, mental-bildliche und individualisierte Bedeutungselemente. Zum Beispiel können die beiden Ausdrücke „ein Vorsitzender“ und „ein Häuptling“ auf eine identische natürliche männliche Person verweisen, die in einer Gemeinschaft eine leitende Position einnimmt. Konnotativ unterscheiden sie sich jedoch erheblich, was unter anderem unter dem emotionalen Aspekt seitens des Sprechenden erkannt wird. Diese Erscheinung wird zur sogenannten konnotativen Dimension von Wörtern gerechnet, wozu beispielsweise auch das mentale Assoziationsfeld im Hinblick auf andere Wörter gehört (vgl. Storch 2001: 55). Eine weitere Dimension stellt die syntagmati‐ sche Dimension dar. Unter dieser Dimension ist eine festgelegte Anordnung von Wörtern in einem Satz bzw. in einer Äußerung zu verstehen. Hierbei ist anzumerken, dass die syntagmatische Dimension einen syntaktischen und einen semantischen Aspekt aufweist. Der erstgenannte Aspekt manifestiert sich vor allem in der Valenz der Verben, während der andere Aspekt beispielsweise die Bedeutungsbeziehungen der Satzglieder innerhalb eines Satzes betrifft. Im Rahmen der syntaktischen Dimension des Wortschatzes kann beispiels‐ weise ein Unterschied in Bezug auf die folgenden Äußerungen erfasst werden: „Tobias gibt Thomas ein Geschenk“ vs. „Thomas gibt Tobias ein Geschenk“. Die Differenzierung der Semantik dieser beiden Sätze kann für ausländische Lernende ein Problem darstellen, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass die Satzelemente „Tobias“ und „Thomas“ sich in der Nominativform und der Dativform nicht so leicht wie die Personalpronomen unterscheiden, wodurch die Lernenden anhand der Form nicht erkennen können, welcher Eigenname welche syntaktische Funktion übernimmt. Hinzu kommt das Problem, dass bei spezieller Hervorhebung des Satzinhalts auch der Dativ topikalisiert werden kann, was im Beispielsatz dazu beitragen würde, dass „Tobias“ besonders betont wird („Tobias gibt Thomas ein Geschenk“ kann somit auch bedeuten, dass Thomas eben Tobias ein Geschenk gibt und nicht etwa einer anderen Person). Eine weitere Dimension des Wortschatzes stellt 52 3 Wortschatz und Wortschatzlernen die paradigmatische Dimension dar, die sich auf die Ersetzbarkeit von Wörtern bzw. die Verwendung alternativer Wörter in einer sprachlichen Äußerung bezieht. Im Hinblick auf die semantischen Relationen zwischen Wörtern im Rahmen der paradigmatischen Dimension sind hauptsächlich vier Kategorien zu differenzieren (vgl. Römer & Matzke 2010: 101 f.): (i) Bei der ersten Kategorie handelt es sich um Wörter, deren Bedeutungen identisch sind. Sie können als Synonyme angesehen werden, wenn sie sich nicht nur im Hinblick auf ihre Bedeutung, sondern auch in Bezug auf ihren Sinn überschneiden (beispielsweise die Wörter „Rechner“ und „Computer“ als Bezeichnungen für eine elek‐ tronische Datenverarbeitungsanlage). (ii) In der zweiten Kategorie wird ebenfalls Bezug auf die Synonymie genommen, jedoch zählen zu dieser Subklasse diejenigen Wörter, deren Bedeutungen nur partiell deckungsgleich bzw. ähnlich sind (zum Beispiel „blau“ vs. „hell-/ dunkelblau“, „Erfolg“ vs. „Leistung“ oder „kaufen“ vs. „besorgen“. (iii) Im Rahmen der dritten Kategorie geht es um die Wörter, deren Bedeutungen voneinander abweichen bzw. Unterschiede aufweisen. In Abhängigkeit vom Grad der Antonymie sind verschiedene Fälle zu differenzieren. Beispielsweise liegt Kontradiktion vor, wenn zwei Wörter in völligem Gegensatz zueinander stehen. Bei diesem absolut zweipoligen Gegensatz ist von einer „Entweder-oder-Relation“ auszugehen (beispielsweise „lebendig - tot“, „statisch - dynamisch“, „allgemein - speziell“). Im Vergleich zu diesem absoluten Gegensatz ist die Beziehung von Kontrastwörtern als konträre Relation anzusehen. Von einer solchen Relation spricht man, wenn sich ein Wort oder mehrere Wörter um einen sogenannten Mittelwert gruppieren und sich beispielsweise im Falle von Adjektiven zur Bezeichnung der Intensität einer Eigenschaft Unterschiede ergeben. Als typisches Beispiel für solche Wörter mit einer konträren antonymischen Relation kann die Adjektivreihe „kalt - kühl - warm - heiß“ in Bezug auf die Temperaturmerkmale gelten. Als ein weiteres Beispiel kann das Wort „mittelmäßig“ im Hinblick auf Qualitätscharakterisierungen zwischen den Adjektiven „gut“ und „schlecht“ betrachtet werden. Bei der dritten Form der Antonymie handelt es sich um die Konversion, wobei bezüglich der in diesem Zusammenhang erscheinenden Konversen (im Gegensatz zu den ersten beiden Arten von Kontrastwörtern) keine starke Diskrepanz besteht. Vielmehr weisen die Konversen eine hohe komplementäre Interdependenz auf; dennoch können sie offensichtlich einander gegenübergestellt werden. Beispielsweise ist bei dem Wortpaar „Gast - Gastgeber“ der Umstand anzutreffen, dass Person B als Gast der Person A in Erscheinung tritt, sofern Person A für Person B als Gastgeber fungiert. Jedoch steht das Substantiv „Gastgeber“ nicht in einem absoluten Gegensatz zum Substantiv „Gast“. Angesichts des herangezogenen Beispiels ist ableitbar, dass die zu dieser Form der Antonymie gehörenden Wortpaare in vielen Fällen auf einen identischen Sachverhalt gerichtet sind, aber der bezeichnete Sachverhalt simultan aus zwei kontrastiven Perspektiven fokussiert wird. Ähnliche Beispiele sind die Wortpaare „Arzt - Patient“ oder „kaufen - verkaufen“. Des Weiteren kann sich der binäre Kontrast als reversibel erweisen, wenn sich ein Wortpaar auf einen Prozess bezieht und jeweils der Status von Anfang und Ende gegenseitiger Vorgänge signalisiert wird. Ein Merkmal von Paaren derartiger Gegenwörter besteht darin, dass sich die Relation des Andersseins in der Verwendung spezifischer Partikeln oder Präfixe manifestiert. Als Beispiel kann das Wortpaar „aufsperren - zusperren“ angeführt werden (vgl. Wanzeck 2010: 65 f.). (iv) Zur letzten Kategorie im Hinblick auf Relationen zwischen Wörtern werden diejenigen Wörter gerechnet, die nach 3.1 Bedeutungsdimensionen des Wortschatzes 53 ihrer jeweiligen Bedeutung hierarchisiert werden können. In einer abgestuften Anordnung wird ein Oberbegriff, der über eine geringe Intension, aber eine große Extension verfügt, als Hyperonym bezeichnet. Die diesem Oberbegriff untergeordneten Wörter werden als Hyponyme klassifiziert, und die untergeordneten Wörter, die auf einer identischen Ebene der Hierarchie stehen, werden als Kohyponyme betrachtet. Zum Beispiel stehen die Substantive „Wasser“, „Orangensaft“, „Limonade“ und „Apfelschorle“ einerseits jeweils zueinander in der Relation der Kohyponymie, und anderseits sind sie jeweils als Hyponyme zu betrachten, sofern das Wort „Getränk“ als Hyperonym fungiert. Hierbei ist anzumerken, dass noch eine besondere Variante im Bereich der Bedeutungshierarchie existiert, die als Meronymie bezeichnet wird. In dieser hierarchischen Struktur impliziert die Korrelation zwischen Über- und Unterordnungen einen Teilbegriff oder mehrere Teilbegriffe bzw. eine Teil-Ganzes-Relation (vgl. Römer & Matzke 2010: 103 f.). Ein Beispiel hierfür ist die Beziehung zwischen dem Substantiv „Wohnung“ und den Meronymen „Tür“ oder „Fenster“, die ihrerseits als Bestandteile bzw. Ausstattungsgegenstände einer Wohnung charakterisiert werden können. Ausgehend von der didaktischen Perspektive sollte nach Storch (2001) noch die so‐ genannte kontrastive Dimension in Betracht kommen, die im Hinblick auf die oben erwähnten Dimensionen des Wortschatzes auf der Gegenüberstellung von Sprachen eines Sprechenden beruht (vgl. Storch 2001: 56). Wie am Anfang des Kapitels erläutert, betrifft der Wortschatz die Gesamtmenge von Lexemen einer Sprache. Jedoch kann mit diesem Begriff auch die Gesamtheit der Wörter aller Sprachen bezeichnet werden, die eine Person bereits beherrscht bzw. erlernt hat. In der oben angesprochenen kontrastiven Dimension ist beispielsweise das sprachliche Phänomen anzutreffen, dass die semantische Kombinierbarkeit von Wörtern in der Muttersprache eines Sprechenden Abweichungen aufweist im Vergleich zu den Wörtern in seiner erlernten oder zu lernenden Sprache. Dies kann anhand des oben genannten Beispiels von Hausmann (2004) konkretisiert werden: So kann der deutsche Ausdruck „einen Nagel einschlagen/ in die Wand schlagen“ nicht nachvollzogen werden, wenn er beispielsweise Wort für Wort in die englische Sprache übersetzt wird, obwohl beide Sprachen zur selben Sprachfamilie gehören (vgl. Hausmann 2004: 312). Die syntagmatischen Restriktionen und Divergenzen zwischen verschiedenen Sprachen bereiten den Fremdsprachenlernenden demnach große Schwierigkeiten, was in der Unterrichtspraxis bei der Wortschatzarbeit berücksichtigt werden sollte. All diese Bedeutungsdimensionen ermöglichen es, unterschiedliche Verbindungen der Wörter zu interpretieren. Dabei können die Wörter nicht nur unidirektional, sondern auch netzwerkartig verknüpft werden, was ein Wörternetz ergibt. Die Verknüpfungen der Einträge der Wörternetze können durch die oben erwähnten Bedeutungsdimensionen der Wörter interpretiert werden. Im nächsten Kapitel werden die Sinnrelationen der Wörter im Rahmen der Wörternetze beschrieben. 3.2 Wortspezifische Sinnrelationen und Wörternetze Basierend auf den theoretischen Grundlagen im Fachgebiet der Kognitionspsychologie und auf den Ergebnissen linguistischer Forschungen können Wörternetze in Anlehnung 54 3 Wortschatz und Wortschatzlernen 24 Dargestellt in Neveling 2004: 42. von Nevelings Arbeit in sieben Typen kognitiver Teilnetze untergliedert werden. Dabei werden die Wortknoten aller Teilnetze im gesamten Wörternetz miteinander verknüpft, und die Verflechtungen werden auf der Grundlage der lexikalischen Informationen im Hinblick sowohl auf die Wortformen als auch auf die Wortinhalte hergestellt, wodurch nicht nur die lexikalisch-semantischen Relationen der Wörter dargestellt werden, sondern auch die Grundprinzipien der kognitiven Prozesse hinsichtlich der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen (vgl. Neveling 2004: 41 f.). Durch folgende Abbildung können die kognitiven Teilnetze illustriert werden (sieh Abb. 3-1), wobei die einzelnen Netze im Anschluss kurz dargestellt werden sollen. Abb. 3-1: Sieben kognitive Teilnetze 24 Der grafischen Darstellung ist zu entnehmen, dass die Wörternetze in sieben Kategorien unterteilt werden können. Diese sieben kognitiven Teilnetze werden für die Datenanalyse der vorliegenden Arbeit herangezogen, damit die Wörternetze, welche die Teilnehmenden 3.2 Wortspezifische Sinnrelationen und Wörternetze 55 in der empirischen Untersuchung produziert haben, auf der Basis der Theorien interpre‐ tiert werden können. Im Folgenden werden die sieben kognitiven Teilnetze beispielhaft dargestellt. (1) In Begriffsnetzen werden die Bedeutungsmerkmale von Wörtern bzw. Lexemen gespeichert. Unter Berücksichtigung der Annahme, dass die Bedeutung von Wörtern als Kombination von Semen beschrieben werden kann, sind Wörter unter anderem dadurch differenzierbar, dass ihre Seme miteinander verglichen werden. Ebenso können auf diese Weise Wörter registriert werden, die in mindestens einer Bedeutungseigenschaft übereinstimmen, zwischen denen also geringstenfalls ein identisches Sem existiert. Nach dem Prinzip der Similarität bzw. der Ähnlichkeit stellen in Verbindung mit dem Hierarchie‐ prinzip Hyperonyme, Hyponyme und Kohyponyme, die jeweils hierarchisch in vertikaler Dimension organisiert sind, einen elementaren Bestandteil von Begriffsnetzen dar. In diesem Zusammenhang ist zugleich feststellbar, dass Begriffsnetze primär in der paradig‐ matischen Dimension der Wortschatzorganisation zu lokalisieren sind. (2) Das Prinzip der Similarität im Rahmen kognitiver Prozesse bei der Informationsperzeption betrifft nicht nur die sprachlichen Merkmale von Bedeutungen, sondern es bezieht sich auch auf die Formen und die Aussprache von Wörtern. In Klangnetzen wird das Prinzip der formalen oder akustischen Ähnlichkeit in Betracht gezogen. Zu den Wortknoten in Klangnetzen zählen im Wesentlichen Wörter, deren Aussprache gleich oder in hohem Maße ähnlich ist (zum Beispiel „Rad - Rat“ oder „Bar - bar“). Neben Homophonen werden auch Homonyme als Bestandteile von Klangnetzen kategorisiert (zum Beispiel „Läufer“ als Sportler und als Schachfigur, „sein“ als Verb und als Possessivpronomen). Des Weiteren werden Wörter als Klangnetzelemente betrachtet, die einen Reim aufweisen (zum Beispiel „Vergleich - zahlreich - Ausgleich“ oder „Routine - Termine - Maschine“). Im Gegensatz zu den Begriffsnetzen ist davon auszugehen, dass die in Klangnetzen miteinander verbundenen Wörtern auch verschiedenen Wortklassen angehören können. (3) Als Wortfamilie wird ein Verband von Lexemen oder Wörtern bezeichnet, die ein gemeinsames lexikalisches Morphem enthalten und aufgrund dieses gemeinsamen Stammes voneinander ableitbar sind. Hierbei ist hervorzuheben, dass ein Kernmorphem innerhalb einer Wortfamilie vari‐ ieren kann (vgl. Harm 2015: 95). Demnach finden sich in Wortfamiliennetzen hauptsächlich Wörter, die dem Prinzip der Gleichheit und Ähnlichkeit von Wortstämmen entsprechen (zum Beispiel „gehen - ausgehen - aufgehen - untergehen - Untergang - Aufgang - Ein‐ gang - Fußgänger - Gehweg“). Neveling zufolge spielen Wortfamiliennetze eine zentrale Rolle unter den Wörternetzen angesichts ihrer Ordnungs- und Kategorisierungsbasis von Wörtern. Ein Grund hierfür liegt darin, dass alle anderen kognitiven Teilnetze mehrmals durch Wortfamiliennetze verkettet werden (vgl. Neveling 2004: 46). (4) In Merkmalsnetzen wird die Ähnlichkeit von Bedeutungseinheiten in demselben Maße in Betracht gezogen wie in Begriffsnetzen. Zu den Wortknoten werden die sinnverwandten Wörter gerechnet, die eine paradigmatische Repräsentation aufweisen. In Merkmalsnetzen sind typischerweise Wörter im Falle der Synonymie, insbesondere partielle Synonyme, und einige Antonyme anzutreffen (vgl. ebd.). Für den hohen Anteil an partiellen Synonymen spricht die Tatsache, dass Wörter, deren Wortform unterschiedlich ist und die zugleich im Hinblick auf ihre Wortbedeutungen identisch sind, nur in geringem Maße zu finden sind (vgl. Elsen 2013: 24). Die meisten Synonyme unterscheiden sich gemeinhin nur in einer Nuance, weil bei‐ spielsweise konnotative Differenzen zwischen ihnen existieren. (5) In Sachnetzen werden 56 3 Wortschatz und Wortschatzlernen Wörter nach dem Prinzip der Kontiguität repräsentiert, wobei die Ordnung in Bezug auf das Weltwissen eine zentrale Rolle spielt und die Beziehungseigenschaften zwischen den Wörtern (in den lokalen, temporalen oder logischen Relationen) von Bedeutung sind (zum Beispiel die Wortreihe „gesund - Sport - Fitnessstudio - trainieren - Entspannung“). Als kognitive Teilnetze sind Sachnetze von zentraler Relevanz angesichts der Tatsache, dass durch die Wörter innerhalb eines Sachnetzes im Rahmen von enzyklopädisch geprägten Netzverbindungen jeweils zusammenhängende Themen expliziert werden, was als äußerst speicherwirksam angesehen wird (vgl. Neveling 2004: 45). Da das Weltwissen in einer Art Enzyklopädie repräsentiert wird, lässt sich erkennen, dass die Ordnung der Wörter in Sachnetzen auch durch soziokulturelle Faktoren determiniert werden kann. In diesen Netzen lassen sich überwiegend Nomen mit konkreter Semantik lokalisieren, wobei zwei Relationen als maßgeblich zu kategorisieren sind. Einerseits handelt es sich hierbei um die Relation von Gegensatzwörtern (insbesondere im Falle der Konversion) und andererseits um Wörter, die eine Teil-Ganzes-Relation implizieren. (6) In Bezug auf die sich in affektiven Netzen befindenden Wörtern wird angenommen, dass diese nach dem Prinzip der Emotion geordnet sind. Hierbei wird ein großer Wert auf die konnotative Semantik von Wörtern gelegt und die Wörter in den Verbindungen dieser Netze werden in der Regel mit indivi‐ duellen Emotionen verbunden. Durch solche Wörter werden persönliche Erfahrungen und Vorstellungen wiedergegen (zum Beispiel „rot - Gefahr - Feuerwehr - Blut - Rotes Kreuz“ oder „rot - Hochzeit - Feier - glücklich“). Mitunter lassen sich Spuren der Kultur in diesen Netzen auch erkennen. Zum Beispiel können chinesische Lernende gegenüber der roten Farbe auch an positive Angelegenheiten wie Hochzeit oder Frühlingsfest denken und basierend darauf werden weitere themenspezifische Wörter aktiviert. (7) Ausgehend vom Konzept der Syntagmatik ergibt sich, dass im Rahmen dieses Prinzips bei den syntag‐ matischen Netzen die Verknüpfung der Wörter in ihrer linearen Abfolge berücksichtigt wird. Zu diesen Netzen gehören insbesondere die Wörter, die im Sprachgebrauch häufig zusammen in direkter Abfolge verwendet werden. Diese syntagmatische Linearität wird beispielsweise durch die fixierten idiomatischen Redewendungen oder durch die Kolloka‐ tionen repräsentiert, welche „aus wortschatzdidaktischer Perspektive einen Sonderfall“ (Kilsbach 2018: 247) darstellen. Beispiele sind die Wortverbindungen „Platz nehmen“, „ein Gespräch führen“, „ins Schwarze treffen“ oder „Eile mit Weile! “. Durch die obige Beschreibung ist ersichtlich, dass in sämtlichen kognitiven Teilnetzen jeweils diverse lexikalische Kenntnisse gespeichert werden. Insofern ist es für den Lexi‐ konerwerb von essenzieller Relevanz, dass die Teilnetze beim Wortschatzlernen bewusst kombiniert werden, damit die Wörter möglichst in allen Teilnetzen mehrdimensional integriert werden können. In der Arbeit von Neveling (2004) werden Wörternetze nicht nur theoretisch betrachtet, sondern die Wörternetze werden auch als Forschungsinstrumente eingesetzt, mit deren Hilfe die seitens der Schüler strukturierten Wörternetze qualitativ und quantitativ exploriert und analysiert wurden. Dabei erhielten die Schüler als Probanden eine Liste von Wörtern, mit denen sie vertraut waren. Die Aufgabe der Schüler bestand unter anderem darin, eine vorläufige Zuordnung der Wörter der Liste zu anderen vorgege‐ benen Wörtern vorzunehmen und ferner diesen vorgegebenen Wörtern weitere von ihnen assoziierte Wörter hinzuzufügen. Im Anschluss daran verbanden die Lernenden alle ange‐ ordneten Wörter durch Linien und differenzierten sie parallel durch spezielle Symbole. Des 3.2 Wortspezifische Sinnrelationen und Wörternetze 57 Weiteren wurden die wichtigen Wörter zur Hervorhebung markiert. Nevelings empirische Untersuchung ergab, dass die Schüler beim fremdsprachlichen Wortschatzlernen mithilfe von Wörternetzen, die von ihnen eigenständig produziert wurden, nach einem Monat noch 87 % der behandelten Wörter im Gedächtnis behielten. Nach mehr als zehn Monaten lag diese Quote noch bei 48 %, auch wenn die betreffenden Wörter nicht von den Schülern wiederholt wurden. Überdies wurden die Wörter, die in den seitens der Schüler generierten Wörternetzen gespeichert wurden, nicht nur in schriftlichen Aufgaben, sondern auch im Bereich des mündlichen Ausdrucks verwendet. Angesichts dessen lässt sich zur Kenntnis nehmen, dass durch eine Kombination der Lernerorientierung und der Nutzung sinnvoller mehrdimensionaler Verkettungen von Wörtern in Wörternetzen ein erheblicher Beitrag hinsichtlich der Entwicklung der lexikalischen Kompetenz geleistet wird. Dies kann auch den didaktischen Handlungsvorschlag unterstützen, Wörter mittels Wörternetze zu lehren und zu lernen. Da der Test der lexikalischen Kompetenz der Lernenden keinen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit darstellt, wird in der empirischen Untersuchung nicht behandelt, wie viele von den chinesischen Deutschlernenden beim Selbstlernen eingetragenen Wörter nachträglich bzw. nach der Untersuchung noch im Gedächtnis behalten werden und wie angemessen die chinesischen Probanden diese Wörter verwenden. Stattdessen legt die Untersuchung einen Fokus auf die Beobachtung der Wörternetze in Kombination mit Daten der Augenbewegungen und weiteren Daten aus anderen Untersuchungsinstrumenten (vgl. Kapitel 6.1), damit die reproduzierten Items in den Wörternetzen beispielsweise im Hinblick auf die Verbindungen der Einträge in den Wörternetzen analysiert werden können. Die Verknüpfungen zwischen den Einträgen werden auf der Grundlage der oben angeführten Theorien interpretiert (vgl. Kapitel 7). 3.3 Wortschatzlehren und -lernen im Kontext der Fremdsprachendidaktik Die zentrale Bedeutung des Wortschatzes äußert sich unter anderem darin, dass die Reichhaltigkeit der in einer Sprache gegebenen Ausdrucksmöglichkeiten durch die Wörter und deren diverse lexikalische Verbindungsmöglichkeiten wiedergegeben wird (vgl. Leim‐ brink 2015: 27). Daher ist es nachvollziehbar, dass die Vermittlung von Wörtern bzw. des Wortschatzes stets als einer der wichtigsten Bereiche im Fremdsprachenunterricht gilt. Jedoch bereitet der fremdsprachliche Wortschatzerwerb den Lernenden angesichts der mehrdimensionalen Merkmale von Wörtern häufig Schwierigkeiten. In Anbetracht dessen, dass der Spracherwerb generell in zwei Kategorien eingeteilt werden kann (ungesteuert vs. gesteuert), sind in diesem Zusammenhang auch zwei proto‐ typische Arten der lexikalischen Aneignung differenzierbar. Zum einen kann das Vokabular inzidentell und fokussiert ohne konkrete Intention erworben werden, zum anderen besteht die Möglichkeit, dass es im Rahmen des gesteuerten Spracherwerbs erlernt wird. Obgleich sich das ungesteuerte Lernen in einer starken Korrelation zum natürlichen Spracherwerb befindet und sich der gesteuerte Spracherwerb eher auf das Lernen in Institutionen bezieht, stellt Rösler (2012) diesbezüglich fest, dass häufig eine Kombination dieser beiden Spracherwerbsarten auftritt (vgl. Rösler 2012: 18). Bezogen auf das Wortschatzlernen kann 58 3 Wortschatz und Wortschatzlernen die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass sich Lernende lexikalische Kenntnisse ohne konkretes Lernziel aneignen. Da sich die vorliegende Arbeit auf eine außerschulische sprachliche Aneignung (ohne konkretes Lernziel) bezieht, wird im Folgenden auf das selbstgesteuerte Lernen fokussiert (vgl. Kapitel 4.1). Bezüglich der fremdsprachlichen Wortschatzvermittlung liegen einige repräsentative Ansichten zur Phasengliederung des Unterrichts vor. So ziehen beispielsweise einige Leh‐ rende in ihrem Unterricht ein dreiphasiges Konzept vor: In der Darbietungsphase werden diverse Dimensionen eines Wortes erklärt und vermittelt, die sich beispielsweise auf die visuelle Wahrnehmung (Buchstaben oder Schriftbild), einen akustischen Reiz (Aussprache) oder eine Bedeutungserschließung beziehen. In der anschließenden zweiten Phase, welche als Übergangsphase bezeichnet wird, eignen sich die Lernenden die zu erwerbenden Wörter an und versuchen, sie adäquat anzuwenden. Schließlich wird in der letzten Phase, der Integrierungsphase, das Ziel verfolgt, die Lernenden dazu zu befähigen, die neu erlernten Wörter in produktiven Aufgaben korrekt zu verwenden (vgl. Teymoortash 2010: 84-87). Eine ähnliche Auffassung wird von Nation vertreten, wobei drei relevante Phasen des Vermittlungsprozesses in Betracht gezogen werden: Bemerken (noticing), Wiederauffinden (retrieval) und kreatives bzw. generatives Anwenden (creative use) (vgl. Nation 2013: 102). Hinzu kommt noch ein sechsphasiges Konzept, in dem die Lernprozesse durch Verwendung von plausiblen Präsentationen der Wörter über Internalisierungen durch Übungen bis hin zur automatischen Anwendung ablaufen (vgl. Thaler 2012: 226). Da alle genannten Konzepte in der Praxis realisierbar sind, erweist es sich als schwierig zu beurteilen, welches Konzept sich am besten für die fremdsprachliche Wortschatzvermittlung eignet. Auf der Basis der genannten Konzepte lässt sich bereits erkennen, dass der Wortschatzerwerb einen hoch komplexen und individuellen Prozess darstellt. Beispielsweise können Wörter und die ihnen inhärenten lexikalischen Charakteristika bzw. die semantischen Komponenten nicht ohne Weiteres seitens der Lernenden erfasst und beherrscht werden. Holistisch betrachtet sind die oben erwähnten Phasengliederungen in den Lernmaterialien anzutreffen, die in der empirischen Untersuchung verwendet werden (vgl. Kapitel 6.4). Die thematisch relevanten Wörter werden in den ersten Übungen durch verschiedene Darbietungsformen präsentiert und danach folgen einige Übungen, in denen die Lernenden aufgefordert werden, die Wörter aktiv oder kreativ zu benutzen. Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei Teilfragen: Wie viele und welche Wörter einer Fremdsprache sollen von den Lernenden beherrscht werden? Derartige Fragen sind nicht leicht mit einer schlüssigen Begründung zu beantworten, die eine zeitlich überdauernde Gültigkeit besitzt. In erster Linie liegt dies daran, dass der Wortschatz den Teil einer Sprache darstellt, der den schnellsten Veränderungen unterworfen ist (vgl. König 2011: 113). Zu allen Zeiten durchläuft die Sprache kontinuierlich diverse Wandlungsprozesse. Beim Sprachwandel ist insbesondere die Veränderung des Wortschatzes deutlich zu beobachten. Beispielsweise wird im Laufe der Zeit aufgrund des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren den Wörtern eine neue Bedeutung hinzugefügt. Jedoch tritt auch der umgekehrte Fall in Erscheinung, welcher sich darin äußert, dass sich der Bedeutungsumfang einiger 3.3 Wortschatzlehren und -lernen im Kontext der Fremdsprachendidaktik 59 25 Zu konkreten Beispielen im Hinblick auf den semantischen Wandel in unterschiedlichen Fällen vgl. Meibauer et al. 2015: 326-329. 26 Sammlungen zum Grundwortschatz in der Fremdsprache Deutsch finden sich zum Beispiel in Wortlisten für das Goethezertifikat des Goethe-Instituts. Vgl. hierzu u. a. Dengler et al. 2020; Tschirner 2008. Im Hinblick auf den Umfang des deutschen Wortschatzes vgl. Römer 2019: 11 f. und eine ausführliche Diskussion über die Grundwortschatzliste vgl. Kilsbach 2018. Wörter mit der Zeit verengt bzw. stark verändert. 25 In diesem Zusammenhang ist sowohl von den Lehrenden als auch von den Lernenden darauf zu achten, dass sich die Lehr- und Lerninhalte bezüglich des Wortschatzes den aktuellen bzw. dynamischen Bedingungen anpassen. Als weiterer Grund für die Tatsache, dass die beiden angedeuteten Fragen nicht eindeutig beantwortet werden können, kann angeführt werden, dass die Lerninhalte im Hinblick auf den Wortschatz im Vergleich zu den anderen Lerngegenständen im Fremdsprachenunterricht nahezu unbegrenzt sind. Angesichts des immensen Umfangs des Wortschatzes einer Sprache wurde im Kontext der Fremdsprachendidaktik der Be‐ griff „Grundwortschatz“ eingeführt, der entsprechend der Sprachniveauklassifikation des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GER) für Sprachen gewöhnlich von Insti‐ tutionen bzw. Kommissionen für Sprachprüfungen als Basiswortschatz bestimmt und in Lehrwerken bzw. in Lernmaterialien aufgelistet wird. 26 Ein Auswahlkriterium hierfür bildet die Verwendungshäufigkeit der Wörter im Sprach‐ gebrauch, jedoch lässt sich nicht ohne Weiteres schlussfolgern, dass die Wörter mit einer höheren Verwendungsfrequenz automatisch mit den auch als wichtig klassifizierten Wörtern gleichzusetzen sind. Mit den nach diesem Kriterium ausgewählten Wörtern kann ein Lernender zwar gemeinhin mit den meisten Kommunikationssituationen im Zielland zurechtkommen, jedoch könnte beispielsweise ein Gespräch zu einem speziellen Thema in einem akademischen Kontext oder einer geschäftlichen Verhandlung mit großen Schwierigkeiten verbunden sein. Aus didaktischer Perspektive werden daher noch andere Selektionsprinzipien, wie zum Beispiel die Lernziele, das individuelle Interesse der Ler‐ nenden oder der gruppenspezifische Bedarf bestimmter Lerngruppen, in Betracht gezogen (vgl. Rösler 2012: 169 f.). Beispielsweise sollte der Anteil der zu erwerbenden Wörter, die sich auf den Themenkomplex „Hochschulbewerbung und Studium“ sowie auf das „Univer‐ sitätsleben“ beziehen, in einem Deutschkurs für diejenigen Deutschlernenden höher sein, die in Zukunft in Deutschland studieren werden, als in einem Deutschkurs für Mitarbeiter und Angestellte. Obwohl Wörter wie „immatrikulieren“, „sich einschreiben“, „Numerus clausus“, „akademisches Viertel“, „Rückmeldung“ oder „Studienbescheinigung“ im Alltag nicht häufig verwendet werden, sind diese Wörter für zukünftige ausländische Studierende an deutschen Hochschulen essenziell. In diesem Zusammenhang kommen insbesondere die Wörter in Betracht, die sich auf universitätsspezifische Sachverhalte beziehen. Zum Beispiel ist mit dem Wort „Rückmeldung“ im universitären Kontext des Studentenstatus kein herkömmliches schriftliches oder mündliches Feedback gemeint, sondern durch eine „Rückmeldung“ wird der Vorgang realisiert, dass die Hochschulverwaltung nach der Überweisung des Semesterbeitrags seitens des Studierenden bestätigen kann, dass der Student im kommenden Semester weiterhin an der Hochschule studiert. Da es sich beim Spracherwerb um einen komplizierten Prozess handelt, sind unter dem Aspekt der Fremdsprachendidaktik insbesondere die Faktoren bedeutsam, welche 60 3 Wortschatz und Wortschatzlernen die Aneignung lexikalischer Kenntnisse beeinflussen. Aus der Perspektive von Lernenden kann diesbezüglich nach inneren und äußeren Faktoren unterschieden werden. Zu den inneren Faktoren zählen Kognitions- und Lernprozesse sowie diverse Lernvariablen wie Alter, Sprachbegabung, Sprachbewusstsein, Risikobereitschaft o. Ä., zu den äußeren Fak‐ toren sind unter anderem das sprachliche und nicht-sprachliche Umfeld beim Lernen zu rechnen sowie diverse Einflussgrößen, die von außen wahrnehmbar sind und durch welche auch die Qualität des Spracherwerbs gesteuert werden kann (vgl. Leimbrink 2015: 33). Korrelierend mit den bereits oben angedeuteten Problemfeldern ist dabei folgende Frage von zentralem Interesse: Worin bestehen aus sprachlicher Sicht die Schwierigkeiten beim fremdsprachlichen Wortschatzerwerb? Im vorangegangenen Kapitel wurde erläutert, dass die phonologischen Spezifikationen der lexikalischen Einheiten bzw. das phonologische Arbeitsgedächtnis einen beträchtlichen Einfluss auf die Beherrschung lexikalischer Kenntnisse ausüben. Aufgrund dessen ist es nachvollziehbar, dass die für die Lernenden in der Fremdsprache schwierig auszuspre‐ chenden Wörter mühsam rezipiert, internalisiert und im Langzeitgedächtnis verankert werden. Hinzu kommen noch die fremdsprachlichen Wörter, die sich nicht (eindeutig) auf die Gegenstände oder die Sachverhalte beziehen können, welche in dem gleichzeitig mit dem Erstspracherwerb konstituierten, semantisch-konzeptuellen System enthalten sind. Ein typisches Beispiel für dieses Phänomen stellt das deutsche Wort „Quark“ dar, das auf ein weißes, aus saurer Milch hergestelltes Nahrungsmittel referiert. Dieses Lebensmittel ist in Deutschland nicht fremd, während es aufgrund der Esskultur in China nicht zu den im Alltag gebräuchlichen Lebensmitteln gehört. Infolgedessen ist dieses Wort bei der ersten Begegnung für chinesische Lernende wegen des in ihrem Alltag fehlenden bzw. nur mangelhaft etablierten Konzeptes schwer exakt verständlich, auch wenn ein Leh‐ render für die semantische Explikation bildliche Darstellungen im DaF-Unterricht einsetzt. Angesichts der Tatsache, dass sich die Semantik vieler Substantive durch Illustrationen explizieren lässt, wird von Koeppel auf der Basis von Untersuchungen anderer Autoren die Auffassung vertreten, dass Substantive, insbesondere Konkreta zur Bezeichnung von Objekten, im Vergleich zu anderen Wortarten am leichtesten internalisiert werden können, obwohl der Schwierigkeitsgrad im Hinblick auf den Erwerb von Adjektiven und Adverbien noch nicht durch einschlägige Studien eindeutig verifiziert wurde (vgl. Koeppel 2016: 125). Jedoch ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Effektivität des Erwerbs von Substantiven, deren Semantik mithilfe von Illustrationen erworben werden soll, in manchen Fällen nur als reduziert zu klassifizieren ist. Beispielsweise ist bei einer illustrationsbasierten Worterklärung der folgende negative Faktor zu bedenken: Bei der Präsentation eines Bildes zur Semantikexplikation kann die Bedeutung eines Objektwortes zwar innerhalb einer kurzen Zeitspanne erschlossen werden, was generell in der Wortschatzvermittlung als zeitökonomische Lehrstrategie angesehen werden kann, aber es besteht hierbei die Gefahr, dass die Verarbeitungszeit so knapp bemessen ist, dass die entsprechende lexikalische Einheit im mentalen Lexikon nicht adäquat integriert werden kann. Noch beträchtlicher ist die potenzielle Gefahr, dass die mentale Verbildlichung von Wörtern, die von den Lernenden bei der (ersten) Begegnung mit den entsprechenden Lexemen durchlaufen wird, auf der Basis der Erstsprache erfolgt. Allmählich könnten dann die Wörter, deren Bedeutungen mithilfe der Erstsprache von den Lernenden registriert 3.3 Wortschatzlehren und -lernen im Kontext der Fremdsprachendidaktik 61 werden, einen dominierenden Platz im mentalen Lexikon der Lernenden einnehmen und infolgedessen im lernerspezifischen Sprachgebrauch bevorzugt werden, wobei die semantischen Spezifika dieser Lexeme in der Fremdsprache nicht vollständig bzw. nur unzureichend von den Lernenden beherrscht werden. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes kann unter anderem nachvollzogen werden, weswegen manche chinesische Deutschlernende einen Satz wie den folgenden produzieren: „Der Himmel (Es) ist sehr schwarz (dunkel) draußen.“ Als weitere Schwierigkeiten beim fremdsprachlichen lexikali‐ schen Erwerb sind noch die Polysemie und feste Redewendungen in der Fremdsprache zu nennen. Dabei weisen die Redewendungen bzw. die idiomatischen Verbindungen einerseits die Eigenschaft auf, dass sie über eine fixierte syntaktische Form verfügen und die entsprechenden Strukturelemente innerhalb der festen Wortverbindung nicht willkürlich ersetzbar sind. Andererseits lässt sich die Bedeutung von Phraseologismen nicht einfach durch die Kombination der Einzelbedeutungen ihrer Komponenten erschließen. An der Redewendung „mit etwas zu tun haben“ kann dies exemplarisch verdeutlicht werden. Auf dem Sprachniveau A2 fällt es Deutschlernenden nicht schwer, sämtliche sprachliche Einzelelemente dieser syntaktischen Struktur zu erfassen. Jedoch besteht eine große Schwierigkeit darin, die Gesamtbedeutung der Redewendung zu erfassen. Hierbei ist zudem die Erstsprache der Lernenden von Bedeutung, welche ebenfalls als ein Faktor für diverse Schwierigkeiten beim fremdsprachlichen Wortschatzlernen angesehen werden kann. Im Gegensatz zu chinesischen Lernenden kann diese Redewendung von angloamerikanischen Lernern leichter bewältigt werden. Zwar ist die Gesamtbedeutung der phraseologischen Wortverbindung für Deutschlernende mit Englisch als Erstsprache nicht wörtlich erschließbar, aber das Problem bezüglich der Bedeutungserschließung kann basierend auf den lexikalischen Kenntnissen in der Erstsprache „to have something to do with something“ überwunden werden. Aufgrund der Tatsache, dass ein starker Kontrast zwischen den morphologischen Systemen des Chinesischen und des Deutschen existiert, bedürfen chinesische Deutschlernende im vorliegenden Falle einer plausiblen additionalen Übersetzung als „Bestätigung“, obwohl sie die Semantik der Redewendung in vielen Fällen mittels des Kontexts im Satz oder Text eruieren können. Angesichts dessen liegt die Vermu‐ tung nahe, dass Fremdsprachenlernende häufiger eine Übersetzung benötigen, wenn sich ihre Erstsprache und die zu lernende Fremdsprache in einem höheren Grad voneinander unterscheiden. Durch die Einbeziehung der Erstsprache in den Unterricht lassen sich die Wörter und die damit einhergehenden lexikalischen Kenntnisse der zu erlernenden Sprache bei der Aneignung adäquat abgrenzen. Beim Wortschatzlehren und -lernen wird eine weitere Bedeutung des Übersetzens oftmals ignoriert: „Übersetzen als ein Vermitteln zwischen den Kulturen ist eine zweifache Bewegung: der Versuch, eine fremde geistige Welt zu verstehen, und das Fruchtbarmachen des Fremden im Eigenen“ (Butzkamm 2002: 269). Durch Übersetzung kann also nicht nur die Kultur des Ziellandes vermittelt, sondern auch kennengelernt werden. Im Hinblick auf den Wortschatzerwerb in der Fremdsprachendi‐ daktik ist die Tatsache sehr aufschlussreich, dass das Wortschatzlernen für die Förderung der Implementierung fremdsprachlicher spezifischer Konzepte im mentalen konzeptuellen System der Lernenden nicht zwangsweise mit landeskundlichen Lerninhalten verknüpft werden muss. Die fremde Kultur kann auch beim fremdsprachlichen Wortschatzerwerb automatisch bzw. unbewusst internalisiert werden. 62 3 Wortschatz und Wortschatzlernen Ausgehend von der semantisch-konzeptuellen Perspektive ist festzustellen, dass das fremdsprachliche Wortschatzlehren und -lernen eine Aneignung verschiedener Merkmale des semantischen Wissens und des Weltwissens darstellt, das häufig andere Charakteristika aufweist als in der Erstsprache der Lernenden und teilweise auch im lernerspezifischen konzeptuellen System. Der Wortschatzerwerb beginnt mit der Registrierung der Hauptbe‐ deutung der Wörter (bzw. bei mehrdeutigen Lexemen mit der Registrierung einer Einzel‐ bedeutung) und im Anschluss daran werden die Wissensbestände der Lernenden mit ihren Fortschritten in der Fremdsprache inhaltlich ausgebaut. Neue Wörter werden basierend auf dem vorhandenen Weltwissen und Sprachwissen der Lernenden mental verarbeitet und als neue lexikalische Einheiten mit anderen Knoten in das bereits existierende kognitive Netz‐ werk integriert. Für Fremdsprachenlernende, wobei hier speziell DaF-Lernende gemeint sind, steht ohne Zweifel das Ziel im Vordergrund, neben der quantitativen Dimension auch die qualitative Dimension des Wortschatzes und des Wortschatzerwerbs im Blick zu haben. Ein Grund hierfür liegt darin, dass lexikalische Irrtümer die Interaktion und die Kommunikation bzw. das Verständnis der von den Sprechenden generierten sprachlichen Äußerungen in höherem Maße beeinträchtigen als Fehler in anderen Sprachbereichen, wie zum Beispiel in der Grammatik (vgl. Köster 2001: 887). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Wörter unter Nutzung unterschiedlicher Lernkanäle effektiv erworben werden sollten, was für die Fremdsprachendidaktik eine nicht unerhebliche Herausforderung darstellt. In der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit geht es nicht um einen formellen Test für die lexikalischen Kompetenzen der Lernenden, sondern um eine Simulation der Sprachaneignung ohne bestimmtes Lernziel bezüglich des Wortschatzlernens. Daher lässt es sich bezogen auf die vorliegende Arbeit als Erfolg ansehen, wenn die chinesischen Lernenden nach dem selbstgesteuerten Lernen in ihren Wörternetzen einerseits die Wörter quantitativ erweitern können. Andererseits können die Lernenden die Wörter in einer sinnvollen Anordnung verbinden, wobei diese Wort‐ verknüpfungen unter Berücksichtigung der Lernmaterialien oder der Zielkultur bzw. der deutschen Kultur denkbar sind. Am bereits dargestellten Beispiel „Universitätsleben“ wird es als ein positives Ergebnis betrachtet, wenn ein chinesischer Deutschlernender nach dem Lernen initiativ an „WG“, „Numerus clausus“, „akademisches Viertel“ denken kann, solange diese Wörter in den Übungen vorgekommen sind. Da die Probanden in der Untersuchung chinesische Deutschlernende sind, werden im Folgenden ergänzend zum Wortschatz noch der Deutschunterricht bzw. die Lage über DaF in China und das Wortschatzlernen von chinesischen Lernenden in Verbindung mit der chinesischen Lernkultur vorgestellt. 3.4 Besonderheiten des Wortschatzlernens in China Wenn ein fortgeschrittener chinesischer DaF-Lernender sowohl mündlich als auch schrift‐ lich eine Szene einer Geschichte zu beschreiben versucht, dass in einer vollen Mensa kein freier Platz mehr zur Verfügung steht, wird möglicherweise der folgende Satz geäußert: „Ich fand da keinen Stuhl.“ Als vergleichbares Beispiel kann auch die in Kapitel 2.2.4 aufgeführte Äußerung angesehen werden: „Der Himmel ist sehr schwarz draußen.“. Derartige Sätze 3.4 Besonderheiten des Wortschatzlernens in China 63 sind für deutsche Muttersprachler zwar nicht unverständlich, dennoch schätzen sie solche Äußerungen als seltsam und unüblich ein. Es erscheint nur schwer nachvollziehbar, dass ein fortgeschrittener Deutschlernender Wörter wie „Platz“, „es“ oder „dunkel“ nicht kennt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass ein fortgeschrittener Lernender beim Lesen oder Hören derartiger Sätze „Ich fand da keinen Platz.“ oder „Es ist sehr dunkel.“ keine Probleme hat. Er kann alle Wörter schnell erkennen und ohne Schwierigkeiten die Sätze verstehen. Hierzu stellt sich aus der fremdsprachendidaktischen Perspektive die Frage, warum chinesische Deutschlernende (in einer produktiven Aufgabe oder in der Kommunikation) solche in den Beispielen angegebene Wörter verwenden. Angesichts der Ausführungen im vorherigen Kapitel ist davon auszugehen, dass ein möglicher Grund im mehrsprachigen mentalen Lexikon der chinesischen Deutschlernenden besteht, wobei für die Verbalisierung der Sprechabsicht vorzugsweise auf die semantischen Informationen aus den chinesischen Lexikoneinträgen in ihrem mentalen Lexikon, die sich wie deutsche Lexikoneinträge auf gleiche Dinge oder Referenzen beziehen, zugegriffen werden. Bei‐ spielsweise in Bezug auf die Beschreibung zum Thema „Wetter“ oder „Umgebung“ sind die deutschen Wörter bzw. die deutschen Einträge im mentalen Lexikon „(der) Himmel“ und „schwarz“ wegen der Erstsprache im mentalen Lexikon bei vielen chinesischen Deutschlernenden stärker verbunden als die Wörter „es“ und „dunkel“, was durch die Modelle über das mentale Lexikon in Kapitel 2.2.3 erläutert wird. Mit einem anderen Blickwinkel ist somit auch zu sagen, dass eine solche Formulierung an der Interferenz ihrer Muttersprache liegt (vgl. Kapitel 2.2.4). In Kombination mit den bereits erwähnten Theorien lässt sich aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik erkennen, dass die Herstellung der direkten Verbindung zwischen dem Konzept und einigen deutschen Lexikoneinträgen bei chinesischen Deutschlernenden nicht wie „erwartet“ vorgenommen wird. Daher ist es von Interesse, wie chinesische Deutschlernende den deutschen Wortschatz lernen und inwieweit die Informationen in der Wortschatzarbeit von chinesischen Deutschlernenden wahrgenommen werden. Zu Diskussionen mit diesem Themenkomplex wird daher eine empirische Untersuchung in der vorliegenden Arbeit durchgeführt. Dabei wird die visuelle Aufmerksamkeit der Probanden während ihres Selbstlernens mit technischen Geräten erhoben und analysiert. Basierend auf den erhobenen Daten wird der Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der Informationen in den Wortschatzübungen und dem Lernergebnis der chinesischen Deutschlernenden untersucht (vgl. Kapitel 6 und Kapitel 7). Davor werden zuerst die chinesischen Lerngewohnheiten und auch die Wortschatzvermitt‐ lung im chinesischen DaF-Unterricht in den Blick genommen, damit eine präzise Analyse mit dem angesprochenen Themenkomplex gewährleistet werden kann. Obwohl die Lernziele und Lerninhalte sowie die zugehörige Lernorganisation durch Curricula präzise geregelt und festgelegt werden können, ist es unumstritten zu sagen, dass die Lehr-, Lernsowie Kooperations- und Kommunikationsprozesse zugleich auch durch die Kultur beeinflusst werden, denn die Kultur dient als Standard des Glaubens, Deutens und Handelns in der sozialen Interaktion auf der überindividuellen Ebene (vgl. Vötter 2007: 40 f.). Die kulturspezifischen Merkmale können beispielsweise die Wahrnehmung und die Assoziation der Wörter prägen, was durch ein Beispiel von Neuner (1990) gezeigt werden kann (siehe Abb. 3-2). 64 3 Wortschatz und Wortschatzlernen Abb. 3-2: Assoziogramme zum Oberbegriff „Wald“ Gegenüber dem gleichen Wort „Wald“ unterscheiden sich die Vorstellungen zwischen deutschen und asiatischen Studenten zum Teil deutlich voneinander (vgl. Neuner 1990: 5). Das Beispiel ist zwar historisch interessant, allerdings kann der angesprochene Unterschied heutzutage schwierig erkannt werden, denn die Menschen können im Zeitalter der Glo‐ balisierung und Digitalisierung die Inhalte aus unterschiedlichen Kulturräumen erhalten und davon geprägt sein. Zudem kann durch die grafische Darstellung keine prototypische Differenz im Hinblick auf die gedankliche Verknüpfung verallgemeinert werden, weil die Assoziationen je nach den Lebenserfahrungen der Personen individuell variieren können (vgl. Galliker 2013: 92). In Kombination mit den semiotischen Grundlagen (vgl. Kapitel 2.1) lässt sich sagen, dass ein identischer Gegenstand in der Wirklichkeit aufgrund der Kultur und der (persönlichen) Lebenserfahrungen durch Sprache unterschiedlich interpretiert wird. Darin ist ein Potenzial der Wörternetze für die Fremdsprachendidaktik zu erkennen. Mithilfe der Wörternetze kann somit betrachtet werden, inwieweit die Lernenden die Zielkultur kennengelernt haben. Durch die Wörternetze kann wahrgenommen werden, was ein Lernender mit dem Gegenstand, welcher von einem Wort als sprachliches Zeichen repräsentiert wird, auf der gedanklichen Ebene assoziiert. Ergänzend zu dem Beispiel von Neuner kann der Begriff „ 国 (guó) 家 (jiā)“ als ein weiteres Beispiel bei Chinesen auf der 3.4 Besonderheiten des Wortschatzlernens in China 65 27 Dabei werden die Wörter „Land“ und „Staat“ in der deutschen Sprache mit einer unterschiedlichen Bedeutung belegt. 28 Eine Befassung der deutschsprachige chinabezogenen Forschungen im DaF-Bereich vgl. Rösler 2017. konnotativen Dimension eine familiäre Vorstellung für alle chinesischen Volksgruppen aufweisen, was in Kapitel 2.2.3 bereits vorgestellt wurde. Bei dem deutschen Wort „(das) Land“ oder „(der) Staat“, welches in den meisten Fällen als Äquivalent den gleichen Begriff bezeichnet, ist dies wegen der Kultur auf der konnotativen Dimension meistens nicht der Fall. 27 Diese Unterschiede der lexikalischen Verbindungen können nicht nur auf der gedanklichen Ebene die einschlägigen kulturellen Unterschiede aufzeigen. Hierbei kann auch angenommen werden, dass diese Unterschiede die Kommunikation (zumindest den Fluss der Kommunikation) beeinflussen könnten. Die Personen könnten sich in der Kommunikation trotz desselben Themas etwas Anderes vorstellen. Daher ist es für chinesische Deutschlernende wichtig, neben dem Lernen der deut‐ schen Sprache noch die deutsche Kultur und Landeskunde kennenzulernen. Die von den Lernenden gewonnenen landeskundlichen Kenntnisse befähigen sie einerseits, dass sie Deutschland außersprachlich kennenlernen und während ihres Aufenthalts in Deutschland mit verschiedenen alltäglichen Situationen zurechtkommen können. Andererseits sind die Lernenden mit den einschlägigen Kenntnissen in der Lage, das Verhalten der Deutschen nachzuvollziehen. Umgekehrt ist es für viele chinabezogene Fremdsprachenforschungen im DaF-Bereich auch relevant und vorteilhaft, die chinesische Kultur einzubeziehen, sodass das Lernverhalten der chinesischen Deutschlernenden verstanden und auch die in der Forschung zu behandelnden Phänomenen eingehend analysiert werden können. Es besteht allerdings auch ein Nachteil, wenn man von der Lernkultur einer bestimmten Region spricht. Mit der Darstellung einer bestimmten Lernkultur könnte möglichweise eine Stereotypisierung der entsprechenden Gruppe verursacht oder ein vorhandenes Stereotyp verstärkt werden. In diesem Zusammenhang soll für die kommende Darstellung des kulturspezifischen Lernverhaltens chinesischer Deutschlernender (und auch für die einschlägigen Inhalte in Kapitel 2.2) angemerkt werden, dass die beschriebenen Phänomen über das Lernverhalten zwar leicht bei vielen chinesischen Deutschlernenden anzutreffen sind und vermutlich auch als typische Beispiele angesehen werden können, aber die erwähnten Phänomene nicht die Gesamtheit der chinesischen Deutschlernenden repräsen‐ tieren können. Seit vielen Jahren liegen schon zahlreiche Untersuchungen und Diskussionen vor, die sich auf vielfältige Aspekte des Deutschlehrens und -lernens in China beziehen. Zum Beispiel diskutiert Zhao (2005) Probleme der chinesischen Deutschlernenden im Hinblick auf den schriftlichen Ausdruck am Beispiel der schriftlichen Aufgaben des Modellsatzes von TestDaF. Was die rezeptiven Fertigkeiten betrifft, legt die Untersuchung von Hu (2013) einen Fokus auf das Leseverstehen und Geist (2009) beschäftigt sich in ihrer Forschung mit dem Hörverstehen der chinesischen Deutschlernenden. Darüber liegen auch viele Untersuchungen vor, die sich auf die sozialen und kulturellen Aspekte beziehen. 28 Was das Wortschatzlernen betrifft, gibt es auch viele Untersuchungen. Exemplarisch werden in der Untersuchung von Liu (2012) die Wortschatzarbeit und die Aneignung des deutschen Wortschatzes behandelt, indem das Lernverhalten der chinesischen Deutschlernenden 66 3 Wortschatz und Wortschatzlernen 29 Eine Erläuterung zum Begriff „Pattern Drills“ vgl. beispielweise Krauß 2020: 24 f. beobachtet wird und die von ihnen verwendeten Lehrwerke analysiert werden. In dieser Untersuchung wird gezeigt, dass sich die Formen und Stile von Lehren und Lernen in unterschiedlichen Kulturräumen voneinander unterscheiden. Viele kulturspezifische Merkmale des Deutschlernens der chinesischen Lernenden sind erkannt. Mithilfe der Um‐ frage von dieser Untersuchung zeigte sich, dass die chinesischen Lernenden beim Lernen „Systematik und Gründlichkeit bevorzugen“ (Liu 2012: 234). Diese Haltung führt dazu, dass die Lernenden oft die Verwendung der bestimmten Instrumente der Grammatik-Überset‐ zungsmethode in die Überlegungen miteinbeziehen. Die deduktiven Methoden werden oft von erwachsenen Lernenden als zeitökonomisch angesehen. Im Hinblick auf die Übungsformen der Wortschatzarbeit werden beispielsweise das Auswendiglernen und Pattern Drills 29 bei vielen chinesischen Lernenden oft verwendet (vgl. Liu 2012: 235). Im Vergleich zu den Lernenden aus anderen Kulturräumen weisen die chinesischen Lernenden als ein bezeichnendes Merkmal auf, dass sie oft berücksichtigen, was andere Menschen von ihnen denken. Es ist somit häufig anzutreffen, dass die chinesischen Lernenden im Unterricht manchmal anscheinend nicht aktiv teilnehmen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Sie beteiligen sich aktiv an den Kursen und denken mit ihren Lehrenden mit. Sie sind aber ruhig, denn sie befürchten, bei anderen Menschen einen negativen Eindruck zu hinterlassen, wenn ihnen ein Fehler in ihrer Äußerung unterläuft (vgl. Liu 2012: 234). Im Unterricht melden sie sich meistens erst, wenn sie ihre eigene Ansicht tiefgründig finden oder ihre Aussage sprachlich grammatisch gut strukturiert haben. Dieses vorsichtige Handeln hat den Vorteil, dass die von Lehrenden gestellten Fragen die Lernenden intensiv kognitiv beschäftigen. Allerdings ist das Handeln für die chinesischen Lernenden nachteilhaft, da sie eine Gelegenheit für das mündliche Training verpassen. Dabei können die phonologischen Informationen der zu lernenden Wörter auf der Grundlage der Theorie über das mentale Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.3) in das mentale Lexikon eingetragen werden. Neben den kulturspezifischen Merkmalen spielt die chinesische DaF-Lehrkraft beim Wortschatzlernen der chinesischen Lernenden auch eine Rolle. Im chinesischen schuli‐ schen Kontext werden das Verhalten und auch die Meinungen der Lehrenden von den Lernenden immer berücksichtigt. Es lässt sich daher vorstellen, dass das Lehrverhalten das außerschulische Selbstlernen der Lernenden beeinflussen kann. Dies wird auch in der Untersuchung von Liu bestätigt (vgl. ebd.: 189). Seit den Neunzigerjahren des 20. Jahr‐ hunderts findet eine pädagogische Reform in China statt, in deren Rahmen beschlossen wurde, dass die Vermittlung von spezifischen Zusatzqualifikationen, beispielsweise Kom‐ munikationsfähigkeit, interdisziplinäres Wissen, Transferfähigkeit oder Flexibilität, in den Hochschulbildungsrahmen integriert werden soll (vgl. Ni 2001: 511). Jedoch wird von Yang (2007) darauf hingewiesen, dass erst seit den letzten 20 Jahren die Aufmerk‐ samkeit auf die Qualifikation der Lehrkräfte im chinesischen Deutschunterricht gelenkt wird. Obwohl sich das Umfeld der Hochschulbildung (beispielsweise die curricularen Rahmenpläne für den Deutschunterricht oder die internationale Kooperation mit diversen deutschen Hochschulen) ständig verbessert, können Evaluationen bezüglich der Leistungen chinesischer Lehrender sowohl positiv als auch negativ ausfallen (vgl. Yang 2007a: 61). Überdies wurde von Yang eine exemplarische Untersuchung durchgeführt, in welcher den 3.4 Besonderheiten des Wortschatzlernens in China 67 Befragten, die an drei chinesischen Universitäten Deutsch lernten, eine Frage bezüglich der didaktischen Methode ihrer Lehrenden gestellt wurde. Als Resultat dieser Umfrage ergab sich u. a. die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der befragten chinesischen Deutsch‐ lernenden mit der Didaktik des DaF-Unterrichts nicht zufrieden waren und circa 64 % der Teilnehmenden der Untersuchung Verbesserungsmaßnahmen im Hinblick auf die didaktischen Methoden verlangen (vgl. Yang 2007b: 130 ff.), was darauf zurückzuführen ist, dass vielen chinesischen DaF-Lehrkräften grundsätzlich eine weitergehende systematische pädagogisch-fremdsprachendidaktische Ausbildung fehlt. Dieser Mangel kann dadurch begründet sein, dass chinesische Hochschulen kaum einen unabhängigen Fachbereich „Deutsch als Fremdsprache“ anbieten und es in fast allen Universitäten lediglich den Studiengang „Germanistik“ gibt (vgl. Steinmüller 2019: 232). Zum Thema Didaktik und Methodik für Deutsch als Fremdsprache in China ist Zhu (2019) der Ansicht, dass die Fachrichtung mit dem Schwerpunkt DaF in chinesischen Hochschulen noch nicht verbreitet ist. Die Funktion von DaF-Lehrenden wird oft von Germanistik-Absolventen übernommen (vgl. Zhu 2019: 8). Im Hinblick auf die Qualifikation des Lehrpersonals besteht in China basierend auf chinesischer traditioneller didaktischer Philosophie üblicherweise die Auf‐ fassung, dass gute sprachliche oder fachliche Kompetenzen und Kenntnisse generell eine gute Lehrbefähigung bedeuten. Daher erweist sich in den meisten Fällen eine adäquate fachliche Kompetenz als relevanteres Kriterium in Bezug auf die Anstellung der Lehrkraft. Jedoch ist hierbei anzumerken, dass chinesische Germanistik-Studierende meistens erst im Grundstudium die deutsche Sprache lernen, und dass die primäre Zielsetzung anschließend im Hauptstudium verfolgt wird, die Kenntnisse der Studierenden in Bezug auf die deutsche Literatur und die germanistische Linguistik zu erweitern sowie zu vertiefen. Außerdem wird der chinesische Deutschunterricht noch hinsichtlich der mangelnden Integration interdisziplinärer Wissenschaften (beispielsweise der pädagogischen und der kognitiven Psychologie) kritisiert, was darauf zurückzuführen ist, dass die Verbindung des Fachstu‐ diums „Deutsch (bzw. Germanistik)“ mit anderen Fachbereichen in der Lehrerausbildung nur unzureichend realisiert wird. Viele chinesische Germanistik-Studenten beschäftigen sich daher im Laufe ihres Germanistikstudiums und ihrer nachfolgenden Forschung zunächst intensiv mit der germanistischen Linguistik und Literatur. Die Entwicklung der fremdsprachendidaktischen Kompetenzen wird daher von den chinesischen Studierenden nicht als Schwerpunkt angesehen, denn sie sind der Meinung, dass die guten Deutsch‐ kenntnisse für die Lehrtätigkeiten im DaF-Bereich in den meisten Fällen ausreichen. Vielen chinesischen Deutschlehrenden erscheint es als selbstverständlich, dass die Vermittlung der deutschen Sprache allein auf der Basis von Sprachkompetenz erfolgen kann, weswegen das Ziel des Deutschunterrichts nach Auffassung einiger Lehrender lediglich in der Vermittlung expliziter deutscher Sprachkenntnisse besteht. Anhand statistischer Daten von Wei & Dong (2006) konnte erkannt werden, dass der Anteil der Lehrenden mit einem kombinierten bzw. interdisziplinären Ausbildungshintergrund sehr gering ist (vgl. Wei & Dong 2006: 4), obwohl im Rahmen der reformpädagogischen Diskussion längst auf die Notwendigkeit der fächerübergreifenden Kooperation im Bereich der Hochschulbildung hingewiesen wurde. Da chinesische Germanisten während ihres Studiums in China ledig‐ lich intensiv mit dem Erwerb fachlicher Kenntnisse beschäftigt sind, erweist sich ihre didaktische und methodische Kompetenz im Deutschunterricht als begrenzt (vgl. Huang 68 3 Wortschatz und Wortschatzlernen 30 Anmerkung: Neuner konzentrierte sich hierbei hauptsächlich auf die Erschließung des Wortschatzes beim Leseverstehen. 2019: 107). Bezüglich der Methodik in der Unterrichtspraxis vertreten einige chinesische Forschende die Meinung, dass sich die didaktischen Konzepte in China dynamisch ent‐ wickeln. Aufgrund der Erfolglosigkeit einiger didaktischer Konzepte (z. B. der direkten Methode) wird mehrfach gefordert, dass unterschiedliche didaktische Ansätze je nach den verschiedenen Lernzielen und Lerngruppen zum Einsatz gebracht werden sollen (vgl. Zhu 2019: 15). Heutzutage sind die Spuren der Grammatik-Übersetzungs-Methode (GÜM) als gängiger Ansatz noch in manchen chinesischen Deutschkursen zu finden. Im chinesischen DaF-Unterricht ergibt sich oft die Situation, dass chinesische Lehrende alle im Lehrwerk auftretenden grammatischen Regeln mit Enthusiasmus erklären. Bisweilen werden audiolinguale und audiovisuelle Methoden integriert. Darüber hinaus ist in vielen Deutschkursen zu beobachten, dass viele chinesische Deutschlehrende in ihrem Unterricht oft die Methoden verwenden, die entweder auf ihren eigenen Erfahrungen aus ihrem eigen Deutschlernen oder auf den Tätigkeiten ihrer Deutschlehrenden basieren (vgl. Yang 2007a: 61). Obwohl durch die Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in einigen Städten didaktische und methodische Fortbildungen angeboten werden, kann der Bedarf aufgrund der großen Anzahl didaktisch nicht hinreichend qualifizierter chinesischer Lehrkräfte nicht gedeckt werden (vgl. Liu 2012: 129 f.). In den letzten Jahren wird immer mehr Wert auf die Fortbildung der chinesischen Lehrkräfte gelegt (vgl. Huang 2019; Zhao 2019). Wegen der großen Unterschiede zwischen der chinesischen und der deutschen Sprache wird von vielen chinesischen Lernenden beim Lernen ohne Weiteres die Ansicht der Lehrenden geteilt, dass zur Beherrschung der deutschen Sprache in erster Linie die grammatische Struktur erfasst werden muss. Beim Deutschlernen bzw. Wortschatzlernen wird häufig auf die grammatischen Regeln von chinesischen Deutschlernenden fokussiert. Diese starke Aufmerksamkeit auf die Behandlung der deutschen Grammatik kann dazu führen, dass eine Vernachlässigung der Wortschatzarbeit in dem auf der Grammatik-Über‐ setzungs-Methode basierenden DaF-Unterricht auftreten kann (vgl. Löschmann 1993: 18). Ergänzend zu dieser Meinung ist die Tatsache, dass die Übungsformen der Wortschatzarbeit in einem in China weit verwendeten DaF-Lehrwerk eine Eintönigkeit aufweisen. Die zu lernenden Wörter werden meistens auf der Satzebene beherrscht und der inhaltliche Bezug auf verschiedene Alltagssituationen ist in den vielen Übungen für das Wortschatzlernen unzureichend, was die Produktivität und Kreativität der chinesischen Deutschlernenden nicht fördern kann (vgl. Liu 2012: 237). Da die Bedeutung vieler Wörter in verschiedenen Situationen bzw. Kontexten variiert, schlägt Neuner (1990) vor, dass die (fremden) Wörter durch Entschlüsselungstechniken und Verstehensstrategien erschlossen werden können. Hinsichtlich der Entwicklung dieser Techniken zur Erschließung unbekannter Wörter stellt er unterschiedliche Übungen auf drei Ebenen zusammen, und zwar auf der Text-, der Satz- und der Wortebene, wobei diese drei Ebenen nicht isoliert existieren, sondern zusammenwirken (vgl. Neuner 1990: 7-10). 30 Wegen der Verwendung der GÜM ist es häufig anzutreffen, dass viele Lernende für das Leseverstehen oftmals vorzugsweise zuerst die grammatische Struktur eines Satzes analysieren und anschließend Wort für Wort übersetzen. Sofern ein neues Wort im Satz auftritt, wird die Erschließung der Bedeutung 3.4 Besonderheiten des Wortschatzlernens in China 69 des Wortes beispielweise oft durch die Verwendung der Wörterbücher vorgenommen (vgl. Mitschian 1991: 36 f.). Die unbekannten Wörter werden oft von den Lernenden in einem deutsch-chinesischen Wörterbuch statt in einem einsprachigen bzw. deutsch-deut‐ schen Wörterbuch nachgeschlagen (vgl. Liu 2012: 238). Ebenso wie das Auswendiglernen einzelner (neuer) Wörter mithilfe der zweisprachigen bzw. der deutsch-chinesischen Vokabelliste im Lehrwerk kann der Umgang mit dem Wörterbuch auch widerspiegeln, dass viele chinesische Deutschlernende beim Wortschatzlernen in den meisten Fällen dazu neigen, sich auf der Grundlage der entsprechenden muttersprachlichen Äquivalente die deutschen Wörter aneignen. Bei dieser bilingual-verbalen Semantisierungstechnik ist mit einem Defizit bezüglich der Wahrnehmung der Lernwörter zu rechnen. Durch die „Paar‐ assoziation“ (Deutsch-Chinesisch) können daher vermutlich nur schwer optimale Resultate erzielt werden, was insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass durch Übersetzungen die Begriffssemantik nicht vollständig erfasst werden kann, weil das Problem besteht, dass bei Translationen in eine fremde Sprache nur denotative Bedeutungselemente berücksich‐ tigt werden. Zudem ist hervorzuheben, dass bezüglich der sprachlichen und kulturellen Charakteristika keine Anbindung an die Ausgangssprache vorliegt (vgl. Roche 2020: 99). Die lexikalische Aneignung mittels muttersprachlicher Äquivalente ist zwar zeitlich sehr ökonomisch, aber dabei besteht auch eine Gefahr. Auf der Grundlage der Theorie des mehrsprachigen mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.3) lässt sich sagen, dass viele deutsche Lexikoneinträge im Hinblick auf die semantischen Informationen im Lemma-Teil wegen der Abhängigkeit der muttersprachlichen Äquivalente leicht von der Muttersprache bzw. der chinesischen Sprache dominiert werden. Mit anderen Worten kann die Integration der deutschen semantischen Informationen der deutschen Einträge im mentalen Lexikon bei chinesischen Deutschlernenden unbeständig sein. Unter gleichzeitiger Berücksichti‐ gung der theoretischen Grundlagen der Semiotik lässt sich sagen, dass die Verbindung zwischen dem deutschen Wort und dem von ihm bezeichneten Gegenstand leicht durch das chinesische Äquivalent dominiert werden kann. All dies führt dazu, dass ein deutsches Wort mit anderen deutschen Wörtern nicht direkt, sondern mittels chinesischer Wörter verbunden wird. Das kann dadurch erkannt werden, dass die chinesischen Lernenden in manchen Situationen, besonders bei einigen produktiven Aufgaben, die deutschen Wörter mechanisch verwenden. Wegen der verwendeten Methoden der Wortschatzarbeit besteht ein Defizit der metakognitiven Lernreflexionsprozesse, wobei die zu lernenden deutschen Wörter internalisiert und nachher situationsadäquat verwendet werden können. Im Allgemeinen gibt es viele Faktoren, die den Fremdsprachenerwerb beeinflussen können. Beispielsweise wird die Speicherung von dem Wissen im Gedächtnis durch die Tiefe der Informationsverarbeitung beeinflusst. Die Leistung erhöht sich, wenn die Lernenden beispielsweise einen Text nicht nur lesen, sondern auch sinngemäß selbstständig wiedergeben (vgl. Runte 2015: 105 ff.). Ebenfalls kann die intentionale substanziierte Integration neuer Informationen in bereits gespeicherte Informationen auch von zentraler Relevanz sein, wobei Erfahrungen, Interessen und persönliche Einstellungen der Lernenden im Vordergrund stehen (vgl. ebd.: 108 ff.). Jedoch kann eine unterschiedliche Gewichtung zu den jeweiligen Einflussfaktoren aus verschiedenen Perspektiven gegeben sein. In der 70 3 Wortschatz und Wortschatzlernen 31 Eine Diskussion über die Einflussfaktoren auf den Spracherwerb vgl. Krauß 2020, Kapitel 3.4. 32 Dies trifft besonders auf chinesische Germanistikstudierende zu: Während des Grundstudiums müssen alle Studierenden an einer einheitlichen Prüfung („PGG“, Prüfung für das Germanistikstu‐ dium) teilnehmen. Diese Prüfung stellt keine normale Klausur dar. Sie wird von der Prüfungskom‐ mission des chinesischen Bildungsministeriums veranstaltet und in deren Rahmen die sprachlichen Fähigkeiten der Studierenden (mit Ausnahme des mündlichen Ausdrucks) kontrolliert werden. Vgl. hierzu Wang 2007: 13 f. 33 Dieser Punkt wird auch von einer Probandin der vorliegenden Untersuchung erwähnt. vorliegenden Arbeit wird darauf nicht ausführlich und näher eingegangen. 31 Der Grund dafür ist, dass dies keinen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bzw. der empirischen Untersuchung der Arbeit darstellt. Außerdem sind manche Faktoren, die sich auf die En‐ dogenität der (chinesischen) Lernenden bezieht (zum Beispiel Persönlichkeit, Emotionen, Sprachlerneignung oder Sprachbegabung etc.) individuell stark unterschiedlich. Somit kann es beispielweise schwer im Allgemeinen zusammengefasst werden, welche Persön‐ lichkeit die chinesischen Deutschlernenden haben. Im Folgenden wird daher nur noch ein Faktor bzw. ein Merkmal über das Wortschatzlernen dargestellt, was bei chinesischen Deutschlernenden auffällig ist. In China ist oft zu sehen, dass der Deutschkurs wegen der steigenden Anzahl der Lernenden in einer großen Gruppe stattfindet, obwohl der Unterricht in einer kleinen Gruppe erwünscht ist (vgl. Yang & Loo 2007: 76 ff.). Im Unterricht in großen Gruppen liegen im Allgemeinen einige bemerkenswerte Probleme vor und das Problem bezieht sich darauf, dass die Lernenden aufgrund der begrenzten Unterrichtszeit wenige Chancen haben, ihre lexikalischen Kenntnisse in der Praxis anzu‐ wenden. Dementsprechend können die Lehrenden im chinesischen Unterricht auch nicht auf jeden Kursteilnehmenden eingehen (vgl. ebd. 2007: 75). In Kombination mit der obigen Darstellung über die DaF-Lehrkraft in China ist ein weiteres Problem möglich. Das Problem besteht darin, dass den Lehrenden viel Zeit für die Vor- und Nachbereitung auf die Deutschkurse fehlen kann. Viele Lehrende können vermutlich aufgrund des Unterrichts mit einer großen Gruppe leicht überfordert werden. Wegen unzureichender Gelegenheiten für die Übungen des deutschen Wortschatzes ist es umgekehrt auch erkennbar, dass das Wortschatzlernen in den außerschulischen selbstorganisierten Zeiten für die bessere Aneignung und die Beherrschung der deutschen Wörter relevant ist. Als Vertreter der chinesischen Deutschlernenden ist es bei Germanistik-Studierenden üblich zu sehen, dass viele von ihnen den Erwerb eines umfangreichen Wortschatzes als Prioritätsziel anstreben. Die Lernenden verfolgen das vorrangige Ziel, sich möglichst viele Wörter anhand den vorhandenen Wortlisten der verwendeten Lehrwerke einzuprägen. Darüber hinaus bemühen sie sich, sich möglichst schnell den Grundwortschatz anzueignen. Unter dem Grundwortschatz sind hierbei die Wörter zu verstehen, die durch das Lehrwerk, seitens eines Institutes oder seitens einer Prüfungskommission festgesetzt wurden. 32 Daraus ist zu erkennen, dass das Wortschatzlernen bei diesen chinesischen Deutschlernenden auf eine starke Prüfungsorientierung hinweist. Dabei ist es fraglich, inwieweit diese Deutschlern‐ enden für das Wortschatzlernen motiviert sind. Angesichts dessen, dass viele chinesische DaF-Lehrende noch mehr Kenntnisse im Hinblick auf die Didaktik und Methodik benötigen, ist es außerdem vorstellbar, dass die Lernenden nicht viele Ratschläge bezüglich des Wortschatzlernens von ihren Lehrenden erhalten können. 33 Bei den anderen chinesischen 3.4 Besonderheiten des Wortschatzlernens in China 71 Deutschlernenden, die keine chinesischen Germanistik-Studierenden sind, kann dies auch der Fall sein. Insgesamt lässt sich erkennen, dass chinesische Lernende beim Fremdsprachenlernen aus verschiedenen Gründen einige spezifische Verhaltensweisen beim Lernen zeigen, welche einen Einfluss auf das Wortschatzlernen in der Fremdsprache Deutsch ausüben können. Ausgehend davon wird die Überlegung für die Konzeption der vorliegenden empirischen Untersuchung angestellt, die sich auf das außerschulische Selbstlernen ohne konkretes Lernziel bezieht. Bei dieser Lernform werden einige negative Wirkungen des kul‐ turspezifischen Lernverhaltens von chinesischen Lernenden möglichst reduziert, damit sich die Lernenden dementsprechend auf die Sprachaneignung konzentrieren können. Dabei ist von Interesse, wie sich die chinesischen Deutschlernenden bei einem selbstgesteuerten Selbstlernen in einem außerschulischen Kontext verhalten und wie sie die Informationen wahrnehmen und aufnehmen. Dies ist einer der Motivationsgründe für den Einsatz der Eyetracking-Technologie in der vorliegenden empirischen Untersuchung (Kapitel 6 und 7). Da es in der empirischen Untersuchung um eine Simulation eines außerschulischen Selbstlernens geht, wird zunächst das Selbstlernen im nächsten Kapitel diskutiert. 72 3 Wortschatz und Wortschatzlernen 4 Selbstlernen mit Medien Da der Medienbegriff von unterschiedlichen Fachbereichen durch ihre spezifischen fach‐ wissenschaftlichen Perspektiven mit unterschiedlichem Fokus auf die Merkmale der Medien erklärt werden kann, ist eine eindeutige Kategorisierung aller Medien schwer vorzunehmen. In diesem Zusammenhang sollen zuerst die Begriffe, die in der vorliegenden Arbeit benutzt werden, zu Beginn des Kapitels näher beschrieben werden. Generell lässt sich hinsichtlich des Medienbegriffs sagen, dass ein Medium der Informationsvermittlung von einer Person zu einer anderen Person dient (vgl. Pürer 2014: 68 ff.). Ausgehend von den technischen Eigenschaften lassen sich bei den Medien Printmedien und digitale Medien unterscheiden. Diesbezüglich sind Medien unter Berücksichtigung der Rezeption in auditive (z. B. CD und MP3), visuelle (z. B. Lehrwerk, Bilder) und audiovisuelle Medien (z. B. Fernsehen und DVD) aufzuteilen. Hinzu kommen noch interaktive Medien (z. B. Computer, Smartphone und Internet) (vgl. Thaler 2012: 61). Es lässt sich erkennen, dass einige der er‐ wähnten Medien zwar gemäß des Medienbegriffs ohne Schwierigkeit eingeordnet werden können, aber diesbezüglich auch ein Missverständnis vorliegen könnte. Beispielsweise können visuelle Informationen durch das visuelle Medium „Buch“ übermittelt werden und diese Übermittlung lässt sich auch durch das visuelle Medium „Foto“ realisieren. Wenn ein Foto in einem Buch (im Rahmen der Analyse) fokussiert bzw. betrachtet wird, liegt ein Problem mit der kontextuellen Identifizierung vor: Wird das Foto in dem Buch als selbstständige Einheit oder als Medium in einem Medium wahrgenommen? Dieses Problem betrifft auch die Fotos im Internet oder in einem internetgestützten digitalen Medium. Damit mögliche Missverständnisse vermieden werden können, wird dies in Bezug auf den Medienbegriff voneinander abgegrenzt. Unter einem Medium wird in der vorliegenden Arbeit eine „Ebene“ verstanden, auf deren Basis sich eine Informationsvermittlung vollziehen kann. Demnach werden beispielsweise Buch, Zeitung, Radio u. a. als traditionelle Medien betrachtet. Zu digitalen Medien zählen die elektronischen Schnittstellen, die auf der Grundlage von Kommunikationstechnologien der Informationsvermittlung dienen. Als typischer Vertreter dieser Kategorie der Medien stellt sich der Computer dar. „Es besteht Konsens darüber, dass der Computer als neues, allgemein zugängliches Informationsmittel und als zentrale Instanz neuer Medien den traditionellen Medienbegriff ausweitet“ (Schorb et al. 2017: 254). Text, Bild und Ton etc. werden in der vorliegenden Arbeit als Zeichensysteme oder Kodierungsformen von Zeichen (vgl. Weidenmann 2011: 76) angesehen. Die Informationen werden durch solche Zeichensysteme bzw. Kodierungsformen in einem Medium vermittelt. Auf diese Weise kann der Medienbegriff für die vorliegende Arbeit eindeutig eingegrenzt werden, wenn beispielweise „Buch“ und „Bild“ zugleich angesprochen werden. Wie im letzten Kapitel beschrieben, bezieht sich die vorliegende Arbeit auf das selbstge‐ steuerte Wortschatzlernen der chinesischen Deutschlernenden. Heutzutage stehen nicht nur eine Vielzahl von analogen Lehrmaterialien, sondern auch zahlreiche digitale Lernres‐ sourcen für das Fremdsprachenlernen zur Verfügung. Somit liegt nach der allgemeinen Darstellung der Medien bei der Sprachaneignung ein Fokus auf der Bedeutung der digitalen Medien für das fremdsprachliche Selbstlernen. 4.1 Selbstlernen Das Selbstlernen stellt im weitesten Sinne das eigenständige Lernen dar. Trotzdem lässt es sich nicht einfach mit der Lernerautonomie gleichsetzen (vgl. Lahaie 2007: 413). Im Vergleich zum autonomen Lernen geht es beim Selbstlernen jedenfalls nicht um ein großes Maß der Selbstständigkeit oder Eigenverantwortlichkeit der Lernenden (zur Abgrenzung der Begriffe „Lernerautonomie“ und „selbstgesteuertes Lernen“ vgl. Dickinson 1996 und eine Begriffserklärung zur „Lernerautonomie“ vgl. Langkopf 2019: 24 f.; Nandorf 2004: 16 ff.; Schmidt 2005: 2 ff.). Der Begriff „Selbstlernen“ oder „selbstgesteuertes Lernen“ lässt sich jedoch nicht auf einfache Weise eindeutig definieren, denn er kann aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich interpretiert werden. Nach neurowissenschaftlicher Ansicht kann das selbstgesteuerte Lernen mit einer Selbstorganisation gleichgesetzt werden, wobei die Fähigkeit des menschlichen Gehirns zur selbstständigen Steuerung der Informations‐ verarbeitung berücksichtigt wird (vgl. hierzu Bleyhl 1995). Unter dem Selbstlernen kann die Tätigkeit verstanden werden, bei der ein Lernender mit einem hohen Autonomiegrad nach der Feststellung der Lernbedürfnisse seine Lernziele setzt und danach seinen Lernprozess mit angemessenen Lernressourcen gestaltet und mit adäquaten Lernstrategien umsetzt. Diese Tätigkeit kann mit oder ohne Hilfe anderer Personen unterstützt werden (vgl. Nenninger 1996: 25). Aus der fremdsprachendidaktischen Perspektive weist Rösler (2012) darauf hin, dass der Prozess des Selbstlernens möglichst wenig von Lehrpersonen bestimmt werden sollte und dass das Selbstlernen über typische Merkmale der Selbststeuerung ver‐ fügen muss (vgl. Rösler 2012: 116). Das Selbstlernen wird in vielen Fällen zwangsläufig von einer Fremdsteuerung bestimmt. Das Lernen bewegt sich in einem Kontinuum zwischen Selbst- und Fremdsteuerung und ein völlig fremdgesteuertes und/ oder selbstgesteuertes Lernen ist nicht vorstellbar (vgl. Breuer 2000: 88). Es ist daher mehr sinnvoll, wenn der Begriff „Selbstlernen“ unter Berücksichtigung der möglichen Einbeziehung oder Mitwir‐ kung fremdbestimmter Elemente interpretiert wird (vgl. Würffel 2006: 98). Um dieses Missverständnis zu vermeiden, wird der Begriff „Selbstlernen“ für die vorliegende Arbeit klar eingegrenzt. Mit dem Begriff „Selbstlernen“ oder „selbstgesteuertes Lernen“ wird in dieser Arbeit das selbständige Lernen bezeichnet, das sich nach dem Unterricht bzw. in einem außer‐ schulischen Kontext vollzieht. Bei dem Selbstlernen haben die Lernenden einen großen Freiraum. Mit den von selbst oder anderen Personen vorgegebenen Lernmaterialien können sich die Lernenden für die Progression des Lernprozesses eigenständig entscheiden. An dem Prozess sind andere Personen (beispielsweise Mitlernende, Lehrende oder Tutor etc.) nur bei Bedarf beteiligt. Des Weiteren lässt sich das Selbstlernen in unterschiedlichen Sozialformen vornehmen. Die chinesischen Lernenden sind wegen der chinesischen bzw. kollektivistischen Kultur eher kooperativ, deswegen ist oft zu sehen, dass viele Lernende außerschulisch gern in Gruppen zusammen lernen (vgl. Liu 2012: 236). Jedoch wird in der Arbeit ein Fokus auf das individuelle Selbstlernen in Form der Einzelarbeit gelegt, denn das außerschulische Selbstlernen in dieser Form ist wegen der leichteren Realisierbarkeit häufiger in der Praxis anzutreffen. Da Lehrende im Fremdsprachenunterricht in China aufgrund der begrenzten Unter‐ richtszeit und der größeren Gruppe von Kursteilnehmern häufig nicht auf jeden einzelnen 74 4 Selbstlernen mit Medien Lerner eingehen können, ist es denkbar, dass das außenschulische Selbstlernen für die chinesischen Deutschlernenden zur Verbesserung des Lernerfolgs notwendig ist. Für die Notwendigkeit des Selbstlernens spricht das Ergebnis der Studie von Fritz (2020), dass die Lehrenden im Rahmen der Unterrichtspraxis der Französisch- und Spanischlernenden nicht ständig zielgruppenspezifisch angemessene Unterrichtsinhalte auswählen und aufbereiten können, obwohl die Lehrkräfte von ihren früheren Studien schon über viel Fachwissen verfügen (vgl. Fritz 2020: 290 f.). In Kombination mit der Darstellung der chinesischen DaF-Lehrenden (vgl. Kapitel 3.4) ist es leicht vorzustellen, dass es den chinesischen Deutschlehrenden in der Unterrichtspraxis nicht leicht gelingt, lernerorientiert „sprach-, literatur- und kulturwissenschaftliche Wissenskomponenten in unterrichtliches Handeln zu überführen“ (Legutke & Schart 2016: 20). Diese Lernerorientierung hinsichtlich des Deutschlernens lässt sich allerdings beim (außerschulischen) Selbstlernen anpassen, denn die Lernenden können beim Selbstlernen über Zeit und Ort sowie über den Lernfort‐ schritt frei bestimmen. Die Lerninhalte lassen sich auch von den Lernenden je nach den Bedürfnissen und Lernzielen selbst auswählen. Allerdings lässt sich ein erfolgreiches Selbstlernen nicht leicht umsetzen. Ein Grund dafür liegt darin, dass das Selbstlernen große Anforderungen an die Lernenden stellt, denn die Lernenden müssen sowohl interne Voraussetzungen (kognitive und motivationale Aspekte) als auch externe Gegebenheiten (Gestaltung einer positiven Lernumgebung) berücksichtigen (vgl. Breuer 2000: 89). Da das individuelle Selbstlernen größtenteils von den Lernenden selbst organisiert wird, müssen sie dafür Vieles selbstständig arrangieren. Angesichts der Tatsache, dass die chinesischen Lernenden höhere Anforderungen an sich selbst stellen und den Gesichtsverlust vermeiden wollen (vgl. Liu 2012: 234), kann es daher möglicherweise vorkommen, dass sich manche Lernenden wegen des Gesichtsmanagements herausfordernde bzw. sehr hohe Ziele setzen, die sie entsprechend ihren tatsächlichen Kompetenzen und sprachlichen Kenntnissen nicht erreichen können. Außerdem ist es auch möglich, dass einige Lernende beim Selbstlernen die Inhalte der verwendeten Materialien nicht vollständig nachvollziehen können. Dies führt möglicherweise dazu, dass die Lernenden demotiviert werden können. Das ist darauf zurückzuführen, dass die tatsächliche Schwierigkeit der Aufgaben in den Lernmaterialien höher ist, als die Lernenden vor dem außerschulischen Selbstlernen erwartet haben. „Lernen als aktiver Prozess kann nie nur fremdgesteuert sein, ebenso ist eine reine Selbststeuerung kaum möglich, da sie i. d. R. von Lernmaterialien oder anderen äußeren Gegebenheiten abhängt“ (Krauß 2020: 36). Daraus ist zu erkennen, dass es viele Einflussfaktoren für das (selbständige) Fremdsprachenlernen gibt. Die Lernenden können beispielsweise wegen ihrer verschiedenen Lerngewohnheiten und individuellen Variablen unterschiedliche Lernerfolge erreichen. Die verwendeten Materialien können zwar von den Lernenden initiativ ausgewählt werden, aber die Inhalte der Materialien spielen beim Lernerfolg ebenfalls eine Rolle. Für die Gewährleistung eines Lernerfolgs sind auch verschiedene Erfahrungen erforderlich. Mit den Erfahrungen können Lernende sich bewusst über angemessene Materialien, Lernmethoden oder Lernorte etc. entscheiden, damit ein Lernerfolg nach dem Selbstlernen erzielt werden kann. Im Hinblick auf das individuelle Lernen mit dem Anfänger-Sprachniveau schlägt Rösler (2006) vor, Rücksicht auf den Fortschritt zu nehmen. „Dabei ist darauf zu achten, dass die Lernenden mit Aufgaben konfrontiert werden, die es ihnen erlauben, mit einem Erfolgserlebnis aus dem 4.1 Selbstlernen 75 für ihren aktuellen Sprachstand zu komplexem sprachlichem Material wieder ‚herauszu‐ finden‘“ (Rösler 2006: 160). Das Erfolgserlebnis ist beim Selbstlernen relevant, denn die Lernenden können nach den positiven Erfahrungen motiviert bleiben und einen Ansporn für das weitere selbstgesteuerte Lernen haben, was als ein zentraler Faktor angesehen wird (vgl. Ellis 2008: 643 f.). In unserem digitalen Zeitalter sind heutzutage zahlreiche digitale Lehrmaterialien, mit denen verschiedene Fertigkeiten gefördert werden können, für die Selbstlernenden verfügbar. Es lässt sich feststellen, dass die digitalen Lernmaterialien die sprachlichen Kompetenzen der Lernenden signifikant verstärken können (vgl. Zeyer 2018: 19 f.). Daher ist es denkbar, dass die Lernenden neben Büchern auch mit Hilfe der digitalen Medien bzw. Lernmaterialien das Selbstlernen gestalten. Im Folgenden werden die Medien dargestellt, die für das Fremdsprachenlernen verwendet werden. Dabei wird der Fokus auf digitale Medien gelegt und basierend darauf kann auf den Stellenwert der digitalen Medien für das selbstgesteuerte Lernen näher eingegangen werden. 4.2 Medien beim Fremdsprachenlernen Im Kontext des Sprachunterrichts werden die Medien häufig mit den elektronischen Medien gleichgesetzt und dabei werden andere häufig verwendete Medien, beispielsweise Bücher, übersehen (vgl. Roche 2020: 308). Wenn die Medien im fachdidaktischen Bereich angesprochen werden, können diese in zwei Kategorien eingeteilt werden. Zu der ersten Kategorie zählen die Lehrmaterialien, die inhaltlich speziell zu einem bestimmten didakti‐ schen Zweck konzipiert worden sind. Sie werden als didaktisierte Medien bezeichnet und Lehrwerke sind der klassische Vertreter dieser Kategorie (vgl. Decke-Cornill & Küster 2015: 130). In der Unterrichtspraxis spielen die Lehrwerke meistens eine zentrale Rolle für die Unterrichtssteuerung (vgl. Rösler & Würffel 2020: 18). „Zu den zweiten zählen alle primär nicht für den Unterricht gedachten gedruckten, visuellen, auditiven und audiovisuellen Texte (im weitesten Sinne des Wortes).“ (Decke-Cornill & Küster 2015: 130). Sie werden als nichtdidaktisierte Medien angesehen. Beispielsweise stellt der Computer mit dem Internetzugang einen Hauptvertreter der zweiten Kategorie dar (vgl. ebd.), was in diesem Kapitel fokussiert wird. In der Regel besteht ein Lehrwerk aus mehreren verschiedenen Komponenten und ein Lehrwerk kann den Lernprozess der Lernenden bzw. Zielgruppe für einen bestimmten Zeitraum begleiten oder steuern. Dort werden vielfältige sprachliche und kulturelle Phä‐ nomene der zu lernenden Sprache behandelt (vgl. Rösler 2012: 41). Es lässt sich in der Praxis sehen, dass das traditionelle Lehrwerk im Zeitalter der Digitalisierung immer noch eine wichtige Rolle für das Fremdsprachenlernen spielt. Das Lehrwerk bzw. das Buch lässt sich in der Unterrichtspraxis vielfältig einsetzen (vgl. Maijala 2007: 543) und die wichtige Rolle der Lehrwerke kann durch eine Reihe von Aspekten widergespiegelt werden. Beispielsweise werden Lehrwerke als Hauptvertreter der didaktisierten Medien beruhend auf einer durch‐ dachten didaktischen Progression konzipiert, die den Lernbedürfnissen der Lernenden entgegenkommt. Beim Sprachenlernen leistet ein Lehrwerk eine Strukturierungshilfe. Ein völliger Verzicht auf das Lehrwerk ist aus den Gründen des Arbeitsaufwands und der Zeitökonomie kaum möglich (vgl. Nieweler 2000: 14 ff.). In der empirischen Untersuchung 76 4 Selbstlernen mit Medien von Wang (2019) mit dem Titel „Welche Lehrwerke für welche Kultur? “ wird die Rolle des Lehrwerks im chinesischen Fremdsprachenunterricht erörtert. Es ist ersichtlich, dass das Lehrwerk in der Unterrichtspraxis eine wichtige Rolle spielt und der Umgang mit dem Lehrwerk dabei sehr häufig anzutreffen ist. Dabei werden beispielsweise die Funktion der Qualitätssicherung und die didaktische Stützfunktion hervorgehoben (vgl. Wang 2019: 254 ff.). Allerdings haben Lehrwerke (in gedruckter Form) auch Nachteile. Zum Beispiel können die Lehrwerke viel Raum einnehmen, wenn sie eine Vielzahl an Inhalten bzw. Bü‐ chertexten beinhalten. Es ist daher vorstellbar, dass die Vielfalt der (zu lernenden) Sprache in einem Lehrwerk bzw. in einem Band schwer widergespiegelt werden kann. In den alltäglichen Situationen kann eine gleiche Sprechabsicht durch verschiedene Äußerungen umgesetzt werden. Wegen der Platzeinschränkung lassen sich jedoch nicht alle möglichen Formulierungen in einem Lehrwerk aufführen. In der Regel wird somit in den meisten Fällen nur eine alltägliche Situation als Musterbeispiel im Lehrwerk wiedergegeben. Unter Berücksichtigung der didaktischen Ziele ist auch anzutreffen, dass der Mustertext in Verbindung mit den zu lernenden grammatischen Kenntnissen konzipiert werden kann. Auf diese Weise kann die Grammatikvermittlung nicht zu theoretisch werden, aber dabei ist die Authentizität solcher Texte im Lehrwerk fraglich (ein interessantes Beispiel dazu vgl. Rösler & Würffel 2020: 121 f.). Im Laufe der technischen Entwicklung stehen heutzutage Lehrwerke sowohl in gedruckter als auch in digitalisierter Form für das Fremdsprachenlernen zur Verfügung. Viele von ihnen sind jedoch nur durch digitale Technik von der Papierform in ein anderes Format (z. B. eine PDF-Datei) umgewandelt. Sie lassen sich zwar mit einem Smartphone, Tablet oder Computer schnell abrufen, aber außer dem technischen Format liegen (fast) keine weiteren Unterschiede oder inhaltliche Ergänzungen vor. Im Vergleich zu den gedruckten Lehrwerken hat sich am Produkt selbst nicht viel an den entsprechenden digitalisierten Versionen geändert, denn die Inhalte bzw. die dort präsentierten Informationen sind nicht im Wesentlichen geändert worden. Sie bieten lediglich eine weitere Möglichkeit bzw. Flexibilität zum Lesen. Die Lernenden können sowohl durch das Lesen mit gedruckten Büchern als auch durch das Lesen am Bildschirm Vorteile haben, aber es kann individuell unterschiedlich sein. Es ist vorstellbar, dass sich manche Lernenden beim Lesen häufig mit einem Stift Notizen machen und gern etwas Gewohntes in der Hand halten. Was den technischen Aspekt und den Sinneseindruck betrifft, lässt sich sagen, dass die Art der oben beschriebenen elektronischen Bücher nicht durch die Hände physisch spürbar ist. Für die Entschlüsselung der Informationen, die in einem Medium präsentiert und vermittelt werden, sind entsprechende Kommunikations‐ kanäle erforderlich. Mit anderen Worten kann das Lesen am Bildschirm bzw. mit einem E-Book im Vergleich zu einem Buch in Papierform schwer mit haptischer Wahrnehmung verbunden werden. Die Lernenden, die beim Lernen auf die sensorische Wahrnehmung, beispielweise mit einem gewissen Maß auf den Tastsinn, angewiesen sind (zu Lernstilen und Lernertypen vgl. Grotjahn 2007; Aguado 2016), können durch die elektronischen Lehrwerke nicht so viel unterstützt werden wie durch die gedruckten Lehrwerke. Obwohl sich eine Notiz auch in den digitalisierten Lehrwerken vornehmen lässt, können die Lernenden beim Lernen mit dem gedruckten Lehrwerk zum einen das Buch anfassen, zum anderen sofort und direkt in das Buch etwas notieren, was sie als wichtig erachten. All dies kann das Memorieren der zu lernenden sprachlichen Kenntnisse oder Inhalte unterstützen und 4.2 Medien beim Fremdsprachenlernen 77 34 Zur ausführlichen Beschreibung im Hinblick auf die Definition „Multimedia“ vgl. Schulmeister 2007: 13 ff. Beim multimedialen Lernen werden verschiedene Modalität (in der Regel die visuelle in Verbindung mit der auditiven Modalität) verwendet, um die in den Materialien übermittelten Informationen wahrzunehmen und aufzunehmen (vgl. Seidel & Krapp 2014: 302). 35 Als Beispiele sind das Lehrwerk „Das Leben A1“ (mit der Anwendung „Unterrichtsmanager Plus“) von Funk et al. 2020 und das Lehrwerk „Menschen A1“ (mit Ergänzung der AR-Technologie) von Evans et al. 2020. 36 In etlichen Beiträgen und Untersuchungen bezüglich der Fremdsprachendidaktik kommt der Begriff bzw. die Bezeichnung „neue Medien“ vor. In der vorliegenden Arbeit wird diese Bezeichnung nicht verwendet und wird mit der Bezeichnung „digitale Medien“ gleichgesetzt. Der Grund dafür ist, dass die neuen Medien heutzutage längst nicht mehr neu sind. Jedoch sind sie neu, wenn sie den Lehrbüchern oder anderen Printmedien gegenübergestellt werden (vgl. Edmondson & House 2011: 328). Zur Differenzierung zwischen dem analogen Multimedia und dem digitalen Multimedia vgl. Rösler 2012: 51. fördern. Hierzu weist Arnold et al. (2018) auch darauf hin, dass das Lesen von E-Books „zu einer Abwendung von der gegenständlichen Welt und einer geringeren Konzentration des Lesens führen [kann].“ (Arnold et al. 2018: 36). In der Corona-Pandemie sind bereits einige digitalisierte Lehrwerke entwickelt worden, die für die meisten Unterrichtsformen einsetzbar sind. Diese Lehrwerke stellen keine gängigen Lehrwerke dar. Es liegt eine große Änderung vor. Diese elektronischen Lehrwerke sind multimedial 34 gestaltet und es sind lebensnahe Informationen mit verschiedenen Kodierungsarten integriert. 35 Da die Analyse der Lehrwerke in der vorliegenden Arbeit keinen Schwerpunkt darstellt, werden hier diese neuen elektronischen multimedialen Lehrwerke nicht ausführlich erläutert. Es gibt einige Gemeinsamkeiten zwischen Printmedien und digitalen Medien. Ebenso wie gedruckte Lehrbücher verfügen digitale Medien auch über Bilder, die als visuelle Medien verschiedene didaktische Funktionen leisten können. Beispielweise sind die visuellen Medien in der Lage, die Aufmerksamkeit der Lernenden zu erregen und zu halten. Außerdem können die visuellen Medien auch die Erweiterung des Wortschatzes fördern (vgl. Schwerdtfeger 2001: 1023 f.). Im Vergleich zu den gedruckten Lehrwerken bzw. den Printmedien können es digitale Medien oder digitales Multimedia 36 ermöglichen, dass unterschiedliche Zeichensysteme, beispielsweise Text, Bild, Video und Ton etc., durch die Digitalisierung integriert werden können, sodass neue multimodale Medienformate entstehen (vgl. Edmondson & House 2011: 328). Unter dem Begriff der Multimodalität versteht man „die Kombination von mehreren Sinnesmodalitäten (visuell, auditiv, olfakto‐ risch, gustatorisch, taktil) oder Kodalitäten (Sprache, Bild, Ton) […].“ (Siever 2014: 381). Der Begriff der Multimodalität stellt eine kommunikative Praxis dar, wobei unterschiedliche semiotischen Ressourcen verbunden sind (vgl. Bucher 2012: 54). In den digitalen Medien werden die vorzustellenden Inhalte mehrschichtig präsentiert, sodass sich die eingebetteten Kodierungsformen der Zeichen in den Lernangeboten ergänzen. In der Interaktion mit einem digitalen Lernangebot sollen daher unterschiedliche Sinneskanäle angesprochen werden, damit sich die in den Lernangeboten präsentierten Informationen möglichst exakt und umfassend wahrnehmen lassen (vgl. hierzu Nandorf 2003: 38 f.; Kerres 2018: 186). Aus der didaktischen Perspektive können digitale Medien nicht nur als einfache didaktische Hilfsmittel angesehen werden, sondern sie beinhalten eine „Verschmelzung von Bildungsprozessen mit digitalen Technologien“ (Fischer 2013: 32). Die Nutzung der digitalen Medien wirkt sich auf die Vernetzung und Verdichtung von Informationen und 78 4 Selbstlernen mit Medien Wissen aus, was die Lern- und Wahrnehmungsprozesse beeinflusst (vgl. Alan & Tazirane 2019: 36). Das digitale Lernen kann nicht nur das Interesse und die Neugier der Lernenden erwecken oder verstärken, sondern auch die emotionale Beteiligung der Lernenden kann sich beim Lernen mit digitalen Medien erhöhen (vgl. Zhao & Zhang 2020: 115). Es ist daher vorstellbar, dass sich der Lernerfolg durch die Nutzung der Vorteile der digitalen Medien erhöht. Die Darstellungsform der Informationen in den digitalen Medien bzw. den digitalen Lernangeboten kann vielfältig und interaktiv sein. Im Folgenden werden einige kennzeich‐ nende Merkmale im fremdsprachendidaktischen Kontext eingehend beschrieben. Das Fremdsprachenlernen kann von den digitalen Medien auf verschiedenen Ebenen gefördert werden. Beispielweise ermöglichen die digitalen Medien verschiedene Arten der Kooperationsarbeiten und auch unterschiedliche Möglichkeiten der Kommunikation (hierzu vgl. beispielweise Tamme 2001; Platten 2008; Rösler 2010a). Die digitalen Medien zeichnen sich dadurch aus, dass die Informationen dort digital bereitgestellt werden. Mit Hilfe dieser Technik lassen sich auch mehrere Typen digitaler Lehr- und Lernmaterialien entwickeln. Beispielsweise sind digitale Materialien vorhanden, die als ein Teil zu einem printgeleiteten Lehrwerk zur Verfügung stehen. Außerdem liegen auch digitale Lehrwerke vor, die den kompletten Spracherwerbsprozess der Lernenden auf einer Niveaustufe be‐ gleiten können. Darüber hinaus stellt das Internet, das zur Kategorie der nichtdidaktisierten Medien gehört, auch einen Bereich der Lehrmaterialien dar (vgl. Rösler 2012: 52 f.). Da alle Informationen bereits digital codiert sind, zeichnen sich die digitalen Medien bzw. die digitalen Materialien dadurch aus, dass keine Platzeinschränkung besteht. Das kann die Autoren eines (traditionellen) Lehrwerks entlasten und sie müssen nicht mehr aus Platzgründen die zu vermittelnden Inhalte auf einer Seite platzieren. Außerdem können die Lerninhalte, die in den digitalen Lehr- und Lernmaterialien präsentiert werden, mithilfe der digitalen Technologie ständig aktualisiert werden. Es ist technisch möglich, dass die Autoren jederzeit die Lehr- und Lernmaterialien zu den aktuellen Themen ergänzen können (vgl. Rösler 2012: 53). All dies ist auch vorteilhaft für die Lernenden. Beim Lernen mit den digitalen Medien können die Lernenden beispielsweise die Materialien mit einem ansprechenden Layout erhalten. In diesen Materialien können die zu lernenden Lernstoffe angemessen präsentiert werden, ohne bei den Lernenden eine visuelle Überforderung (und/ oder eine emotionale Überforderung) hervorzurufen. Im Hinblick auf das Layout kann allerdings auch die Gefahr bestehen, dass der innere Zusammenhang der Lerninhalte von den Lernenden nur eingeschränkt wahrgenommen werden kann, wenn die zu vermit‐ telnden Inhalte (isoliert) auf mehrere „Seiten“ der digitalen Materialien verteilt sind. In der Entwicklung der Massenmedien ist der Trend zu erkennen, dass ein Medium in Kombination mit einem weiteren Medium auf der Basis eines Kodierungssystems zu einem Multi-Medium wird. Das Internet stellt einen Vertreter eines Multi-Mediums dar (vgl. Bucher 2010: 41). Dort sind alle Informationen digital gespeichert und sie lassen sich jederzeit online abrufen. Wenn vom Lernen mit digitalen Medien die Rede ist, werden häufig die Multimedialität und die damit verbundene (digitale) Multimodalität und Multicodierung zur Sprache gebracht. Es lässt sich erkennen, dass alle Informationen in den Online-Lernangeboten mittels der Digitaltechnik übertragen werden, wobei verschiedene Zeichensysteme zusammengeführt werden. Mit anderen Worten werden unterschiedliche Kodierungsformen von Zeichen oder Ressourcen in die digitalen Materialien integriert. 4.2 Medien beim Fremdsprachenlernen 79 37 Hierzu vgl. beispielsweise Norris & Maier 2014; Elsner & Lohe 2014. Bei der Nutzung der digitalen Lernangebote oder Materialien sind unterschiedliche Sinnesmodalitäten für die Wahrnehmung erforderlich (vgl. Zhao & Zhang 2020: 115), sodass sich die auf der Basis der Kombination verschiedener Zeichensysteme dargestellten Informationen umfassend und exakt nachvollziehen lassen. Beim Fremdsprachenlernen kann der Einsatz des Multimedias einige Vorteile bringen. Mithilfe des Multimedias lassen sich eine konstruktivistische Lernumgebung gestalten und die Multimedia-Elemente können auch einen Realitätsbezug herstellen (vgl. Zeyer 2018: 22). In der Diskussion über Multimedia, Multicodierung und Multimodalität modifiziert Weidenmann (2011) mit den in seiner Untersuchung dargestellten Befunden und Analysen die „naiven“ Annahmen und er weist darauf hin, dass „interaktive, multicodale und multimodale Lernangebote den Lernenden eine Vielfalt von Aktivitäten [eröffnen]. Dies erweitert das Spektrum ihrer Lernstrategien und Lernerfahrungen.“ (Weidenmann 2011: 85). Außerdem modifiziert er auch die Argumente über den Einfluss des Multimedias auf das Behalten von Wissen und auf die Motivation. Seiner Meinung nach kann die Verarbeitung von Lernmaterialien in besonderer Weise intensiviert werden und eine mentale Multicodierung des Lerngegen‐ standes von den Lernenden stimuliert werden, wenn die Informationen multicodiert und multimodal präsentiert werden. Dies fördert die anhaltende Verfügbarkeit des Wissens. Das Interesse an Lerninhalten und die Anwendung des Wissens wird dadurch gefördert, dass mit Multicodierung und Multimodalität authentische Situationen realitätsnah dargestellt werden können und der Lerngegenstand in verschiedenen Kontexten präsentiert wird kann (vgl. Weidenmann 2011: 85). Im Hinblick auf die multimodale Kommunikationsform legen die themenbezogenen Un‐ tersuchungen 37 generell den Fokus auf zwei Aspekte. Dabei bezieht sich der erste Aspekt auf die Kompositionalität, wobei gefragt wird, welchen Beitrag ein Modus bzw. ein Typus von Zeichen zur Gesamtbedeutung leistet und wie seine Funktion in diese Gesamtheit integriert wird. Umgekehrt geht es beim zweiten Aspekt darum, welche Modi bzw. Zeichensysteme eines Angebots nach welchen Strategien von einem Benutzenden wahrgenommen werden. Außerdem stellt sich noch die Frage in Bezug auf den Zusammenhang zwischen dem Verständnis und der Selektion der Modi sowie des jeweiligen Rezeptionsresultats (vgl. Bucher 2010: 41). Daraus ist zu erkennen, dass die zwei Herangehensweisen von zwei Per‐ spektiven ausgehen, wobei sich der erste Aspekt auf die Seite des Senders bezieht und der zweite einen Fokus auf die Seite des Rezipienten legt. In diesem Zusammenhang lässt sich feststellen, dass sich die multimodale Kommunikationsform beim Fremdsprachenlernen mit den digitalen Medien bzw. der Lehr- und Lernmaterialien ausgehend von diesen beiden Aspekten unterschiedlich interpretieren lässt. Dabei ist vorstellbar, dass sich die Gestaltung und die Rezeption der multimodalen Kommunikation beim Fremdsprachenlernen mit den digitalen Medien voneinander unterscheiden. Mit anderen Worten kann es im Fall einer niedrigen Fremdsteuerung vorkommen, dass sich der Lernprozess der Lernenden beim Fremdsprachenlernen mit den digitalen Medien bzw. den Materialien anders vollzieht, als sich die Experten aus der Fremdsprachendidaktik dies bei der Gestaltung der digitalen Lernangebote vorgestellt haben. Es ist somit spannend, die Unterschiede und deren Gründe zwischen dem tatsächlichen Wahrnehmungsprozess der Lernenden und der Vorstellung 80 4 Selbstlernen mit Medien 38 Die vorliegende Arbeit legt einen Fokus auf die Rezeption bzw. die visuelle Wahrnehmung der Lernenden beim Wortschatzlernen mit traditionellen und digitalen Medien. Somit wird hier der zweite oben angesprochene Aspekt behandelt. Dabei wird beobachtet, welche Zeichensysteme eines Angebots auf welche Weise von den Lernenden wahrgenommen werden (vgl. Kapitel 7). der Experten zu untersuchen, welche die digitalen (Online-)Lernangebote konzipiert haben. Hierfür bedarf es kontrastiver Beobachtungen und Untersuchungen. 38 Die einschlägige Analyse ist für die fremdsprachliche Didaktik wichtig, weil die Multimodalität und Multi‐ codalität auch Nachteile mit sich bringen, wenn die Informationen in den Lernangeboten oder den Materialien nicht angemessen koordiniert sind (vgl. Fasching 1997: 73). Außerdem können die digitalen Medien die Ausweitung der Interaktionsmöglichkeiten ermöglichen. Im Kontext des Fremdsprachenlernens mit den digitalen Medien kann unter der „Interaktion“ nicht nur die Aktion zwischen Menschen bezüglich eines bestimmten (Diskussions-)Zwecks verstanden werden, sondern auch zwischen Menschen und Ma‐ schine. Es geht hier noch um die menschliche Interaktion, die mittels Maschine erstellt wird (Rösler 2010b: 157 f.). Exemplarisch können die Lernenden bei einer Lernplattform miteinander interagieren. Während die Informationen in den gedruckten Medien nur von einem Sender an einen Empfänger vermittelt werden können, ist es einem Nutzer bzw. einem Empfänger beim Fremdsprachenlernen auf einer Online-Lernplattform möglich, mit anderen Lernenden eine Kommunikation aktiv zu starten. Das bedeutet, dass sich die Informationen auf einer internetgestützten elektronischen Lernplattform sowohl vom Absender als auch vom Empfänger übermitteln lassen. Sie können beispielsweise auf der Online-Lernplattform die Lernressourcen miteinander teilen, ihre Meinungen zu einem Lernthema äußern, darüber mit den Mitlernenden diskutieren und ihre Lernerfahrungen miteinander austauschen. Darüber hinaus liegen weitere mögliche Interaktionen vor, wie folgend aufgeführt wird: Man interagiert nicht nur, indem man tippt und klickt, […] indem man einen bestimmten Link anklickt, eine bestimmte Eingabe als Reaktion auf einen Textimpuls eintippt usw. Zum Bereich der Interaktion gehört ferner, dass eben nicht nur der menschliche Benutzer auf Stimuli der Maschine reagiert, sondern dass z. B. bei Lernprogrammen die Maschine auf Eingaben der Lernenden reagiert, indem sie das sogenannte Feedback liefert. (ebd.: 158 f.) Mit Bezug auf das E-Learning hat Niegemann (2011) verschiedene Interaktionsformen und ihre entsprechende Umsetzung in Online-Lernangeboten ausführlich behandelt, wobei nicht nur die Aktionen von Lernenden, sondern auch die des Lehrsystems aufgeführt werden (vgl. Niegemann, 2011: 129-133). Aus der Auflistung von Niegemann ist zu entnehmen, dass die digitalen Lernangebote neben der Darbietung der Informationen in verschiedenen Formen viele Interaktionsmöglichkeiten in Kombination mit Aufgaben und deren Fragen anbieten. Dementsprechend liegt beim Lernen mit dem interaktiven digitalen Lernangebot auch eine Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten seitens der Lernenden für den Lernprozess vor. Nach Strzebkowski und Kleeberg (2002) lassen sich die Interaktionsformen im Kontext des E-Learnings in zwei Arten unterteilen. In der ersten Kategorie geht es um einfache Interaktionen der Steuerung. Diese Art der Interaktion beschränkt sich auf die Steuerung des digitalen Lernangebots und dabei besteht seitens der Lernenden kein großer Handlungsspielraum. Dazu gehören beispielweise die Auswahl der Inhalte des 4.2 Medien beim Fremdsprachenlernen 81 Lernangebots, die Wiedergabe von Ton oder Video und die Auswahl des eigenen Lernwegs sowie die Einzelworteingabe etc. (vgl. Strzebkowski & Kleeberg 2002: 233). Die zweite Art der Interaktionsform, die als erweiterte Interaktion angesehen wird, stellt eine didak‐ tische Interaktionen dar. Dazu zählt zum Beispiel die Steuerung der interaktiven Inhalte des Lernangebots, denen ein „hohes Motivationspotenzial zugeschrieben“ (Mehlhorn & Neveling 2021: 80) wird. Hinzu kommen noch die Modifikation oder die Anpassung der Lernwege und die Möglichkeit der Eingabe komplexer Antworten bzw. Mehrworteingabe auf (komplexe) Fragestellungen sowie die Möglichkeit tutorieller Feedbacks und adaptiver Hilfe, wobei das Lernprogramm einem Nutzer jeweils basierend auf seinen Eingabedaten oder der Mensch-Maschine-Interaktion passende Rückmeldungen gibt (vgl. Strzebkowski & Kleeberg 2002: 233 f.). In der Untersuchung von Biebighäuser (2016) im Hinblick auf das Fremdsprachenlernen mit Avataren und Agenten in der virtuellen Kommunikation (in einem Computerprogramm) geht es um verschiedene Interaktionen (Interaktion eines Nutzers und seinem Avatar, Interaktion eines Nutzers und einem anderen Nutzer durch Avatare sowie Interaktion von einem Nutzer und seinem Agenten). Dabei wird der Einfluss der Avatare und der Agenten auf die didaktischen Interaktionsformen untersucht (vgl. Biebighäuser 2016: 123). Hierbei ist eine Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten von Avataren und Agenten für das Fremdsprachenlernen zu betrachten. Daraus ist erkennbar, dass noch weitere Interaktionsformen in der virtuellen Kommunikation bzw. in einem digitalen Lernangebot im Laufe der technischen Entwicklung für verschiedene didaktische Zwecke entwickelt werden können, was als ein großes Potenzial betrachtet werden kann. Wenn vom Online-Lernen die Rede ist, wird die Interaktivität häufig angesprochen, die eine bemerkenswerte Eigenschaft der internetgestützten Medien darstellt (vgl. Gastreich 2013: 11). Aufgrund dieser Eigenschaft der digitalen Medien kann ein aktiver Lernprozess ermöglicht werden (vgl. Zeyer 2018: 30). Unter Interaktivität kann „das Ausmaß, in dem eine Lernumgebung Interaktionen ermöglicht und fördert“ (Niegemann et al. 2008: 295) verstanden werden und „Interaktivität hat im Bereich der Lernmedien zweifellos eine aus‐ gesprochen positive Konnotation.“ (ebd.). In einem Computerprogramm kann didaktische Interaktivität geleistet werden, wenn die Grundfunktionen in einem Online-Lernangebot erfüllt werden. Diese Grundfunktionen, die den Prozess des Wissensaufbaus von Lernenden unterstützen, stellen das Motivieren, das Informieren, das Fördern des Verstehens, das Fördern des Behaltens und das Fördern des Anwendens von Wissen sowie das Organisieren bzw. Regulieren des Lernprozesses dar (vgl. Niegemann 2011: 127). Die Rolle der didakti‐ schen Interaktivität ist in gewisser Weise mit der Rolle der Lehrenden im Fremdsprachen‐ unterricht gleichzusetzen (vgl. Krauß 2016: 167). Die interaktiven digitalen Lernangebote begleiten die Nutzenden bzw. die Lernenden bei ihrem Spracherwerbsprozess und sie reagieren auf die Aktionen der Lernenden zu unterschiedlichen Zwecken in verschiedenen Bereichen. Dazu gehören auch die Feedbacks, die sich sowohl auf die Steuerung als auch auf die Eingaben der Lernenden beziehen. Im didaktischen Rahmen kann die Interaktivität durch „aktiven Einbezug des Lernenden in das Lerngeschehen“ (Haack 2002: 129) ein mo‐ tivierendes Lernen fördern. Es lässt sich vorstellen, dass die didaktische Interaktivität bzw. die obigen Lehrfunktionen in verschiedenen Bereichen mit der Entwicklung der Technik durch vielfältige Interaktionsformen in einem internetgestützten digitalen Lernangebot geleistet werden können. Allerdings sollte angemerkt werden, dass der konkrete Einfluss 82 4 Selbstlernen mit Medien 39 Neben der Nutzung der (digitalen) Wörterbücher gibt es online noch einige Umfragen und Studien hinsichtlich der Nutzung der digitalen Medien für das Deutschlernen bei chinesischen DaF-Ler‐ nenden. Allerdings sind die einschlägigen Studien nicht international, sondern ausschließlich in China publiziert, daher werden diese Belegen hier nicht als Quelle genau angegeben. Sie finden sich in der Datenbank von China National Knowledge Infrastructure (CKNI). der bestimmten Interaktionen für bestimmte Lernende auf ihren Lernprozess von mehreren verschiedenen Variablen abhängt. Dabei spielen die kognitiven Prozesse, die durch die Interaktivität beeinflusst werden, eine wichtige Rolle. Hinzu kommen noch die Emotionen der Lernenden, die beim Lernen durch interne oder externe Bedingungen ausgelöst werden (vgl. Niegemann 2011: 137). Im Hinblick darauf, dass die Interaktivität den Lernprozess fördern kann, hebt Zeyer (2018) hervor, „eine Balance anzustreben, dass Lernende durch die Interaktivität der Software in gewissem Maße entlastet, jedoch gleichzeitig auch aktiviert werden.“ (Zeyer 2018: 31). Dies könnte besonders relevant sein, wenn das selbstständige Lernen betroffen ist (vgl. ebd.). Insgesamt gesehen lässt sich sagen, dass analoge Medien und digitale Medien trotz einiger Unterschiede über jeweilige Vorteile für das Selbstlernen verfügen. Beide Arten der Medien können aus verschiedener Hinsicht das selbstgesteuerte fremdsprachliche Lernen unterstützen. Jedoch ist die Akzeptanz im Hinblick auf die Nutzung eines analogen oder digitalen Mediums und das entsprechende Gefühl als Erlebnis individuell unterschiedlich. Somit wird dieser Aspekt im aufgestellten Forschungsdesign dieser Arbeit berücksichtigt, sodass „neutrale“ Forschungsdaten erhoben werden können. Dabei ist auch von Inter‐ esse, wie eine (identische) Person beim Lernen mit zwei unterschiedlichen Medien die Informationen (visuell) wahrnimmt, was einen der Motivationsgründe der empirischen Untersuchung darstellt (vgl. Kapitel 5). Da digitale Medien bzw. internetgestützte digitale Lehr- und Lernmaterialien durch die oben beschriebenen spezifischen Merkmale einen aktiven Lernprozess fördern können, ist es denkbar, dass Lernende beim selbstgesteuerten fremdsprachlichen Lernen mit einem digitalen Lernangebot ein anderes Erfolgserlebnis erhalten können, als wenn sie mit einem analogen Medium selbst lernen. Vor dem empirischen Teil der Arbeit wird daher noch der Stellenwert der digitalen Medien für das Selbstlernen unter Berücksichtigung der chinesischen Deutschlernenden diskutiert. 4.3 Stellenwert der digitalen Medien für das Selbstlernen (in China) Heutzutage lässt sich sehen, dass das alltägliche Leben in China seit Jahren immer mehr digitalisiert worden ist. Mit vielen digitalen Tools kann man in China bei verschiedenen Angelegenheiten in vielen alltäglichen Situationen zurechtkommen. Was das Lehren und Lernen im DaF-Bereich betrifft, werden aber zum größten Teil immer noch die gedruckten Lehrwerke und andere Printmedien beim Deutschlernen eingesetzt, obwohl verschiedene (internetgestützte) digitale Medien wie zum Beispiel DUO (Deutsch-Uni Online) etc. den chinesischen Lernenden für das Deutschlernen zur Verfügung stehen. Aus der Beobachtung hinsichtlich des Deutschlernens bei vielen chinesischen DaF-Lernenden und auch nach einigen Umfragen 39 ist zu erkennen, dass die Lernenden beim Umgang mit 4.3 Stellenwert der digitalen Medien für das Selbstlernen (in China) 83 40 Die einschlägigen Beiträge finden sich auch in der Datenbank von CKNI. den (unbekannten) deutschen Wörtern häufig elektronische zweisprachige Wörterbücher als Hilfsmittel verwenden. Das Verhalten ist nachvollziehbar, weil die zweisprachigen Wörterbücher (hierbei chinesisch-deutsche oder deutsch-chinesische Wörterbücher) ers‐ tens grundsätzlich speziell an Nichtmuttersprachler konzipiert werden. Zudem liefern die zweisprachigen Wörterbücher nicht nur die orthografischen und grammatikalischen Informationen, sondern sie beschreiben auch den Sprachgebrauch und die sprachlichen Va‐ rianten der Wörter in der Fremdsprache. Die DaF-Lernenden können damit beispielsweise bei der Wortauswahl unterstützt werden, sodass sich ihre jeweiligen kommunikativen Ziele in der Fremdsprache Deutsch erreichen lassen (vgl. Voeste i. Ersch.). Wie in Kapitel 4.2 dargestellt, besteht keine Platzeinschränkung bei den digitalen Medien, was bedeutet, dass die Inhalte der digitalen zweisprachigen Wörterbücher ständig zu entwickeln und zu aktualisieren sind. „Das Nachschlagen wird durch Suchoperationen in diesen Datenbanken ersetzt und ist somit nicht nur schneller, sondern auch wesentlich mächtiger und zielge‐ nauer als das Blättern im Buch.“ (Geyken 2019: 147) Ein Beispiel ist Dehelper (chinesisch: 德 语助手 ) und diese Anwendung ist ein elektronisches zweisprachiges Wörterbuch für die chinesischen Deutschlernenden. Dort sind vielfältige Informationen über deutsche Wörter schnell abzurufen, beispielsweise die Konjugation eines Verbs und seine Kollokation sowie Beispielssätze mit diesem Verb. Außer den solchen digitalen Wörterbüchern sind die chinesischen Lernenden allerdings aus verschiedenen Gründen generell nicht gewohnt, die deutsche Sprache außerschulisch online zu lernen. 40 Die Arbeit von Zhao & Zhang (2020) zeigt, dass digitale Medien bzw. digitale Lernmaterialien meist eher als ergänzende Mittel für das Deutschlernen verwendet werden (vgl. Zhao & Zhang 2020: 117 f.). Dies ist nachvollziehbar, weil die Verwendung der gedruckten Lehrwerke wegen der didaktischen Qualitätssicherung (vgl. Kapitel 4.2) für die tatsächliche Situation des chinesischen Deutschunterrichts (mit einer großen Gruppe) besser geeignet ist. Außerdem entspricht das Lernen mit den gedruckten Medien den Lerngewohnheiten der chinesischen Deutschlernenden (vgl. Kapitel 3.4) und sie sind beim Fremdsprachenlernen mehr mit den Printmedien vertraut als mit den digitalen Medien. Das Lehren und Lernen in einem Präsenzunterricht ist nicht ohne Weiteres ersetzbar, weil das physische Zusammentreffen bzw. die menschliche Interaktion vor Ort kennzeichnend für die Präsenzveranstaltung ist und dies im Allgemeinen eine bedeutende Rolle für die Qualität von Lehrveranstaltungen spielt (vgl. Kerres 2004: 12). Obwohl die Printmedien im Allgemeinen das Hauptmittel für das Lehren und Lernen im chinesischen Deutschun‐ terricht darstellen, sind auch einige didaktisierte digitale Tools verfügbar. Bezogen auf die Lernplattformen weisen Zhao & Zhang (2020) jedoch darauf hin, dass die Plattformen (spezifisch für das Deutschlernen in China) generell wenig entwickelt und die Inhalte dort auch noch eher unzureichend sind (vgl. Zhao & Zhang 2020: 125 f.). Die Interaktivität der meisten verfügbaren Online-Lernressourcen ist auch nicht sehr hoch. Somit lässt sich sagen, dass solche internetgestützte digitale Lernangebote ihr kennzeichnendes Potential noch nicht ausschöpfen (vgl. ebd.: 128). Angesichts der Tatsache, dass die chinesischen Deutschlernende wegen der großen Teilnehmerzahl im Präsenzunterricht von der Lehrkraft schwer gleichmäßig berücksichtigt 84 4 Selbstlernen mit Medien werden können (vgl. Kapitel 3.4), ist anzunehmen, dass ein außerschulisches Selbstlernen für einen größeren Lernerfolg erforderlich ist. Dabei können die Lernenden eine Lerntä‐ tigkeit je nach ihrer tatsächlich erreichten Niveaustufe und ihren Lernzielen mit angemes‐ senen Lernressourcen überwiegend durch Eigeninitiative gestalten und organisieren. Dies kann neben der Nutzung eines Buchs auch durch digitale Medien ermöglicht werden, denn die Lernenden können durch verschiedene Merkmale der digitalen Medien individuelle Lernprozesse mit den entsprechenden Bedürfnissen fördern und eine adaptive Lernumge‐ bung entwickeln (vgl. Plass 1999: 27; Rösler & Tschirner 2002: 147 f.). Besonders beim internetgestützten digitalen Lernen können Lernende mit einem elektronischen Gerät mit dem Internetzugang zeit- und ortsunabhängig zahlreiche Lernmaterialien abrufen (vgl. Arnold et al. 2018: 51). Dort lassen sich beispielsweise viele authentische Texte oder Informationen zu aktuellen Themen aufrufen. Darüber hinaus können die Lernenden mit den unterschiedlichen interaktiven Übungen die Grammatik lernen oder vertiefen (zum Grammatiklernen mit digitalen Medien im DaF-Bereich vgl. beispielsweise Scheller 2012; Zeyer 2016). Die internetgestützten digitalen Lernmaterialien können die Beschränkungen des gedruckten Lehrwerks in Bezug auf Platz und Aktualität (vgl. Rösler 2012: 53) über‐ winden. Es ist einerseits eine unendliche Menge der digital codierten Lernmaterialien für das Deutschlernen im Internet verfügbar und andererseits ist technisch ohne Schwierigkeit zu realisieren, dass die in digitalen Medien präsentierten Lerninhalte und die Übungsauf‐ gaben jederzeit für die zu vermittelnden Lerninhalte stets aktualisiert werden können. Was das (außerschulische) Selbstlernen bei chinesischen Deutschlernenden betrifft, ist es zu erkennen, dass die (internetgestützten) digitalen Lernmaterialien auf der Grundlage der Vielfalt und der Aktualität von Inhalten das printmediengeleitete Deutschlernen sowohl quantitativ als auch qualitativ verbessern können. Das Internet kann zahlreiche aktuelle Lernmaterialien bieten, welche die von den chinesischen Deutschlernenden benutzten Lehrwerke inhaltlich bereichern können. Im Vergleich zu Printmedien bringen die (internetgestützten) digitalen Medien auf der Grundlage der großen Menge der vielfältigen Lehr- und Lernmaterialien einen weiteren Vorteil mit sich. Wegen der großen Datenbank der verfügbaren Lernressourcen haben alle Lernenden einen großen Handlungsspielraum (vgl. Schmidt 2005: 18). Während die Lernenden mit einem Buch nur eine eingeschränkte Menge von Lerninhalten lesen können, ermöglichen digitale Medien, dass die Lernenden die zu lernenden Inhalte oder die ge‐ wünschten bzw. die angepassten Übungen je nach ihrem erreichten aktuellen Sprachniveau in Kombination mit ihren individuellen Bedürfnissen und ihrem (spontanen) Interesse selbst auswählen können (vgl. Arnold et al. 2018: 52). Die Lernenden können entsprechend ihren Lernzielen, Gewohnheiten, Bedürfnissen und Interessen die entsprechenden Inhalte in den elektronischen Lernangeboten suchen, filtern und selektieren. Es ist anzunehmen, dass die Wahrnehmung der präsentierten Informationen beim Lernen mit digitalen Medien parallel zu der aktiven Suche nach den gewünschten Informationen verläuft. Beispielsweise findet sich in den Online-Lernangeboten oft eine spezifische textuelle Kodierungsform, die als Hypertext bezeichnet wird. Ein Hypertext (oder eine Textstelle des Hypertexts) wird oft durch einen Hyperlink mit anderen digitalisierten Ressourcen verbunden. Das bedeutet, dass das Lesen der Inhalte eines Hypertexts nicht linear verlaufen kann. Daher können die Rezipienten bzw. die Lernenden bei Hypertexten selbst die Entscheidung treffen, in 4.3 Stellenwert der digitalen Medien für das Selbstlernen (in China) 85 welcher Reihenfolge sie die präsentierten Informationen aufnehmen möchten. Jeder Nutzer kann gemäß seinen persönlichen Interessen etc. individuell die Zusammenstellung und die Entscheidung bezüglich der zu lernenden Inhalte vornehmen, was ein individualisiertes Lernen darstellt. Diesbezüglich weisen Edmondson und House (2011) darauf hin: Bei der Individualisierung ist zu betonen, dass neue Medien als Selbstlernmedien durch ihre potenziell unbegrenzte Verfügbarkeit ausdauernde, intensive und eigengesteuerte Arbeit an mündlichen und schriftlichen Materialien ermöglichen, die es im traditionellen Klassenzimmer so nicht geben kann. Die Leistungsfähigkeit der Neuen Medien für das Vermitteln und Bereitstellen interkultureller Informationen und Kommunikationsanlässe ist enorm, denn das Internet hat sich zu einem ubiquitären Fundort von Gegenständen, Texten und Bildern der zielsprachigen Kultur und zum Ort virtueller interkultureller Begegnungen entwickelt. (Edmondson & House 2011: 329) Diese Individualisierung, welche die digitalen Medien ermöglichen, kann einen positiven Einfluss auf das Selbstlernen ausüben. Es ist möglich, dass die chinesischen Deutschlern‐ enden beim selbstständigen digitalen Deutschlernen nach der von ihnen selbst ausge‐ wählten Art und Weise die gleichen sprachlichen Kenntnisse und auch das landeskundliche Wissen mit Motivation gewinnen und vertiefen können. Das Potential für das individuali‐ sierte Lernen kann sich zunehmend entfalten, wenn mehr digital codierte authentische Lernmaterialien vorliegen und sie miteinander verlinkt werden. Dabei sollte der Faktor beachtet werden, dass das Potential beim Selbstlernen mit digitalen Medien, beispielsweise auf einer (Online-)Lernplattform, deutlich erkennbar ist, wenn die Lernenden die auf der Plattform angebotenen Lernmaterialien nicht obligatorisch lesen müssen, sondern sie eigeninitiativ die Lernressourcen entsprechend selbstbestimmten Zielen, Lernschwer‐ punkten und Präferenzen auswählen und erarbeiten können. Wiederum ist dies auch aufschlussreich für die Weiterentwicklung der Lernplattformen (vgl. Arnold et al. 2018: 74). Wie in Kapitel 4.2 beschrieben, können die digitalen Medien eine interaktive multimodale Lernumgebung gestalten, was ein außerschulisches Selbstlernen fördern kann. Was die Darstellungsform von Informationen angeht, können sich die Printmedien und die digitalen Medien stark voneinander unterscheiden. Die Online-Lernmaterialien sind oft multimedial ausgestaltet. Durch Einbettung mehrerer Zeichensysteme mit verschiedenen Kodierungs‐ formen können Inhalte anschaulich präsentiert werden, insbesondere einige abstrakte Lerngegenstände oder Kenntnisse. In einem digitalen Lernangebot kann ein komplexer Gegenstand nicht nur rein sprachlich, sondern auch durch bewegte Bilder oder Videos dynamisch bildhaft erläutert werden, was die Printmedien schwer realisieren können. Diese Vielfalt der Präsentationsmöglichkeiten der digitalen Medien ist besonders nützlich für das (außerschulische) Selbstlernen (in Einzelarbeit), weil die Lernenden in vielen Fällen beim Selbstlernen im außerschulischen Kontext nicht sofort eine Hilfe anderer Person oder einer Lehrkraft erhalten können, aber die schwer verständlichen sprachlichen Kennt‐ nisse durch das Zusammenspiel der verschiedenen Darstellungsformen in den digitalen Medien anschaulich erklärt werden können. Infolgedessen kann die Unterstützung anderer Personen beim außerschulischen Selbstlernen weniger gebraucht werden. Im Vergleich zu den traditionellen Medien bestehen verschiedene Interaktionen zwi‐ schen Menschen und digitalen Medien (vgl. Kapitel 4.2). Basierend auf dem Verhalten bzw. den Entscheidungen der Benutzer kann ein digitales Lernangebot den Lernenden eine 86 4 Selbstlernen mit Medien 41 Vgl. hierzu Rösler & Würffel 2020: 158-168. schnelle oder sofortige Rückmeldung geben. Beispielsweise können sie bei den Übungen mit einem digitalen Lernangebot informiert werden, ob und wo ein Fehler vorliegt. Hierbei ist es technisch auch möglich, dass die digitalen Medien einen Hinweis auf die von den Lernenden gemachten Fehlern geben, sodass die Lernenden nach einem erneuten Nachdenken mit dem Hinweis selbstständig die gemachten Fehler korrigieren können. All dies trägt dazu bei, dass sie während des Lernprozesses rechtzeitig ein Feedback zur Lernkontrolle erhalten. Bei dem Selbstlernen in Einzelarbeit können Lernende miteinander genauso interagieren wie im Präsenzunterricht, aber die Interaktivität zwischen Menschen ist beim Selbstlernen mit digitalen Medien nicht ausgeschlossen. Exemplarisch bietet das Internet die Möglichkeit der synchronen und asynchronen Interaktivität und Kooperation zwischen Menschen, sodass einerseits der Mangel an sozialen Kontakten ausgeglichen werden kann und andererseits dadurch eine neue Dimension des Fremdsprachenlernens erschlossen wird (vgl. Rösler 2010b: 213). Nicht zuletzt ist es anzunehmen, dass das Selbstlernen mit digitalen Medien eine unbe‐ grenzte Erweiterung aufweisen wird, wenn neue Technologien in digitale Lernangebote zukünftig weitergehend integriert werden. Mit der Weiterentwicklung der derzeitigen digitalen Technologien werden immer mehr Möglichkeiten vorhanden sein, die eine Änderung oder Erweiterung der Lernformen, Lernmethoden sowie Lernideen ermöglichen werden. 41 Zukünftig ist es denkbar, dass die digitalen Medien beim Selbstlernen mehrere Funktionen gleichzeitig übernehmen können. Die digitalen Medien können zukünftig nicht nur die Informationen präsentieren, sondern auch zugleich in einem gewissen Maß aktiv an dem Selbstlernen der Lernenden teilnehmen. Beispielsweise kann ein hoch interaktives Lernangebot in Kombination mit künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt werden. In diesem Rahmen kann der Computer bzw. das digitale Lernangebot als ein interaktiver Lernpartner tätig sein. Die Benutzer bzw. die Lernenden werden bei ihrem Selbstlernen von dem Computer mittels der KI als Assistent (zum Fremdsprachenlernen) oder als Sprachlernbe‐ rater begleitet, dessen Rolle von vielen Lehrkräften wegen Mangel der Ausbildung nicht leicht übernommen werden kann (vgl. Martinez 2021: 259 f.). Die Lernenden können bei Problemen oder Fragen mit dem Computer ein Gespräch führen, um die aufkommenden Probleme während des Lernprozesses zu lösen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass eine Selbstreflexion über die gelernten Inhalte nach dem außerschulischen Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot mit Hilfe des intelligenten Lernberaters angeleitet werden kann, sodass die Lernenden durch die Anleitung ihre möglichen individuellen Schwächen finden und beheben können. Dies kann als ein Vorteil des Einsatzes der digitalen Medien für das außerschulische Selbstlernen angesehen werden, weil dies beim Selbstlernen mit einem Buch nicht realisiert werden kann. Darüber hinaus kann ein digitales Lernangebot mit Hilfe der Technologie Virtuelle Realität (Virtual Reality, VR) eine virtuelle interaktive Lernumgebung mit der Immersion gestalten und dort können weitere neue Interaktions‐ formen entstehen, welche das selbstgesteuerte Fremdsprachlernen fördern können. „[…] [D]er Gebrauch von Medien, deren technische Entwicklung und das sich ändernde Mediennutzungsverhalten selbst sind sowohl Gegenstand des Lernens als auch Motor für die Veränderung von Lernen“ (Rösler 2016: 69). Im Vergleich zu den Printmedien 4.3 Stellenwert der digitalen Medien für das Selbstlernen (in China) 87 können die digitalen Medien eine Lernumgebung mit hoher Interaktivität und mehr Interaktionsformen gestalten, was das Erreichen eines größeren Lernerfolgs fördern kann. Im Allgemeinen können digitale Medien dem selbstgesteuerten Lernen viele Potenziale und Möglichkeiten bieten (vgl. Würffel 2016: 386). Im Hinblick auf das Selbstlernen sollte allerdings angemerkt werden, dass die Qualität des selbstgesteuerten Lernens auch von den Lernenden selbst abhängt. Da das Selbstlernen zum großen Teil durch Selbststeuerung stattfindet (vgl. Kapitel 4.1), ist es leicht zu erkennen, dass sich die Lernenden für einen gewünschten Lernerfolg aktiv am Lernen beteiligen sollten. In diesem Zusammenhang stellt es hohe Anforderungen an die Lernenden, wobei ein außerschulisches Selbstlernen angemessen organisiert werden muss. Dabei spielen beispielsweise das Selbstmanagement und diesbezügliche Vorerfahrungen usw. eine große Rolle, was eine Hilfe leisten kann, das Selbstlernen adäquat und zielgerichtet zu gestalten. Bezogen auf das Internet bietet dies zwar zahlreiche authentische multimediale Lernmaterialien zur Auswahl, jedoch kann diese Vielzahl der Lernressourcen wiederum den Lernenden auch Schwierigkeiten im Hinblick auf die Auswahl der Lernmaterialien bereiten. Angesichts dessen kann die Situation eintreten, dass die Lernenden bezüglich der zahlreichen Lerninhalte bzw. Quellen der Informationen in ihrem Lernprozess nicht immer genau festlegen können, wann und wie sie welche Inhalte lernen sollen. Es ist denkbar, dass die Lernenden mit weniger Erfahrungen oder mit nicht ausreichender Kompetenz bezüglich des Selbstmanagements nicht immer eine richtige Entscheidung bezüglich Zeit und Ort sowie Lerninhalte und Lernfortschritte etc. treffen können. Dies kann zu einer kognitiven Überforderung führen, welche das Selbstvertrauen und die Motivation im Hinblick auf das Selbstlernen beeinträchtigen kann. Es ist ohne Schwierigkeit vorstellbar, dass die Lernenden in solchen Fällen das von ihnen gesetzte Lernziel nicht vollständig erreichen. Somit ist ersichtlich, dass die Medienkompetenz der Lernenden und auch ihre Fähigkeit in Bezug auf das Selbstlernen von großer Bedeutung ist. Bezogen auf die Lehrenden bedeutet die Medienkompetenz die Handhabung der (digitalen) Medien für die Lehrtätigkeiten in allen Bereichen und diese Kompetenz der Lehrenden über den Umgang mit digitalen Medien kann die Digitalisierung des DaF-Unterrichts beeinflussen (vgl. Ketzer-Nöltge 2022: 248). Im Hinblick auf die Lernenden geht es um die Fähigkeit zur Auswahl der Informationen und zur Beurteilung der Relevanz der angebotenen Informationen, wobei die Lernenden die relevanten und passenden Informationen oder Inhalte von der großen Menge der Angebote heraussuchen können (vgl. Friedrich 2002: 8; Mehlhorn & Neveling 2021: 78). Im Hinblick auf dem Umgang mit digitalen Medien kommt noch hinzu, dass die Lernenden bei der Verwendung der digitalen Medien Unwägbarkeiten eingehen, Probleme bewältigen und zugleich für ihr physisches und psychisches Wohlergehen sorgen können (vgl. Rösler & Würffel 2020: 171). Mit diesen Kompetenzen können die Lernenden die eingesetzten digitalen Medien zielorientiert benutzen, sodass die Lernenden durch die Nutzung der Vorteile der digitalen Medien aktiv und motiviert selbst lernen können. Hierzu sollte noch angemerkt werden, dass der motivationale Ansatz der Nutzung eines Mediums im Lernkontext in gewissem Maße dadurch beeinflusst wird, inwieweit das Medium auch im Alltag von den Lernenden benutzt wird (vgl. Funk 2000: 14). Davon ausgehend liegt die Vermutung nahe, dass chinesische Deutschlernende beim Selbstlernen mit einem digitalen Lernangebot nicht mehr (möglicherweise wegen des Neuigkeitseffekts) besonders moviert sein kann als mit 88 4 Selbstlernen mit Medien einem Buch, da verschiedene elektronische Geräte (Smartphone oder Computer) in ihrem Alltagsleben bereits sehr häufig verwendet werden. Für die Lernenden sind somit die „gän‐ gigen“ digitalen Medien nichts Außergewöhnliches mehr. Allerdings lässt sich beobachten, dass die Potentiale der digitalen Medien im DaF-Kontext noch nicht in vollem Umfang genutzt werden (vgl. Zabel et al. 2022: 9). Zugleich sollte auch berücksichtigt werden, dass der Einsatz der digitalen Medien für das Fremdsprachenlernen nur dann sinnvoll ist, wenn dieser Einsatz sinnvoll ist (vgl. Rösler 2010c: 1205). Es ist nicht objektivierbar, ob die Medien funktional sind und im Einzelfall Vorteile bringen. Die Medien können im didaktischen Kontext sowohl Chancen als auch Probleme bringen (vgl. Decke-Cornill & Küster 2015: 139). In Verbindung mit der vorgenannten Beschreibung über die Situation des Deutschler‐ nens der chinesischen Lernenden ist es daher spannend zu beobachten, wie die chinesischen Lernenden beim außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen mit den beiden oben angesprochenen Medien (einem Buch und einem internetgestützten digitalen Lernangebot) die Informationen wahrnehmen und aufnehmen. Dies ist eine der Motivationen für die Konzeption der vorliegenden empirischen Untersuchung, wobei die Eyetracking-Techno‐ logie für die Analyse der visuellen Aufmerksamkeit der Lernenden beim Selbstlernen eingesetzt wird (vgl. Kapitel 5 und Kapitel 6). Für die Analyse der Augenbewegungen sind die Theorien im Hinblick auf die visuelle Wahrnehmung und die Eyetracking-Technologie erforderlich, womit sich das nächste Kapitel beschäftigt. 4.3 Stellenwert der digitalen Medien für das Selbstlernen (in China) 89 5 Visuelle Wahrnehmung und Augenbewegung Bei den Sinnesorganen handelt es sich um Organe, mit denen man die Objekte in der Außenwelt wahrnehmen kann. „Die Wahrnehmung ist ein aktiver Vorgang.“ (Schöpflug & Schöpflug 2014: 101). Die klassischen fünf Sinnesfunktionen des Menschen stellen das Hören, das Sehen, das Riechen, das Schmecken und das Tasten dar. Die von den Sinnesorganen aufgenommenen Reize werden im Gehirn verarbeitet (vgl. ebd.). Für die Wahrnehmung sind entsprechende Sinnesorgane zuständig. Beispielsweise dienen die Augen der visuellen Wahrnehmung. In diesem Kapitel wird die visuelle Wahrnehmung beschrieben, weil sie in der Interaktion zwischen Menschen und Lernangeboten eine große Rolle spielt. Im Anschluss daran wird die Eyetracking-Technik als Schwerpunkt vorgestellt, die die menschliche visuelle Wahrnehmung visualisieren und messen kann. Diese Technik wird in der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit verwendet. 5.1 Wahrnehmung von visuellen Reizen und Augenbewegungen Die Außenwelt wird hauptsächlich über die fünf Sinnesorgane des Menschen wahrge‐ nommen. „Der visuelle Sinn gilt als besonders mächtig“ (Ansorge & Leder 2017: 115). Die visuelle Wahrnehmung ist in der Regel die Hauptinformationsquelle, denn der Gesichtssinn liefert bis zu circa 80 Prozent der Informationen über die Außenwelt und diese optisch aufgenommenen Informationen werden im Gehirn weiterverarbeitet (vgl. Koppelwiser et al. 2022: 27). Die visuelle Wahrnehmung ist ein komplexer Prozess. Sie beginnt, wenn von einem Objekt reflektiertes Licht durch die Hornhaut, die Pupille und die Linse in unsere Augen eintritt. Hornhaut und Linse helfen dabei, diese Strahlen zu konzentrieren und auf die lichtempfindliche Schicht der Netzhaut auf der Rückseite des Augapfels zu projizieren. Eine weitere Funktion der Linse besteht darin, durch notwendige Anpassungen den Fokus des Sehvermögens auf Objekte in unterschiedlichen Entfernungen zu richten. Die Lichtmenge, die auf die Netzhaut auftrifft, wird durch die Weite der Pupille gesteuert. Die Netzhaut ist dafür verantwortlich, Licht unterschiedlicher Wellenlängen (Farben), Kontrast und Helligkeit in physiologische Signale zu transformieren. Das Signal wird über den Sehnerv und die Nervenbahnen in den Bereich der visuellen Gehirnrinde übertragen. Zur Veranschaulichung der visuellen Rezeption sollen die wichtigsten Bestandteile des menschlichen Auges beschrieben und einige Hauptbewegungen der Augen dargestellt werden. 42 Dargestellt in Ansorge & Leder 2017: 86. 43 Für eine ausführliche Darstellung im Hinblick auf die Mechanismen des menschlichen Auges vgl. Bear et al. 2018: 309-347. Abb. 5-1: Die wichtigsten Bestandteile des menschlichen Auges 42 Aus der vorstehenden bildlichen Darstellung ist zu entnehmen, dass das Auge über mehrere Bestandteile verfügt, die für die visuelle Wahrnehmung erforderlich sind. Nur der vordere Teil des Auges ist von außen sichtbar. Der restliche Augapfel liegt geschützt in der Augenhöhle. Er ist mit mehreren Muskeln verbunden, die die Bewegungen der Augen und die Änderungen der Blickrichtung ermöglichen. Vereinfacht ist der Mechanismus des Auges folgendermaßen darzustellen: Eine visuelle Wahrnehmung beginnt, wenn von einem Objekt in der Außenwelt reflektiertes Licht durch die Hornhaut, die Pupille und die Linse in unsere Augen eintritt. Hornhaut und Linse sind für das Bündeln der Strahlen verantwortlich. Außerdem üben sie noch eine weitere Funktion aus: Sie sorgen dafür, dass die Strahlen exakt auf den lichtempfindlichsten Teil der Netzhaut (Gelber Fleck bzw. Makula), die auf der Rückseite des Augapfels liegt, projiziert werden. Die Augenlinse trägt des Weiteren dazu bei, dass die Lichtstrahlen von Objekten in unterschiedlichen Entfernungen durch Anpassungen der Linsen auf der Makula abgebildet werden. Die Netzhaut ist dafür verantwortlich, Licht unterschiedlicher Wellenlängen (Farben), Kontrast und Helligkeit in physiologische Signale zu verwandeln. Das Signal wird über den Sehnerv und die Nervenbahnen in den Bereich der visuellen Informationsverarbeitung des Gehirns übertragen. 43 Das Gesichtsfeld des Menschen ist zwar eingeschränkt, aber die Augen können sich auf einen bestimmten Bereich des Zielobjekts konzentrieren, indem die Lichtstrahlen eines Zielobjektes auf die Makula (Geber Fleck) der Netzhaut gerichtet und fokussiert werden. Auf diese Weise lassen sich alle visuellen Wahrnehmungen auf einen bestimmten Bereich der Netzhaut richten, damit das optimale Sehen erzielt werden kann. Auf dieser Basis 92 5 Visuelle Wahrnehmung und Augenbewegung 44 Für eine detaillierte Erklärung zu den erwähnten Begriffen vgl. Rolfs 2007: 5-8 und Holmqvist et al. 2011: 21-23. kann das Gehirn möglichst viele visuelle Daten von dem betrachteten Bereich in einer hohen Auflösung empfangen und verarbeiten. Unter normalen Umständen werden die Informationen, die das Interesse von Menschen erwecken (können), in den Bereich der Makula abgebildet. Dieser Vorgang wird durch Fixationen und Sakkaden realisiert. Als eine der prototypischen Aktivitäten der Augenbewegungsmuster zeichnet sich eine Fixation dadurch aus, dass die Augäpfel auf einen bestimmten Bereich eines relevanten Objekts gerichtet bleiben. Die Wahrnehmung von Informationen ereignet sich während der Fixation. Hierbei ist anzumerken, dass sich die Augäpfel während einer Fixation nicht in einem vollkommenen Ruhezustand befinden. Es bestehen immer auch Mikrobewegungen. Beispielsweise tritt eine unwillkürliche Bewegung der Augen während der Fixation auf, was als Nystagmus bezeichnet wird. Hinzu kommen noch Zittern und Drift sowie Mikro-Sak‐ kaden. 44 Generell stellt eine Sakkade eine schnelle synchrone Bewegung der Augen zwischen zwei oder mehr Fixationspunkten bzw. Fixierungsphasen dar. Während einer Sakkade können die Informationen von einem Objekt im Gegensatz zu einer Fixation in einem geringeren Ausmaß wahrgenommen werden, denn die Sinnesleistung der visuellen Wahrnehmung verringert sich bei diesem Vorgang wegen der äußerst hohen Frequenz der Bewegungen der Augen sehr stark. Beispielsweise liest eine Person sorgfältig das letzte Wort in der ersten Zeile auf einer Seite eines Buchs und konzentriert anschließend ihre Fixation auf ein fett gedrucktes Wort in der letzten Zeile auf derselben Seite. In diesem Fall ist es nahezu unmöglich, zu realisieren, welche Inhalte zwischen der ersten und der letzten Zeile bestehen. In der Lesepraxis ist außerdem der Umstand anzutreffen, dass man den Text von hinten nach vorne liest, wenn er schwer verständlich ist. Diese Rückwärtssprünge der Augen werden als Regressionen oder Regressions-Sakkaden bezeichnet. Das Ziel dieser Fixationen auf die bereits gelesenen Textstellen besteht darin, mehr Einzelheiten zu perzipieren, um das Verstehen zu erhöhen (vgl. Rickheit et al. 2010: 32 ff.). Die Augenbewegungen der Probanden können von dem Forschenden ohne zusätzliche technische Anlagen schwer beobachtet, dokumentiert und wiedergegeben werden. Daher sind die Technologien, mit deren Hilfe die Registrierung der Augenbewegungen der Probanden in den Untersuchungen aufgezeichnet wird, für weitergehende Erkenntnisse absolut notwendig. Die Augenbewegungstechnologien werden in den psycholinguistischen Untersuchungen häufig zur Erforschung der immanenten kognitiven Prozesse des Men‐ schen beim Lesen eingesetzt. Auf der Grundlage der Eyetracking-Technologien und ihrer Algorithmen werden die bereits erwähnten Augenbewegungen (Fixationen und Sakkaden etc.) aufgezeichnet. Hierbei werden beispielsweise Fixationspunkte, Fixationsbereiche, Fixationsdauer, Augensprünge bzw. Sakkaden dokumentiert, wenn ein Proband liest. Im nächsten Teilkapitel werden die Augenbewegungstechnologien dargestellt. 5.1 Wahrnehmung von visuellen Reizen und Augenbewegungen 93 5.2 Eyetracking Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, bedarf es spezieller Technologien und Geräte für eine Analyse hinsichtlich der visuellen Wahrnehmung des Menschen beim Betrachten eines Objekts. Ein Beispiel stellen die Eyetracking-Technologie und die Eyetracker dar. „Eye tracking refers to capturing the focus of a viewer’s gaze on a stimulus at a given time.“ (Mishra & Bhattacharyya 2018: 7). Durch das Eyetracking-System lassen sich die Blickverläufe des Menschen in Echtzeit verfolgen und auch einschlägige Informationen in Bezug auf die menschlichen Blicke erfassen (vgl. Gastreich 2013: 14 f.). Es liegt ein breites Anwendungsspektrum dieser Technologie in der Erforschung hinsichtlich der Psychologie, der kognitiven Linguistik und anderer Fachbereiche vor. In den Untersuchungen, die durch Eyetracking-Technologien unterstützt werden, werden verschiedene willkürliche und unwillkürliche Bewegungen des Augapfels gegenüber visuellen Reizen aufgezeichnet. All diese Augenbewegungen und Blickrichtungen der Augen des Benutzers beim Blick auf ein bestimmtes Ziel werden von einem Eyetracker, der relevant für eine Eyetracking-ba‐ sierte Forschung ist, in Form von Daten gespeichert. Diese Daten werden zur Analyse der Augenbewegungen durch ein entsprechendes Programm verarbeitet, sodass man den Zusammenhang zwischen der visuellen Wahrnehmung des Menschen und seinen mentalen Aktivitäten herstellen kann. Im Folgenden wird zunächst die Funktionsweise eines Eyetra‐ ckers vorgestellt und im Anschluss daran wird der Einsatz der Eyetracking-Technologie im fremdsprachendidaktischen Kontext, besonders im Fachbereich Deutsch als Fremdsprache, diskutiert. 5.2.1 Technik des Eyetrackings Die Eyetracking-Technologie bietet den Forschenden die Möglichkeit, die Art und Weise des menschlichen Blickverhaltens zu beobachten. Mit dieser Technologie lassen sich die menschlichen Augenbewegungen untersuchen. In der Wahrnehmungspsychologie zeigen die Augenbewegungen als Indikator die Aufmerksamkeit und die Prozesse der Rezeption an (vgl. Bucher 2012: 259). In diesem Unterkapitel werden die Techniken des Eyetrackings am Beispiel eines Eyetrackers dargestellt, wobei es um Fernmessung und Non-Intrusion geht. Die Technologie der Telemetrie bietet gute Möglichkeiten im Hinblick auf das Tracking und die Fernsteuerung. Für solche Eyetracker mit einer Fernmessung und dem Merkmal der Nichtintrusion wird am häufigsten die Technik der Pupillenzentrum-Horn‐ hautreflexion (Englisch: pupil centre corneal reflection, Abkürzung: PCCR) verwendet. Vereinfacht gesagt, besteht der Eyetracker aus Kameras, Illuminatoren und Algorithmen in einer Datenverarbeitungsanlage. Die Illuminatoren richten Nahinfrarotlicht (Englisch: near-infrared) als Lichtquelle auf die Augenmitte bzw. die Pupille. Das Auge wird auf diese Weise beleuchtet, und infolgedessen werden erkennbare Reflexionen der Lichtquelle auf der Hornhaut und in der Pupille hervorgerufen. Die speziellen Kameras bzw. die Bildsensoren des Eyetrackers nehmen das Augenbild des Menschen und die durch das Nahinfrarotlicht verursachten Reflexionen auf. Die dafür relevanten Details werden sich mit Hilfe des Algorithmus in Bezug auf die grafische Verarbeitung genau ergeben. Hierbei lässt sich ein Vektor der Augenbewegung aus dem Winkel zwischen der Hornhaut- und der 94 5 Visuelle Wahrnehmung und Augenbewegung 45 Im Allgemeinen stehen verschiedene Arten von Techniken des Eye-Trackings zur Verfügung. Für eine vollständige und ausführliche Vorstellung vgl. Duchowski 2017: 49-57 und im Hinblick auf die Eyetracker vgl. auch Godfroid 2020: 311-330. Pupillenreflexion berechnen. Die Richtung dieses Vektors wird mit anderen geometrischen Reflexionsmerkmalen kombiniert, um die Richtung der Sichtlinie zu berechnen. Das Verfahren wird auch als „video based eye tracking“ bezeichnet. 45 Auf der Grundlage der derzeitigen Technologien sind einige Tracker mit ihren Sensoren und Algorithmen in der Lage, ein dreidimensionales Modell der beiden Augäpfel des Menschen während des Trackings zu generieren und die Position des Auges im Modell bzw. im Raum sowie die Position/ Richtung der Sichtlinie genau zu berechnen. Die Eyetracker mit Nahinfrarotlicht können einige große Vorteile bieten. Ein Vorteil des Eyetrackers mit Nahinfrarotlicht besteht darin, dass das Nahinfrarotlicht durch das menschliche Auge nicht leicht aufge‐ nommen wird. Infolgedessen werden die Probanden nicht durch das Licht gestört. Der Eyetracker hat außerdem nicht nur eine gute räumliche Auflösung, sondern er ist auch nichtintrusiv, was garantieren kann, dass wenige externe Störungen vorkommen können. In der vorliegenden Studie wird dieser Eyetracker verwendet, damit die menschliche Interaktion mit den Lernangeboten adäquat beobachtet werden kann. Wie in Kapitel 5.1 beschrieben, sind die Fixierung des Blicks und die Sakkaden zwei der grundlegenden Arten von Augenbewegungen. Diese Augenbewegungen lassen sich durch Eyetracking-Geräte erheben und die gewonnenen Daten werden mit Hilfe einer ent‐ sprechenden Computeranwendung weiterverarbeitet, damit der Prozess der Betrachtung visualisiert werden kann. Für die Visualisierung von Eyetracking-Daten stehen beispiels‐ weise Area of Interest (AOI), Blickdauer (Englisch: gaze duration) und Scanpfad (Englisch: scanpath) im Mittelpunkt. Solche Werte werden für die Analyse der Augenbewegungsdaten in einer Eyetracking-Untersuchung je nach den Forschungszwecken adäquat verwendet. In einem Eyetracking-Projekt werden im Wesentlichen Fixationen und Sakkaden der Probanden beobachtet. Die Fixation ist ein Vorgang, bei dem der Blick des Benutzers für eine gewisse Zeit auf einer Position des betrachteten Objekts stabil bleibt. Bei der Erhebung und Verarbeitung der Augenbewegungsdaten wird jede Fixation registriert und als ein Blickpunkt des visuellen Wahrnehmungsprozesses (Englisch: gaze point) betrachtet. Ein Fixationspunkt weist darauf hin, dass die Augen der Person für eine bestimmte Zeitspanne auf das Objekt gerichtet werden. Im Vergleich zu den Fixationen erweisen sich die Sakkaden als dynamisch und eine Sakkade bezeichnet einen Vorgang, bei dem der Blickpunkt von einer Position zu einer anderen Position springt. Um die visuelle Wahrnehmung mit einem bestimmten Teil des Objekts genauer zu analysieren, kann man als Forscher in dem Computerprogramm für die Datenanalyse einen Interessenbereich als AOI definieren. Auf diese Weise können die Augenbewegungen über Fixationen, Sakkaden etc. auf einen bestimmten Bereich des Reizes oder einen Teilbereich des betrachteten Objekts fokussiert werden. Basierend auf der Eye-Mind-Hypothese (vgl. Just & Carpenter 1987) wird gezeigt, dass die Blickfixationen ein relevanter Indikator für die Aufmerksamkeit bzw. die kognitive Verarbeitung sind. Damit kann zur Kenntnis genommen werden, inwieweit ein Bereich die visuelle Aufmerksamkeit einer Person auf sich zieht. 5.2 Eyetracking 95 46 Konkrete Beispiele über die beiden Arten der grafischen Darstellungen, welche die Augenbewe‐ gungen visualisieren können, werden in Kapitel 7 aufgeführt. Als Output sind zwei Arten von Grafiken vorhanden, die den Prozess der menschlichen Betrachtung visualisieren. Die erste Art der grafischen Darstellungen hinsichtlich der Visualisierung der Augendaten stellt Heatmap dar. Die Heatmap veranschaulicht die verschiedenen festen Positionen und die Grafik verdeutlicht, wo und inwieweit diese Positionen für eine Zeitspanne fixiert werden, indem die Fixationen auf einen identischen Reiz überlagert werden. Die Verwendung der Heatmaps ist eine gängige Methode zur optischen Darstellung der erhobenen Augenbewegungsdaten. In einer Heatmap wird die Abstufung der Aufmerksamkeit des Benutzers auf verschiedene Bereiche der Benutzer‐ oberfläche angezeigt. Mit anderen Worten lässt sich so erkennen, welche Bereiche der Benutzeroberfläche durch den Benutzer mit mehr und welche mit weniger Aufmerksamkeit fokussiert werden. Diese Abstufung der Aufmerksamkeit des Benutzers wird durch Farben gekennzeichnet: Je mehr Blickpunkte in einem bestimmten Bereich vorhanden sind, desto dunkler bzw. in desto intensiverem Rot wird dieser Bereich in der Heatmap angezeigt. Die Heatmaps mehrerer Benutzer lassen sich auch überlagert darstellen. Auf diese Weise kann beispielsweise zur Kenntnis genommen werden, welche Bereiche im Allgemeinen von den meisten Personen länger fixiert werden und welche nicht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man mit den Heatmaps herausfinden kann, welche Elemente für den Probanden mit welcher Intensität fixiert sind. Die Heatmaps bzw. die Wärmekarten visualisieren das menschliche (Blick-)Verhalten mit verschiedenen Farben. Die Grafiken sind statisch, weswegen sich der dynamische Prozess der Betrachtung seitens der Probanden mit Hilfe von Heatmaps nicht erkennen lässt. Bei der zweiten Art der grafischen Darstellung im Rahmen der Visualisierung der Augenbewegungen handelt es sich um Gazeplot. Bei dem Gazeplot sind beispielsweise die Blickpunkte des Probanden, die Sequenz des Anschauens und (in manchen Fällen) die Beobachtungszeit eines bestimmten Bereichs bei einem Sti‐ mulus von Relevanz. Im Vergleich mit einer Heatmap kann ein Gazeplot einen dynamischen Prozess der menschlichen Betrachtung eines Objektes darstellen. Dort finden sich dann mehrere Kreise, die die Fixationen des Probanden repräsentieren. Im Hinblick auf die Größe unterscheiden sich diese Kreise, denn die Größe steht in Beziehung zur Beobachtungszeit. Die Beobachtungszeit wird normalerweise als Blickpunktdauer ausgedrückt, die durch Punkte mit unterschiedlichen Durchmessern auf dem Blickbahndiagramm dargestellt wird: Je länger die Beobachtungszeit andauert, desto größer sind die Punkte. Außerdem besteht ein Merkmal dieser Grafikart darin, die zeitliche Abfolge aufzuzeigen. Die Kreise, die die Beobachtungsposition und die Beobachtungszeit widerspiegeln, werden in der Gazeplot nummeriert und in einer zeitlichen Folge nacheinander verbunden, was die Blickabläufe der Probanden bedeutet. 46 Ebenso wie Heatmaps können die Gazeplots sich auf der technischen Ebene auch überlagern. Dabei kann jedoch ein Problem bestehen. Es ist möglich, dass ein überlagertes Gazeplot nicht sehr übersichtlich sein kann, denn es existiert dann eine große Menge von Kreisen und Linien, was zu einer chaotischen Grafik führen kann (siehe das Beispiel in Kapitel 7.2.1.1.4). 96 5 Visuelle Wahrnehmung und Augenbewegung 5.2.2 Eyetracking-Technologie im fremdsprachendidaktischen Kontext In der Wirklichkeit werden viele Gegenstände oder Objekte visuell wahrgenommen. Es ist im Alltag festzustellen, dass der Blick desto länger auf ein Objekt oder ein Reiz gerichtet werden kann, je komplizierter oder interessanter es ist. Anders gesagt, fokussieren Men‐ schen oftmals die Objekte oder Bereiche, die sie anziehend bzw. faszinierend finden oder nicht leicht verständlich sind. Wie oben erwähnt wird, bietet die Eyetracking-Technologie eine Möglichkeit, die Augenbewegungen des Menschen zu untersuchen. Bei den Daten der Augenbewegung handelt es sich beispielweise um die Zeitdauer der Fixation, Blickverläufe und ihre Verteilung sowie weitere Indikatoren. Die Beobachtung und die Analyse der Augenbewegungen ist von großer Bedeutung für die Aufdeckung des psychologischen Mechanismus der kognitiven Verarbeitung. Entsprechend diesem Zusammenhang lässt sich menschliches Blickverhalten auf der Basis der Augenbewegungsmessung interpretieren. Die Eyetracking-Technologie ist bereits als Instrument in viele Forschungen mit unter‐ schiedlichen Methoden und Zwecken in verschiedenen Fachbereichen verwendet worden. Vor der Darstellung in Bezug auf den Einsatz der Technologie im fremdsprachendidakti‐ schen Bereich wird die Verwendung der Technologie in anderen Bereich beschrieben. Durch diese Technologie kann beispielsweise in den Forschungen in der Wirtschaftswis‐ senschaft Erkenntnisse über Aufmerksamkeitsfokus der Kunden in ihrem Einkaufsprozess geben, sodass die Unternehmen basierend auf den Augenbewegungsdaten der Zielgruppen bzw. der bestimmten Kunden besser verstehen und für sie das Kundenerlebnis optimieren können. In der Werbeforschung kann im Allgemeinen untersucht werden, welcher Inhalt die Aufmerksamkeit des Menschen erregt oder welche Elemente die Kunden in den ersten Sekunden bei der ersten Begegnung als Erstes wahrnehmen (ein Beispiel über Werbeforschung vgl. Blake et al. 2012: 265-282). In der Interaktion zwischen Menschen und Geräten spielt die Validierung der Usability der Benutzerschnittstellen eine wichtige Rolle. Eine Eyetracking-Studie ist dabei sehr hilfreich. Im Rahmen der Usability-Tests ist mit den Blickverteilungen und -verläufen beispielsweise zu analysieren: Wie wandert der Blick eines Probanden in der Interaktion mit einem Gerät oder einem Angebot? Auf welche Stelle wird als erste von dem Probanden geschaut oder an welchen Stellen verweilt der Proband am längsten? Ausgehend davon können Aufschlüsse über die Aufmerksamkeit des Nutzers geliefert werden, während ein Produkt betrachtet wird. Das trägt dazu bei, für die Steigerung der Aufmerksamkeit die Produktdarstellung auf der Basis der Ergebnisse der Analyse anzupassen (ein Beispiel über Usability-Evaluation vgl. Badras & Lohse 2010: 11-18). Die Eyetracking-Technologie wird auch im Fachgebiet der Psychologie und im Bildungsbereich eingesetzt. Mithilfe der Technologie kann betrachtet werden, wie und warum bestimmte Augenbewegungen der Probanden entstehen und wie die Probanden mit ihren Augen die angebotenen Informationen aufnehmen. Außerdem ist auch der Zusammenhang zwischen den Augenbewegungen und den kognitiven Prozessen wie die Problemlösung zu untersuchen (ein Beispiel über Kognitionsprozess vgl. Siller et. al. 2020 und die Eyetracking-Untersuchungen im Bildungsbereich vgl. Was et al. 2017). Hinzu kommt, dass Rezeptionsstudien mit Eyetracking in der Medienforschung vorliegen (vgl. beispielsweise Bucher & Schumacher 2012). Im Kontext der Sprachforschung ist die Eyet‐ racking-Technologie auch bereits diskutiert oder eingesetzt worden (vgl. Hansen-Schirra & Grucza 2016; Mishra & Bhattacharyya 2018; Godfroid 2020). Mittels Eyetracking-Tech‐ 5.2 Eyetracking 97 nologie lassen sich dabei Erkenntnisse im Hinblick auf die Aufnahme der Informationen gewinnen. Bezogen auf die Forschung im DaF-Bereich beschäftigt sich Kuhn (2017) mit der Lehrwerkanalyse. In ihrer Untersuchung wird in Kombination mit der Analyse der Be‐ trachtungsdauer betrachtet, was auf Aufschlagseiten von DaF-Lehrwerken in welcher Reihenfolge wahrgenommen wird. Dabei wird mit einigen untergeordneten Fragenstel‐ lungen näher beleuchtet, welche einzelnen Bereiche (Fotos, Arbeitsanleitungen usw.) intensiv betrachtet werden und welche nicht. All dies wird durch die Augenbewegungen der muttersprachlichen und der nicht-muttersprachlichen (Sprachniveau: C1/ C2) Proban‐ dinnen kontrastiv analysiert. In dieser Untersuchung sind viele bemerkenswerte Ergebnisse festzustellen. Bei der Übungsbearbeitung werden die auf den Seiten vorhandenen Fotos nur betrachtet, wenn in den Übungen dazu aufgefordert wird. Durch Auswertung der Heatmaps ergibt sich außerdem, dass die Texte auf den Aufschlagseiten im Vergleich zu Bildern intensiver betrachtet werden. Es ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Textteile (beispielsweise Arbeitsanleitung und Lernzielkästen) den Lernenden konkrete Informationen liefern. Wegen der Leseerfahrung haben die Textteile aus der Sicht der Lernenden eine höhere Bedeutung aufzuweisen. Dabei gibt es außerdem keine Unter‐ schiede zwischen den muttersprachlichen und nicht-muttersprachlichen Teilnehmenden der Studie. (vgl. Kuhn 2017: 165 ff.). Allerdings sind die Gründe für einige auffällige Augenbewegungen der Probanden nicht festzustellen, denn hierfür bedarf es weiterer Untersuchungsmethoden für die nähere Betrachtung der Augenbewegungen, was Kuhn in der Arbeit auch erwähnt hat (vgl. ebd.: 167). Dies verdeutlicht, dass die Verwendung der Eyetracking-Technologie als Forschungsmethode auch Grenzen hat. In der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit kommen daher beispielweise Befragungen zum Einsatz, deren Ergebnisse die Interpretation und Analyse der Augenbewegungen unter‐ stützen können. Zur Analyse der Augenbewegungen von chinesischen Deutschlernenden wird neben der Eyetracking-Technologie noch das retrospektive Laute Denken verwendet. Dabei werden die Lernenden aufgefordert, ihre Gedanken zu Situationen einiger auffälliger bzw. vom Forschenden unerwarteter Augenbewegungen der Probanden bei ihrem Selbst‐ lernen mit den beiden Medien zu verbalisieren. Das Forschungsdesign wird in Kapitel 6 ausführlich beschrieben. Davor wird das Potential bzw. der Stellenwert für die Forschung im Kontext der Fremdsprachendidaktik diskutiert. Der Einsatz der Eyetracking-Technologie als Forschungsmethode für die Untersuchungen in der Fremdsprachendidaktik wird nach der Datenanalyse (vgl. Kapitel 7.2.) auch in Kapitel 7.4 diskutiert. Eine Augenbewegung kann eine aktive und passive Zuweisung der menschlichen Aufmerksamkeit auf Objekte bzw. Reize auf einer Benutzerschnittstelle beweisen. Die aktive Eigenschaft der Handlung besteht darin, dass Benutzer in der Interaktion selbst die auf der Schnittstelle das Interesse erweckenden oder für einen bestimmten Zweck er‐ forderlichen Informationen selektieren. Währenddessen verfügen verschiedene Elemente auf der Schnittstelle über ein unterschiedliches Maß an Attraktivität für den Benutzer, was die Verteilung der Aufmerksamkeit eines Nutzers beeinflussen und für ein passives Merkmal gehalten werden kann. Die Anwendung der Technologie für die Erfassung von Augenbewegungen ist zwar nicht erst seit kurzer Zeit verfügbar, jedoch wird sie in der fremdsprachendidaktischen Forschung nicht häufig verwendet. 98 5 Visuelle Wahrnehmung und Augenbewegung 47 Als Beispiel für eine Eye-Tracking-Technologie-basierte Untersuchung zum Thema „Usability von Webseiten“ vgl. Cowen et al. 2002. Wie in den vorherigen Teilen dieses Kapitels beschrieben, können Eyetracking-Experi‐ mente dabei helfen, das Augenverhalten von Benutzern bezüglich der Oberfläche zu unter‐ suchen. Als klassisches Szenario wird untersucht, wie ein Lerner beim Lernen ein Buch liest. Im Zeitalter der Digitalisierung wird der Fokus außerdem auf das Benutzerverhalten bei der Interaktion mit Webpages gelegt. Für die Überprüfung hinsichtlich der Interaktion zwi‐ schen Menschen und Computer oder Webseiten sowie anderen Web-Lernangeboten ist die Feststellung der Gebrauchstauglichkeit in einem bestimmten Zusammenhang bedeutsam. Die Eyetracker-basierten Studien sind dabei sehr hilfreich. 47 Mit den erhobenen Daten lässt sich die Usability bzw. die Benutzerfreundlichkeit anschaulich testen. Es handelt sich hierbei um das Layout der Webseite oder der Webpage und die Gewohnheit eines Nutzers beim Browsing. Hierbei wird beobachtet, wie ein Nutzer eine Webseite oder eine Webpage nach Informationen durchsucht. Dies wird durch Eyetracking-Technologien visualisiert, und basierend auf den Daten kann der Designer die Webseite nutzerorientiert strukturell und inhaltlich optimieren, um den bestmöglichen Aufbau zu entwickeln. Außerdem sind auch Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Elemente das Verhalten beeinflussen oder „verändern“. Hierbei ist es im Kontext der Fremdsprachendidaktik vorstellbar, das Verhalten der Lernenden beim Lernen mit einem digitalen Lernangebot zu untersuchen. Zum einen lässt sich dann herausfinden, wie die Lernenden mit dem digitalen Lernangebot interagieren. Mit der Technologie der Augenbewegungen sind beispielsweise die Dauer der Fixation auf unterschiedliche Reize und die Blickverläufe in der Interaktion mit dem Lernangebot zu erkennen, sodass sich die Gedankenwelt und die Absichten eines Benutzers eruieren lassen. Da die Aufmerksamkeit der Lernenden bei der medialen Interaktion visualisiert wird, kann unter anderem verifiziert werden, ob bzw. inwieweit alle Elemente die Aufmerksamkeit des Nutzers auf sich ziehen. Dies kann als nützliche Information bzw. theoretische Unterstützung angesehen werden, mit deren Hilfe der Aufbau und das Layout des von den Lernenden benutzten Lernangebots optimal gestaltet werden können. Zusammenfassend ist zu erkennen, dass durch die Eyetracking-Technologien die Augenbewegungen von Personen registriert und ihre Blickverläufe veranschaulicht werden können. Diese Daten werden objektiv erhoben und durch die Datenanalyse lässt sich die Verteilung der Aufmerksamkeit des Menschen verifizieren. Für Designende oder Lehrende sind diese Daten in Bezug auf die Aufmerksamkeit der Lernenden wichtig, denn auf der Basis dieser Daten können sie erfahren, welche Informationen der Lernangebote von ihren Lernenden aufgenommen und verarbeitet werden. Außerdem lässt sich auch sehen, in welcher Abfolge die Lernenden die Interessengebiete aufmerksam betrachten. Daraus ist rasch ein Muster des Lesens oder des Anschauens erkennbar. Die Untersuchungen von Online-Lernangeboten für Fremdsprachen, bei denen die Eyetracking-Technologie als Instrument zur Messung eingesetzt wird, widmen sich der Erhöhung der Qualität des Fremdsprachenlernens. In unserem digitalen Zeitalter herrscht eine große Nachfrage nach nutzerfreundlichen Webangeboten. Daher ist die Überprüfung der Gebrauchstauglichkeit erforderlich. Die Anwendung der Eyetracking-Technologien stellt diesbezüglich ein angemessenes Lösungskonzept dar, denn die Lesegewohnheiten des 5.2 Eyetracking 99 Menschen und seine Blickverläufe sowie die Qualität der Verteilung der Aufmerksamkeit werden optisch vollständig objektiv illustriert, was eine notwendige Voraussetzung für eine rationale Verbesserung des Lernangebots darstellt. Mit der ständigen Optimierung, die auf Eyetracking-Daten basiert, kann sich ein Online-Lernangebot strukturell und inhaltlich allmählich nutzerorientiert entwickeln, sodass die Nutzer bzw. die Lernenden schneller und mit geringeren Schwierigkeiten die gewünschten Informationen erlangen können. In der vorliegenden Arbeit wird eine empirische Untersuchung mit der Eyetracking-Technologie als Werkzeug zur Exploration der menschlichen visuellen Wahrnehmung und der Kognition im Rahmen des Fremdsprachenlernens durchgeführt. In der Studie wird versucht, die Korrelation der Augenbewegungen und der Lernprodukte zu untersuchen. Außerdem wird eine weitere Zielsetzung verfolgt, die sich darauf bezieht, wie die Lernenden beim Selbst‐ lernen mit traditionellen und digitalen Lernangeboten die Informationen wahrnehmen. Die Einzelheiten werden im Folgenden ausführlich dargestellt. 100 5 Visuelle Wahrnehmung und Augenbewegung 6 Forschungsdesign und Datenerhebung Die vorangegangenen Kapitel stellen den theoretischen Hintergrund der vorliegenden Arbeit dar. In Kapitel 2 wurde der Begriff „Wort“ für die Arbeit eingegrenzt, wobei ein Wort als ein sprachliches Zeichen angesehen wird. Im Anschluss daran wird in diesem Kapitel das mentale Lexikon mit dem Schwerpunkt über den Erwerb des L2-Lexikons in Verbindung mit dem gedanklichen Konzept eines Lernenden dargestellt. Hierbei werden die Besonderheiten des mentalen Lexikons von chinesischen Deutschlernenden diskutiert. Ausgehend davon ist von Interesse, wie sich das mentale Lexikon von chinesischen Lernenden beim Deutschlernen entwickeln. Daher geht es hier um keine ausführliche linguistische Analyse zu den erhobenen Daten bzw. den Lernprodukten der Probanden in der empirischen Untersuchung. Stattdessen liegt der Fokus auf der Beobachtung der Verbindung zwischen den Wörtern. Dafür werden die Wörternetze als ein Instrument zur Visualisierung des mentalen Lexikons verwendet. Die Wörternetze werden basierend auf den in Kapitel 3 dargestellten Theorien interpretiert. Unter Berücksichtigung einiger besonderer Merkmale des Lernverhaltens von chinesischen Lernenden (vgl. Kapitel 3.4) wird das Selbstlernen als Aktivität der Lernenden bzw. der Probanden für die vorliegende empirische Untersuchung ausgewählt. Ein Grund dafür ist, dass das Selbstlernen zwar keine neue Lernform ist, aber es unter Berücksichtigung der Besonderheiten bezüglich des Wortschatzlernens von chinesischen Deutschlernenden eine wichtige Lernform darstellt (vgl. Kapitel 4 und die Diskussion vgl. Kapitel 7.4.4.4). Angesichts der Tatsache, dass eine Vielzahl von digitalen Lernmaterialien im Zeitalter der Digitalisierung vorliegt, ist es hierbei von Interesse, wie die chinesischen Deutschlernenden beim Selbstlernen mit einem analogen Medium und mit einem digitalen Lernangebot die dort übermittelten Informationen wahrnehmen und behalten. Um diese Wahrnehmung der Informationen beobachten zu können, wird die Eyetracking-Technologie (vgl. Kapitel 5.2) zur Erhebung der Daten über die visuelle Wahrnehmung der Lernenden in der empirischen Untersuchung verwendet. Im Vergleich zu anderen Instrumenten verfügt ein Eyetracker über den großen Vorteil, Daten über die Augenbewegungen einschließlich unbewusster Reaktionen der Lernenden bei ihrer visuellen Wahrnehmung von Informationen zu gewinnen. Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf ein außerschulisches selbständiges Wortschatz‐ lernen mit einem Buch und mit einem digitalen Lernangebot (Online-Lernplattform). Hierbei werden die Wörternetze als Output des Selbstlernens der chinesischen Deutsch‐ lernenden und ihre Informationswahrnehmung (Augenbewegungen) beim Lernprozess fokussiert: (1) Wie stellen sich die Wörternetze der chinesischen Lernenden nach dem außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen mit den beiden Medien dar? (2) Wie nehmen die Lernenden beim Selbstlernen mit den beiden Medien (Buch und Online-Platt‐ form) die dort übermittelten Informationen wahr? (3) Wie hängen die Augenbewegungen mit den Einträgen der von ihnen produzierten Wörternetzen zusammen? Um diese Forschungsfragen zu behandeln, wurde eine empirische Untersuchung durchgeführt. Aus dem oben erwähnten Forschungsstand sind die gestellten Forschungsfragen für die Fremdsprachendidaktik (hierbei besonders den DaF-Bereich) deshalb wichtig, weil in der 48 Dazu wird eine Hypothese vor der Datenanalyse in Kapitel 7 aufgestellt. Fremdsprachenforschung bisher kaum untersucht wurde, wohin die visuelle Aufmerksam‐ keit der Lernenden im Allgemeinen oder einer bestimmten Gruppe der Deutschlernenden bei ihrem außerschulischen selbständigen Lernen gerichtet wird. Anders als im Deutsch‐ unterricht wird das Blickverhalten bzw. die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden beim außerschulischen individuellen Selbstlernen meist nicht durch die Lehrkraft beeinflusst. Daher ist es ungewiss, was die Lernenden in diesem Fall anschauen. Es ist allerdings sehr wichtig für die Didaktiker*innen im Hinblick auf die Konzeption der Materialien für das selbständige Fremdsprachenlernen, sich mit der Rezeption bzw. dem Blickverhalten der Ler‐ nenden vertraut zu machen. Mithilfe von Eyetracking kann ein empirischer Beweis dafür erbracht werden, ob (und wie) die Bildmaterialien (Fotos, Grafiken, Comics etc.) tatsächlich die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden beim Lernprozess erregen 48 , ungeachtet dessen, für welche lernförderlichen Funktionen zum Fremdsprachenlernen die Bilder von den Didaktiker*innen bei der Konzeption der Materialien eingesetzt werden. Der Einsatz von Bildmaterialien ist jedoch erst dann sinnvoll, wenn sie von den Lernenden beim Lernprozess tatsächlich auch betrachtet werden. Dies lässt sich durch die zweite Forschungsfrage mithilfe der Eyetracking-Technologie empirisch identifizieren. Durch die Beobachtung bzw. die Analyse der erhobenen Augenbewegungsdaten kann das Blickverhalten der Lernenden hinsichtlich der Betrachtung von Bildern erkannt werden, was den zukünftigen effektiven Einsatz der Bildmaterialien für die Gestaltung eines Lernangebots für das außerschulische Selbstlernen unterstützen kann. In den vorangegangenen Kapiteln wurden die Besonderheiten des Wortschatzlernens im chinesischen DaF-Kontext (vgl. Kapitel 3) und auch die Mediennutzung der chinesischen Lernenden für das (selbständige) Fremdsprachenlernen (vgl. Kapitel 4) dargestellt. Aus verschiedenen dort beschriebenen Gründen in Verbindung mit dem kulturspezifischen Lernverhalten (vgl. Kapitel 4.1) ist zu erkennen, dass ein außerschulisches Selbstlernen zu einem größeren Lernerfolg für chinesische DaF-Lernenden von wesentlicher Bedeutung ist. Als Forschungslücke im DaF-Bereich wurde bisher allerdings im Rahmen einer Studie nicht sehr häufig untersucht, ob und inwieweit die Nutzung unterschiedlicher Medien und die Rezeption bei dieser Mediennutzung eine Auswirkung auf das Lernergebnis im Hinblick auf einen gleichen bestimmten Teilbereich des Fremdsprachenlernens bei einer gleichen bestimmten Gruppe von Lernenden bzw. einer identischen Person hat. Dieses Desiderat behandeln die in der Arbeit gestellten Forschungsfragen, was die Relevanz dieser Fragen für die Fremdsprachendidaktik zeigen kann. Die dritte Forschungsfragen bezieht sich zudem darauf, ob und inwieweit das Blickverhalten bzw. die Blickfixationen eine Auswirkung auf die Entwicklung des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2) bzw. auf das Output des Wortschatzlernens (Wörternetze) haben, angesichts der Tatsache, dass das mentale Lexikon auf der Grundlage des Modells der Sprachverarbeitung von Roche (siehe Abb. 2-4 in Kapitel 2.2.1) durch visuelle Reize aktiviert werden kann. Wenn die Antwort positiv wäre, könnte es das Modell der Sprachverarbeitung im Hinblick auf die Aktivierung des mentalen Lexikons durch visuelle Reize als weiterer Beweis empirisch ergänzend unterstützen. Außerdem kann die Wichtigkeit der Anleitung der visuellen Aufmerksamkeit von Lernenden seitens der Didaktiker*innen zur Förderung des Erreichens der gesetzten Lernziele bei der Kon‐ 102 6 Forschungsdesign und Datenerhebung 49 Die angeführte Literatur ist zwar älteren Datums, aber die dort beschriebenen Phänomene sind zurzeit noch zu beobachten. Allerdings liegen auch viele Unterschiede im Hinblick auf das Verhalten der chinesischen Lernenden von unterschiedlichen Generationen beim Fremdsprachenlernen vor. Im Hinblick auf das (generelle) Lernverhalten der derzeitigen Generation der chinesischen Lernenden bedarf es weiterer Untersuchungen mit aktuellen Forschungsdaten. 50 Mit dem Wort „normal“ sind die Fragen gemeint, die ihrer Meinung nach nicht sehr kritisch oder relevant sind. zeption der Selbstlernmaterialien für den fremdsprachlichen Wortschatzerwerb ersehen werden. Daraus ergibt sich, dass die drei gestellten Forschungsfragen in der vorliegenden Arbeit für die Fremdsprachendidaktik relevant sind. Vor der Datenanalyse wird in diesem Kapitel zuerst das Forschungsdesign der durch‐ geführten empirischen Untersuchung dargestellt, wobei die in der Forschung zur Daten‐ erhebung eingesetzten Instrumente beschrieben werden (vgl. Kapitel 6.1). Danach folgt die Beschreibung der Teilnehmenden der Studie und der Rolle des Forschenden (vgl. Kapitel 6.2). Im Anschluss daran wird der Ablauf der empirischen Untersuchung vorgestellt (vgl. Kapitel 6.3). Außerdem werden die Materialien, die für das Selbstlernen in der Untersuchung verwendet werden, an einigen Beispielen dargestellt (vgl. Kapitel 6.4). 6.1 Erhebungsinstrumente 6.1.1 Schriftliche Befragung Zur Datenerhebung werden Befragungen in empirischen Forschungen häufig verwendet (vgl. Riemer 2016: 155). Im Allgemeinen stehen zwei Formen der Befragung zur Verfügung, und zwar die mündliche und die schriftliche Form. Mithilfe von Befragungen lassen sich viele nicht direkt beobachtbare Gegenstände von Untersuchungen erfassen, beispielsweise Erfahrungen, Haltungen und die innere Einstellung der Lernenden. In dem vorliegenden Dissertationsprojekt werden schriftliche Befragungen als Datenerhebungsmethode haupt‐ sächlich angewendet anstelle von verbalen Befragungen. Diese Entscheidung basiert auf der Berücksichtigung der Persönlichkeitseigenschaft der meisten Probanden und auch auf der (Lern-)Kultur in China (vgl. Liu 2012), da trotz der gesellschaftlichen Entwicklung und der Verbesserung der fremdsprachendidaktischen Rahmenpläne in China keine wesentli‐ chen Veränderungen in den Lerntraditionen anzutreffen sind. Wie in Kapitel 3 hinsichtlich des Lernverhaltens von chinesischen Lernenden beschrieben, lässt sich generell feststellen, dass der chinesische Deutschunterricht in Form des Frontalunterrichts von einer Lehrkraft gestaltet wird. Im chinesischen Deutschunterricht sind meistens Lehrermonologe vorherr‐ schend, wobei die Lernenden die Fragen ihrer Lehrenden gemeinsam im Klassenzimmer beantworten. Aufgrund des kulturellen Einflusses verhalten sich chinesische Lernende im Unterricht oftmals zurückhaltend und passiv. Normalerweise sind sie sehr schüchtern und äußern beim gesteuerten Fremdsprachenerwerb meist selten ihre eigenen Gefühle oder Meinungen (vgl. Hieber 1983: 190 49 ). Wegen der immensen Angst vor einem Ge‐ sichtsverlust stellen chinesische Lernende ihren Lehrenden ungern „normale“ 50 Fragen aus Eigeninitiative heraus, jedoch wären ihre Fragen unter der didaktischen Perspektive 6.1 Erhebungsinstrumente 103 51 Die Ergebnisse der Studienteilnehmenden in allen schriftlichen Befragungen finden sich im Anhang der vorliegenden Arbeit (siehe Anhang A2 und A5). zumeist diskussionswürdig und bemerkenswert. Vor diesem Hintergrund ist es leicht vorstellbar, dass sich die Probanden während des Gesprächs zu den Fragen des Forschenden nicht ausgiebig äußern möchten. Nicht nur kulturspezifische Faktoren, sondern auch die weite Verbreitung der Grammatik-Übersetzungs-Methode im Deutschunterricht kann das Verhalten chinesischer Lernender beeinflussen. Um einen Text zu verstehen oder zu produzieren, analysiert eine Vielzahl chinesischer Deutschlernender vorzugsweise zuerst die grammatische Struktur eines Satzes; anschließend übersetzen sie ihn Wort für Wort. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass sie sich zur Produktion von grammatisch korrekten Sätzen zwingen, wenn sie ihre Meinungen auf Deutsch äußern. Aufgrund dieses Zwangs können sie ihre Gedanken auf einen Schlag schwer klar und fließend ausdrücken, was dazu führt, dass sie auf die vollständige Äußerung ihrer Meinungen verzichten und das Gespräch möglichst bald beenden wollen. In diesem Zusammenhang ist es meines Erachtens ideal und optimal, dass die Probanden im Projekt auf Chinesisch schriftlich befragt werden. Als Vorteil dieser Entscheidung können die chinesischen Probanden auf diese Weise zum einen fließend und frei ihre Gedanken ausdrücken, und zum anderen sind sie auch in der Lage, ihre Meinungen so komplett und detailliert wie möglich zu äußern. Die eingesetzte schriftliche Befragung, die vor der Studie begann, bezieht sich auf die Situation ihrer generellen Nutzung des Internets und auf die Rolle digitaler Medien bei ihrem Selbstlernen der deutschen Sprache. Beispielsweise werden die Probanden gefragt, wozu sie das Internet benutzen und wie oft digitale Medien für das Selbstlernen eingesetzt werden. Hinzu kommen noch die Fragen hinsichtlich des Einsatzes digitaler Medien in ihrem Deutschunterricht, weil die Verwendungsmöglichkeiten der digitalen Medien im Unterricht auch deren Nutzung für das außerschulische Selbstlernen beeinflussen können. Basierend auf solchen Fragen können die Erfahrungen der Probanden bezüglich des Internets bzw. digitaler Medien für das Lernen annähernd exakt ausgedrückt werden. Die Befragung wird vom Verfasser zeitlich nicht eingeschränkt. Mit der Entscheidung für die Form und die Sprache der Befragung sind die Probanden in der Lage, sich stressfrei an die jeweiligen Situationen ihres Selbstlernens zu erinnern und die Einzelheiten adäquat auszudrücken. Ihre Antworten auf die Fragen werden nachfolgend im Hinblick auf die Teilnehmenden der Studie zusammenfassend dargestellt. 51 6.1.2 Videografie und Eyetracking-Geräte Um die gestellte Forschungsfrage zu beantworten, werden in der Studie neben den schriftli‐ chen Fragebögen auch Kameras eingesetzt, damit die Mimik der Forschungsteilnehmenden aufgezeichnet werden kann. Die Kameras registrieren während des Selbstlernens der Probanden ihren emotionalen Gesichtsausdruck und durch diesen Gesichtsausdruck der Probanden lässt sich zum einen erkennen, welche emotionalen Änderungen im Gesichts‐ ausdruck vorliegen, und zum anderen können die erfassten Videodaten die Beobachtung bzw. die Analyse unterstützen in Bezug auf die Frage, ob sich die Gesichtsreaktionen der Probanden bei den unterschiedlichen Medien beim Lernen (signifikant) unterscheiden. 104 6 Forschungsdesign und Datenerhebung 52 Anmerkung: Über das Zusammenspiel von Emotion und Motivation sowie dem selbstgesteuerten Lernen vgl. beispielweise Götz 2017. Da keine wesentliche mimische Änderung bei allen Untersu‐ chungsteilnehmenden bei ihrem Selbstlernen sowohl mit einem Buch als auch mit einem digitalen Lernangebot vorlag, werden die Daten, die von den Kameras erhoben worden sind, für die Datenana‐ lyse dieser Untersuchung nicht verwendet. Eine Ausnahme bestand darin, dass sich eine Änderung bei mehreren chinesischen Deutschlernenden ergab, wenn sie Videos in dem digitalen Lernangebot anschauten. 53 Tobii Pro ist ein Geschäftssegment von Tobii AB für professionelle technische Anwendungen zur Aufzeichnung von Augenbewegungen in der Forschung und Marktforschung. 54 URL: https: / / tobii.imagevault.media/ publishedmedia/ wlw5s0lm8hyixw98rd0m/ TobiiPro_Glasses_2 _Eye_%20Tracker_side_3_1.jpg (Stand: 22.07.2020) Ein weiterer Grund für den Einsatz der Kamera besteht darin, die erfassten mimischen Änderungen als Ausdruck der Emotionen für die Analyse über die Emotionen und die Motivation der Lernenden beim Selbstlernen zu verwenden. 52 Damit die Frage hinsichtlich der visuellen Wahrnehmung der Probanden gegenüber verschiedenen Medien beantwortet werden kann, ist jedoch der Einsatz von Kameras noch nicht ausreichend. Zur Gewinnung exakterer Daten für die Analyse werden daher noch Eyetracker als das Hauptinstrument der Datenerhebung zur Registrierung der visuellen Wahrnehmung der Probanden beim Selbstlernen mit den Medien eingesetzt. Die techni‐ schen Geräte zur maschinellen Messung und zur Aufzeichnung der Augenbewegungen werden von der Firma Tobii AB, einem führenden Hightech-Unternehmen in der Fach‐ branche der Blickerfassung (Eyetracking) und Augensteuerung (Eye Control), angeboten. In der vorliegenden Untersuchung werden zwei Arten von Eyetrackern bzw. Geräten für das Eyetracking von Tobii Pro 53 zur Registrierung der Augenbewegungen und der Blickrichtungen eingesetzt. Beim ersten Gerät handelt es sich um die Eyetracking-Brille der zweiten Generation Tobii Pro Glasses 2 (siehe Abb. 6-1). Diese Brille ist für die Untersuchung der visuellen Aufmerksamkeit auf Gegenständen in der Realität konzipiert. Diese Brille kann sowohl im Freien als auch in bestimmten Situationen im echten Leben problemlos eingesetzt werden. Abb. 6-1: Head-Unit von Tobii Glasses 2 54 6.1 Erhebungsinstrumente 105 55 URL: https: / / tobii.imagevault.media/ publishedmedia/ q45zfxl37tz8q5ptay6b/ TobiiPro-Glasses2-tec-h -specs-image-3 (Stand: 22.07.2020) Abb. 6-2: Spezifische Bauelemente der Head-Unit von Tobii Pro Glasses 2 55 Wie Abbildung 6-2 zeigt, sind jeweils zwei Eyetracking-Kameras auf beiden Seiten hinter den Schutzlinsen installiert. Die Abtastrate der jeweiligen Kamera kann die Frequenz von 100 Hz erreichen, sodass die Augenbewegungsdaten mit höherer Qualität gesammelt werden können. Obwohl sich diese vier Kameras zwischen den Linsen und den Augen des Trägers befinden, wird die Sicht des Trägers nicht eingeschränkt. Beim Tragen der Brille kann der Träger die Bauelemente nicht sehen, wodurch seine Sicht sowie seine Augenbewegungen (beispielsweise bei einem Blickwechsel) nicht beeinträchtigt werden. Dies trägt dazu bei, dass die natürliche Informationsaufnahme der Probanden nicht gestört wird. Das tragbare Eyetracking-Gerät verfügt über ein Gyroskop und einen Beschleunigungsmesser in der Mitte, und im Prozess des Trackings nutzt das Gerät noch die firmeneigene 3D-Technologie zur Nachbildung des Auges, weswegen eine zuverlässige und noch höhere Datenqualität für die Analyse gewährleistet werden kann. Zudem besitzt die Brille eine weitwinklige HD-Szenenkamera, die ein weites Blickfeld ermöglicht, was den Forschenden den Vorteil bietet, das komplette Blickverhalten (inklusive der meisten extremen Augenbewegungen) der Probanden zu registrieren. Des Weiteren verfügt die Brille über ein Mikrofon, mit dessen Hilfe weitere Daten beispielsweise über die visuelle Aufmerksamkeit bei der Wahrnehmung der auditiven Reize im Hintergrund gewonnen werden können. In der fremdsprachendidaktischen Forschung können zum Beispiel die Augendaten eines Probanden bei Hörübungen in Verbindung mit den von der Brille aufgenommenen Audiodaten gemeinsam analysiert werden. Das zweite Gerät, das in der Studie eingesetzt wurde, ist ein monitorbasierter Eyetracker, der Tobii Pro X3-120 (siehe Abb. 6-3). Er kann mit einer Vielzahl von Bildschirmen verwendet werden, z.-B. mit Laptops, PC-Monitoren, Tablets oder Fernsehgeräten. 106 6 Forschungsdesign und Datenerhebung 56 URL: https: / / tobii.imagevault.media/ publishedmedia/ 28zb2jprlydg1m7ed0kw/ TobiiPro_X2_120_Ey e_Tracker-_3_1.jpg (Stand: 22.07.2020) 57 Für die Verarbeitung der Augendaten steht noch ein Programm von Tobii Pro („Tobii Studio“) zur Verfügung. Hierzu vgl. Gastreich 2013: 42-44. Abb. 6-3: Tobii Pro X3-120 56 Die Augenbewegungsdaten der Teilnehmer, die diesem Gerät gegenübersitzen, können auch erfasst werden, während sie ihren Kopf in einem natürlichen Bildschirmabstand be‐ wegen, und das Gerät wird kaum bemerkt. Dies schafft eine ablenkungsfreie Testumgebung, die das natürliche menschliche Verhalten fördert. Das System, das der bildschirmbasierte Tracker nutzt, zeigt auch bei einem großen Blickwinkel genau, wohin die Personen schauen. Es ist mit einer Abtastrate von 120 Hz für detaillierte Untersuchungen hinsichtlich des Zeitpunktes und der Dauer von Fixationen ausgelegt. Aufgrund der sehr hohen Präzision und der umfassenden Nachverfolgbarkeit des Systems unter realen Bedingungen wird eine hohe Datenqualität garantiert, was es dem Forschenden ermöglicht, mit einem breiten Querschnitt von Probanden zu arbeiten. Die Augenbewegungsdaten, die durch die Eyetracker erhoben wurden, lassen sich mithilfe eines speziellen Programms Tobii Pro Lab für weitere Schritte der Arbeit weiter filtern und verarbeiten. 57 Als Endprodukte der Datenverarbeitung stehen zwei Arten von Schaubildern (Heatmap und Gazeplot) zur Verfügung, durch welche die Daten zu den Augenbewegungen anschaulich visualisiert werden. In Form statischer Wärmekarten wird durch die Heatmaps der Fokus der visuellen Aufmerksamkeit widergespiegelt (vgl. Göpferich 2008: 56). Ein Beispiel stellt die folgende Abbildung 6-4 dar. Durch diese Art der grafischen Darstellung lassen sich die Verteilung der Blicke von den Probanden auf die verschiedenen Reize anzeigen. Diesen Visualisierungen ist zu entnehmen, inwieweit unterschiedliche Elemente der Medien von den Probanden fokussiert werden. Was die vorliegende Forschung betrifft, kann durch Heatmaps beispielsweise verifiziert werden, in welchem Maße unterschiedliche Elemente in den Medien beim außerschulischen Selbst‐ lernen durch die Probanden fokussiert werden. Mithilfe dieser grafischen Darstellungen lässt sich bezüglich der lexikalischen Wahrnehmung beobachten, ob die Wörter, die sich in einem stark fixierten Bereich befinden, als Einträge in den Wörternetzen auftauchen werden. 6.1 Erhebungsinstrumente 107 Abb. 6-4: Heatmap (ein Beispiel) Durch das Programm Tobii Pro Lab wird auch die zweite Art der grafischen Darstellung (Gazeplot) ermöglicht. Basierend auf dieser Grafik wird eine statische Visualisierung der zeitlichen Abfolge der Blickprozesse präsentiert (vgl. Göpferich 2008: 56). Beispielsweise lässt sich dadurch deutlich erkennen, welches Element der Medien beim Selbstlernen zuerst die Aufmerksamkeit der Probanden auf sich zieht. Außerdem ist wahrnehmbar, wie die Blickverläufe der Probanden beim Lernen mit den unterschiedlichen Medien aussehen. Jeder Blick wird nummeriert und alle Blickmomente werden durch eine Linie nacheinander verbunden, sodass die Blickverläufe eines Probanden beispielsweise auf einer Buchseite deutlich erkennbar sind. Exemplarisch für ein Gazeplot steht die Abbildung 6-5 zur Verfügung, wobei dem Gazeplot leicht zu entnehmen ist, wie die Probandin den Text einschließlich des Bildes im Buch liest. Außerdem lässt sich auch erkennen, dass die Probandin zwei Mal auf das Bild geschaut hat, während sie den mittleren Teil des Texts las. Abb. 6-5: Gazeplot (ein Beispiel) Das Ziel des Einsatzes der Eyetracking-Geräte für die vorliegende empirische Untersuchung besteht darin, dass ein Eyetracker im Vergleich zu der persönlichen Befragung über die visuelle Wahrnehmung mehr authentische Daten erfassen kann, da der Eyetracker unbe‐ 108 6 Forschungsdesign und Datenerhebung wusste und unwillkürliche Reaktionen der Lernenden bei ihrer visuellen Wahrnehmung von Informationen registrieren kann. Diese durch die Eyetracker erfassten Daten sind im Gegensatz zu Ergebnissen einer Befragung objektiv, was die Plausibilität der Ergebnisse hinsichtlich der visuellen Wahrnehmung erhöht. Außerdem können mehr detaillierte Informationen über die Wahrnehmung eines Menschen von den Augenbewegungsdaten gewonnen werden. Diese Informationen sind kaum durch eine Befragung zu erheben. Im folgenden Kapitel über die Datenauswertung werden sowohl die Blickverläufe als auch die Blickverteilungen der Probanden im Hinblick auf die Reize in den Mittelpunkt gestellt, indem die Heatmaps und Gazeplots von verschiedenen Probanden als anschauliche Bei‐ spiele angeführt werden. Außerdem werden Beobachtungen angestellt, wie die Probanden beim Selbstlernen die Inhalte lesen und ob eine Auffälligkeit der Augenbewegungen der Probanden beim Lernen mit verschiedenen Medien besteht. 6.1.3 Retrospektives Lautes Denken Da sich die Gedanken und die Innenperspektive der Probanden oder ihr natürliches Blick‐ verhalten von außen nicht leicht erkennen lassen, wird die Methode des Lauten Denkens eingesetzt, das „eine spezielle Form der Introspektion“ (vgl. Göpferich 2008: 22) darstellt. Wie bei der Erhebungsmethode der (schriftlichen/ mündlichen) Befragung lassen sich nach dem Zeitpunkt des Einsatzes der Methode grundsätzlich zwei Arten unterscheiden: das simultane Laute Denken (Concurrent Think Aloud, Abkürzung: CTA), das sich während einer Aufgabendurchführung vollzieht, und das retrospektive Laute Denken (Retrospective Think Aloud, Abkürzung: RTA), das nach einer Aufgabendurchführung umgesetzt wird. Diese Methode kann die Nachteile eines reinen Eyetracking-Verfahrens kompensieren (vgl. Kerkau 2011: 336). Im Rahmen des simultanen Lauten Denkens werden die Probanden ge‐ beten, spontane Äußerungen zu tätigen. Auf dieser Basis können Forschende die Gedanken und Meinungen der Forschungsteilnehmenden „aus erster Hand“ rezipieren. Jedoch ist es denkbar, dass die Anwendung des CTA das Verhalten der Probanden beeinflussen kann. Der Grund dafür liegt darin, dass die Probanden von ihren Aufgaben abgelenkt werden können, weil sie während der Erfüllung der Aufgaben, entsprechend den Fragen der Forschenden, ihre Meinungen äußern müssen. Infolgedessen wird zum Beispiel die Dauer der Aufgaben‐ durchführung verlängert, oder die Probanden müssen ihre Aufgabendurchführung kurz unterbrechen und schnell überlegen, damit sie die Fragen beantworten können. Aus der Untersuchung von Jo und Stautmeister (2011) hinsichtlich eines Vergleichs von CTA und RTA im Rahmen des Usability-Tests mit Eyetracking-Technologie ist zu entnehmen, dass bei der Verwendung von CTA nicht nur die Gesamtfixation von Testobjekten länger dauert, sondern dass sich auch die Anzahl der Fixationen erhöhen lässt ( Jo & Stautmeister 2011: 175 f.). Mit anderen Worten verlängern sich die Verweildauer und die Gesamtbetrachtungs‐ dauer des Stimulus, wenn das CTA verwendet wird. Dies kann dazu führen, dass ein Nutzer bzw. ein Lernender in eine nicht natürliche Situation (das außerschulische Selbstlernen betreffend) gebracht wird. Im Vergleich dazu kann eine realitätsnähere Nutzungssituation durch Anwendung des RTA abgebildet werden (vgl. ebd.: 177). Im nachgelagerten Lauten Denken bzw. im retrospektiven Lauten Denken geht es darum, dass die Probanden erst nach einer bestimmten Prozessdauer der Aufgabendurchführung ihre Gedanken verbalisieren. 6.1 Erhebungsinstrumente 109 Beispielsweise werden die Probanden dieser Untersuchung mit einem Video-Replay im Hinblick auf ihre jeweiligen Augenbewegungen in der vorangegangenen Lerneinheit konfrontiert und sie werden zugleich darum gebeten, die Gedanken wiederzugeben, die ihnen während der visuellen Aufmerksamkeit an einer bestimmten Stelle in den Lehrmaterialien durch den Kopf gegangen sind. Sehr vorteilhaft ist es, dass die Probanden im Prozess der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht gestört werden, sodass sie sich ohne hohe kognitive Belastung adäquat auf die Aufgaben konzentrieren können. Da es sich in der vorliegenden Studie um eine Simulation einer realitätsnahen Umgebung des Selbstlernens handelt, ist der Einsatz des RTA günstig, obwohl die Anwendung des retrospektiven Lauten Denkens auch Nachteile mit sich bringt. Beispielsweise können die Probanden bezüglich ihrer Verhaltensweisen aufgrund der kognitiven Begrenzung des Gedächtnisses nicht alles wiedergeben, denn die Äußerungsinhalte bei der Retrospektion werden kaum aus dem Kurzzeitgedächtnis, sondern in speziellen Prozessen der Wiederauffindung aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen (vgl. Göpferich 2008: 34). Die Wahrscheinlichkeit kann daher sehr hoch sein, dass die Probanden etwas vergessen, wenn ihre Gedanken oder eine Komponente ihres kognitiven Aktes erst nach einer bestimmten Zeit geäußert werden. Diese zeitliche Distanz kann in einigen Fällen schwerwiegende Folgen haben, da die Gefahr besteht, dass einige feine, aber für die Forschung sehr kritische Details nicht mehr exakt in Erinnerung gerufen werden können. Jedoch kann durch RTA ohne zeitliche Einschränkung gearbeitet werden. Da sich die Äußerung der Meinungen im Rahmen des RTA asynchron vollzieht, kann den Befragten bzw. den Probanden eine völlig ausreichende Zeit für die Verbalisierung ihrer Innenperspektive geboten werden, sodass sie sich ohne Eile an möglichst viele Einzelheiten ihrer Gedankenaktivität des im Vorfeld realisierten Selbstlernens erinnern können. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren wird das retrospektive Laute Denken in der vorliegenden Studie eingesetzt, weil die Probanden durch die Verwendung des RTA in eine realitätsnahe Lernsituation gebracht werden können, was ein Selbstlernen wei‐ testgehend ohne externe bzw. zusätzliche Störungen simulieren kann. Das retrospektive Laute Denken wird auf der Basis der Videodaten ausgeführt, die von den Eyetrackern mit der zugehörigen Software aufgenommen werden. Das heißt, dass die Probanden bei nachträglichen Video-Replays (Wiedergabe von Aufnahmen) gebeten werden, ihre Ansichten und Gedanken zu verbalisieren. Dabei können sie sich während des Anschauens der Videos erinnern, was sie früher gedacht haben. Während des RTA haben die Probanden unbegrenzt Zeit für das Nachdenken und als Unterstützung können die Videos auch nach ihrem Wunsch unlimitiert wiederholt werden. Auf diese Weise können sich die Probanden an möglichst viele Details erinnern. Die in dem RTA gestellten Fragen beziehen sich hauptsächlich auf das Verhalten der Probanden in Form der Maussteuerung und des Blickverhaltens, das aus der Perspektive der Forschenden für ungewöhnlich gehalten wird (zum Beispiel ein langes Anhalten der Maus, eine schnellere Bewegung der Augen oder eine ungewöhnliche Fixation). Die Ergebnisse des retrospektiven Lauten Denkens werden in der Datenauswertung als Ergänzungsmaterial für die Interpretation der Augenbewegungen der Lernenden in Situationen auffälliger Augenbewegungen angesehen. 110 6 Forschungsdesign und Datenerhebung 58 Anmerkung: Der Eye-Tracker Tobii Glasses 2 kann mit dem zusätzlichen spezifischen Zubehör bzw. dem ergänzenden beweglichen Teil (einem Set von Linsen für die Probanden mit verschiedenen Sehhilfen) ausgerüstet werden. Da alle vorhandenen Sets der Linse vor der Durchführung des vorliegenden Projekts in anderen laufenden Untersuchungen noch verwendet wurden, stand kein Zubehör mehr für die vorliegende empirische Untersuchung zur Verfügung. In der Tat lag die Gesamtzahl der Untersuchungsteilnehmenden bei 24. Da jede Person unterschiedliche körperliche Merkmale aufwies, waren die im Projekt eingesetzten Eye-Tracking-Geräte ohne spezifisches bzw. zusätzliches adaptierendes Zubehör nicht immer in der Lage, die Daten aller Personen exakt zu sammeln und zu ermitteln. Beispielsweise konnten die Augenbewegungen eines Probanden mit hochgradiger Kurzsichtigkeit von der Eye-Tracking-Brille ohne ein entsprechendes Korrekturlin‐ senzubehör (Brillengläser) aufgrund der Refraktion nur sehr schwer präzise erfasst werden. Aus diesem Grund mussten vier Probanden nach der ersten Datenerhebungsphase trotz ihres Interesses an dem vorliegenden Projekt ausscheiden, weil die Anteile der erhobenen Daten von Gaze-Samples (Blickproben) zu wenig aussagekräftig gewesen wären. Bei einer weiteren Probandin war der Anteil der Gaze-Samples zwar ausreichend für die Analyse der vorliegenden Untersuchung, aber die Differenz zu dem Anteil der Gaze-Samples der anderen 19 Probanden war offenkundig zu groß. Die erhobenen Augenbewegungsdaten der anderen 19 Probanden waren im Vergleich dazu entsprechend dem Computerprogramm sowohl quantitativ als auch qualitativ viel besser verwertbar. Somit wurde wegen der großen Differenz auf die Auswertung der Augenbewegungsdaten dieser Probandin verzichtet. Allerdings gibt es einige spannende Besonderheiten in den Wörternetzen dieser Probandin, weswegen diese Besonderheiten in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt werden, ohne dass die Augenbewegungen dieser Probandin miteinbezogen werden. Die Probandin wird als „Probandin Nr.-19“ in der Arbeit bezeichnet. 6.2 Beteiligte an der Studie 6.2.1 Probanden In dieser empirischen Untersuchung beteiligten sich insgesamt 19 Probanden an der Studie. 58 Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist das Blickverhalten der Probanden in Kombi‐ nation mit ihren individuellen Lernwegen zu untersuchen. In der Untersuchung nehmen die gleichen Probanden mit den Eyetrackern an mehreren Lerneinheiten des Selbstlernens teil (vgl. Kapitel 6.3). In diesem Zusammenhang lässt sich sagen, dass sich die Anzahl der Lernenden für die vorliegende Untersuchung als ausreichend erweist (vgl. Conklin et al. 2018: 72). Alle Probanden waren 19bis 21-jährige Germanistik-Studierende mit dem Sprachniveau A 2.1 in verschiedenen Hochschulen in Beijing und Shanghai. Vor der Aufteilung in zwei Gruppen beantworteten sie zunächst einige generelle Fragen in Bezug auf ihre Erfahrungen zum Selbstlernen und zum Lernerlebnis sowie auch zum Internet bzw. zur Mediennutzung sowohl beim Selbstlernen als auch im Deutschunterricht in den Hochschulen. Da alle Teilnehmenden zur sogenannten „digitalen Generation“ gehören, hatten sie umfangreiche Erfahrungen in Bezug auf die Internetnutzung im Alltagsleben. Jedoch verwendeten nicht alle Probanden das Internet für das Lernen (im generellen Lernprozess). Basierend auf ihren Antworten lässt sich zusammenfassen, dass insgesamt 16 Probanden das Internet für das Selbstlernen unregelmäßig einsetzen und es nur bei vier Lernenden oft benutzt wird. Generell ist im Hinblick auf die Nutzung digitaler Medien zu erkennen, dass der Anteil der Lernenden nicht sehr hoch ist, die Online-Lernressourcen nutzen. Zum Lernen oder Wiederholen der erlernten Kenntnisse bestehen die meisten Probanden immerhin auf der Nutzung der gedruckten Medien. Beispielsweise werden die 6.2 Beteiligte an der Studie 111 59 Es geht um die Controller-Software von Tobii Pro Glasses 2. 60 Hier ist Tobii Pro Glasses 2 gemeint. 61 Da das Gerät wie eine Brille fungiert, kann es sich leicht verschieben in Abhängigkeit davon, wie stark sich der Kopf der Probanden beim Lesen bewegt. Lerninhalte von den Probanden mithilfe ihrer Notizen im Unterricht wiederholt. Um den Wortschatzumfang zu erweitern, benutzen sie Arbeitsbücher oder zusätzliche Materialien. Damit das Ziel erreicht werden kann, lernen viele Probanden nach dem Unterricht die Wörter oft auswendig. Allerdings haben die meisten Probanden mehrere Probleme bzw. Schwierigkeiten mit dem Wortschatz, obwohl sie viel Zeit und Energie dafür aufwandten. Beispielsweise sind viele Probanden der Meinung, dass sie nicht in der Lage seien, die gelernten Wörter richtig bzw. kontextgemäß anzuwenden. Außerdem fällt es manchen Lernenden schwer, die Wörter im Kopf zu behalten. Was das digitale Selbstlernen im Hinblick auf die deutsche Sprache angeht, haben diese Probanden im Grunde genommen (pauschal gesehen) nur wenig Erfahrung damit. Daher lohnt es sich, zu erforschen, wie die Probanden beim außerschulischen Selbstlernen die durch digitale Medien übermittelten Informationen wahrnehmen und aufnehmen. 6.2.2 Eigene Rolle Damit die Probanden eine (möglichst) realitätsnahe Lernsituation, in der es keine Störung gibt, erleben können, ist der Verfasser bzw. der Forschende während des ganzen Lernpro‐ zesses der Probanden still. Das bedeutet, dass keine Kommunikation besteht, auch wenn die Probanden Probleme mit dem Verstehen der Aufgaben auf der Plattform haben. Zudem bleibt der Forschende an einer Stelle, die nicht im Blickfeld der Probanden liegt. Aus‐ nahmsweise kommuniziert der Forschende mit den Probanden, wenn technische Probleme gemeldet werden, beispielsweise Fehlermeldungen des Programms zur Datenerhebung. Nach der Behebung der technischen Fehler geht der Forschende sofort aus dem Blickfeld der Probanden heraus, damit sie sich möglichst schnell wieder dem Lernprozess zuwenden können. Außerdem beobachtet der Forschende während der Studie die Augenbewegungen der Probanden. Mithilfe der „Live-View“-Funktion des Tobii-Programms 59 ist er in der Lage, live nutzbare Informationen für die Sicherstellung der Qualität der erhobenen Daten zu erhalten. Beispielsweise kann er in Echtzeit genau sehen, worauf die Testpersonen schauen. Daher kann er während des Versuchsablaufs beispielsweise registrieren und notieren, dass sich die Testpersonen eventuell nach der Ansicht des Forschenden auffällig verhalten. Durch die „Live-View“-Funktion kann darüber hinaus auf dem Monitor des Forschenden in Echtzeit angezeigt werden (siehe Abb. 6-6), wo sich die Augen der Probanden im Erfas‐ sungsbereich des Eyetracking-Gerätes 60 befinden. Daher kann er die Probanden rechtzeitig daran erinnern, das Gerät wieder richtig zu tragen, wenn es während der Arbeitsabläufe unerwarteterweise (beispielsweise wegen der Überschreitung des Erfassungsbereiches des Eyetrackers) nicht mehr die Augen der Probanden detektieren bzw. die Augenbewegungen verfolgen kann. 61 Nötigenfalls wird der Versuchsablauf unterbrochen und es kann erst fortgefahren werden, wenn sich erneut eine Kalibrierung des Geräts vollzogen hat. 112 6 Forschungsdesign und Datenerhebung 62 Das Bild wurde vom Verfasser in schwarz-weiß verwandelt. 63 Die Lernthemen wurden von dem Forschenden und den Probanden zusammen ausgewählt. 64 Eine Lerneinheit dauerte mindestens 30 Minuten und danach konnten die Probanden selbst ent‐ scheiden, ob die Lerneinheit fortgesetzt oder sofort abgeschlossen wurde. Abb. 6-6: „Live-View“-Funktion auf dem Monitor des Verfassers (Ein Beispiel) 62 6.3 Vorgehensweise Alle Teilnehmenden dieser Studie wurden zu Beginn nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Lernmaterialien sind zu Beginn der Studie auch festgelegt. Während in der Gruppe A die traditionellen Printmedien - das Kursbuch Schritte Inter‐ national neu - für das Lernen deutscher Wörter benutzt wurde, gelangte in Gruppe B ein digitales Lernangebot zur Anwendung, und zwar die internetgestützte Lernplattform des Goethe-Instituts Community Deutsch für dich. Nach der Gruppeneinteilung erfolgte eine Lernphase, in deren Verlauf die Probanden in beiden Gruppen eine selbstständige Gestaltung des Lernprozesses übernahmen. Bei den Lerninhalten handelte es sich um eine identische Lernthematik „Berufe und Ausbildung“. 63 In der Lernphase gab es insgesamt vier ca. 30bis 45-minütige Lerneinheiten. 64 In jeder Lerneinheit wurden die Probanden in beiden Gruppen aufgefordert, mit den gegebenen Lernmaterialien das eigene Lernen selbstständig zu organisieren. In allen Lerneinheiten des Selbstlernens der Probanden wurden Eyetracker, Kameras und eine spezielle Computeranwendung eingesetzt, damit die Augenbewegungen, die Aktionen und die Reaktionen (beispielweise die Mimik) der Probanden in beiden Gruppen beim Lernprozess (beispielsweise beim Durchblättern, beim Markieren, bei Mausklicks oder beim Scrollen) dokumentiert werden konnten. Nach der Absolvierung der beiden Selbstlerneinheiten werden bei beiden Gruppen unverzüglich zwei themenspezifische Kernwörter vorgegeben. Dabei wurden die Mitglieder in beiden Gruppen aufgefordert, eigene Wörternetze zu generieren. Alle Probanden sollten nach der Vorgabe der Stichwörter möglichst viele Wörter in einer sinnvollen Anordnung aufzeichnen. Die jeweilige Generierung ihrer Wörternetze vollzieht sich innerhalb von 15 bis 20 Minuten, damit der Zeitrahmen der vorliegenden Untersuchung nicht zu lang 6.3 Vorgehensweise 113 65 Vor dem Beginn der Studie machten alle Probanden eine kleine Probe (mit einem anderen Thema), worauf basierend der Durchschnittswert ermittelt wurde. wird. Aufgrund der zeitlichen Einschränkung können vermutlich nicht alle Wörter von den Probanden in ihre Wörternetze rechtzeitig eingetragen werden. Trotzdem ist eine Festle‐ gung einer Zeitdauer für die Generierung der Wörternetze meines Erachtens nötig, weil auf dieser Basis zum einen die Forschung wie geplant realisiert werden kann und weil zum anderen die Einträge der Wörter, die den Probanden ohne Schwierigkeiten bzw. ohne langes Nachdenken einfallen, von den Probanden im Durchschnitt innerhalb von 15 Minuten erledigt werden können. 65 Daher ist die Zeitdauer von 15 bis 20 Minuten adäquat und rationell. Im Falle, dass die Augenbewegungen der Probanden nach Auffassung des Autors in einer bestimmten Situation als auffällig zu klassifizieren sind, werden die Probanden gebeten, retrospektiv darüber nachzudenken (vgl. Kapitel 6.1.3). Ihr retrospektives Lautes Denken kann dabei helfen, dass der Autor ihre Augenbewegungen genauer interpretieren kann. Im Anschluss daran erfolgt eine Wiederholungsuntersuchung bzw. die zweite Studie. Bei dieser Wiederholungsuntersuchung erhalten alle Mitglieder der Gruppe A die Aufgaben, welche die Probanden der Gruppe B in der ersten Studie bekommen haben (und umgekehrt). In der zweiten Studie bezieht sich das Material auf ein neues Thema („Freizeit und Urlaub“), das sich vom Thema der Erstuntersuchung unterscheidet. Dadurch kann eine Beeinträchtigung der Resultate der zweiten Studie durch die Ergebnisse der ersten Studie vermieden werden. Am Ende der gesamten Untersuchung wird noch eine schriftliche Umfrage durchgeführt, die sich auf die Einstellung bezüglich des Selbstlernens bei der Nutzung der beiden unterschiedlichen Medien bezieht. 6.4 Materialien Im vorigen Kapitel wurde thematisiert, dass die zwei Gruppen beim Selbstlernen zwei unterschiedliche Medien, nämlich das Lehrwerk Schritte International neu des Hueber-Ver‐ lags und die Lernplattform Deutsch für dich des Goethe-Instituts, als Medien für das außerschulische Selbstlernen benutzen. Für die Auswahl der beiden Medien besteht der Grund darin, dass alle Probanden sowohl mit dem gedruckten Lehrwerk als auch mit dem internetgestützten digitalen Lernangebot nicht vertraut sind. Infolgedessen können die „ursprünglichen“ Reaktionen bzw. die natürliche visuelle Aufmerksamkeit der Probanden auf verschiedene Reize in den beiden Medien während ihrer Informationswahrnehmung und -verarbeitung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung durch Eyetracker erhoben werden. Mit diesen Daten lässt sich die Authentizität der Forschungsergebnisse auch dementsprechend erhöhen. Als Gemeinsamkeit sind die Lerninhalte in den beiden Medien einsprachig präsentiert. Im Hinblick auf die Inhalte der beiden Medien muss noch angemerkt werden, dass die Materialien für das Selbstlernen in den beiden Medien trotz des gleichen Themas in einer Studie inhaltlich nicht vollständig gleich sind. Das heißt, dass die Probanden je nach der Gruppe beim Selbstlernen unterschiedliche Übungen bearbeiten, die sich 114 6 Forschungsdesign und Datenerhebung 66 In der Untersuchung wurden einige Übungen des Lehrwerks „Schritte plus neu 3/ 4“ von Hilpert et al. 2016 bereitgestellt, die im Lehrwerk „Schritte International neu 3/ 4“ von Hilpert et al. 2017 nicht vorhanden sind, damit mehr Lerninhalte beim Selbstlernen mit dem Buch zur Verfügung gestellt werden konnten. aber auf das gleiche Thema beziehen. Hinzu kommt, dass die beiden Medien durch unterschiedliche Darstellungsformen die Informationen bzw. die Lerninhalte übermitteln und die Lernenden somit bei der Wahrnehmung der Informationen mit verschiedenen Reizen konfrontiert sind. Demzufolge ist es ohne Weiteres vorzustellen, dass die von den beiden Gruppen produzierten Wörternetze thematisch gleich, aber inhaltlich nicht vollständig übereinstimmend gebildet werden können. Dies führt dazu, dass die von den beiden Gruppen in einer gleichen Studie produzierten Wörternetze inhaltlich nicht direkt kontrastiv verglichen und analysiert werden können. Jedoch wird die Datenanalyse der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nicht deutlich erschwert, da diese Untersuchung den Fokus auf den intrapersonalen Vergleich legt. Bevor die erhobenen Daten ausgewertet werden, werden einige verschiedene Übungen in den beiden Medien, die in der Studie eingesetzt wurden, in diesem Kapitel inhaltlich ausführlich beschrieben. 6.4.1 Buch Zunächst wird das gedruckte das Lehrwerk Schritte International neu A 2.1  66 , vorgestellt. Zum Kursbuch gehören noch ein Arbeitsbuch und Audiomaterialien. Sie werden den Probanden in der Studie ebenfalls zur Verfügung gestellt. Was den Aufbau eines Kapitels angeht, lässt sich im Allgemeinen sagen, dass es in jedem Kapitel zu einem zentralen Thema eine kurze themenspezifische Einführung gibt. Unter diesem Thema befinden sich fünf Teile mit verschiedenen untergeordneten Themen oder verschiedenen spezifischen Lernzielen. Beispielsweise geht es in Teil A zum Hauptthema der Lektion „Ausbildung und Karriere“ um die Wünsche oder Pläne aus der Jugendzeit, wobei das Präteritum von Modalverben eingeführt wird. Im Anschluss daran wird in Teil B das Lernziel im Hinblick auf die Äuße‐ rung von Meinungen gesetzt. Danach folgt Teil C, in dem das Schulsystem und die Schulzeit thematisiert werden. Die letzten beiden Teile beziehen sich auf die Aus- und Weiterbildung sowie auf Traumberufe, wobei über die Arbeit bzw. Erwerbstätigkeit gesprochen wird. Im Folgenden werden die Übungen der jeweiligen Teile eingehend vorgestellt. Hierbei muss angemerkt werden, dass die ersten zwei Teile nicht beschrieben werden. Dies liegt daran, dass die Übungen in beiden Teilen hauptsächlich auf die Grammatikvermittlung fokussieren. Angesichts des Lernverhaltens der chinesischen Deutschlernenden neigen sie leicht dazu, die Vertiefung oder Verbesserung ihrer grammatischen Kenntnisse zu fokussieren, anstatt den Wortschatz aus solchen grammatischen Übungen zu lernen. In diesem Zusammenhang wurde der Entschluss gefasst, dass solche Übungen aus den beiden Teilen im Buch nicht in der Studie eingesetzt werden, damit die Lernenden nicht abgelenkt werden können. Aus Platzgründen werden in der vorliegenden Arbeit außerdem nur einige Übungen im Kursbuch als Beispiele wiedergegeben, die von den meisten Probanden in der Studie gemacht wurden. Der generelle Grund für die Wahl der folgenden Übungen in den beiden Medien ist darin zu sehen, dass die meisten von ihnen keine rein textuellen Übungen darstellen. Das heißt, dass es in den Übungen nicht nur Texte, sondern auch 6.4 Materialien 115 andere Elemente (wie Bilder, Tabellen, Grafiken etc.) gibt. In solchen Übungen lassen sich Daten über die Interaktion der Probanden mit den nichttextuellen Elementen bzw. Reizen erheben, was für die Analyse hinsichtlich des Verhaltens der Probanden beim Lernen meines Erachtens sehr wertvoll ist. Mittels der erhobenen Daten lässt sich beobachten, wie die Probanden auf verschiedene Reize mit ihren Blicken reagieren. Daher kann die Interaktion nicht nur auf theoretischer Ebene diskutiert, sondern auch basierend auf den von den Geräten gewonnenen Daten analysiert werden. Diese beschriebenen Übungen werden auch als Beispiele im nächsten Kapitel über die Datenauswertung in Verbindung mit anderen erhobenen Daten einer Analyse unterzogen. In der thematischen Einführung sind neben Hörübungen drei Übungen vorhanden, wobei viele Wörter über Schule und Studium gelernt werden können. In der ersten Übung 1a wird vom Zeugnis ausgegangen. Hierbei lassen sich zum einen einige Wörter, die mit dem Schulfach und der Schulleistung in Verbindung stehen, behandeln, und zum anderen kann durch die grafische Darstellung darüber informiert werden, wie ein Zeugnis aussieht. Zudem kann vermittelt werden, was die Ziffern als Noten im Zeugnis bedeuten, was wiederum als Landeskunde kategorisiert werden kann (siehe Abb. 6-7). Als Merkmale der Lexeme werden die Bedeutungen der zu lernenden Wörter erschlossen, indem die Grafik kontextgemäß analysiert wird. Abb. 6-7: Die erste Seite aus der Lektion 6 (Ausbildung und Karriere) im Lehrwerk In der zweiten Übung 1b sind weitere thematische Wörter zu lernen. Anders als in Übung 1a werden die Wörter nun dadurch gelernt, dass die Lernenden die rechts stehenden sprachlichen Erklärungen lesen und verstehen. Als Vorteil dieser Übungssequenz kann registriert werden, dass verschiedene Modalitäten der Lernenden für die Lösung der Aufgaben benutzt werden müssen. Obwohl manche Wörter in den sprachlichen Erklärungen den Lernenden vermutlich nicht vertraut sind, können sie mithilfe ihrer eigenen Lernerfahrungen und Analysefähigkeiten sowie mit den Kenntnissen, die sie in der ersten Übung erworben haben, entsprechende Antworten erhalten. Auf diese Weise können sich die Lernenden die Wörter in der zweiten Übung schneller merken angesichts der Tatsache, dass die Wörter bei der Lösung im Kopf der Lernenden weiterverarbeitet werden. Es ist noch erwähnenswert, dass die Lernenden in den oben erwähnten Übungen sowohl Wortschatz als auch Landeskunde lernen bzw. vertiefen können. In der Übung 1b kann zur Kenntnis genommen werden, dass die Abschlussprüfung des Gymnasiums einen 116 6 Forschungsdesign und Datenerhebung spezifischen Namen „Abitur“ trägt. Durch die erste Übung können beispielsweise Informationen über das Notensystem in Deutschland gewonnen werden. Die Lernenden wissen nach der Übung, welches Notensystem in Deutschland verwendet wird und was die Zahlen in einem Zeugnis bedeuten. Beispielsweise entspricht eine Eins einer sehr guten Note, wohingegen eine Fünf sehr negativ ist. Dies kann für chinesische Lernende überraschend sein, denn die Note ist beispielsweise nach dem (traditionellen) chinesischen 10-Punkte-Notensystem umso besser, je höher die Punktzahl ist. Abb. 6-8: Die erste Übung von Teil C in der Lektion „Ausbildung und Karriere“ Abb. 6-9: Die zweite Übung von Teil C in der Lektion „Ausbildung und Karriere“ Das zweite Beispiel präsentiert die erste Übung in Teil C. Diese Übung C1 bietet den Lernenden die Möglichkeit, nicht nur ihre Kompetenzen bezüglich der themenspezifischen Wörter zu erweitern, sondern auch landeskundliche Kenntnisse zu gewinnen. In dieser Übung liegt eine Tabelle vor, mit deren Hilfe man das deutsche Schulsystem kennenlernen kann (siehe Abb. 6-8). Mithilfe der Übungen 1a und 1b am Anfang sind die Lernenden thematisch eingestiegen und bei dieser offenen Übung C1 können sie sich durch die selbstständige Analyse des Diagramms eingehende themenspezifische Kenntnisse aneignen, wobei es um das Schulsystem in Deutschland geht. Aus dieser Grafik ist ein genereller Überblick in Bezug auf die Zuordnung verschiedener Schultypen Deutschlands mit unterschiedlichen Schulabschlüssen zu entnehmen. Dort kann gelernt werden, wie verschiedene Schularten im Deutschen bezeichnet werden. Hinzu kommt noch eine kurze Beschreibung des dualen Systems, das als Besonderheit im System angesehen werden kann. Im Anschluss daran kommt eine Hörübung mit dem Titel „Unsere Schulzeit“ zum Einsatz, 6.4 Materialien 117 und dort werden drei Beispiele bzw. Personen vorgestellt, deren schulische Ausbildungen sich unterscheiden. Die Auswahl dieser Übung liegt darin begründet, dass sie zum einen als eine „Brückenübung“ betrachtet werden kann. Im Vergleich mit den vorherigen Übungen lassen sich die abstrakten Inhalte in dieser Übung konkretisieren, indem die Inhalte mit der Meinung der Personen im Alltag verbunden werden. In dieser Übung können die Lernenden nicht nur einige Wörter vertiefen, die sich auch in der vorigen Übung befinden, sondern sie können auch Vokabeln über Schulfächer lernen (siehe Abb. 6-9). Zum anderen können die Erlebnisse der Probanden auch reflektiert werden, nachdem sie die Einzelfälle der vier Personen in der Übung gelesen haben. Abb. 6-10: Die erste Übung von Teil D in der Lektion „Ausbildung und Karriere“ In Teil D sehen die Lernenden in der ersten Übung mehrere kurze Texte und sie werden aufgefordert, die Kursangebote mit verschiedenen Farben nach den vorgegebenen vier Kategorien zu sortieren (siehe Abb. 6-10). Ein ähnliches Beispiel ist eine Übung in Teil E, wobei die Texte länger sind und die Lernenden mit den vorgegebenen Wörtern Lücken ausfüllen müssen (siehe Abb. 6-11). In den beiden Übungen sind viele Wörter im Hinblick auf Ausbildung und Berufe zu lernen. Als Gemeinsamkeit beider Übungen spielt der textliche Teil eine große Rolle und die Texte nehmen den meisten Platz bei den Übungen ein. Hierbei ist eine bestimmte Stufe der Lesekompetenz der Probanden erforderlich, denn die Aufgaben müssen durch die Erschließung von Zusammenhängen gelöst werden. In den beiden Übungen wird durch Eyetracker beobachtet, wie die Probanden die gegebenen Texte lesen und welche Wörter in den Texten am meisten fixiert werden. 118 6 Forschungsdesign und Datenerhebung Abb. 6-11: Erste Übung von Teil E in der Lektion „Ausbildung und Karriere“ (links) Abb. 6-12: Übung „Fokus Beruf “ in der Lektion „Ausbildung und Karriere“ (rechts) Als Komponente des Lehrwerks liegt die Einheit „Fokus Beruf “ zum jeweiligen Kapitel vor und dieser Teil kann als Quelle für zusätzliche Lerninhalte angesehen werden, den die Lernenden beim Lesen freiwillig rezipieren können. Im Folgenden wird die Übung im Teil „Fokus Beruf “ der Lektion „Ausbildung und Karriere“ charakterisiert, wobei es um einen Fließtext und eine Tabelle geht (siehe Abb. 6-12). Didaktisch gesehen können sich die Lernenden mit dieser Übung zum einen weitere Wörter zum Thema Karriere aneignen. Zum anderen sind noch landeskundliche Kenntnisse mithilfe der angezeigten Vorlage zu erweitern, wie z. B. Informationen darüber, wie ein deutscher tabellarischer Lebenslauf geschrieben werden soll. Diese Übung verfügt über verschiedene Arten von Elementen. Neben einem Fließtext liegen noch ein Foto und eine große Tabelle vor, und sie beziehen sich inhaltlich aufeinander. Daher ist es beispielsweise sehr spannend zu betrachten, welche Rolle jedes Element in dieser Übung spielt und inwieweit die Elemente die Blicke der Probanden auf sich ziehen. 6.4.2 Digitales Lernangebot „Lernen im Internet erfolgt heute über mehr oder weniger umfangreiche elektronische Lernplattformen.“ (Roche 2020: 318) In dieser Untersuchung wird die internetgestützte elektronische Lernplattform des Goethe-Instituts „Deutsch für dich“ als Vertreter ausge‐ wählt, weil diese Plattform spezifisch für die Deutschlernenden konzipiert wird und dort eine Vielfalt an Lerninhalten zu unterschiedlichen Themen integriert sind. Nach der Darstellung der Übungen des Lehrwerks werden nachfolgend die Übungen auf dieser 6.4 Materialien 119 67 Hierbei kann ein Modul als „Übungsset“ betrachtet werden. Das heißt, dass in einem Modul mehrere verschiedene Übungen verfügbar sind. 68 Hiermit ist gemeint, dass ein Nutzer den anderen Lernenden ein „Like“ geben kann, wenn er ihre Antworten gut findet. 69 Alle Abbildungen hinsichtlich der Übungen auf der Online-Lernplattform, die in der vorliegenden Arbeit angezeigt werden, sind am 18.05.2020 abgerufen. Online-Lernplattform in den Blick genommen. Zum Thema „Ausbildung und Karriere“ steht ebenfalls eine große Menge an interaktiven Lerninhalten auf der Plattform zur Verfügung. Zum Beispiel gibt es Module 67 im Hinblick auf das Studentenleben oder die Schule neben weiteren Lerneinheiten, in denen die Arbeit und die Ausbildung thematisiert werden. Im Folgenden werden die Übungen des Moduls mit dem untergeordneten Thema „Studentenleben“ dargestellt. Wie im genannten Lehrwerk wird zu Beginn eine Übung angeboten, mit der in das Thema eingeführt wird (siehe Abb. 6-13). Im Unterschied zum Lehrwerk werden in dieser Übung für die thematische Einführung die Vorteile der digitalen Medien genutzt. In dieser Übung bekommen die Lernenden eine offene Frage und sie können im Textfeld, das unten im Webbrowser steht, ihre Antworten eingeben. Zugleich können sie auch die Antworten der anderen Lernenden aus aller Welt lesen, bewerten 68 und persönlich mit ihnen schriftlich kommunizieren. Das bedeutet, dass die Lernenden nicht nur ihre Meinung äußern, sondern auch die Ansichten anderer Menschen lesen können. Durch den Meinungsaustausch können sie trotz der Asynchronität zu einem neuen Gedanken inspiriert werden. Solche Inspirationen können die Lernmotivation fördern, was dazu führt, dass die Lernenden mit Neugier auf nachfolgende Übungen reagieren. In dieser Übung ist es auffällig, dass ein großes Bild vorliegt, welches in der Mitte der Übung positioniert ist. Das Bild zeigt, dass mehrere Studierende in einem Hörsaal lernen und sich in einer Vorlesung befinden, wobei viele visuelle Reize geliefert werden. Es lohnt sich, zu untersuchen, ob und inwieweit das Bild hier eine inhaltliche Rolle spielt. Abb. 6-13: Die erste Übung im Modul „Menschen in Deutschland: Studentenleben“ 69 120 6 Forschungsdesign und Datenerhebung 70 Anmerkung: „Das Deutschlandlabor“ enthält mehrere Videofolgen für Deutschlernende, in denen verschiedene landeskundliche Kenntnisse über Deutschland vermittelt werden. Abb. 6-14: Zwei Übungen im Modul „Menschen in Deutschland: Studentenleben“ Im Anschluss daran hören die Lernenden, was vier Studierende zur Frage „Was ist das Schönste am Studium? “ zu sagen haben, und zugleich füllen sie die Lücken in den Texten aus (siehe Abb. 6-14). Danach werden den Lernenden noch verschiedene Arten von Leseübungen präsentiert, die sich auf das Studentenleben beziehen. In den Übungen können die Lernenden mit Gewährleistung der Authentizität nicht nur viele themenspezifische Wörter lernen, sondern sie können auch ihre landeskundlichen Kenntnisse erweitern. Zum Beispiel wird in der fünften Übung dargestellt, wie Studenten während ihres Studiums in Deutschland wohnen. Hierbei können die chinesischen Lernenden erfahren, wie viele Op‐ tionen diesbezüglich vorhanden sind. Außerdem können sie mithilfe des kurzen Beispiels die Wohngemeinschaft als studentische Wohnungsform besser kennenlernen (und nicht nur sprachlich erfassen), die den chinesischen Lernenden grundsätzlich nicht vertraut ist. Wie in den vorherigen Übungen existiert auch hier ein großes Foto, und es ist sehr spannend, zu sehen, ob die Bilder neben der Ästhetik noch weitere Funktionen erfüllen. Als besondere Eigenschaft der Plattform stehen Videos für das Deutschlernen zur Verfügung, was in einem gedruckten Lehrwerk nicht geboten werden kann. Zum Thema „Ausbildung“ gibt es beispielsweise ein Modul bzw. ein Übungsset mit dem Titel „Das Deutschlandlabor: Schule“. 70 Im Video des Moduls geht es grundsätzlich darum, welches Fach Schülerinnen und Schülern am besten gefällt, was sie in der Mittagspause unter‐ nehmen und wie viele Sprachen in der Schule gesprochen werden. Einige Szenen des Videos werden im folgenden Bild gezeigt (siehe Abb. 6-15). 6.4 Materialien 121 Abb. 6-15: Szenen aus dem Video „Das Deutschlandlabor: Schule“ Zu Beginn des Videos werden mehrere Schülerinnen und Schüler gefragt, welches Fach ihr Lieblingsfach ist. Anschließend wird der Sportunterricht in der Schule vorgestellt, denn er ist, statistisch (auf der Basis des Interviews) gesehen, eines der beliebtesten Fächer in der Schule. Danach wird eine Szene über den Deutschunterricht gezeigt, in der eine Podiumsdiskussion zum Thema „Globalisierung“ stattfindet. Darüber hinaus wird über die Mittagspause und die Mensa gesprochen und anschließend wird demonstriert, dass Schülerinnen und Schüler in der Schule manchmal auch Referate oder Präsentationen halten müssen, was als eine gute Vorbereitung auf die Universität oder den Beruf angesehen wird. Am Ende wird unter dem Eindruck der Globalisierung eine Umfrage veranstaltet, die sich auf die Vielfalt der Sprachen in der Schule bezieht. Nach dem Video bekommen die Lernenden mehrere Übungen verschiedener Art, die aber inhaltlich grundlegend auf dem Video basieren (zwei Übungen als Beispiele in Abb. 6-16). Mit solchen Beispielen können sie zum einen das Video inhaltlich besser verstehen und zum anderen können die Lernenden durch andere Wahrnehmungskanäle die themenspezifischen Wörter besser lernen. Da es im Video keine Untertitel gibt, werden die Wörter vor den Übungen meistens akustisch und gelegentlich visuell (auf der Basis der gezeigten Objekte oder Texte auf dem Bildschirm) rezipiert. Die im Video erwähnten Wörter bzw. Entitäten werden dann in den Übungen grafisch visualisiert. Ausgehend von dem Video werden hierbei des Weiteren noch spezifische landeskundliche Themen durch weitere Übungen vermittelt. Im Vergleich zu den anderen Übungen (ohne Video) beziehen sich hier alle Übungen in einem solchen Modul inhaltlich auf das Video. Als Besonderheit von digitalen Medien können Videos angeboten werden, mit denen sich viele authentische Informationen anschaulich zur Verfügung stellen lassen. In Videos werden verschiedene Arten von Reizen kombiniert und unter didaktischer Perspektive sind sie ein gutes Medium zur Vermittlung sprachlicher Kenntnisse angesichts der Tatsache, dass die zu lernenden Inhalte nicht nur über einen einzelnen Kanal, sondern ergänzend auch über mehrere Kanäle präsentiert werden. Was beispielsweise visuelle Informationen angeht, können Videos sowohl statische als auch dynamische Bildinhalte bieten, die unterschiedliche Elemente (beispielsweise Texte, Fotos, bewegte Bilder, handelnde Figuren etc.) enthalten. In ein Video werden außerdem in der Regel auch Audiosequenzen integriert und durch Musik kann die Wirkung der 122 6 Forschungsdesign und Datenerhebung Bilder intensiviert werden. Zudem können beispielsweise die bildlichen Inhalte durch die Interpretation bzw. das gesprochene Worte eines Moderators besser nachvollzogen werden. In der vorliegenden Studie wird hauptsächlich beobachtet, welche visuellen Elemente als Reize in den Bildinhalten der Videos hauptsächlich fixiert werden und ob sie als Wörter in den Wörternetzen der Probanden wiedergegeben werden. Abb. 6-16: Zwei Übungen nach dem Video Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass sowohl gedruckte Lehrwerke als auch digitale Medien (wie E-Books oder die Online-Plattform) viele Übungen unterschiedlicher Art bieten können, wie in Kapitel 4 beschrieben. Die Medien, die für die vorliegende empirische Forschung ausgewählt worden sind, verfügen über Merkmale, welche analoge und digitale Medien charakterisieren. Beispielsweise stehen beim Lernen auf der Lernplattform nicht nur die unterschiedlich codierten Lernmaterialien zur Verfügung, sondern die Möglichkeit über ein schnelles Feedback für die Kontrolle und eine Interaktion mit anderen Lernenden ist auch verfügbar. Dabei sollte angemerkt werden, dass die Interaktion bzw. die Kommu‐ nikation mit anderen Deutschlernenden mittels der digitalen Online-Lernplattform in der vorliegenden Arbeit nicht untersucht wird, damit der Umfang der Forschungsgegenstände nicht zu groß ist. Mit einigen der in beiden Medien angebotenen Übungen können die Lernenden beim Selbstlernen nicht nur sprachliche, sondern auch landeskundliche Kenntnisse gewinnen oder erweitern. Ausgehend von der Ansicht, dass die Qualität des Unterrichts nicht durch ein Medium selbst, sondern eher durch den Umgang mit diesem Medium beeinflusst wird (vgl. Decke-Cornill & Köster 2015: 132), ist es denkbar, dass der Umgang mit dem verwendeten Medium auch zum großen Teil die Qualität des Selbstlernens bestimmen kann. Sowohl die analogen als auch die digitalen Medien verfügen über jeweilige Vorteile, welche das außerschulischen Selbstlernen (je nach dem Typ der Lernenden) begünstigen können. Somit lässt sich vorstellen, dass die Wahrnehmung und 6.4 Materialien 123 71 Anmerkung: Während es eine Wortschatzliste nach jeder Lektion im Buch gibt, ist eine solche Liste über die Wörter, die didaktisch gesehen thematisch wichtig sind, im digitalen Lernangebot nicht in jedem Modul bzw. Übungsset vorhanden. Außerdem werden viele Wörter durch Videos im digitalen Lernangebot mündlich oder schriftlich oder auf die audiovisuelle Weise präsentiert, die nicht mehr in späteren Übungen vorkommen. Daher ist es schwierig exakt zu berechnen, wie viel Prozent der reproduzierten Items in den Wörternetzen dazu zählen. Entsprechend der Forschungsfrage werden die eingetragenen Wörter mit den Augenbewegungsdaten zusammenhängend analysiert. Dabei wird beispielweise versucht, das (mögliche) Verhältnis zwischen den (längeren) Fixationen und den reproduzierten Items zu betrachten. In Kapitel 7 wird dieser Aspekt an vielen konkreten Beispielen dargestellt. die Aufnahme der Informationen, die in den vorgefertigten Lehrmaterialien der beiden Medien übermittelt werden, eine wichtige Rolle spielen. Der Grund für die Auswahl der Materialien bzw. der beiden Medien (das Buch Schritte International neu und das digitale Lernangebot Deutsch für dich) besteht darin, dass alle Untersuchungsteilnehmenden mit den beiden Medien nicht vertraut sind. Diese Auswahl beinhaltet das Risiko, dass einige Probanden in der anfänglichen Phase der Untersuchung etwas Zeit für die Bekanntmachung mit den beiden Medien und deren Nutzung für ihr Selbstlernen benötigen könnten. Allerdings besteht auch ein großer Vorteil darin, dass die Inhalte der Materialien in den beiden Medien für alle Probanden neu sind. Somit sind die Reaktionen der Probanden und ihre visuelle Wahrnehmung der dort angebotenen Informationen authentisch und unverzerrt, was die Erhebung der Daten im Hinblick auf die Informationswahrnehmung und die entsprechende Datenanalyse begünstigt. Nach der Darstellung einiger Übungen in den beiden Medien ist ersichtlich, dass die Lerninhalte zu einem gleichen Thema in den beiden Medien nicht vollständig identisch sind. Das kann dazu führen, dass sich die Assoziationen der Wörter bei den Probanden aus der Gruppe A und der Gruppe B voneinander unterscheiden. Somit ist die direkte Vergleichbarkeit der Wörternetze zwischen den beiden Gruppen eher gering, weil die as‐ soziierten Wörter zu einem höheren Anteil auf die wahrgenommenen Informationen in den jeweiligen Lernmaterialien zurückzuführen sind. Außerdem sind die Bereitschaft und die Akzeptanz, mit einem neuen bzw. unbekannten Medium außerschulisch selbst zu lernen, individuell unterschiedlich. Diese Akzeptanz spielt jedoch im Hinblick auf die Outputs beim Selbstlernen eine Rolle. In diesem Zusammenhang werden die Wörternetze der Probanden aus der Gruppe A nicht mit den Wörternetzen von den Mitgliedern der Gruppe B direkt verglichen. Stattdessen werden die Wörternetze einer identischen Person verglichen, die sie beim Selbstlernen mit dem Buch und mit dem digitalen Lernangebot produziert hat. Obwohl sich die erste Untersuchung und die Wiederholungsuntersuchung inhaltlich thematisch voneinander unterscheidet, besteht kein Konflikt mit der Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit, die sich auf die Augenbewegungen der Probanden und auf die Einträge in den Wörternetzen bezieht. Dabei liegt ein Fokus auf den Augenbewegungen einer (identischen) Person mit zwei unterschiedlichen Medien und auf den Outputs nach dem selbstgesteuerten Wortschatzlernen mit den beiden Medien in der Fremdsprache Deutsch. 71 124 6 Forschungsdesign und Datenerhebung 7 Datenauswertung und -analyse In Kapitel 6 wurde das Forschungsdesign beschrieben. Mit verschiedenen Instrumenten wurden unterschiedliche Arten von Daten für die Analyse erhoben. Dieses Kapitel handelt von der Interpretation mit den erhobenen Daten, um die gestellten Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit zu beantworten. In der ersten Forschungsfrage geht es um die Lernprodukte bzw. das Output des außerschulischen selbständigen Wortschatzlernens der chinesischen Lernenden mit dem Buch und dem digitalen Lernangebot: Wie stellen sich die Wörternetze der chinesischen Lernenden nach dem außerschulischen Selbstlernen mit den beiden Medien dar? Als Hypothese wird postuliert, dass die Lernenden nach dem digitalen Lernen wegen der Vorteile der digitalen Medien beispielsweise bezüglich der Möglichkeiten der Darstellung von Informationen (vgl. Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3) mehr Wörter in die Wörternetze eintragen, wenn die Lernenden bereits Erfahrungen mit dem Selbstlernen mit digitalen Medien haben. Die zweite Fragestellung der Untersu‐ chung bezieht sich auf die Informationswahrnehmung der Lernenden, wenn sie mit den beiden Medien die Fremdsprache Deutsch selbst lernen: Wie nehmen die chinesischen Lernenden beim Selbstlernen mit den beiden Medien (Buch und Online-Plattform) die dort übermittelten Informationen wahr? Es liegt die Vermutung nahe, dass die Bilder sowohl im Buch als auch auf der Online-Plattform die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden erregen. Die Lernenden betrachten beim Selbstlernen die Bilder und die durch die Bilder übermittelten Informationen werden als Einträge der Wörternetze reproduziert. Hierbei wird die visuelle Aufmerksamkeit bzw. das Blickverhalten der Lernenden beim Selbstlernen betrachtet und analysiert, indem die Augenbewegungsdaten durch das Programm Tobii Pro Lab (vgl. Kapitel 6.1.2) verarbeitet und ausgewertet werden, die durch die in der Untersuchung eingesetzten Eyetracker erhoben worden sind. Diese Augenbewegungsdaten werden nötigenfalls auch in Verbindung mit den Ergebnissen des retrospektiven Lauten Denkens der Probanden ausgewertet. In der Arbeit werden die Augenbewegungen der Lernenden und ihre Wörternetze zusammenhängend betrachtet: Wie hängen die Augen‐ bewegungen mit den Einträgen der von ihnen produzierten Wörternetzen zusammen? Im Hinblick auf das Verhältnis wird angenommen, dass die Blickfixationen eine Auswirkung auf die Produktion der Wörternetze haben. Um die dritte Fragestellung dieser Arbeit über das Verhältnis zwischen den Fixationen der Probanden und ihren Einträgen in den Wörternetzen zu beantworten, werden die von den Probanden produzierten Wörternetze mit den erhobenen Augenbewegungsdaten der Probanden integrativ betrachtet und zu‐ sammenhängend analysiert. Wie in Kapitel 6 beschrieben, werden alle Probanden nach der gesamten Untersuchung im Hinblick auf ihre Gedanken und Einstellungen als Nutzende der beiden verschiedenen Medien schriftlich befragt. Die Ergebnisse dieser Befragung werden auch in Kombination mit den Wörternetzen und den Daten über die Augenbewegungen für eine didaktische Diskussion in diesem Kapitel ausgewertet (vgl. Kapitel 7.3 und Kapitel 7.4). Entsprechend den gestellten Forschungsfragen werden die Ergebnisse im Wesentlichen in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden die von den Probanden in der Untersu‐ 72 Die Wörternetze aller Probanden werden in Verbindung mit den Augenbewegungsdaten der Probanden zusammen ausgewertet. Alle von den Studienteilnehmenden produzierten Wörternetze finden sich im Anhang A3. chung produzierten Wörternetze je nach Thema präsentiert und zudem werden ihre Wörternetze in verschiedener Hinsicht inhaltlich analysiert (Forschungsfrage 1). Danach wird im zweiten Teil auf die Informationswahrnehmung der Probanden eingegangen. Hierbei werden einerseits die Augenbewegungen der Lernenden in der Untersuchung interpretiert (Forschungsfrage 2) und andererseits wird der Versuch unternommen, mithilfe der Augenbewegungsdaten die Wörter bzw. die reproduzierten Items in den Wörternetzen eingehend zu behandeln. Diese Einträge und ihre Verbindungen werden basierend auf den Gazeplots und Heatmaps bzw. den grafischen Darstellungen, welche die Augenbewegungen visualisieren (vgl. Kapitel 6.1.2), interpretiert (Forschungsfrage 3). Im letzten Teil der Datenanalyse (Kapitel 7.3) werden die Einstellungen der Probanden zum Selbstlernen mit einem gedruckten Lehrwerk und auf einer digitalen Plattform vorgestellt. Kombinierend mit allen erhobenen Daten wird dabei versucht, mögliche fremdsprachendidaktische Hand‐ lungsvorschläge hinsichtlcih des außerschulischen Selbstlernens auf der Grundlage der ausgewerteten Daten dieser empirischen Untersuchung für (chinesische) Deutschlernende zu entwickeln. 7.1 Wörternetze Im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit wird dargestellt, dass das mentale Lexikon sowohl in der Spracherkennung als auch in der Sprachproduktion eine wichtige Rolle spielt (vgl. Kapitel 2.2.1). Da die Wörter, die als sprachliche Zeichen durch gedankliche Verknüpfungen auf die Dinge oder Gegenstände hindeuten, im mentalen Lexikon netzartig miteinander verbunden werden, können die Wörternetze von Lernenden sowohl als Lern‐ ergebnis der Lernenden als auch als ein Instrument angesehen werden, das ihr mentales Lexikon visualisieren kann. In Kapitel 6.3 wurde beschrieben, dass alle Probanden nach den Lerneinheiten aufgefordert wurden, nach der Vorgabe der Stichwörter selbstständig Wörternetze zu generieren. Dabei versuchten die Probanden im Laufe des Selbstlernens ihre eigenen Wörternetze weitgehend zu entwickeln, indem sie möglichst viele Wörter in einer sinnvollen Anordnung in ihre Wörternetze eintrugen. Ihre Wörternetze werden in der vorliegenden Arbeit als ihr Lernprodukt des Selbstlernens angesehen, die ihr mentales Lexikon widerspiegeln. In diesem Kapitel werden zunächst die Wörternetze der Teilnehmenden, die von den Probanden nach dem Selbstlernen produziert wurden, je nach Thema demonstriert 72 und analysiert, ohne dass die Augenbewegungsdaten in die Analyse miteinbezogen werden. Dabei wird beobachtet, ob auffällige Phänomene in den Wörternetzen der Probanden bestehen. Die wortspezifischen Sinnrelationen der Einträge der Wörternetze der Probanden werden erst nach der Miteinbeziehung der Augenbewegungsdaten berücksichtigt, denn die Herstellung einer Verbindung von zwei oder mehreren Wörtern bzw. Einträgen in den Wörternetzen der Probanden könnte mit den jeweiligen Augenbewegungen zusammenhängen, was die dritte Forschungsfrage der 126 7 Datenauswertung und -analyse vorliegenden Arbeit darstellt. Vor der Darstellung sollte zudem noch angemerkt werden, dass die in schwarzer Farbe eingetragenen Wörter bereits vor dem Beginn des Selbstlernens geschrieben wurden. Die Wörter, die in blauer Farbe markiert sind, wurden nach den ersten zwei Lerneinheiten produziert. Die in roter Farbe gekennzeichneten Wörter wurden nach den letzten zwei Lerneinheiten der Studie generiert. Auf diese Weise lässt sich einerseits das mentale Lexikon der Probanden nach dem Selbstlernen und andererseits auch die Entwicklung der Wörternetze veranschaulichen. Dabei werden einige Wörternetze als Beispiele aufgezeigt. Ein Auswahlkriterium der im Folgenden aufgeführten Wörternetze ist, dass die gezeigten Wörternetze offenkundige Besonderheiten aufweisen. Außerdem werden die Wörternetze von einigen Probanden deswegen ausgewählt, weil die beiden Wörternetze der gleichen Person einen großen Unterschied zeigen. In diesem Kapitel wird schließlich noch die Anzahl der Einträge in die Wörternetze betrachtet, die von der jeweils selben Person produziert wird, wobei die Durchschnittswerte und die Mediane jeder Gruppe in den beiden Studien der empirischen Untersuchung ermittelt werden. 7.1 Wörternetze 127 73 Alle in der Arbeit aufgeführten Wörternetze finden sich auch im Anhang. Abb. 7-1: Wörternetze der Probandin Nr.-17 73 Als erstes Beispiel werden die Wörternetze dargestellt, die von der Probandin Nr. 17 nach dem Selbstlernen in den beiden Studien der vorliegenden empirischen Untersuchung produziert worden sind (siehe Abb. 7-1). Was vor allem auffällt, ist, dass die Einträge der nach dem Selbstlernen auf der Online-Plattform generierten Wörternetze (im Folgenden: Plattform-Wörternetze) je nach den Lerneinheiten angeordnet werden. In Bezug auf die Wörternetze, die diese Probandin nach dem Selbstlernen mit dem gedruckten Buch 128 7 Datenauswertung und -analyse 74 Die ausführliche Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4.3. entwickelt hat (im Folgenden: Buch-Wörternetze), ist dies allerdings nicht der Fall. Aus der Abbildung 7-1 ist ersichtlich, dass die nach den ersten zwei Lerneinheiten in die Plattform-Wörternetze eingetragenen Wörter grundsätzlich von den Wörtern getrennt angeordnet sind, die nach den letzten zwei Lerneinheiten des Selbstlernens aufgeschrieben sind. Im Vergleich dazu sind die solchen Einträge der Buch-Wörternetze häufiger mitein‐ ander verbunden worden. Diese Verbindungen sind nicht abhängig davon, in welcher Lerneinheit die Wörter eingetragen wurden. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die Korrelation der gegebenen Stichwörter der ersten Studie („Ausbildung“ und „Karriere“) auf der gedanklichen Ebene der Probandin nicht so eng ist wie die Korrelation zwischen den Stichwörtern der zweiten Studie („Freizeit“ und „Urlaub“). Infolgedessen werden die Wörter, die sich jeweils auf die Ausbildung und auf die Karriere beziehen, voneinander getrennt in den Wörternetzen platziert. Dabei liegt außerdem noch die Vermutung nahe, dass der Unterschied im Hinblick auf die Platzierung der Einträge zwischen den beiden Wörternetzen auf die Verschiedenheit der Merkmale von digitalen Medien und Printmedien sowie auf die Vorerfahrungen beim Fremdsprachenlernen mit den beiden Medien zurück‐ zuführen ist. In Kapitel 4 wurden die jeweiligen Merkmale von gedruckten und digitalen Lernmaterialien beschrieben: Die (internetgestützten) digitalen Lernangebote zeichnen sich beispielsweise dadurch aus, dass eine uneingeschränkte Menge von Informationen zur Verfügung stehen kann und die Informationen durch vielfältige Darstellungsmöglich‐ keiten übermittelt werden können. Als Vorteil kann dies den Lernenden einen großen Handlungsspielraum für das Selbstlernen ermöglichen, wobei die Lernenden sich je nach dem Bedarf und dem Interesse für die Lerninhalte entscheiden können. Allerdings könnte dieses Merkmal das Selbstlernen auch beeinträchtigen. Es ist denkbar, dass die kognitive Belastbarkeit der Lernenden beim Selbstlernen mit den digitalen Medien wegen der enormen Informationen bzw. der Ressourcen, die zugleich auf vielfältige Weise dargestellt und übermittelt werden, gefordert werden kann. Wenn die kognitive Kapazität beim Lernprozess mit einem digitalen Lernangebot kontinuierlich belastet wird, könnten einige lernhemmende Effekte wie zum Beispiel „Overload“ (vgl. Weidenmann 2011: 80) auftreten. 74 Zudem wurde in Kapitel 4.3 angesprochen, dass viele chinesische Deutschlernende für das (außerschulische) Fremdsprachenlernen gedruckte Lernmaterialien bevorzugen und sie es nicht gewohnt sind, mit einem internetbasierten Lernangebot die deutsche Sprache zu lernen. In diesem Zusammenhang ist es eher vorstellbar, dass ein lernhemmender Effekt bei den Lernenden häufiger vorkommen könnte, denn ihnen fehlen noch ausreichende Kompetenzen der Nutzung der digitalen Medien für das Fremdsprachenlernen. In Kapitel 6 wurde nach der schriftlichen Befragung dargestellt, dass viele Probanden der vorliegenden Untersuchung zwar über Erfahrungen beim Lernen mit digitalen Medien verfügen, aber die digitalen Medien bei den meisten Probanden für ihr Fremdsprachenlernen nicht sehr häufig verwendet worden sind, was sich mit der Darstellung im Theorieteil der vorliegenden Ar‐ beit über die Nutzung der (internetgestützten) digitalen Medien für das Deutschlernen (vgl. Kapitel 4) deckt. Die Probandin Nr. 17 gehört dieser Gruppe an. Daher kann damit gerechnet werden, dass die Probandin Nr. 17 beim Lernen auf der Online-Plattform wegen weniger einschlägiger Erfahrungen zudem mit kognitiven Belastungen bezüglich der Benutzung des 7.1 Wörternetze 129 75 Damit sind die Übungen gemeint, in denen die entsprechenden Wörter vorkommen. digitalen Lernangebots konfrontiert war. Es ist vorstellbar, dass diese Probandin die Wörter bzw. die Einträge nur entsprechend den Quellen 75 in den Wörternetzen angeordnet hat, ohne dass sie die aufgezeichneten Wörter nach dem Eintragen metakognitiv verarbeitet hat. Im Vergleich dazu ist sie vertraut mit dem Umgang mit dem Printmedium und somit ist es denkbar, dass sich die Probandin beim Lernen mit dem Buch besser konzentrieren konnte. Zugleich halfen vorhandene Erfahrungen dabei, die gelernten Wörter weitgehend auf der kognitiven Ebene miteinander zu verbinden. Dies wird dadurch angezeigt, dass die Wörter als Einträge, die nach den unterschiedlichen Lerneinheiten des Selbstlernens produziert worden sind, durch verschiedene wortspezifische Sinnrelationen (vgl. Kapitel 3.2) noch häufiger miteinander in den Wörternetzen angeordnet worden sind. Im Hinblick auf die Anzahl der eingetragenen Wörter lässt sich sagen, dass die Pro‐ bandin nach dem außerschulischen Selbstlernen sowohl mit dem digitalen Lernangebot als auch mit dem Buch ihre Wörternetze deutlich entwickeln konnte. Allerdings lässt sich beobachten, dass die Gesamtzahl der Einträge der Plattform-Wörternetze bei dieser Probandin auf der Makroebene höher ist, was der Annahme nicht entspricht, die auf der Basis des Theorieteils gegeben werden kann. Auf der theoretischen Grundlage über das Wortschatzlernen bei chinesischen DaF-Lernenden (vgl. Kapitel 3.4 und Kapitel 4) in Verbindung mit den Vorerfahrungen der Probandin hinsichtlich der Mediennutzung für das Deutschlernen ist es denkbar, dass die Probandin nach dem Selbstlernen mit dem Buch auf der quantitativen Ebene mehr Wörter produzieren könnte. Jedoch trifft diese Annahme auf der Makroebene nicht zu. Die Anzahl an Substantiven in den Plattform-Wör‐ ternetzen beträgt 45, während der entsprechende Wert in den Buch-Wörternetzen nur insgesamt bei 25 liegt. Dies kann nicht nur auf das Thema der Studie, sondern auch auf die Augenbewegungen bzw. die Blickfixationen der Probandin auf den Lerninhalte der Materialien zurückgeführt werden. Die Analyse der Augenbewegungsdaten wird im folgenden Teilkapitel dargestellt, wobei die Augenbewegungen von anderen Probanden dieser Untersuchung als Beispiele aufgeführt werden, weil deren Blickverhalten über mehr Auffälligkeiten verfügt. 130 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-2: Wörternetze der Probandin Nr.-12 Ähnliches gilt für die Wörternetze, die von der Probandin Nr. 12 produziert wurden (siehe Abb. 7-2). Aus der Grafik ist ohne Schwierigkeit zu entnehmen, dass mehr Nomen nach dem Lernen auf der Online-Plattform aufgeschrieben wurden. Es ist des Weiteren in ihren Wörternetzen auffällig, dass mehr Wortverbindungen oder Kollokationen in den Plattform-Wörternetzen im Vergleich zu den Buch-Wörternetzen vorkommen. Nach dem Lernen mit digitalen Medien hat die Probandin „Ski fahren“, „Kultur kennen“, „Spaß machen“, „Leute treffen“ und „Fahrkarte kaufen“ fixiert, während es in den Buch-Wörter‐ netzen nur eine Kollokation („etwas Neues lernen“) gibt. Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass diese Auffälligkeit darauf zurückzuführen ist, dass das digitale Lernangebot auf Grundlage der Merkmale von digitalen Medien eine multicodale, multimediale und 7.1 Wörternetze 131 multimodale Umgebung bilden kann, wie in Kapitel 4 beschrieben. In dieser Umgebung können Sachverhalte oder Gegenstände bildhaft dargestellt werden. Auf der Grundlage der Modelle über das mentale Lexikon (vgl. Kapitel 2.2) ist es denkbar, dass die solchen multimedial und multimodal präsentierten Reize im Vergleich zu den Reizen, die lediglich textlich dargestellt werden, eine stärkere Integration der entsprechenden Repräsentationen (oder lexikalischen Einheiten) ins vorhandene mentale Lexikon fördern können. Dies wird durch weitere Beispiele in den folgenden Teilkapiteln aufgezeigt und in Kapitel 7.4 zusammenführend diskutiert. Insgesamt betrachtet ist noch die Tatsache bemerkenswert, dass einige Probanden nach dem Selbstlernen mit digitalen Medien den Versuch wagten, auf der Basis von unterschied‐ lichen Darstellungsformen der Informationen oder mittels anderer Kanäle bzw. Zugangs‐ weisen die beim Lernprozess erworbenen Wörter zu produzieren. Dieses Phänomen tauchte jedoch bei den Buch-Wörternetzen grundsätzlich nicht auf. Im Folgenden werden einige Wörternetze als Vertreter dieses Phänomens aufgezeigt. Aus den Beobachtungen folgt, dass akustische Informationen beim Lernen eine große Rolle spielen. Dafür spricht, dass einige Probanden in den Aufgaben versuchten, basierend auf den (visuell-)akustischen Reizen im digitalen Lernangebot Wörter zu produzieren. Beispielhaft hat der Proband Nr. 14 die Wörter „Settbahn“ (Seilbahn), „Schiet“ (schießen) und „Schifahren“ (Skifahren) in seinen Plattform-Wörternetzen produziert (siehe Abb. 7-3). Die Wörter stehen in Beziehung zu einem Video auf der Online-Plattform, was im nächsten Teilkapitel (vgl. Kapitel 7.2) ausführlich analysiert wird. 132 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-3: Wörternetze des Probanden Nr.-14 Den oben erwähnten Einträgen ist zu entnehmen, dass der Proband beim Entwickeln seiner Wörternetze versucht hat, basierend auf den beim Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot visuell-akustisch wahrgenommenen Informationen aus dem Video Wörter zu aktivieren. Außerdem assoziierte der Proband nach dem Eintragen des Wortes „Wan‐ dern“ die Wörter „passiert Kleidung“ (passende Kleidung). Dies ist darauf zurückzuführen, dass im Video zu dem Thema „Wandern“ vorgestellt wird, welche Outdoor-Kleidung man 7.1 Wörternetze 133 76 Da der Proband nicht feststellen konnte, wie das Wort „anstrengend“ buchstabiert wird, hat er daneben ein chinesisches Äquivalent „ 累 (lèi)“geschrieben, damit er einerseits den Forscher nach‐ vollziehen lässt, was er hier schreiben wollte. Andererseits zeigt dies auch, dass er diese Szene des Videos wahrgenommen hat und die dort wahrgenommenen Informationen in seinem Gedächtnis nachdrücklich behalten hat. 77 Die ausführliche Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4. in der Regel bei Wanderungen in Deutschland trägt. Darüber hinaus sind dort noch die Wörter „spazieren“ und „in Wald“ sowie „Anstrend 累 (lèi) 76 “ (anstrengend) zu finden. Diese Einträge beziehen sich auf mehrere Szenen des Videos zum Thema „Wandern“ auf der Online-Lernplattform. Die Einzelheiten des Videos werden auch im folgenden Kapitel über die Augenbewegungen bzw. das Blickverhalten dargestellt. Mit Hilfe der Wörternetze des Probanden Nr. 14 ist einerseits zu entnehmen, dass die Informationen bzw. die Lerninhalte, die durch die Videos auf der Online-Lernpattform übermittelt werden, länger behalten worden sind als die Informationen der anderen Übungen, die in diesem digitalen Lernangebot vorhanden sind. Ein Grund könnte darin bestehen, dass die Videoinhalte nicht lediglich durch einen Kanal von dem Probanden wahrgenommen wurden und außerdem die Videoinhalte sich mehr multimodal darstellen, denn die Videos verfügen über mehr Darstellungsformen, die durch mehrere Sinnesmodalität und Codalitäten prä‐ sentiert werden als die in den anderen Übungen präsentierten Inhalte. Dies fördert eine bessere Informationsverarbeitung und ein längeres Behalten, sodass die wahrgenommenen Wörter, die sich auf die Videos beziehen, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in den Wörternetzen auftauchen können. Im Allgemeinen ist ersichtlich, dass es in seinen Platt‐ form-Wörtern viele Wörter gibt, die sich auf die Videos zurückführen lassen, auch wenn der Proband wusste, dass er beim Produzieren seiner Plattform-Wörternetze einige Einträge orthografisch nicht vollständig wiedergeben konnte. Daraus sind die im Theorieteil der vorliegenden Arbeit genannten Vorteile der digitalen Medien für die Wissensvermittlung beim Fremdsprachenlernen zu erkennen (vgl. Kapitel 4.2). Es ist im theoretischen Rahmen hierbei vorstellbar, dass die multimedial präsentierten Reize wegen der Darstellungsform (möglicherweise auch durch die L1-Repräsentationen) eine stärkere Integration der seman‐ tischen Komponente der entsprechenden sprachlichen Zeichen in das vorhandene mentale Lexikon gefördert haben. Darüber hinaus ist auch zu ersehen, dass die Nutzung des digitalen Lernangebots auch die Lernmotivation fördert, wobei das kulturspezifische Lernverhalten, beispielsweise die Angst vor Fehlern beim Lernen (vgl. Kapitel 3.4), geändert worden ist. Durch die oben erwähnten Einträge ist der Mut, einen Versuch zu wagen, beim Produzieren der Plattform-Wörternetze des Probanden nach seiner Nutzung des digitalen Lernangebots deutlich wahrnehmbar, was sich bei seinen Buch-Wörternetzen nicht ersehen lässt. 77 Dieses Phänomen ist kein Einzelfall und es kann beispielsweise auch in den Wörternetzen Nr. 19 in der Untersuchung beobachtet werden. Die Wörternetze werden im folgenden Abschnitt aufgezeigt. Darüber hinaus ist aus einigen der bereits erwähnten Einträgen der Plattform-Wör‐ ternetze des Probanden Nr. 14, beispielsweise „Settbahn“ (Seilbahn), oder „Anstrend 累 “ (anstrengend), auch ersichtlich, dass manche in den Videos gelernten Wörter als Reprä‐ sentationen nicht vollständig wahrgenommen werden. Im Theorieteil wurde beschrieben, dass die interne Struktur eines fremdsprachlichen Lexikoneintrags aus vier Teilen besteht 134 7 Datenauswertung und -analyse (vgl. Kapitel 2.2.3). Aus den genannten Wörtern ist zu entnehmen, dass die Informationen der entsprechenden lexikalischen Einheit (zu den Wörtern) nach dem Schauen der Videos bei diesem Probanden nicht vollständig in sein mentales Lexikon eingegangen sind. Dabei werden die semantischen Informationen als Erstes im mentalen Lexikon einge‐ tragen, was vermutlich durch die dynamische visuelle Kodierungsart der Informationen in Verbindung mit dem akustischen Teil der Videos gefördert wird. Die Kombination der beiden Kodierungsarten hilft zugleich auch bei der Herstellung der Verbindungen zwischen Lexikoneinträgen und dem semantisch-konzeptuellen System. Die akustisch präsentierten Informationen der Videos haben außerdem hierbei noch die Wahrnehmung der phonologischen Form eines Lexikoneintrags ermöglicht. All dies hat beim Eintragen eines Wortes in das mentale Lexikon oder beim Verbinden des Lexikoneintrags mit anderen Lexikoneinträgen zusammengewirkt. Dies hat bei dem Probanden bewirkt, dass er ein Wort nach dem Lernen aus seinem mentalen Lexikon aktiviert hat, obwohl die aufge‐ nommenen Informationen des Lexikoneintrags noch nicht vollständig (beispielweise die orthographische Form eines Lexikoneintrags) waren. Die Übermittlung der Informationen durch Videos kann jedoch beim Selbstlernen mit einem Printmedium ohne zusätzliche Lernstoffe oder Lernressourcen schwer realisiert werden, obwohl es in einem Buch auch Hörübungen gibt, wofür die akustische Wahrnehmung verwendet wird. Aus diesem Grund ist kein ähnliches Phänomen in den Buch-Wörternetzen anzutreffen. Alle Wörter in den Buch-Wörternetzen gehen auf die schriftlichen Übungen im Buch zurück und sie beziehen sich kaum auf die Hörübungen des Buchs. Dadurch lässt sich erkennen, dass die auditiv-visuelle Wahrnehmung im Vergleich zu einer alleinigen Sinneswahrnehmung die anhaltende Verfügbarkeit der wahrgenommenen Informationen fördern kann, was der Ansicht die Multimodalität betreffend entspricht. Die Wörternetze des Probanden Nr. 14 werden in Kapitel 7.2 in Verbindung mit seinen Augenbewegungsdaten in den beiden Studien der empirischen Untersuchung ausführlich analysiert (vgl. Kapitel 7.2.1.1.3 und Kapitel 7.2.2.2.3). Wenn die Wörternetze aller Probanden dieser Untersuchung beobachtet werden, ist noch ein weiteres Phänomen zu beobachten. Es lässt sich erkennen, dass visuelle bzw. bildhafte Reize das Selbstlernen hinsichtlich des Wortschatzes fördern. In den Wörternetzen von vielen Probanden sind mehrere Einträge zu sehen, die sich auf die bildlichen Darstellungen der Übungen in den Materialien beziehen. Im Vergleich dazu lassen sich die Einträge bzw. die Wörter, die aus denselben (bzw. den entsprechenden) Übungen stammen und schriftlich präsentiert sind, in den Wörternetzen weniger häufig finden. Ein diesbezügliches Beispiel stellen die Wörternetze der Probandin Nr. 19 dar, wobei drei spezifische Netzelemente in ihren Plattform-Wörternetzen (rechts) zu finden sind. 7.1 Wörternetze 135 Abb. 7-4: Wörternetze der Probandin Nr.-19 136 7 Datenauswertung und -analyse 78 Dieser Mehrwert kann zwar wegen der niedrigen Anzahl dieser Einträge im Rahmen der vorlie‐ genden Arbeit nicht genau festgelegt werden. Dafür bedarf es weiterer quantitativer empirischer Forschungen. Jedoch ist die Bedeutung der Nutzung der digitalen Lernangebote für das außerschu‐ lische Selbstlernen bei chinesischen DaF-Lernenden durch die Datenanalyse zu ersehen (Kapitel 7.4.4.4). In der vorliegenden Abbildung lässt sich sehen, dass die Probandin ausgehend vom assoziierten Wort „Fahrrad“ das Wort „Helm“ produzieren wollte. Obwohl die Probandin sich nicht sicher über die Orthografie des sprachlichen Zeichens „Helm“ war, hat sie versucht, das Wort zu schreiben. Sie hat „Hilm“ in ihre Wörternetze eingetragen und neben dem Eintrag hat sie noch ein chinesisches Äquivalent „ 头盔 (tóu kuī)“ aufgeschrieben. Als Motivation für diese lexikalische Verbindung bzw. Assoziation könnte eine Übung (Wort-Bild-Zuordnung) mit einem Bild von „Helm“ zum Thema „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“ auf der Lernplattform zur Thematik der zweiten Studie „Freizeit und Urlaub“ angesehen werden. Die Subelemente „S 座椅 (zuò yǐ)“ und „ 大轮子 (dà lún zi)“ der lexikalischen Verbindung im Netz weisen in der Tat jeweils auf „Sattel“ und „Laufrad“ hin, was auch durch die Bilder in der identischen Übung nahegelegt wird. Durch diese auffäl‐ ligen Einträge in den Plattform-Wörternetzen der Probandin Nr. 19 (auch in Kombination mit dem oben beschriebenen Beispiel über die sich auf die Videos im digitalen Lernangebot beziehenden Einträge des Probanden Nr. 14) sind vor allem drei Punkte erkennbar: Erstens liegt die Vermutung nahe, dass die Nutzung der digitalen Medien eine Änderung des kul‐ turspezifischen Lernverhaltens (beispielsweise Angst vor Fehlern), welches im Theorieteil (vgl. Kapitel 3.4) dargestellt wurde, fördern kann, wobei die Lernenden nach dem digitalen Wortschatzlernen motiviert werden, einen Versuch zu wagen, die Wörter selbständig zu schreiben, obwohl sich die Lernenden über deren Orthografie nicht sicher waren. Dieser Punkt wird im folgenden Abschnitt detailliert beschrieben. Dieser Versuch kann aber für das Wortschatzlernen förderlich sein, weil eine sinngemäß selbständige Wiedergabe durch die tiefergehende Informationsverarbeitung die Speicherung vom sprachlichen Wissen unterstützen kann, wie in Kapitel 3.4 beschrieben. Dies kann vermutlich als ein Mehrwert der digitalen Medien für das außerschulische selbständige Wortschatzlernen für chinesische DaF-Lernenden angesehen werden. 78 Zweitens ist aus diesen Einträgen zu entnehmen, dass die lexikalischen Einheiten stark orthographisch, jedoch wesentlich schwächer phonologisch im mentalen Lexikon repräsentiert werden. Allerdings können sich die orthographischen Komponenten der Repräsentationen auch nicht immer als stabil erweisen, was die Integration der neuen lexikalischen Einheiten in das vorhandene mentale Lexikon betrifft. Das Vorkommen der auffälligen Einträge entspricht der Beschreibung bezüglich der Besonderheiten des mentalen Lexikon bei chinesischen Deutschlernenden (vgl. Kapitel 2.2.4). Es ist denkbar, dass viele chinesische Lernende wegen des im Theorieteil vorgestellten (kulturspezifischen) Lernverhaltens für den Wortschatzerwerb (vgl. Kapitel 2.2.4, Kapitel 3.3 und Kapitel 3.4) es gewohnt sind, beim Fremdsprachenlernen vorzugsweise visuelle (textliche) Informationen wahrzunehmen. Das bedeutet, dass die Lernenden beim Lernprozess im Vergleich zu der phonologischen Komponente eines sprachlichen Zeichens unbewusst eher darauf achten, wie ein Wort orthografisch aussieht. Zudem ist auch zu erkennen, dass die semantische Komponente einer lexikalischen Einheit auf der Basis der Informationen des entsprechenden erstsprachlichen Lemmas so generiert wird, wie die 7.1 Wörternetze 137 79 Dies ist beispielsweise auch bei dem Probanden Nr. 16 der Fall. Seine Wörternetze finden sich im Anhang. „Versöhnungsphase“ von Jiangs Modell über das mentale Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.3 und Kapitel 2.2.4) darstellt. Drittens lässt sich durch die Einträge „S 座椅 (zuò yǐ)“ und „ 大轮 子 (dà lún zi)“ der Probandin Nr. 19 bestätigen, dass sich die drei Phasen der Entwicklung eines fremdsprachlichen lexikalischen Eintrags nicht unbedingt direkt aufeinanderfolgend vollziehen (vgl. Kapitel 2.2.3). Es ist vorstellbar, dass der Eintrag „S 座椅 (zuò yǐ)“ der im Jiangs Modell dargestellten Entwicklung eines fremdsprachlichen Eintrags entspricht, denn die Probandin hat zuerst den Buchstaben „S“ (aus dem Lexem-Teil der lexikalischen Einheit) und danach die durch die Muttersprache generierte semantische Komponente „ 座椅 “ aufgeschrieben. Aus dem Eintrag „ 大轮子 (dà lún zi)“ ist zu entnehmen, dass die orthografische/ phonologische Komponente der lexikalischen Einheiten im mentalen Le‐ xikon nicht erfolgreich gespeichert wurde, allerdings ist die semantische Komponente auf der Basis der Informationen des entsprechenden Lemma-Teils der Erstsprache erfolgreich gespeichert und mit anderen vorhandenen Repräsentationen im vorhandenen mentalen Lexikon integriert worden. Anhand der Wörternetze der Probanden Nr. 14 und Nr. 19 79 lässt sich erkennen, dass die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens der bilingualen bzw. der deutsch-chinesischen Einträge in den Plattform-Wörternetzen der Probanden höher ist als in den Buch-Wörter‐ netzen. Wie bereits beschrieben, könnten diese bilingualen Einträge als ein spannendes Ergebnis in den Lernprodukten der Lernenden auf verschiedene Beweggründe zurückzu‐ führen sein. Beispielsweise wollte der Proband Nr. 14 mit dem Eintrag „Anstrend 累 “ (siehe Abb. 7-3) eine Szene vom Video im Übungsset mit dem Thema „Wandern“ wiedergeben, in welcher der Moderator ohne Hilfe einer Karte auf einem langen Wanderweg wanderte und nach dem Erreichen des Zieles außer Atem war. Es ist dem Probanden beim Entwi‐ ckeln seiner Wörternetze jedoch das richtige Buchstabieren des Wortes nicht gelungen. Dieser Misserfolg wurde von dem Monitor seines mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.1) bemerkt. Daher hat der Proband eine kontextgemäße chinesische Entsprechung neben dem deutschen Eintrag aufgeschrieben, damit der Forschende seinen Gedanken zu diesem Eintrag nachvollziehen kann. Als ein weiteres Beispiel ist der Eintrag „Settbahn 缆车 “ in seinen Plattform-Wörternetzen auch zu finden. Der Unterschied zum Eintrag „Anstrend 累 “ besteht darin, dass das (aus dem Übungsset zum Thema „Urlaub - Wintersport“ in dem digitalen Lernangebot stammende) sprachliche Zeichen „Seilbahn“ nicht nur im Video audiovisuell präsentiert wird, sondern auch als ein thematisch wichtiges Wort in den Übungen vorkommt. Dies ist beim Eintrag „Hilm 头盔 “ der Wörternetze der Probandin Nr. 19 (siehe Abb. 7-4) ähnlich, wobei das Wort „Helm“ in der entsprechenden Übung mit Hilfe eines Bildes in Verbindung mit der Sprache visuell und schriftlich präsentiert wird. Dabei hat der Monitor des mentalen Lexikons der Probandin auch funktioniert und somit hat sie die chinesische Entsprechung aufgeschrieben, um ihren Gedanken zu erklären. Daran ist zu erkennen, dass die beiden Wörter als lexikalische Einheiten im mentalen Lexikon nicht vollständig gespeichert worden sind, sodass die beiden Repräsentationen in einer produktiven Aufgabe nur mangelhaft abgerufen werden können. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die Lernenden einerseits die Wörter, die in verschiedenen Codierungs‐ 138 7 Datenauswertung und -analyse arten vermittelt werden, durch unterschiedliche Kanäle erfolgreich wahrgenommen haben. Diese visuellen oder audiovisuellen Reize haben das mentalen Lexikon der Lernenden bei ihrer Informationswahrnehmung aktiviert und die semantischen Informationen der wahrgenommenen Wörter sind nach der Aktivierung als lexikalische Einheiten teilweise neu in das vorhandene mentale Lexikon integriert worden. Infolgedessen kommen die Wörter als Einträge in den Wörternetzen vor. Mit anderen Worten werden die Wörter bzw. die sprachlichen Zeichen mithilfe der Vorteile der digitalen Medien anschaulich wahrge‐ nommen, was der theoretischen Grundlage über die Vorteile der digitalen Medien für den Wissenserwerb entspricht (vgl. Kapitel 4.2). Trotz eines misslungenen Buchstabierens kann dies m. E. als positiv bewertet werden, weil es einen guten Ausgangspunkt bzw. einen quantitativen (und eventuell auch qualitativen) Wendepunkt für die Entwicklung des mentalen Lexikons darstellt. Ausgehend von diesen beiden erwähnten Einträgen soll jedoch die Frage für die Fremdsprachdidaktik mit digitalen Medien gestellt werden, wie eine Integration der vollständigen Informationen eines Wortes nach der Wahrnehmung dieses Wortes mit verschiedenen anschaulichen Darbietungsformen gewährleistet werden kann, wenn sich die Lernenden beim Selbstlernen mit einem digitalen Lernangebot Wörter aneignen. Diese Frage betrifft auch die zwei weiteren auffälligen Einträge „S 座椅 “ und „ 大 轮子 “ der Probandin Nr. 19, welche die jeweiligen Entsprechungen zu „Sattel“ und „Laufrad “ darstellen. Die zwei Wörter stammen aus einer Übung in Form der Text-Bild-Zuordnung, was bedeutet, dass es zwei Bilder zu den jeweiligen Wörtern gibt. In Kombination mit der theoretischen Grundlage über den Erwerb des L2-Lexikons im mentalen Lexikon und über die Darstellung der Besonderheiten des mentalen Lexikons von chinesischen Lernenden (vgl. Kapitel 2.2.3 und Kapitel 2.2.4) liegt hierbei die Vermutung nahe, dass eine stärkere Verknüpfung zwischen dem Konzept und der lexikalischen Einheit der Muttersprache nach der bildlichen Aktivierung im mentalen Lexikon hergestellt wird, wobei die Verbindung der deutschen lexikalischen Einheit zu der entsprechenden chinesischen Repräsentation schwach ist, so ähnlich wie es einige Modelle in Kapitel 2.2.3 veranschaulichen. Aus diesem Grund ist es der Probandin misslungen, die deutschen Wörter einzutragen. Stattdessen hat sie die chinesischen Schriftzeichen aufgeschrieben, obwohl die lexikalische Assoziation entsprechend dem Inhalt der zugehörenden Übung ausgelöst wird. Bei den oben erwähnten Einträgen ist es auffällig, dass die Probanden nach dem Lernen mit dem digitalen Lernan‐ gebot beim Entwickeln der Wörternetze trotz Unsicherheiten, die durch den Monitor des mentalen Lexikons bestätigt werden, solche Einträge aufgeschrieben haben. Dies ist beim Entwickeln der Buch-Wörternetze nicht der Fall. Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass die neuen Wörter bzw. die sprachlichen Zeichen zwar nicht vollständig in die vorhandenen Wissensbestände des mentalen Lexikons eingegangen sind, aber die sprachlichen Zeichen wegen der Vielfalt der Darbietungsformen in dem digitalen Lernangebot als starke bildhafte Vorstellungen im gedanklichen Konzept gespeichert sind. Diese Vorstellungen können zwar nicht zum Abruf der erforderlichen lexikalischen Informationen aus dem mentalen Lexikon beitragen, aber zu Verbindungen zwischen Einträgen in den Wörternetzen. Dafür wird die visuelle Wahrnehmung zu den einschlägigen Stellen betrachtet, was in Kapitel 7.2 näher erläutert wird. Bezüglich dieser Einträge ist es naheliegend, dass das Selbstlernen mit digitalen Medien im Vergleich zum selbstgesteuerten Lernen mit einem Buch ein eher lockeres Klima schafft und später einen Ermunterungseffekt bringen kann. Wegen dieses 7.1 Wörternetze 139 80 Ihre Wörternetze finden sich im Anhang. 81 Die Diskussion dazu vgl. Kapitel 7.4.4. Effekts sind die Lernenden mutig geworden, die Wörter in die Wörternetze einzutragen, obwohl sie nach dem Monitor vom mentalen Lexikon wussten, dass die einzutragenden Wörter nicht korrekt waren. Dabei bedarf es jedoch noch mehr themenbezogener empiri‐ scher Untersuchungen, damit das Thema nicht nur auf der theoretischen Ebene behandelt werden kann. Was die Unterschiede zwischen den Plattform-Wörternetzen und den Buch-Wörter‐ netzen betrifft, liegt nicht zuletzt noch ein Phänomen bei den Buch-Wörternetzen vor, das bei den Plattform-Wörternetzen nicht auftaucht. Bei den Wörternetzen der Probanden Nr. 16 und Nr. 18 80 lässt sich erkennen, dass sie in den Aufgaben frei assoziieren. Gegenüber den vorgezeigten Wörtern zu „Ausbildung und Karriere“ denkt zum Beispiel die Probandin Nr. 18 an „Familie“ und dann assoziiert sie dies mit „Eltern“. Danach werden „vorschlagen“ und „Wunsch“ damit in Verbindung gebracht. Es ist bei dem Probanden Nr. 16 ebenso anzutreffen, allerdings denkt er unmittelbar an „Eltern“ und danach kommt das Verb „finden“ in Verbindung mit Modalverben. All dies könnte im individuellen Hintergrund der Probanden bzw. in den kulturellen Eigenheiten begründet liegen. Was die Karriere einer Person betrifft, wird in China in der Regel mit den Eltern diskutiert und deren Meinung wird meistens berücksichtigt. Die älteren Generationen in China beachten die Meinung ihrer Eltern mehr, als dies die jüngeren chinesischen Generationen tun. Die jüngeren Generationen werden mehr individualisiert, trotzdem wird Rücksicht auf die Meinung oder den Vorschlag der Eltern im Hinblick auf die eigene Karriere genommen. Im Vergleich dazu ist ein solches Phänomen bei den Plattform-Wörternetzen nicht zu sehen. Ein möglicher Grund dafür ist, dass viele unterschiedliche Lernressourcen zur Verfügung stehen. Obwohl die Verfügbarkeit zahlreicher Ressourcen zum Lernen einen Vorteil der digitalen Medien darstellt, kann es dazu kommen, dass die beiden Probanden beim Selbstlernen keine Zeit hatten, die Lerninhalte mit eigenem Hintergrund initiativ zu kombinieren, was vermutlich auch an den Merkmalen der digitalen Medien und den Vorerfahrungen mit deren Benutzung für das Fremdsprachenlernen liegen kann. Mit anderen Worten ist es vorstellbar, dass die Lernenden beim Lernprozess mit dem Umgang mit den vielfältigen Lernressourcen im digitalen Lernangebot beschäftigt war, sodass sie die wahrgenommen Informationen nicht intensiv verarbeiten konnten. 81 Das kann durch die ausschließliche Beobachtung der Wörternetze nicht identifiziert werden. Darauf wird in Kombination mit den Antworten über die einschlägige Einstellung der Probanden in der schriftlichen Befragung (Kapitel 7.3) weiter eingegangen. Durch die Beobachtung der Wörternetze aller Probanden ist ersichtlich, dass sich ihre Wörternetze im Laufe des Selbstlernens ständig weiterentwickelt haben. Nach dem Aufzeigen der offenkundigen Besonderheiten in den Wörternetzen einiger Probanden lassen sich die Durchschnittswerte und die Mediane im Hinblick auf die Einträge der Wörternetze in den beiden Studien durch die folgende Tabelle (siehe Tab.1) zeigen. 140 7 Datenauswertung und -analyse 82 Angesichts der Tatsache, dass extreme Zahlenwerte vorliegen, werden hier sowohl der Durch‐ schnittswert als auch der Zentralwert berechnet, sodass sich die Lernergebnisse der Probanden auf der Gruppenebene genau interpretieren lassen. Hierbei werden nur die Wörter gezählt, die nach den Lerneinheiten produziert worden sind. Anzahl der Einträge in den Wörternetzen (Gruppe A und Gruppe B) In der ersten Studie: Gruppe A (10 Pers.) (Buch) Gruppe B (9 Pers.) (Lernplattform) Durchschnittswert: 49,0 Durchschnittswert: 54,4 Median: 50,5 Median: 57,0 In der zweiten Studie: Gruppe A (9 Pers.) (Buch) Gruppe B (10 Pers.) (Lernplattform) Durchschnittswert: 44,0 Durchschnittswert: 45,0 Median: 37,0 Median: 43,0 Tab. 1: Durchschnittswert und Zentralwert der Einträge in den jeweiligen Wörternetzen beider Gruppen Anhand der Ergebnisse der vorliegenden Studie ist zweifelsfrei zu belegen, dass bei den Probanden ein Lernerfolg nach dem Selbstlernen sowohl mit dem Buch als auch mit der Online-Plattform evident ist. Wenn die Wörternetze zu dem gleichen Thema zwischen den Gruppen verglichen werden, lässt sich statistisch gesehen sagen, dass die Gruppe B bzw. die Gruppe, die mit dem digitalen Lernangebot selbst lernt, in den beiden Studien beim Lernoutput quantitativ besser abschneidet. Wie die Tabelle 1 zeigt, liegt die durchschnittliche Zahl aus der Gruppe A in der ersten Studie mit dem Thema „Ausbildung und Karriere“ im Hinblick auf die Anzahl der in den Wörternetzen aufgezeichneten Wörter bei 49 und ihr Medianwert beläuft sich auf 50,5. Im Vergleich dazu beträgt die Zahl aus der Gruppe B im Durchschnitt 54,4 und der Median 57. 82 In der zweiten Studie ist dies auch der Fall. Wenn die Daten in der Tabelle in Bezug auf die Durchschnittswerte und Mediane der Probanden aus der gleichen Gruppe in den beiden Studien gegenübergestellt werden, ist zu beobachten, dass die Gruppe A in der ersten Studie pauschal gesehen mehr Wörter als sie (als Gruppe B) in der zweiten Studie produziert hat. Bei der anderen Gruppe ist dies nicht der Fall, sondern umgekehrt. Gegenüber den vorgezeigten Wörtern in der Aufgabe hat die zweite Gruppe pauschal mehr Wörter aktiv produziert, wenn sie mit dem digitalen Lernangebot in der ersten Studie die deutsche Sprache selbstgesteuert lernt. Die zugehörigen detaillierten Daten werden nach der Auswertung der Augenbewegungsdaten der Probanden zusammengeführt und im Anschluss daran wird die ausführliche Diskussion geführt (vgl. Kapitel 7.4). Hierbei stellt sich die Frage, ob die Reihenfolge der Verwendung eines Mediums für das Selbstlernen auch eine Rolle bei dem Output der Lernenden spielt, wenn die Lernenden zwei unterschiedliche Medien nacheinander für das Selbstlernen verwenden. Dies könnte erst durch weitere Forschungen mit einer größeren Anzahl an Probanden mit statistischen Methoden untersucht und gesichert werden. 7.1 Wörternetze 141 Was die Wortarten betrifft, ist generell deutlich zu sehen, dass Nomen zahlenmäßig den größten Anteil der von den Probanden produzierten Wörternetzen ausmachen. Die restlichen Elemente der Wörternetze stellen Verben und Adjektive oder Adverbien dar. Wenn die Anzahl der Wörter in den Netzen entsprechend den Kategorien intrapersonal ermittelt und kontrastiv betrachtet wird, ergibt sich im Allgemeinen, dass viele Probanden (n = 12 von 19) nach dem Selbstlernen mit den digitalen Medien gegenüber Stichwörtern mehr Nomen generieren als nach dem Lernen mit dem Buch. Das heißt, nur bei 7 Probanden werden mehr Nomen in der Übung aktiviert, wenn sie mit dem gedruckten Lehrbuch den deutschen Wortschatz lernen. Außerdem ist die Anzahl der Lernenden, die mit digitalen Medien mehr Verben aktivieren können, höher, als wenn sie mit einem Buch lernen. Die zwei Besonderheiten über die Wortarten der Einträge können in den Merkmalen der Medien begründet liegen. Im Vergleich zu dem Buch bzw. dem Printmedium verfügt die Online-Plattform bzw. das internetgestützte digitale Lernangebot über nicht nur interaktive Übungen, sondern auch Videos, die viele bewegliche Elemente oder Objekte enthalten. Mit anderen Worten werden die Übungen und deren Informationen in verschiedenen Arten der Darbietungsformen auf der Online-Plattform präsentiert, was die Gegenstände, die Hand‐ lungen von Personen oder die Bewegungen von Objekten anschaulich darstellen kann. Es ist denkbar, dass diese anschaulichen Darstellungen die Aufnahme der Informationen bzw. der Wörter beim Lernen fördern können. Dementsprechend lassen sich die Informationen beim Lernen auf der Online-Plattform durch verschiedene Sinne bei den Lernenden wahrnehmen. Dabei ist es denkbar, dass die Rede und das Verhalten von Personen sowie schöne oder bewegliche Gegenstände bei interaktiven Übungen oder Videos nicht nur die Aufmerksamkeit stärker erregen, sondern dass die Wahrnehmung mit verschiedenen Reizen zugleich auch das Interesse und die Motivation beim Selbstlernen erhöht. Das kann einen positiven Einfluss darauf ausüben, mehr Wörter bzw. Nomen und Verben in die Wörternetze einzutragen. Dies wird in Kombination mit den Augenbewegungsdaten (Kapitel 7.2) und der schriftlichen Befragung, die nach der zweiten Studie erfolgte (Kapitel 7.3), analysiert. Wenn der Fokus auf Adjektive und Adverbien gelegt wird, ist das Gegenteil der Fall. Durch Beobachtung der Wörternetze aller Probanden lässt sich erkennen, dass knapp 50 % der Probanden nach dem Lernen mit dem Buch mehr Adjektive und Adverbien generiert haben. Die Wörternetze und die weiteren einschlägigen Einzelheiten werden im nächsten Kapitel unter Einbeziehung der Augenbewegungsdaten detailliert analysiert. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, worauf das Augenmerk der Lernenden beim selbstorganisierten Fremdsprachenlernen (mit den verschiedenen Medien) gerichtet wird. Dabei wird beispielweise betrachtet, wo sich die Blickfixationen in den beim Lernen gemachten Übungen befinden. Dafür sind die Augenbewegungsdaten erforderlich. Wie in Kapitel 6 beschrieben, wurden die Augendaten durch zwei verschiedene Eyetracker erhoben. Die gewonnenen Daten werden durch ein spezielles Programm Tobii Pro Lab für weitere Schritte der Arbeit weiter aufbereitet und verarbeitet. Außerdem wurde im vorangegangen Kapitel auch vorgestellt, dass zwei Arten von grafischen Darstellungen 142 7 Datenauswertung und -analyse (Heatmap und Gazeplot) als Endprodukte der Datenverarbeitung für die Analyse zur Verfügung stehen. Durch die beiden Arten der grafischen Darstellung lassen sich die Augenbewegungen der Lernenden anschaulich visualisieren. Als statische Wärmekarten legen die Heatmaps den Fokus auf die visuelle Aufmerksamkeit, während die Gazeplots eine statische Visualisierung der zeitlichen Abfolge der Blickprozesse präsentieren. Im Folgenden werden die Augenbewegungen der chinesischen Lernenden hinsichtlich des selbstorganisierten Wortschatzlernens am Beispiel von sechs Probanden in der empi‐ rischen Untersuchung gezeigt. Hierbei wird die zweite Forschungsfrage behandelt, wie die (chinesischen) Lernenden beim Selbstlernen mit einem Buch oder auf der Online-Plattform die Informationen wahrnehmen. Da das Selbstlernen jeweils mit zwei verschiedenen Medien erfolgt, besteht das Kapitel 7.2 aus zwei Teilen. Der Teil 7.2.1 entspricht der ersten Studie der Untersuchung zum Thema „Schule und Ausbildung“, während der andere Teil 7.2.2 die zweite Studie zum Thema „Freizeit und Urlaub“ behandelt. Die Augenbewegungen beim außerschulischen Selbstlernen zu den beiden Lernthemen werden am Beispiel von sechs Probanden dargestellt und analysiert. Der Grund für die Wahl dieser sechs Untersuchungsteilnehmenden ist, dass ihre Augenbewegungen sowohl in der ersten Studie als auch in der zweiten Studie Besonderheiten aufweisen, die als typische Beispiele angesehen werden können. In der Analyse werden die Heatmaps und Gazeplots zu den jeweiligen Übungen gezeigt, die von den Probanden beim Selbstlernen gemacht wurden. Durch die grafischen Darstellungen werden die Blickverteilungen bzw. die Fixationen oder die Blickverläufe der Lernenden bei den Übungen betrachtet. Um die Augenbewegungen genauer interpretieren zu können, werden in manchen Fällen noch die dazugehörenden Video-Replays, welche die Rohdaten der Augenbewegungen enthalten und die Ergebnisse des retrospektiven Lauten Denkens der Probanden zu einigen ungewöhnlichen Augen‐ bewegungen in Beziehung gebracht. Nach der Darstellung der Augenbewegungen der Probanden zu den Übungen werden diese Daten mit den Wörternetzen der jeweiligen Probanden verbunden, um auf die dritte Forschungsfrage eingehen zu können, ob und inwieweit die Blickverteilungen bzw. die Fixationen der Probanden auf den Lerninhalten mit den Einträgen ihrer Wörternetze zusammenhängen. 7.2.1 Erste Studie (Thema: Schule und Ausbildung) Bei der Auswertung der Augenbewegungsdaten werden die Daten von insgesamt 19 Personen durch das Programm Tobii Pro Lab aufbereitet und analysiert. Die Augenbewe‐ gungsdaten einer weiteren Probandin werden nicht ausgewertet, obwohl ihre Wörternetze in Kapitel 7.1 in der vorliegenden Arbeit vorgestellt wurden. Der Grund für den Verzicht auf die Auswertung ihrer Augenbewegungsdaten ist, dass die Prozentangabe bzw. die Abtastrate des durch die Eyetracking-Geräte erhobenen Datensamplings der Probandin nicht ausreichend für die Analyse ist (siehe Anmerkung zur Anzahl der Untersuchungsteil‐ nehmenden in Kapitel 6.2.1). Ihre Augenbewegungsdaten sind durch das Programm zwar analysierbar, jedoch können die basierend auf den erhobenen und danach ausgewerteten Daten erstellten Heatmaps und Gazeplots die entsprechenden Augenbewegungen der Probandin nicht vollständig widerspiegeln und erklären. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 143 83 Die Daten finden sich im Anhang A2 Wie in Kapitel 6.3 erwähnt, wurden alle Teilnehmenden zu Beginn der Studie bzw. vor dem Selbstlernen in zwei Gruppen aufgeteilt. Gruppe A lernte mit dem Buch Schritte international neu, während ein digitales Angebot bzw. die Online-Plattform Community Deutsch für dich für das Selbstlernen in Gruppe B eingesetzt wurde. Hierbei muss in erster Linie betont werden, dass die verwendeten Materialien der beiden Medien zwar thematisch ähnlich sind, sich die Übungen in den Materialien zwischen dem Buch und dem digitalen Lernangebot aber voneinander unterscheiden. Das Thema des Selbstlernens in der ersten Runde bezieht sich auf Schule und Ausbildung. Die Anzahl der Mitglieder von Gruppe A in der ersten Studie beträgt 10 und in die Gruppe B werden insgesamt 9 Studierende eingeteilt. Im Folgenden werden vor der Vorstellung der gesamten Augenbewegungsdaten einige besondere Augenbewegungen in Verbindung mit dem retrospektiven Lauten Denken an den Beispielen einiger Probanden je nach Gruppe grafisch dargestellt. Eine Art der Grafiken ist die Heatmap, die den Fokus der visuellen Aufmerksamkeit widerspiegelt. Die zweite Art von grafischen Darstellungen ist das Gazeplot, welches die statische Visualisierung der zeitlichen Abfolge der Blickprozesse zeigt. Zuerst werden die Daten der Studienteilnehmenden aus Gruppe A beschrieben. Zum Schutz der Privatsphäre werden alle Probanden in der vorliegenden Arbeit nur mit Nummern (z.-B. „Probandin Nr. X“) bezeichnet. - 7.2.1.1 Gruppe A: Buch „Schritte international neu“ 7.2.1.1.1 Probandin Nr.-1 Aus den Ergebnissen der schriftlichen Befragung (vgl. Kapitel 6.1.1) ist zu entnehmen, dass die Studienteilnehmerin ein Jahr Deutsch gelernt hat und oft auf Schwierigkeiten mit dem Sprachgebrauch gestoßen ist. 83 Es fiel ihr besonders beim mündlichen Ausdruck schwer, das erworbene Sprachwissen flexibel anzuwenden. Sie hatte sehr geringe Erfahrungen mit dem Selbstlernen und hierbei lernte sie in der Regel nur die vermittelten Wörter auswendig, oder sie wiederholte die gelernten grammatischen Kenntnisse, was der Darstellung hinsichtlich der häufig verwendeten Wortschatzarbeit bei chinesischen Deutschlernenden im Theorie‐ teil der Arbeit entspricht (vgl. Kapitel 3.4). Außerdem bereitete sie sich beim Selbstlernen manchmal auch auf den kommenden Sprachunterricht vor oder sie verbesserte durch Hö‐ rübungen ihre rezeptive Fertigkeit Hören. Allerdings hat sie keine Ratschläge von anderen Personen im Hinblick auf die Lernmaterialien für das Selbstlernen bekommen. Was digitale Angebote betrifft, wurden einige Videos in der anfänglichen Phase ihres Deutschkurses von ihren Lehrenden als Ergänzungsmaterialien abgespielt. Nach dem Deutschunterricht lernte sie kaum mit den digitalen Medien. Dies deckt sich mit der allgemeinen Situation über die Nutzung der digitalen Medien für das Selbstlernen bei chinesischen Deutschlernenden (vgl. Kapitel 4.3). Auf der theoretischen Grundlage der vorliegenden Arbeit in Verbindung mit ihren persönlichen Daten könnte ein möglicher Grund darin bestehen, dass sie über keine angemessene Methode für das Selbstlernen verfügte, denn die digitalen Medien wurden auch nicht sehr häufig in ihrem Deutschunterricht verwendet, wobei die Lernende die Erfahrungen über die Nutzung der digitalen Medien für das Fremdsprachenlernen hätte sammeln und darauf hätte aufbauen sowie daraus lernen können. 84 144 7 Datenauswertung und -analyse 84 Das Output dieser Probandin nach ihrem digitalen Lernen (in der zweiten Studie) wird in Kapitel 7.2.2.2.1 gezeigt. Die Diskussion über Wortschatzerwerb und Mediennutzung findet sich in Kapitel 7.4.4.3. Abb. 7-5: Gazeplot der Probandin Nr.-1 (die erste Seite der Materialien) Als Gazeplot visualisiert Abbildung 7-5 die Augenbewegungen bzw. den Blickverlauf der Probandin Nr. 1. Diese grafische Darstellung zeigt, in welcher Reihenfolge die Probandin die erste Seite des Buchs liest. Auf dieser Seite wird das Thema der ersten Studie eingeführt und es gibt neben vier Fotos drei schriftliche Übungen, die sich auf den Wortschatz über Schule und Studium beziehen. In der ersten Übung werden die Lernenden aufgefordert, den auf der linken Seite stehenden Wörtern die Teile des rechts stehenden Bildes zuzuordnen, während weitere vier themenbezogene Wörter mit den entsprechenden sprachlichen Erklärungen in der zweiten Übung verbunden werden sollen. Dabei kann die Verknüpfung einer lexikalisch-semantische Relation im Hinblick auf das enzyklopädische Wissen (vgl. Kapitel 3.2) zum Thema Ausbildung bei den Lernenden gefördert werden. In der dritten Übung lernen die Probanden verschiedene Adjektive, die in dem schulischen Kontext verwendbar sind, indem die Lernenden drei Adjektive ihren entsprechenden Antonymen zuordnen. Es ist vorstellbar, dass die Entwicklung eines Merkmalsnetzes (vgl. ebd.) durch diese Übung bei den Lernenden gefördert werden kann. Der vorliegenden Abbildung bzw. dem Gazeplot ist das Beobachtungsmuster dieser Probandin zu entnehmen. Dabei ist es ersichtlich, dass sie die erste Buchseite von oben bis unten gelesen hat und die ersten fünf Blicke auf die grafische Darstellung über das Zwischenzeugnis richtet. Im Hinblick auf die Informationsaufnahme ist aufgefallen, dass das Bild des Zwischenzeugnisses zu Beginn sofort die Aufmerksamkeit der Probandin auf sich gezogen hat, obwohl vier viel größere Abbildungen auf derselben Buchseite vorhanden sind. Ein deutlicher Unterschied zwischen 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 145 der Grafik des Zwischenzeugnisses und den anderen großen Abbildungen besteht darin, dass die grafische Darstellung des Zeugnisses über textliche Elemente verfügt. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass es die Probandin bei der Informationsaufnahme wegen der visu‐ ellen Abhängigkeit (vgl. Kapitel 2.2.4) bevorzugt, vorrangig sprachliche Informationen bzw. Texte zu lesen. Dies wird mit weiteren Beispielen dieser Probandin und auch von anderen Probanden im Folgenden betrachtet. Dem Gazeplot (Abb. 7-5) ist ferner zu entnehmen, dass die Probandin das Lesen der Buchseite bzw. die Informationswahrnehmung entsprechend der Reihenfolge der Übungen vorgenommen hat. Dabei ist allerdings noch zu ersehen, dass die Probandin während des Lesens der zweiten Übung auf die erste Übung zurückgeblickt hat. Das kann darauf hindeuten, dass diese Elemente bzw. diese zwei Aufgaben 1a und 1b aus der Sicht der Probandin inhaltlich stark korreliert sind. Abb. 7-6: Heatmap der Probandin Nr.-1 (die erste Seite der Materialien) In der obigen Abbildung 7-5 geht es um den Blickverlauf auf der ersten Seite der Materialien im Buch zum Thema „Schule“. Die vorliegende Abbildung 7-6 stellt die Heatmap dar und es zeigt dementsprechend die Verteilung des Augenmerks der Probandin Nr. 1 auf die optischen Reize auf dieser Buchseite. Daraus ist zu erkennen, dass die meisten langen Fixationen auf der grafischen Darstellung des Zwischenzeugnisses in der rechten Mitte der Buchseite bestehen. Aufgrund des Gazeplots kann damit gerechnet werden, dass die großen Fotos auf dieser Seite von der Probandin kaum betrachtet werden. Obwohl das Zwischenzeugnis als eine kleine Abbildung eingebettet wird, besteht sie grundsätzlich aus textlichen Elementen. In diesem Zusammenhang lässt sich sagen, dass sich Probandin Nr. 1 am Anfang des Selbstlernens fast lediglich auf textlich präsentierte Informationen 146 7 Datenauswertung und -analyse 85 Die Diskussion im Hinblick auf die Funktion von Bildern vgl. Kapitel 7.4.4.1. 86 Um die Authentizität des Lernergebnisses der Probandin zu gewährleisten, werden ihre Tippfehler nicht nachträglich korrigiert, sondern unverändert beibehalten. Das gilt für alle Wörternetze der Teilnehmenden in der Studie. konzentriert hat. 85 Nach dem Heatmap stellen die Wörter, die besonders intensiv fixiert worden sind, „Studium“, „für“, „Zeugnis“, „Gymnasium“, „Schüler“, „Deutsch“, „Musik“, „Sport“, „Note“ und „Referat“ dar. Abb. 7-7: Wörternetze der Probandin Nr.-1 (1. Studie) 86 Wie in Kapitel hinsichtlich des Forschungsdesigns beschrieben, wurden alle Lernenden vor dem Beginn des Selbstlernens gebeten, mit den Stichwörtern, die sich auf das Thema des Lernens beziehen, möglichst viele themenbezogene Wörter aufzuschreiben. Um einen maximalen „Handlungsspielraum“ zur Entwicklung der Wörternetzen zu ermöglichen, wurden die Wörter Ausbildung und Karriere, die das Thema der ersten Studie dieser Untersuchung darstellen, als Stichwörter für die Wörternetze vorgegeben. Wie in Kapitel 6.4 dargestellt, sind die gedruckten und digitalen Lernmaterialien zwar thematisch gleich, aber inhaltlich unterschiedlich. Deswegen können diese zwei Wörter als Stichwörter zur Produktion der Wörternetze für neutral und angemessen für die beiden Gruppen in der gleichen Studie gehalten werden. Nach allen zwei Lerneinheiten des außerschulischen Selbstlernens wurden die Probanden aufgefordert, gegenüber den Stichwörtern eigene bereits erstellte Wörternetze weiterzuentwickeln. Abbildung 7-7 zeigt die vollständigen Wörternetze, die von der Probandin Nr. 1 ausge‐ hend von den beiden Stichwörtern generiert wurden. Die schwarzen Wörter sind vor dem Selbstlernen von der Probandin Nr. 1 selbstständig produziert worden. Die Wörter, die in blauer Farbe dargestellt sind, sind die Einträge, die nach den ersten zwei Lerneinheiten 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 147 87 Die Diskussion über die Länge der Blickfixationen findet sich in Kapitel 7.4.4.2. von der Probandin geschrieben wurden. Die rot geschriebenen Wörter sind diejenigen, die nach den letzten zwei Lerneinheiten mit den Stichwörtern assoziiert und hinzufügt wurden. Auf der linken Seite der Wörternetze der Probandin lässt sich eine Folge von Wörtern sehen, die durch ein rotes Rechteck gekennzeichnet werden: „Zeugnis“ - „Note“ - „Musik, Sport“. Es ist leicht erkennbar, dass die erwähnten Wörter aus der Aufgabe 1a stammen, was mit den fokussierten Bereichen in der entsprechenden Heatmap (siehe Abb. 7-6) übereinstimmt. Hierbei kann das Wort „Note“ auf die textuellen Reize der Aufgabe, „die gute Note“ und „die schlechte Note“ zurückgeführt werden, während der Rest der in den Wörternetzen geschriebenen Wörter grundsätzlich aus der grafischen Darstellung vom Zwischenzeugnis stammt. Interessanterweise ist zu betrachten, dass die Probandin zu dem Wort „Note“ zwei Wörter, nämlich „Stress“ und „Hobby“, ergänzend aufgeschrieben hat. Die beiden Wörter kommen nicht in der Aufgabe vor. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich diese Ergänzung auf die eigene Emotion und die Lebenserfahrung der Probandin stützt. Basierend auf der theoretischen Grundlage hinsichtlich des mentalen Lexikons (bzw. des Modells von Roche in Kapitel 2.2.1) dieser Arbeit lässt sich vorstellen, dass die visuelle Wahrnehmung des sprachlichen Zeichens „Note“ beim Selbstlernen die beiden vorhandenen Repräsentationen „Stress“ und „Hobby“ in ihrem mentalen Lexikon aktiviert hat. Die beiden lexikalischen Einheiten werden nachträglich dort mit dem Eintrag Note in unterschiedlichen wortspezifischen Sinnrelationen (vgl. Kapitel 3.2) in die Wörternetze zusammen eingetragen. Es ist leicht denkbar, dass das Erzielen einer guten „Note“ der Probandin oder den Studierenden im Allgemeinen „Stress“ bringen kann. Um „Stress“ abzubauen, kann man zum Entspannen ein „Hobby“ entwickeln. Eine solche affektive lexikalische Assoziation, die zum Teil auch auf der Kontiguitätsebene, wie in Kapitel 3.2 angesprochen, ausgelöst wird, ist auch in dem folgenden Kreis der Wörterfolge anzutreffen. Wegen der Wörter „Musik“ und „Sport“ denkt die Probandin an das Wort „Spaß“. Zudem hat die Probandin initiativ in diesem Kreis die Kollokation „Sport machen“ eingetragen, statt lediglich „Sport“ zu schreiben. In den Wörternetzen lässt sich außerdem noch erkennen, dass die Probandin beim Entwickeln der Wörternetze das Wort „Referat“ assoziiert hat. Dieser Eintrag ist direkt mit den Stichwörtern verbunden. Diesbezüglich ist es denkbar, dass sich diese Assoziation auf die Übung 1b bezieht. Es steht auch in Einklang mit den Augenbewegungen der Probandin. Ausgehend davon, dass der Eintrag „Referat“ nicht mit den aus der Übung 1a stammenden Einträgen verbunden ist, lässt sich sagen, dass der Rückblick der Aufgabe 1b auf die Aufgabe 1a, welchen das Gazeplot zeigt, die Herstellung der Verbindung nicht gefördert hat. 87 Im Folgenden werden weitere Beispiele über die Augenbewegungen und das Output der Probandin aufgezeigt. 148 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-8: Gazeplot der Probandin Nr.-1 (Teil C) Abbildung 7-8 zeigt, wie die Probandin Nr. 1 alle Übungen im Teil C in der Lektion gelesen hat. Teil C beinhaltet drei Übungen (C1 - C3), die jeweils mehrere kleine Aufgaben umfassen. Es fällt vor allem auf, dass die Betrachtungen der Probandin durch die Struktur dieser Buchseite geleitet wurden. Zuerst wurde die Aufmerksamkeit auf die Tabelle in Übung C1 gezogen, wo es um das deutsche Schulsystem geht. Nach einem kurzen Überfliegen der zwei Figuren in der Aufgabe C2a (Fixationspunkte 6 und 7), was vermutlich für das Identifizieren des Umfangs der Aufgabe C1 durchgeführt wurde, konzentrierte sich die Probandin auf Übung C1, was durch die Fixationen 8 bis 44 gezeigt werden kann. Im Anschluss daran absolvierte die Probandin Übung C2, die eine Hörübung ist. Diese Hörübung thematisiert die Schulzeit und dort sprechen drei Personen über die Zeit ihres Schulbesuchs. Beim Hören hat die Probandin neben der Übung C2 auch einen Teil der Übung C3 gelesen. Entsprechend ihrem retrospektiven Lauten Denken ist dies ein Grund dafür, dass sie inzwischen auf die gewünschten Informationen zur Lösung der Aufgaben von C2 gewartet hat. Nach der Hörübung hat die Probandin den Teil von C3 weitergelesen. Die Übung C3 stellt eine Partnerarbeit zum Training des mündlichen Ausdrucks dar. Allerdings geht es beim Selbstlernen in dem Projekt nur um Einzelarbeit und daher konnte die Aufgabe der Übung C3 nicht gelöst werden. Aus diesem Grund hat die Probandin die Inhalte der Übung C3 nur grob gelesen. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 149 88 Die Diskussion über den Einsatz der Bildmaterialien findet sich in Kapitel 7.4.4.1. Abb. 7-9: Heatmap der Probandin Nr.-1 (Teil C) Die vorliegende Heatmap (siehe Abb. 7-9) visualisiert dementsprechend die Verteilung des Schauens der Probandin auf die optischen Reize auf der Seite für Übung C. Es ist zu entnehmen, dass die meisten fixierten Reize auf dieser Seite ebenfalls die Texte sind wie beim Lesen der ersten Seite des Buchs (siehe Abb. 7-6). Das bedeutet, dass sich die langen Blickmomente beinahe nur in textlich präsentierten Elementen auf der Seite manifestieren. Die Bilder, die in der Mitte stehen, hat kaum die Aufmerksamkeit der Probandin erregt. Diese Augenbewegungen könnten in der visuellen Abhängigkeit (vgl. Kapitel 2.2.4) in Kombination mit den etablierten Lerngewohnheiten der chinesischen Deutschlernenden (vgl. Kapitel 3.3 und Kapitel 3.4) begründet sein. Beim Lernprozess werden die textlichen Informationen somit vorzugweise wahrgenommen und intensiv verarbeitet. Was die For‐ schungsfrage 2 betrifft, besteht aber der Eindruck, dass die Probandin die Bilder im Material nicht initiativ besonders intensiv betrachten will, wenn die Bilder keine große Rolle bei der Aufgabenbearbeitung spielen. 88 In der Mitte des Heatmaps kann außerdem noch gesehen werden, dass es eine lange Fixation auf eine leere Stelle der Buchseite gibt. Dies liegt neben der Überprüfung der geschriebenen Antworten zu Aufgabe C2b auch daran, dass die Probandin zur Lösung der Aufgabe einige kurze Notizen an dieser Stelle gemacht hat. Die überdurchschnittlich intensiv fixierten Wörter sind „Fachhochschule“, „Abitur“, „mittlere Reife“, „Realschule“, „Hauptschule“, „Sozialkunde“, „Lieblingsfächer“, „Lehrer“, „gefallen“ und „warum“. In Kombination mit den Wörternetzen der Probandin lässt sich erkennen, dass sie das Wort „Realschule“ zu den Wörternetzen hinzugefügt hat. Das Wort ist in den Wörternetzen mit einem Kreis (Hochschule, Fachhochschule, Universität etc.) verbunden, den die Probandin basierend auf ihren Vorkenntnissen hinsichtlich des 150 7 Datenauswertung und -analyse 89 Neben dem Wortschatz über die „Fächer“ ist aus den Wörternetzen (Abb. 7-7) auch zu entnehmen, dass die Probandin vor Beginn der Untersuchung auch über landeskundliche Kenntnisse bezüglich des deutschen Schulsystems verfügt hat und manche einschlägige lexikalische Einheiten bereits stabil im mentalen Lexikon gespeichert waren. Ein Beispiel ist der schwarze Eintrag „Abitur“. Vor dem Selbstlernen hat die Probandin gegenüber den Stichwörtern bereits an das kulturspezifische Wort gedacht. Diesen Eintrag hat die Probandin mit dem Eintrag „Aufnahmeprüfung“, die das chinesische kulturspezifische Äquivalent (Gaokao) zu dem Eintrag „Abitur“ darstellt, in einem Kreis zusammengelegt. Dies kann zeigen, dass die kulturellen Unterschiede im Zeitalter der Globalisierung nicht unbedingt so deutlich durch Wortassoziation wahrzunehmen sind, wie das Beispiel der Assoziogramme zum Oberbegriff „Wald“ von Neuner (Abb. 3-2) in Kapitel 3.4 zeigt. 90 Die Diskussion über die Länge der Fixationen findet sich in Kapitel 7.4.4.2. deutschen Schulsystems erstellt hat. Diese Ergänzung stimmt mit der Verteilung der visuellen Aufmerksamkeit der Probandin in der Heatmap überein. Zu dem deutschen Schulsystem hat die Probandin wieder an „Schule“, „Hochschule“ und „Universität“ gedacht. Daher werden die drei Wörter mit einem Sternchen in den Wörternetzen gekennzeichnet. Neben dem großen Kreis kann das Wort „Studium“ gefunden werden. Das Wort ist zwar nur mit dem Wort „Student(in)“ verbunden, aber dazu kann auch eine Annahme getroffen werden bezüglich der Frage, ob es eine Beziehung zwischen dem Wort „Studium“ und den Wörtern „Hochschule“, „Universität“ aus dem großen Kreis gibt. Vor dem Beginn der ersten Lerneinheit der ersten Studie hat die Probandin gegenüber den Stichwörtern an das Wort „Fach“ gedacht. Im Anschluss daran wurden mehrere konkrete Schulfächer mit dem Wort „Fach“ als Oberbegriff assoziiert, beispielsweise „Physik“, „Chemie“, „Musik“ etc., was darauf hindeuten kann, dass diese Probandin vor dem Selbstlernen zu diesem Thema bereits über einen bestimmten Umfang des Wortschatzes 89 über Schulfächer verfügte. Aus diesem Grund kann vermutlich umgekehrt die Frage die Augenbewegungen der Probandin betreffend geklärt werden, warum sie sich nicht lange auf die Infobox über Schulfächer mit einem gelben Hintergrund in Teil C des Kursbuchs konzentrierte: Aus der Heatmap (siehe Abb. 7-9) lässt sich beobachten, dass nicht viele besonders intensive visuelle Aufmerksam‐ keit auf der Infobox über Schulfächer vorliegen, was daran liegen kann, dass die Probandin (ihrer Meinung nach) mit fast allen dort aufgezählten Schulfächern sehr vertraut war. Es liegt in diesem Zusammenhang die Vermutung nahe, dass sich die Probandin vorgenommen hat, (nur) mit einigen kurzen Blicken die Informationssammlung in diesem Bereich abzuschließen. Da die meisten Wörter dort (gemäß der Heatmap) im Wesentlich nicht fixiert wurden, ist es nachvollziehbar, warum die Wörter aus der Infobox „Schulfächer“ nicht als Einträge in den Wörternetzen vorkommen. Der Grund besteht darin, dass die Informationsaufnahme im Wesentlichen erst während der Fixation erfolgt (vgl. Kapitel 5.1). Dabei ist interessant, dass hierbei das Wort „Sozialkunde“ eine Ausnahme darstellt. Es ist das einzige Wort in der Infobox, das bei der Informationsaufnahme besonders intensiv betrachtet wurde. Wie die Heatmap (siehe Abb. 7-9) zeigt, liegt eine rote Markierung auf diesem Wort. Allerdings wurde das Wort „Sozialkunde“ bzw. dieses sprachliche Zeichen von der Probandin in ihre Wörternetze nicht eingetragen. Ein möglicher Grund für die längere Fixation könnte sein, dass die Probandin auf das Fach nicht so schnell wie andere Schulfächer (beispielweise Mathe, Sport oder Musik) reagieren konnte, denn das Fach war in ihrem Studentenleben nicht anzutreffen. 90 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 151 91 Dabei werden die sprachlichen Zeichen (in den Lernmaterialien der beiden Medien) ausgeschlossen, die in der Studie die Aufmerksamkeit der Lernenden erregt hat, aber nicht im Zusammenhang mit dem Thema stehen. Beispielsweise sind die Funktionswörter (vgl. Kapitel 3), die von den Probanden fixiert wurden, dabei nicht berücksichtigt. Im Hinblick auf die gestellten Forschungsfragen dieser Arbeit ist basierend auf den Er‐ gebnissen dieser Probandin zu ersehen, dass diese Probandin bei der Informationsaufnahme ihre Aufmerksamkeit kaum auf die Fotos gerichtet hat. Ein möglicher Grund dafür könnte darin bestehen, dass solche Fotos nicht so unmittelbar die Informationen übermitteln, wie dies die Texte auf den Buchseiten tun. Außerdem ist noch erkennbar, dass die Fixationen der Lernenden in Beziehung zu ihren Einträgen in den Wörternetzen stehen. Viele Reize bzw. ein großer Teil der sprachlichen Zeichen, die beim Selbstlernen von Lernenden besonders intensiv betrachtet worden sind, kommen nachträglich als Einträge in den Wörternetzen vor. 91 Diese Aspekte werden durch die Analyse der Ergebnisse der anderen Probanden dieser Untersuchung weiter betrachtet. Nach dieser Analyse werden die Daten und die erwähnten Auffälligkeiten in Kapitel 7.4 zusammenführend diskutiert. 7.2.1.1.2 Probandin Nr.-3 Ein weiteres Mitglied der Gruppe A ist Probandin Nr. 3 und sie hat nach der schriftlichen Befragung ebenfalls zuvor ein Jahr Deutsch gelernt wie Probandin Nr. 1. Das Deutschlernen fällt ihr aber generell nicht sehr schwer. Sie hatte lediglich einige Probleme mit der deutschen Grammatik, was jedoch (aus ihrer Sicht) nicht als große Hürde beim Deutsch‐ lernen angesehen wurde. Außerdem lernte die Probandin oft nach dem Deutschunterricht selbst, um sprachliche Kenntnisse zu wiederholen oder zu erweitern. Beim Selbstlernen wiederholte sie in der Regel die im Kurs gelernten Kenntnisse und machte unterschiedliche grammatische Übungen. Des Weiteren lernte sie auch mit der Vokabelliste den Wortschatz auswendig, was sich mit der Darstellung im Theorieteil über die Wortschatzarbeit bei chinesischen DaF-Lernenden deckt (vgl. Kapitel 3.3). Allerdings hatte sie nicht viele Erfah‐ rungen bezüglich des Selbstlernens mit digitalen Medien. Im Allgemeinen schaute sie ca. alle drei Wochen für das Selbstlernen Videos, wenn sie ihrem Niveau entsprechende Videos finden konnte. Kurz gesagt, ist die Probandin zwar keine Novizin, was das Selbstlernen betrifft. Jedoch ist es zu erkennen, dass die Probandin häufiger die gedruckten Materialien für den Wortschatzerwerb benutzt hat und die digitalen Medien eher als ergänzende Mittel für das Deutschlernen angesehen worden sind, wie es in Kapitel 4.3 beschrieben wird. In der ersten Studie lernte die Probandin auch mit dem Buch selbständig die deutsche Sprache und nach der Verarbeitung der Daten bezüglich ihrer Augenbewegungen sind einige bemerkenswerte Besonderheiten vorhanden. Im Folgenden werden diese Besonder‐ heiten dargestellt. 152 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-10: Gazeplot der Probandin Nr.-3 (die erste Seite der Materialien) In Abbildung 7-10 geht es um die Blickverläufe der Probandin, wenn sie die erste Seite des Buchs gelesen hat. In diesem Schaubild ist in erster Linie auffällig, dass die Bilder auf der Seite von dieser Probandin mehr aufmerksam betrachtet wurden, was im Gegensatz zu der Probandin Nr. 1 war. Allerdings ist auch festzustellen, dass die vier großen Fotos bzw. die bildlichen Reize nicht „systematisch“ besonders intensive Aufmerksamkeit erregt haben, was durch die entsprechende Heatmap (Abb. 7-11) deutlich gezeigt werden kann. Entsprechend diesem Gazeplot ist zu erkennen, dass die Probandin zu Beginn des Lesens zwar auf das oben rechts stehende Foto geschaut hat (vom Fixationspunkt 1 zum Punkt 2) und jedoch eine große Sakkade danach vorkam, was durch die lange Linie zwischen dem Fixationspunkt 2 und dem Punkt 3 gezeigt wird. Daran ist im Hinblick auf die visuelle Aufmerksamkeit bei der Informationsaufnahme zu erkennen, dass die Fotos lediglich bruchstückhaft fixiert wurden. Mit anderen Worten wurden die Bilder auf dieser Buchseite nicht in Folge nacheinander betrachtet. Worauf sich die Augen der Probandin beim Selbstlernen deutlich gerichtet haben, sind die textlichen Elemente auf dieser Buchseite. Dies kann durch die entsprechende Heatmap nachgeprüft werden. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 153 92 Zu dem Blickverhalten bezüglich dieser Buchseite wurde die Probandin nicht befragt, deswegen kann nur eine Vermutung angestellt werden. Eine kritische Diskussion über die eingesetzten Forschungsmethoden findet sich in Kapitel 7.4.4.2. und Kapitel 8. Abb. 7-11: Heatmap der Probandin Nr.-3 (die erste Seite der Materialien) In der Heatmap (Abb. 7-11) ist ersichtlich, dass sich die Probandin im Wesentlichen auf die Übungen bzw. die textlichen Elemente auf der Buchseite konzentriert hat, obwohl die Bilder auf dieser Buchseite von der Probandin beim Lernprozess betrachtet wurden, was anders als das Verhalten der Probandin Nr. 1 im Hinblick auf die Betrachtung der Bilder ist. Allerdings ist kaum eine signifikante Aufmerksamkeit auf den Fotos gelegen: Auf den Bildern findet sich nur eine kleine grün-gelbe Kreisfläche, die eine mittlere Intensität der Aufmerksamkeit repräsentiert. Das Betrachten der Bilder könnte daran liegen, dass die Probandin beim Lernprozess neugierig war, denn diese Seite war die erste Seite der Lernmaterialien. Hinzu kommt die Annahme, dass die visuelle Aufmerksamkeit auf den bildlichen Elemente auf dieser Seite basierend auf dem Gazeplot (Abb. 7-10) eher einen groben Suchvorgang nach Informationen darstellen könnte. 92 Ob die Bilder die visuelle Aufmerksamkeit dieser Probandin erregt haben (oder nicht wie es bei der Probandin Nr. 1 in Kapitel 7.2.1.1.1. der Fall ist), kann erst durch weitere Beispiele hinsichtlich des Blickverhaltens bezüglich der Übungen identifiziert werden, in denen bildliche Elemente vorhanden sind. Die weiteren Beispiele werden in diesem Teilkapitel aufgezeigt. Entsprechend der Heatmap hat die Probandin auf die folgenden Wörter fokussiert: „Zeugnis“, „Schulfach“, „Note“, „Schüler“, „Schule besucht“, „Klasse“, „Referat halten“, „Abschlussprüfung“, „wiederholen“, „toll“ und „schrecklich“ dar. 154 7 Datenauswertung und -analyse 93 Da die Lernenden im Rahmen der vorliegenden Arbeit hinsichtlich der Begründung ihrer Einträge in die Wörternetze nicht befragt worden sind, kann der Beweggrund zum Eintrag des Wortes „Gott Christus“ bei dieser Probandin nicht festgelegt werden. Diese Schwachstelle des Forschungsdesigns wird in Kapitel 8 im Hinblick auf eine kritische Rückschau auf die Untersuchung diskutiert. Abb. 7-12: Wörternetze der Probandin Nr.-3 (1. Studie) Die Wörternetze der Probandin Nr. 3 werden in Abbildung 7-12 grafisch dargestellt. Vor allem lässt sich leicht beobachten, dass die Probandin mit den themenbezogenen Stichwörtern vor der Studie lediglich vier Wörter assoziiert hat. Gegenüber den Stichwör‐ tern Ausbildung und Karriere ist der Probandin neben dem Wort „Unterricht“ das Wort „Bildung“ eingefallen, welches das Grundwort des Wortes „Ausbildung“ ist. Mit dem Wort „Bildung“ verknüpfte sie wegen der Assoziation im Hinblick auf das Lexem im mentalen Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.3) das Wort „Bild“ und anschließend hat sie vermutlich an Religion gedacht, wobei die Probandin „Gott Christus“ aufgeschrieben hat. 93 Zugleich lässt sich auch sehen, dass es keine gedanklich-lexikalische Verbindung zwischen dem Wort „Karriere“ und irgendeinem weiteren Wort gibt. Auf der theoretischen Grundlage hinsichtlich des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2) liegt die Vermutung nahe, dass vor der Studie nicht viele thematisch bezogene Repräsentationen im mentalen Lexikon dieser Probandin stabil mit den beiden Stichwörtern verbunden waren oder die einschlägigen Repräsentationen wegen einer schwachen Integration zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgreich abgerufen werden konnten. Allerdings lässt sich der Abbildung 7-12 erkennen, dass eine deutliche Entwicklung der Wörternetze dieser Probandin im Laufe des Selbstlernens mit dem Buch zu ersehen ist. Im theoretischen Rahmen lässt sich sagen, dass sich das mentale Lexikon einschließlich des semantisch-konzeptuellen Systems (zu diesem Thema) bei der Probandin nach dem Selbstlernen mit dem Buch gut entwickelt hat. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 155 94 Selbstverständlich werden hierbei die Wörter ausgeschlossen, die zwar von den Lernenden beim Lernen besonders intensiv betrachtet werden, aber keine (offenbar logische) Beziehung zu den Stichwörtern der Wörternetze haben. 95 In der Tat besteht auch eine solche Blickfixation, die eine kognitive Verarbeitung der Informationen nicht auslöst (vgl. Schumacher 2012: 115). Die Diskussion über Länge der Blickfixationen vgl. 6.4.4.2. Ebenso wie in den Wörternetzen der Probandin Nr. 1 findet sich auch eine Wortfolge in den Netzen der Probandin Nr. 3, die sich auf die erste Seite des Kursbuchs bezieht. Die Wortfolge ist durch ein rotes Viereck markiert (siehe Abb. 7-12). Im Vergleich mit der Wortfolge der Probandin Nr. 1 verbindet die Probandin Nr. 3 durch eine Wortfolge die Wörter aus der Aufgabe 1a mit den Wörtern aus der Aufgabe 1c. Dort wird eine Verbindung zwischen den Stichwörtern und dem Wort „Zeugnis“ hergestellt und das Wort „Zeugnis“ wird an „Note (gut/ schlecht)“ angeschlossen, was der Reihenfolge der Aufgaben auf der Buchseite entspricht. Anders als diese Probandin hat die Probandin Nr. 1 die Wörter aus den beiden Aufgaben voneinander getrennt und die Wörter aus der Aufgabe 1c mit dem vor der Studie geschriebenen Wort „Schüler(in)“ verbunden. Daraus ist zu erkennen, dass die gleichen Wörter bzw. die sprachlichen Zeichen einerseits von den beiden Probanden wahrgenommen werden. Andererseits werden diese wahr‐ genommenen sprachlichen Zeichen als lexikalische Einheiten in den unterschiedlichen wortspezifischen Sinnrelationen (vgl. Kapitel 3.2) im mentalen Lexikon bei den Probanden angeordnet. Es kann sich im theoretischen Rahmen zeigen, dass die sprachlichen Zeichen im gedruckten Lernmaterial bei der visuellen Wahrnehmung der beiden Lernenden nach dem jeweiligen Verständnis auf der gedanklich-konzeptuellen Ebene als Repräsentationen mit den anderen im vorhandenen mentalen Lexikon unterschiedlich verknüpft werden, was vermutlich auf ihre Vorerfahrungen mit der Nutzung der gedruckten Materialien für das Fremdsprachenlernen zurückgeführt werden kann. Anhand der Heatmap (Abb. 7-11) ist zu ersehen, dass die erwähnten Einträge bzw. die aus der Übung 1a stammenden Wörter beim Selbstlernen fest fixiert wurden. Der Wortkreis „Note (gut/ schlecht)“ wird danach mit mehreren Adjektiven verbunden, die in der Aufgabe 1c erscheinen, bei denen es sich um „fleißig/ faul“, „streng“ sowie „dumm/ intelligent“ handelt. Bemerkenswert ist es, dass das Wort „schrecklich“ nicht in diesem Wortkreis vorkommt, obwohl es im Vergleich mit anderen in der Aufgabe 1c stehenden Wörtern bzw. Adjektiven von der Probandin länger und intensiver fixiert wurde. Einige Wörter, beispielsweise „fleißig“ und „dumm“, wurden zwar unterdurchschnittlich intensiv betrachtet, aber sie wurden von der Probandin in ihren Wörternetzen aufgeschrieben, was anscheinend entgegen der allgemeinen Annahme steht, dass die besonders intensiv betrachteten Wörter besser wahrgenommen werden und sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit im Lernprodukt bzw. in den Wörternetzen der Lernenden reflektiert werden 94 , weil die Informationen grundsätzlich während der Fixation wahrgenommen werden können (vgl. Kapitel 5.1). Dies könnte neben der Eigenschaft dieser Blickfixation 95 auch daran liegen, dass die Probandin mit den Wörtern „fleißig“ und „dumm“ vertraut war, obwohl die beiden Wörter vor der Studie nicht in den Wörternetzen aufgeschrieben wurden. Beruhend auf dem Modell über die Sprachverarbeitung (vgl. Kapitel 2.2.1) ist denkbar, dass die beiden lexikalischen Einheiten beim Selbstlernen bzw. bei der Informationsaufnahme durch die visuelle Wahrnehmung aktiviert wurden. Sie wurden beim Entwickeln der Wörternetze nachträglich von der Probandin eingetragen, wofür 156 7 Datenauswertung und -analyse 96 Anmerkung: Vor dem Beginn der vorliegenden Studie kannten alle Studienteilnehmenden die Identität des Forschenden und sie hatten auch einige Informationen über das vorliegende Disserta‐ tionsprojekt. Das ist ein möglicher Grund dafür, dass die Probandin „(Doktor)“ in diesem Kreis notierte. keine längere Fixation erforderlich war. Im Vergleich dazu liegt eine längere Fixation auf dem Wort „schrecklich“ vor, welches jedoch nicht in den Wörternetzen dieser Probandin vorkommt. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Probandin im Gegensatz zu anderen Wörtern mit dem Wort „schrecklich“ nicht vertraut war. In dieser Aufgabe gab es keine weitere Information, die beim Verstehen bzw. bei der semantischen Erschließung des Wortes helfen konnte und die Bedeutung des Wortes wurde nur mit Zweifel erschlossen. Daher hat die Probandin das Wort bei der ersten Begegnung länger angeschaut. Bei der Generierung ihrer Wörternetze hat sie in dem Wortkreis zuerst die bekannten Wörter bzw. Adjektive geschrieben, die ihr von Aufgabe 1c eingefallen sind. Jedoch wurde das Wort „schrecklich“ während der Erweiterung der Wörternetze vermutlich wegen der Kapazität des Gedächtnisses der Probandin nicht in den Wortkreis eingetragen. Auf der linken Seite der Wörternetze der Probandin Nr. 3 befindet sich noch eine bemer‐ kenswerte Wortfolge. Beruhend auf dem zu Beginn des Selbstlernens geschriebenen Wort „Bildung“ hat die Probandin nach den Lerneinheiten an das Wort „Seminar“ gedacht. Im Anschluss daran steht das Wort „Referat“, das entsprechend der Heatmap überdurchschnitt‐ lich intensiv betrachtet wurde. Mit diesem Wort hat die Probandin die Wörter „Verhalt“ und „(Doktor)Arbeit“ verknüpft. Hierbei hat die Probandin den Versuch unternommen, ihr Weltwissen bzw. ihr individuelles und situatives Wissen in die Wortfolge einzubetten. Beim Lesen der ersten Seite hat die Probandin „Referat halten“ in der Aufgabe 1b betrachtet. Aber das Wort wurde nachher von ihr mit keinem Wort verbunden, das sich auf die Aufgabe 1b bezieht, sondern es besteht eine Verbindung zwischen dem Wort „Referat“ und dem vorhandenen Wort, das vor dem Beginn des Lernens selbstständig produziert wurde. Diese Folge kann als ein Sachnetz angesehen werden (vgl. Kapitel 3.2). Das Wort „Referat“ hat bei der Probandin eine zeitliche Nähe bzw. eine episodische Vorstellung erweckt. Aufgrund der Vorstellung ist ihr das Wort „Seminar“ eingefallen, das nicht in der Aufgabe bzw. auf der ersten Seite des Buchs erscheint. Mithilfe der logischen Nähe, wie in der grafischen Darstellung von Neveling in Kapitel 3.2 beschrieben, hat sie das Wort „Seminar“ mit „Bildung“ verbunden. In dieser Folge der lexikalischen Assoziation versucht die Probandin ferner, trotz einer Unsicherheit eine syntagmatische Beziehung zu dem Wort „Referat“ zu schaffen, indem die Probandin an den Eintrag ein Wort „Verhalt“ anschließt. Dabei könnte ihr Ziel vermutlich sein, das Wort „halten“ aufzuschreiben. Die Kollokation „Referat halten“ hat danach ihre individuelle Vorstellung inspiriert und in ihrem Konzept existiert eine enge Beziehung zwischen Referat halten und Arbeit von Studenten. In diesem Zusammenhang hat sie das Wort „Arbeit“ 96 an den Teil der Wortfolge „Verhalt“ - „Referat“ angeschlossen, was zu einem affektiven Teilnetz gehören kann. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 157 97 Die Diskussion über die Funktion von Bildern findet sich in Kapitel 7.4.4.1. Abb. 7-13: Gazeplot der Probandin Nr.-3 (Übung „Fokus Beruf “) Bei Abbildung 7-13 handelt es sich um eine Übung im Arbeitsbuch, die eine rezeptive und eine produktive Aufgabe enthält. Diese Übung bezieht sich auf den Lebenslauf, der relevant für die Arbeitssuche ist. Die Übung verfügt dementsprechend über zwei Teile bzw. Aufgaben, wobei Aufgabe 1a die schriftliche Fertigkeit der Lernenden trainiert. Die Lernenden sollen den vorgegebenen Text lesen und danach die fehlenden Informationen im darunter stehenden Lebenslauf ergänzen, während sie in der zweiten Aufgabe einen eigenen Lebenslauf erstellen sollen. Basierend auf dem Schaubild bzw. dem Gazeplot lässt sich erkennen, dass das Foto der Übung zu Beginn den Fokus der Probandin auf sich gezogen hat und diesen nach einer kurzen Weile aber schnell verloren hat. Wie in der Grafik gezeigt, liegen zwar die ersten vier Kreise bzw. Fixationspunkte grundsätzlich auf dem Foto (der Figur) in der Aufgabe. Jedoch hat die Probandin ab dem fünften Fixationspunkt ihre Aufmerksamkeit auf den Text gelenkt und beim Lesen des Texts schaut sie zwischendurch sporadisch wiederholt auf das Foto, worauf durch die Fixationspunkte 12, 13 und 334 hingedeutet wird. Dieses Zurückschauen ist basierend auf dem Gazeplot in Kombination mit der Aussage aus dem retrospektiven Lauten Denken auf die Textstellen zurückzuführen, in denen es um die persönlichen Informationen der Person (in der Aufgabe) geht. Auf diese Weise konnte eine Verknüpfung zwischen der Person und den persönlichen Informationen in der Vorstellung hergestellt werden, was ihr bei der Aufnahme der Inhalte helfen konnte. Daraus ist zu entnehmen, dass diese Blickfixationen auf dem Bild in der Übung eher auf die persönliche Strategie der Probandin für die Aufgabenlösung zurückzuführen sind, anstatt dass das Bild selbst beim Lernprozess die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin erregt hat. 97 Vor der Analyse im Hinblick auf die Einträge und die Augenbewegungen dieser Buchseite wird zuerst die entsprechende Heatmap (Abb. 7-14) vorgeführt. 158 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-14: Heatmap der Probandin Nr.-3 (Übung „Fokus Beruf “) Es ist ersichtlich, dass die meisten langen Fokussierungsprozeduren auf den textlichen Reizen (im Vergleich zum Foto) liegen. Dabei verteilen sich die Fixationen in mehreren Stellen des Fließtexts in der ersten Aufgabe. Ein Grund besteht einerseits darin, dass es dort viele für diese Probandin nicht vertraute Wörter gab. Andererseits suchte die Probandin dort die Informationen, damit sie die Lücken der Aufgabe 1a füllen konnte, was den Aussagen aus dem retrospektiven Lauten Denken der Probandin entspricht. Die von ihr auf dieser Buchseite besonders intensiv fixierten Wörter sind die folgenden sprachlichen Zeichen: „abgeschlossen“, „Ausbildung“, „Berufserfahrung“, „Klinikum“, „München“, „zum Glück“, „eine Stelle als“, „Krankenpflegerin“, „Kinderstation“, „nach“, „arbeite“, „2005“, „Sprachen“, „Deutsch“, „Lebenslauf “, „Marina“, „80638“, „Kinderklinik“ und „Englisch“. Auf der Grundlage der Heatmap lässt sich eine Wortfolge finden, die in Beziehung zu Fixationen der Probandin steht, auf der rechten Seite ihrer Wörternetze (siehe Abb. 7-12). Es wird eine direkte Verbindung zwischen den gegebenen Stichwörtern und dem Wort „Le‐ benslauf “ hergestellt. An den „Lebenslauf “ werden die Wörter „Erfahrung“, „Sprache“ und „Praktikum“ angeschlossen, wobei die ersten Wörter von der Probandin beim Leseprozess besonders intensiv betrachtet wurden. Obwohl das Wort „Praktikum“ sowohl im Fließtext als auch in dem tabellarischen Lebenslauf nicht erscheint, beziehen sich der Text und die dazu gehörende Aufgabe sehr auf die berufliche Ausbildung. In diesem Zusammenhang liegt die Vermutung auf der Basis der Theorie über Wörter und die Beziehungen zwischen den Wörtern (vgl. Kapitel 3.1 und Kapitel 3.2) nahe, dass die Verbindung zwischen dem „Lebenslauf “ und dem „Praktikum“ auf die enzyklopädischen Kenntnisse der Probandin zurückgeführt werden können. Dies kann auch ein potenzieller Grund für die Herstellung der Verbindung zwischen dem Wort „Lebenslauf “ und dem Wort „Zeugnis“ sein, die nach den ersten beiden Lerneinheiten produziert wurden. Aus dieser Verbindung der lexikali‐ schen Einheiten ist zu entnehmen, dass die beiden Repräsentationen im mentalen Lexikon 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 159 miteinander verknüpft werden, obwohl die entsprechenden sprachlichen Zeichen aus (zwei) unterschiedlichen Übungen in zwei verschiedenen Lerneinheiten des Selbstlernens wahrgenommen worden sind. Auf der Grundlage der Lerngewohnheiten der chinesischen Lernenden hinsichtlich der Medienwahl für das Deutschlernen (vgl. Kapitel 4) liegt die Vermutung nahe, dass sich beim Lernprozess eine tiefergehende kognitive Verarbeitung der wahrgenommenen Informationen vollzogen hat. Bei dieser lexikalischen Verbindung kombinierte die Probandin möglicherweise die Sachlage hinsichtlich des Sachverhalts bezüglich der Arbeitssuche, bei der mehrere Zeugnisse zum Nachweis von Fähigkeiten oder Qualifikationen erforderlich sind. Neben dieser Wortfolge ist noch eine Verbindung zu den Stichwörtern zu sehen: „eine Stelle suchen“. Für diese syntagmatische Verknüpfung kann vermutlich zum einen das fixierte Wort „Stelle“ ursächlich sein. Zum anderen kann der Fließtext der Aufgabe auch eine Rolle spielen, denn ein großer Teil des Texts bezieht sich auf den beruflichen Werdegang der Person in der Aufgabe, und dort wird ihre Jobsuche erwähnt. Abb. 7-15: Gazeplot der Probandin Nr.-3 (Übungen zum Teil C) Als weiteres Beispiel wird die Buchseite des Arbeitsbuchs betrachtet, wo es Übungen zu Teil C des Kursbuchs gibt. Somit gibt es insgesamt drei Übungen, wobei die dritte Übung drei untergeordnete Aufgaben hat. In der Übung 20 gibt es sieben Wortgruppen, wobei die Wortgruppe a in der Übung ein Beispiel darstellt. In jeder Gruppe existiert ein Wort, das nicht gut zu den anderen Wörtern passt. Dieser Übung wird außerdem noch ein Foto auf der rechten Seite zugeordnet. Die Lernenden werden in der folgenden Übung 21 aufgefordert, vier vorgegebene Bilder über Schulfächer anzusehen und den entsprechenden deutschen Wörtern zuzuordnen. Dazu sollen die Lernenden noch schreiben, wie die vier Schulfächer in ihrer eigenen Sprache heißen. In der letzten Übung 22 mit dem Titel „Sprachunterricht hier und dort“ sollen die Lernenden zuerst mehrere vorgegebene Sätze in der richtigen Reihenfolge anordnen, und basierend auf dieser Aufgabe werden die Lernenden in den folgenden zwei Aufgaben (22b und 22c) aufgefordert, entsprechend den Hinweisen frei zu 160 7 Datenauswertung und -analyse 98 Die Diskussion im Hinblick auf die Funktion von Bildern vgl. 6.4.4.1. schreiben. Nach dem Gazeplot (siehe Abb. 7-15) erscheint im Allgemeinen ein Phänomen, dass die grafischen Reize auf dieser Seite mehr visuelle Aufmerksamkeit der Probandin erhalten. Beispielsweise ist ersichtlich, dass vier Fixationspunkte auf dem Foto zu der Übung 20 liegen. Außerdem ist dem Gazeplot auch zu entnehmen, dass die Bilder der Übung 21 ebenfalls das Augenmerk der Probandin auf sich gezogen haben. Wenn die vier Bilder dieser Übung als das Ganze angesehen werden, sind die Fixationspunkte bzw. Fixationskreise 38, 39, 40, 58, 70, 71, 73, 80 und 86 dort zu sehen. All dies deutet darauf hin, dass die Probandin beim Lesen dieser Buchseite die Bilder berücksichtigt hat, weil die Größe dieser Fixationspunkte auf dem Gazeplot generell nicht klein ist. Jedoch ist von der Tatsache auszugehen, dass die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin von den Bildern (besonders dem Bild in der Übung 20) auf dieser Seite basierend auf der Ermittlung der gewichteten Augenbewegungsdaten nicht überdurchschnittlich intensiv angezogen worden ist, was in Anlehnung an die danach folgende entsprechende Heatmap (Abb. 7-16) erkannt werden kann. Abb. 7-16: Heatmap der Probandin Nr.-3 (Übungen zum Teil C) Aus der Heatmap ist ersichtlich, dass keine deutlich rote Markierung auf den bildlichen Reizen liegt. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Bilder generell nicht besonders intensiv fixiert wurden. Allerdings lässt sich beobachten, dass das Bild in der Übung 21 intensiver betrachtet wurde als das Bild in der Übung 20. Dabei kann vermutet werden, dass das Betrachten der Bilder bzw. diese visuelle Aufmerksamkeit nicht auf das Interesse der Probandin, sondern auf die Aufgabenstellung zurückzuführen ist. 98 Die Bilder aus der Übung 21 werden hierbei nicht (nur) für die Ästhetik genutzt, sondern geben den Lernenden die Informationen, die für das Erledigen der Aufgaben notwendig sind. Die Bilder lassen sich nicht ignorieren, wenn die Lernenden die Lücken in der Übung füllen. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 161 99 Die Diskussion bezüglich der Länge der Fixationen vgl. Kapitel 7.4.4.2. Zu den Fixationen auf dem Bild aus der Übung 20 besteht der Grund auf der Basis des retrospektiven Lauten Denkens darin, dass diese Fixationen nicht wegen des ganzen Bildes erregt wurden. Stattdessen wollte die Probandin ansehen, was die Person im Foto auf die Tafel geschrieben hat. Der Anlass dieses Betrachtens könnte vermutlich in Beziehung mit der visuellen Abhängigkeit (auf die textlichen Elemente) der Probandin stehen. Nach der Heatmap lässt sich im Allgemeinen erkennen, dass die Übung 22 bzw. deren Fließtext die Aufmerksamkeit der Probandin zum größten Teil auf sich gezogen hat. Damit kann ausgehend von der visuellen Abhängigkeit und auch von den generellen Lerngewohn‐ heiten der chinesischen Lernenden gerechnet werden. Beim Fremdsprachenlernen lesen sie vorrangig gerne Texte, um sprachliche Kenntnisse vertiefen oder erweitern zu können. Die dort überdurchschnittlich intensiv fokussierten Wörter sind die folgenden: „Englisch“, „freue mich“, „jeden“, „Deutschlehrer“, „Grüße“, „bald“, „spreche“, „Deutsch“, „viel“, „finde“, „freundlich“, „macht“, „Spaß“, „mache“, „war“ und „Schule“. Sollten die Wörternetze der Probandin mit der Heatmap (siehe Abb. 7-16) bzw. den dort intensiv konzentrierten Wörtern kombiniert werden, lässt sich ausführen, dass kein einschlägiges Teilnetz in ihren Wörternetzen vorliegt. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass einige fixierte Wörter aus der Übung (aus der Sicht dieser Probandin) keine enge Beziehung mit den Stichwörtern haben. Außerdem ist es auch darauf zurückzuführen, dass manche Wörter, beispielsweise „Deutsch“ und „Englisch“, bereits in ihren Wörternetzen vorhanden sind. Sie sind mit anderen Fächern wie Biologie, Chemie etc. in einem direkt mit den Stichwörtern verbundenen Wortkreis verknüpft, der mit einer vorherigen Übung des Kursbuchs in Zusammenhang steht. Allerdings ist es auffallend, dass das aus dieser Aufgabe stammende Wort „streng“ zwar nicht besonders betrachtet wurde, jedoch von der Probandin in ihre Wörternetze eingetragen worden ist. 99 Das Wort befindet sich in dem oben dargestellten Kreis, der „fleißig/ faul, dumm/ intelligent“ enthält. Dies kann möglicherweise daran liegen, dass das Wort „streng“ genauso für die Beschreibung einer Person gebraucht werden kann wie die anderen Adjektive in dem Kreis. Diese Anordnung bzw. das Zusammenlegen kann vermutlich auch wegen grammatischer Merkmale realisiert worden sein, weil alle Wörter zu der offenen Wortklasse gehören (vgl. Kapitel 3) und sie nach der Wortart Adjektive sind. Zudem liegt die Vermutung basierend auf dem Modell der Sprachverarbeitung (siehe Abb. 2-4 in Kapitel 2.2.1) in Kombination mit dem Lernverhalten hinsichtlich der Berücksichtigung der Grammatik (vgl. Kapitel 3.4) nahe, dass die Repräsentation des Eintrags „streng“ beim Produzieren der Buch-Wörternetze wegen der grammatischen Eigenschaft, wie oben angesprochen, eher durch grammatische Aktivierung abgerufen worden ist. Dies könnte erklären, warum der Eintrag „streng“ in dem Kreis der Wörternetze steht und trotz keiner deutlichen semantischen Verbindung mit dem vorherigen Kreis „Note“ verknüpft worden ist. Darüber hinaus ist es bedenkens‐ wert, dass das Wort trotz einer viel geringeren Aufmerksamkeit (im Vergleich mit den überdurchschnittlich fixierten Wörtern) in dem Lernprodukt der Probandin vorkommt. Die Vermutung liegt nahe, dass das Wort bei der Probandin eine starke Emotion ausgelöst hat. Dafür spricht die Tatsache, dass die im Prozess der Bearbeitung der Aufgaben erlebten Emotionen die Weise und Effizienz der gleichzeitigen Verarbeitung der wahrgenommenen 162 7 Datenauswertung und -analyse 100 Das Blickverhalten bezüglich der Bilder beim Selbstlernen wird nach der Datenanalyse in Kapitel 7.4 zusammenführend diskutiert. 101 Die Forschungsdaten werden in Kapitel 6.4 zusammengeführt und die Diskussion über Wortschatz‐ erwerb und Medienwahl findet sich in Kapitel 7.4.4.3. Informationen beeinflussen können (vgl. Artelt 2000: 131). Die Inhalte, die bei der Infor‐ mationsverarbeitung in einer bestimmten Stimmung wahrgenommen wurden, werden häufiger von den Lernenden wiedergegeben, wenn sie bei der Wiedergabe ein ähnliches Gefühl (wie bei der Informationsverarbeitung) haben (vgl. ebd.). Das Wort „streng“ kommt aus einer Aussage von Aufgabe 22a und es geht darum, dass der chinesische Lehrende in dem Text der Aufgabe nicht als lustig, sondern als streng bewertet wird. Diese Äußerung, dass chinesische bzw. asiatische Lehrkräfte streng und nicht lustig sind, wird von der Probandin als eine unsachliche Bewertung bzw. ein Klischee angesehen. Im Laufe der Zeit liegt eine Änderung der Lehrkultur mit der didaktischen Entwicklung in China vor und heutzutage bemühen sich viele chinesische Lehrkräfte, eine lockere Lernatmosphäre im Klassenzimmer zu schaffen. Nach der Meinung der Probandin sollte eine solche Aussage nicht in einem Lehrwerk vorkommen, denn in dieser Aussage geht es nicht um eine einzelne Person, sondern sie ist eine Äußerung bzw. eine Bewertung bezüglich aller chinesischen Lehrkräfte, was der Wahrheit nicht vollständig entspricht. Aus diesem Grund hat die Probandin im Anschluss daran den Satz überflogen, was bedeutet, dass beim Selbstlernen keine hohe Aufmerksamkeit darauf gerichtet wurde. Jedoch wurde das Wort wegen einer Emotion im Kopf behalten, sodass das Wort bei der nachträglichen Entwicklung der Wörternetze wiedergegeben worden ist. Angesichts der Tatsache, dass die Kapazität der Informationsverarbeitung eines Menschen im Wesentlichen begrenzt ist und die Emotionen diese Kapazität auch zum Teil beeinflussen können (vgl. ebd.), ist es nachvollziehbar, dass die ausgelösten Emotionen bei der Informationswahrnehmung die zu dem Zeitpunkt ablaufende Verarbeitung der wahrgenommenen Information fördern oder behindern können. In diesem Zusammenhang lässt sich auch erklären, warum die Wörter, die auf dieser Übung bzw. auf dieser Buchseite vorkommen, von der Probandin nach dem Lernen beim Entwickeln ihrer Wörternetze kaum wiedergegeben worden sind. Bezogen auf die gestellte Forschungsfrage über die Informationswahrnehmung lässt sich vergleichend mit den Ergebnissen der beiden vorgestellten Probandinnen erkennen, dass die beiden Teilnehmenden dieser Untersuchung beim Selbstlernen mit dem Buch bzw. bei der Informationsaufnahme die bildlichen Reize im Buch wenig berücksichtigt haben. Obwohl die Probandin Nr. 3 zu Beginn des Selbstlernens die Fotos auf der ersten Buchseite (siehe Abb. 7-10) aktiv angesehen hat, hat sie aber danach erst die Fotos betrachtet, wenn sie für das Erledigen der Aufgaben notwendig waren. 100 Die Entwicklung der Wörternetze betreffend ist durch den Vergleich der Beispiele der beiden Probanden auch zu erkennen, dass sich die Wörternetze von ihnen deutlich entwickelt haben. Dabei liegen einige Unterschiede vor. Beispielsweise werden die sprachlichen Zeichen „intelligent“, „faul“ und „fleißig“ etc. von den beiden Probanden beim Selbstlernen (während der Fixationen) wahrgenommen, aber die Wörter werden mit den unterschiedlichen Einträgen in den jeweiligen Wörternetzen verbunden, was darauf hindeuten kann, dass diese sprachlichen Zeichen als lexikalische Einheiten in ihrem jeweiligen mentalen Lexikon auch anders angeordnet werden. 101 Durch die anderen gezeigten Beispiele der Probandin Nr.-3 ist auch 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 163 102 Die Diskussion bezüglich der Länge der Blickfixationen findet sich in Kapitel 7.4.4.2. zu erkennen, dass viele Einträge in den Wörternetzen diejenigen Wörter darstellen, die auf den Textstellen mit der roten Markierung in den Heatmaps stehen. Jedoch gibt es auch eine kleine Menge von Wörtern, die zwar (nach den Heatmaps) nicht besonders lange fixiert, aber in die Wörternetze eingetragen worden sind. 102 Nach dem Modell der Sprachverarbeitung ist es denkbar, dass diese Wörter diejenigen darstellen, die vor der Studie bereits im mentalen Lexikon der Lernenden vorhanden waren, aber erst nach der visuellen Wahrnehmung beim Selbstlernen aktiviert worden sind. Im Folgenden werden die Ergebnisse des dritten Teilnehmenden dieser Untersuchung vorgestellt, wobei es auch einige Auffälligkeiten gibt. 7.2.1.1.3 Proband Nr.-14 In der ersten Studie wurde Proband Nr. 14 nach dem Zufallsprinzip auch der Gruppe A zugeteilt und als Germanistik-Studierender hat er ebenso schon ein Jahr Deutsch gelernt. Beim Lernen konzentrierte er sich auf die Verbesserung der Fertigkeit Hören, denn er hatte oft Schwierigkeiten mit dem Hörverstehen. Genauso wie die Probandin Nr. 3 hatte dieser Proband auch einige Erfahrungen mit dem Selbstlernen und er lernte ungefähr drei bis vier Mal in der Woche die deutsche Sprache nach dem Unterricht eigenständig. Im Normalfall verwendete er das Lehrbuch und das Arbeitsbuch als Materialien für das Selbstlernen. Mit dem Umgang mit dem Internet (für alltägliche Zwecke) ist er wie andere Studienteilnehmende vertraut und er verwendet das Internet unter anderem für die Recherche von Literatur für sein Studium. Für das Selbstlernen benutzte er mitunter auch das Internet bzw. internetgestützte digitale Angebote. Dort versuchte er, weitere Beispiele und ausführliche Erklärungen für sprachliches Wissen zu finden. Das Ziel besteht darin, dass die im Buch nicht leicht verständlichen (oder schwer zu erklärenden) Lernin‐ halte durch ergänzende Online-Ressourcen von ihm besser verstanden werden können. Des Weiteren suchte er gelegentlich noch Übungen als Zusatz, die sein Lerninteresse erwecken. In seinem Deutschunterricht wurden digitale Medien manchmal auch von seinen Lehrenden eingesetzt. Beispielsweise wurden Videos zum Zweck der Verbesserung der Lehrqualität oder als Ergänzungsmaterialien im Kurs abgespielt. Für die Sprachkurse wurden auch Power-Point-Präsentationen von seinen Deutschlehrenden benutzt. All dies deckt sich auch mit der Beschreibung hinsichtlich der Nutzung der digitalen Medien für das Deutschlernen, wie es bei den ersten zwei vorgestellten Probanden der Fall ist. Kurz gesagt verfügte der Proband im Vergleich mit den anderen Probanden und Probandinnen über mehr Erfahrungen hinsichtlich des Umgangs mit dem Internet bzw. mit den digitalen Lernangeboten. In diesem Kapitel wird gezeigt und beschrieben, wie er als Mitglied der Gruppe A beim Selbstlernen mit einem Buch umgeht. 164 7 Datenauswertung und -analyse 103 Anmerkung zu den roten Pfeilen: Für das Lesen mit dem Buch musste der Proband eine Brille tragen. In diesem Fall sollte das zusätzliche Zubehör für die Probanden mit einer Sehhilfe mit dem Eyetracker (Tobii Pro Glass 2) zusammen verwendet werden. Leider war kein Zusatzzubehör vom Eyetracker für die Probanden mit einer Sehhilfe bei der Durchführung der vorliegenden Untersuchung vorhanden. Daher musste der Proband den Eyetracker über seiner Brille tragen. Hinzu kam, dass die Brillengläser des Probanden und die Brillenfassung dick waren. All dies führte dazu, dass der Eyetracker (ohne zusätzliches Zubehör) aufgrund der Refraktion (durch die Brille und die Fassung) in einem bestimmten Winkel die Augenbewegungen des Probanden nicht so exakt detektieren und erfassen konnte, obwohl eine gute Kalibrierung vor dem Beginn des Einsatzes des Eyetrackers erfolgte. In diesem Zusammenhang liegt eine offensichtliche, aber akzeptable Abweichung hinsichtlich seiner Augenbewegungen zu der Stelle der Übung 1b auf der Buchseite wegen des Winkels der Augäpfel in dem Gazeplot vor. Die von dem Eye-Tracker erfassten Stellen verlagern sich horizontal nach links, was auch in der entsprechenden Heatmap (Abb. 7-18) zu sehen ist. Diese Abweichung lässt sich zwar durch das Programm Tobii Pro Lab manuell modifizieren, aber darauf wurde vom Verfasser verzichtet, weil die Zahl der betroffenen Fixationen zu dieser Seite nicht gering ist. Die ganzheitliche Authentizität der Daten zur Stelle könnte vermutlich reduziert werden, wenn alle betroffenen Fixationen manuell modifiziert würden. Um eine möglichst hohe Authentizität zu garantieren, werden die zusätzlichen roten Pfeile als Lösung bzw. Alternative zum Zeigen der tatsächlich betrachteten Bereiche verwendet. Dies ist eine Alternative zum Abgleich der betroffenen Daten auf der Übung 1b bzw. zur Modifizierung jedes einzelnen Fixationspunkts, der wegen der Brille des Probanden nicht exakt erfasst wurde. Als Vorteil dieses Vorgehens kann eine potenzielle sekundäre Abweichung hinsichtlich der Augenbewegungsdaten vermieden werden, die durch einen manuellen Abgleich verursacht wird. Abb. 7-17: Gazeplot des Probanden Nr.-14 (die erste Seite der Materialien) 103 Abbildung 7-17 zeigt, wie der Proband Nr. 14 die erste Seite des Buchs gelesen hat. Aus dem Blickverlauf lässt sich in Verbindung mit dem Video-Replay vermuten, dass er zu Beginn des Selbstlernens unsicher war, mit welcher Aufgabe er anfangen sollte. Für diese Vermutung spricht die Tatsache, dass es nach dem Gazeplot mehrere große Sakkaden gab 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 165 und die ersten Blicke sich auf verschiedene Stellen der Buchseite verteilten. Sein erster Blick ist auf die Aufgabe 1b gefallen und danach verweilte seine Aufmerksamkeit kurz auf dem unten links stehenden Foto. Im Anschluss daran hat der Proband Aufgabe 1a angeschaut und danach wieder Aufgabe 1b. Anschließend hat er zwischen diesen Aufgaben und dem oben erwähnten Bild wieder hin und her gesehen. Durch solches Überfliegen versuchte er zum einen, möglichst schnell einen groben Überblick im Hinblick auf den Inhalt der Seite zu erhalten. Nach seinem retrospektiven Lauten Denken versuchte er zum anderen, dadurch zu erfahren, ob es einen Zusammenhang zwischen den Bildern und den Aufgaben gab. Eine Weile hat er die Wörter gelesen, die auf der linken Seite der Übung 1 b stehen, anschließend hat er mit Übung 1b bzw. ihrer Abbildung über das Zwischenzeugnis begonnen. Im Vergleich zu den zwei bereits vorgestellten Probandinnen liegt bei dem Probanden eine Besonderheit vor. Während er das Zwischenzeugnis las, schaute er zuweilen das rechts unten stehende Foto an, auf dem eine Figur bzw. ein Junge auf dem Sessel sitzt. Anders als die zwei Probandinnen hat der Proband (initiativ) auf das Foto fokussiert und dabei seine Aufmerksamkeit auf den vor dem Jungen positionierten Tisch gewendet. Es lässt sich sagen, dass die bildlichen Elemente die Aufmerksamkeit dieses Probanden auf sich gezogen haben. Allerdings ist es bei den anderen drei Fotos nicht der Fall. Dabei ist es von Interesse, ob die wahrgenommenen bildlichen Elemente als Einträge in den Wörternetzen vorkommen. Dies wird durch weitere Beispiele in diesem Teilkapitel aufgezeigt. Abb. 7-18: Heatmap des Probanden Nr.-14 (die erste Seite der Materialien) Als die entsprechende Heatmap visualisiert die Abbildung 7-18 die Verteilung der Intensität des Betrachtens dieses Probanden auf die verschiedenen Bereiche bzw. die Reize auf der ersten Buchseite. Wie in der letzten Fußnote zu dem Gazeplot (siehe Abb. 7-17) beschrieben, zeigen die roten Pfeile die tatsächlichen Positionen der visuellen Aufmerksamkeit zur 166 7 Datenauswertung und -analyse Übung 1b. Die tatsächlichen Stellen der visualisierten Augenbewegungsdaten sind die Positionen, die sich basierend auf den vorgezeigten Stellen noch ein wenig nach rechts verschieben, wie die roten Pfeile in der Heatmap (siehe Abb. 7-18) zeigen. In Anlehnung an die vorliegende Heatmap lässt sich deutlich erkennen, dass der Proband zwar mehrmals die Fotos angeschaut hat, aber nicht lange fixiert. Die intensiven Fixationen bzw. die durch die rote Farbe markierten Stellen liegen auf den textlichen Reizen, genauso wie bei den oben angesprochenen Teilnehmerinnen der Studie. Daraus ist zu erkennen, dass die textlichen Reize für die Lernenden bei ihrem Selbstlernprozess die Hauptquelle der Informationen darstellen. Die besonders intensiv fixierten Wörter sind „Zwischenzeugnis“, „Gymnasium“, „Note“, „Schüler“, „Nicki“, „Deutsch“, „Sport“, „Musik“, „Schuljahr“, „schaffen“, „Referat“, „halten“, „Abitur“, „Schule“ „besucht“ und „Abschlussprüfung“. Abb. 7-19: Wörternetze des Probanden Nr.-14 (1. Studie) In der vorliegenden Abbildung geht es um die Wörternetze, die vom Probanden Nr. 14 nach allen Lerneinheiten generiert wurden. Im theoretischen Rahmen der Bedeutungsdi‐ mensionen und wortspezifischen Sinnrelationen (vgl. Kapitel 3.1 und Kapitel 3.2) lässt sich vor allem beobachten, dass der Proband vor dem Selbstlernen viele themenbezogene lexikalische Einheiten aus dem mentalen Lexikon abgerufen hat und die schwarzen Einträge durch verschiedene Beziehungen angeordnet worden sind. Dies könnte dafür sprechen, dass der Proband vor der Studie bereits über einen bestimmten Umfang des Wortschatzes zum Thema der ersten Studie verfügt hat. Gegenüber den gegebenen zwei Stichwörtern hat der Proband an viele Wörter gedacht, die sich auf die Erwerbstätigkeit beziehen. Mit den Stichwörtern wird beispielsweise das Wort „Beruf “ verbunden, das als ein wichtiger Knoten weitere lexikalische Assoziationen ausgelöst hat. Mit dem Wort „Beruf “ hat er die Wörter über Berufstätigkeit weiter assoziiert, was durch die Wortfolge bzw. das Wortfamiliennetz „Beruf - Arbeitszeit - Arbeitsort - zur Arbeit gehen“ als Beispiel gezeigt 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 167 104 Das Wort „Schule“ in den Wörternetzen des Probanden (siehe Abb. 7-19) wird durch ein blaues Sternchen gekennzeichnet, denn es wird nicht nur einmal vor dem Beginn des Selbstlernens mit den gegebenen Stichwörtern assoziiert. Es wird nach den ersten beiden Lerneinheiten von dem Probanden erneut generiert. 105 Dieser Aspekt wird in Kapitel 8 diskutiert. werden kann. Mit dem Wort „Beruf “ kann eine andere Richtung der lexikalischen Verbin‐ dung beobachtet werden, wobei ihm einige Wörter möglicherweise unter dem Konzept Work-Life-Balance in Verbindung mit seinen Hobbys einfallen („Beruf - Hobby - Spaß machen“ oder „Beruf - Hobby - Gitarre/ Klavier - spielen“). Darüber hinaus ist eine dritte lexikalische Vorstellung erkennbar, wobei das Wort „Beruf “ durch Berufsbezeichnungen konkretisiert wird. Als Beispiel dafür ist die Wortfolge „Beruf - Lehrer - Bücher - Text“ denkbar. Ganzheitlich lässt sich erkennen, dass die Ausbildung und die Karriere als eine Einheit des gedanklichen Konzepts bei dem Probanden näher mit der Arbeitswelt verknüpft werden, obwohl das Wort Ausbildung auch eine schulische Seite bzw. die Vermittlung von Kompetenzen und Kenntnissen an einen Menschen in einer Bildungsinstitution enthält. Jedoch ist aus den Wörternetzen des Probanden entnehmbar, dass eine bestimmte Menge an Wörtern hinsichtlich der Schule nach dem Selbstlernen, besonders nach den ersten beiden Lerneinheiten, zu seinen Wörternetzen hinzugefügt worden ist. Sollten die vom Probanden produzierten Wörternetze mit der Heatmap kombiniert werden, lässt sich ein Teilnetz, das auf die erste Seite des Kursbuchs zurückzuführen ist, auf der linken Seite der gesamten Wörternetze des Probanden finden. Das Teilnetz ist in Abbildung 7-19 durch einen roten Kreis gekennzeichnet und das Subnetz enthält folgende Wörter: „Schule“ 104 , „Gymnasium“, „Abitur“, „Schein“, „Zeugnis“, „Prüfung“, „Abschlussprüfung“, „Abschluss“ und „Note“. Zum einen lässt sich sehen, dass die meisten Bestandteile des Teilnetzes die Wörter darstellen, die der Proband beim Lesen dieser Seite überdurchschnittlich intensiv betrachtet hat. Es ist zum anderen auffällig, dass die im Teilnetz vorhandenen Wörter mehrere Zweige bilden können. Mit anderen Worten sind sie nicht durch eine Linie nacheinander verbunden, sondern durch mehrere Linien zusammengehalten, was dazu führt, dass sich das Teilnetz nicht eindeutig interpretieren lässt. 105 Zum Beispiel bezieht sich die Folge des Teilnetzes „Schule - Gymnasium - Zeugnis - Prüfung - Note“ mit höherer Wahrscheinlichkeit auf Aufgabe 1a. Diese Einträge wurden von dem Probanden nach dem Prinzip der Kontiguität miteinander verbunden, was eine Teil-Ganzes-Relation impliziert (vgl. Kapitel 3.2). Parallel findet sich auch die Folge „Schule - Gymnasium - Abitur - Abschlussprüfung - Abschluss/ - Prüfung“ und diese Folge steht inhaltlich in einem engeren Zusammenhang mit Aufgabe 1b. Diese Folge fällt im Vergleich mit den anderen Folgen auf, weil es mindestens drei lexikalisch-semantische Relationen gibt. Ebenso wie die vorherige Folge sind manche Wörter durch eine räumliche Nähe verbunden (Schule - Gymnasium - Abitur). Außerdem liegt auch eine zeitliche oder episodische Verbindung vor (Abitur - Abschlussprüfung - Abschluss). Ferner ist noch ein kleines Wortfamiliennetz zu sehen, wobei ein zusammengesetztes Wort von dem Probanden („Abschlussprüfung“) mit zwei Stammwörtern versehen wird (Abschlussprüfung - Abschluss/ - Prüfung). Außerdem lässt sich auch erkennen, dass der Bestandteil des Teilnetzes „Prüfung“ mit den vor dem Lernen geschriebenen Wörtern verknüpft wird. Zum Beispiel verbindet der Proband das Wort „Prüfung“ mit dem Wortkreis „Sprach und Hören (Sprechen und Hören)“, was er in 168 7 Datenauswertung und -analyse seinem Studienalltag oft macht. Trotz der Schwierigkeit einer eindeutigen Interpretation des Teilnetzes lässt sich sagen, dass die Aufgabe bzw. die Übungen 1a und 1b bei dem Probanden den didaktischen Zweck adäquat erfüllt haben. Zum einen wurden die meisten Wörter, die im Buch als Lernwortschatz angesehen werden, von dem Probanden intensiv betrachtet und gut erfasst. Diese Wahrnehmung wird durch das oben erwähnte Subnetz seiner Wörternetze wiedergegeben. Zum anderen werden die Wörter, die neu gelernt und in die Netze eingetragen wurden, von dem Probanden initiativ mit anderen (vorhandenen) Wörter verbunden. Dies bedeutet, dass die sprachlichen Zeichen beim Selbstlernen nicht nur durch die Blickfixationen wahrgenommen, sondern auch während dieser visuellen Wahrnehmung in die anderen bereits vorhandenen Repräsentationen im mentalen Lexikon integriert worden sind. Auf der theoretischen Grundlage der visuellen Wahrnehmung (vgl. Kapitel 5.1) lässt sich erkennen, dass sich eine tiefergehende kognitive Verarbeitung der visuell wahrgenommenen Informationen beim Lernprozess mit dem Buch vollzogen hat, was durch das bei chinesischen DaF-Lernenden oft beobachtete Lernverhalten und durch Vorerfahrung hinsichtlich der Nutzung der gedruckten Lernangebote für das Fremd‐ sprachenlernen (vgl. Kapitel 4.2 und 4.3) unterstützt werden kann. Durch diese kognitive Informationsverarbeitung wird ermöglicht, die visuell aktivierten Repräsentationen mit anderen neuen oder bereits vorhandenen lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon miteinander zu verbinden, was die Anordnung der erwähnten Einträge mit den verschie‐ denen Sinnrelationen (vgl. Kapitel 3.1 und Kapitel 3.2) verbundenen erklären kann. Abb. 7-20: Gazeplot des Probanden Nr.-14 (Teil C) In Abbildung 7-20 geht es um die Blickverläufe des Probanden über dessen Lesen von Teil C im Buch. In erster Linie ist auffällig, dass die grafische Darstellung bezüglich des deutschen Schulsystems die Aufmerksamkeit des Probanden auf sich gezogen hat, 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 169 106 Das Blickverhalten bezüglich der Bilder in den Materialien wird nach der Datenanalyse zusammen‐ führend diskutiert (vgl. Kapitel 7.4.). genauso wie bei der Probandin 1 (siehe Abb. 7-8). Im Vergleich zu der Probandin hat sich ein größeres Interesse des Probanden in dieser Grafik gezeigt, denn der Proband hat mehr Augenmerk auf dieses bildliche Element der Buchseite gerichtet. 106 Der erste Kreis, der die Fixationen des Probanden repräsentiert, befindet sich im blauen Block der Tabelle, in dem Universität/ (Fach-)Hochschule steht. Anschließend kam eine Sakkade vor und mehrere Blöcke der Tabelle wurden übersprungen. Der zweite Fixationspunkt liegt im gelben Block über Grundschule. Im Anschluss daran hat der Proband rückläufig wieder auf die Stelle des blauen Blocks geschaut, die in der Nähe von Fixationspunkt 1 ist, was als eine Regression (vgl. Kapitel 5.1) angesehen wird (Fixationspunkt 3). Nach dieser Regression und einem kurzen Blick auf den blauen Block beginnt der Proband, die Aufgabenstellung von Übung C1 zu lesen (Fixationspunkte 5 bis 8). Außerdem ist aus diesem Gazeplot zu entnehmen, dass sich die Blickverläufe zu drei Übungen auf der Seite segmentieren lassen. Eine Ausnahme ist, dass der Proband während der Übung C2 die Übung C1 angeschaut hat. Diese Erscheinung ist nicht zu sehen, wenn der Proband die Aufgaben von Übung C3 löste. Ein Grund dafür ist, dass Übung C2 eine Hörübung darstellt. Beim Hörverstehen sind die Augenbewegungen des Probanden oder der Menschen nicht „selbstständig“, was bedeutet, dass die Richtung der Bewegungen des Augapfels durch externe Faktoren beeinflusst werden kann. Ein Faktor davon ist die Audiodatei, welche die Augenbewegungen der Menschen lenken kann. Beispielsweise betrachtete der Proband die zweite Figur bzw. das Foto von Alexandre Rochat, wenn die Figur in der Audiodatei etwas äußerte. Als Beispiele sind die Fixationspunkte 121 bis 123 oder die Folge der Kreise 179 bis 185 in Abbildung 7-20 denkbar, wobei jeweils eine große Sakkade zu sehen ist. Im Interview (Audiodatei) erzählte die Figur Alexandre Rochat von seiner Zeit in der Schule und zu diesem Zeitpunkt schaute der Proband wieder auf die Blöcke von Kindergarten und Krippe in Übung C1, was das Vorkommen des Kreises 127 erklären kann. Dies kann als weiteres Beispiel dafür angesehen werden, dass die Audiodaten bei Hörübungen die Augenbewegungen der Lernenden beeinflussen können. Ferner ist noch erwähnenswert, dass die visuelle Aufmerksamkeit bzw. das Blickverhalten der Lernenden beim Hören ihre Gedanken und Gefühle nicht aussagekräftig repräsentieren kann. Dies liegt daran, dass die Lernenden die Fokussierung der auditiven Wahrnehmung präferieren, wenn sie Hörübungen machen. Die meisten Schlüsselinformationen zur Lösung der Aufgaben sind in den meisten Fällen grundsätzlich erst durch die auditive Wahrnehmung zu erhalten, daher kann es in solchen Fällen nicht sehr relevant sein, in welche Richtung sich die Augäpfel wenden. Das kann vermutlich erklären, warum der Proband während des Hörverstehens eine leere Stelle der Seite zwischen den Übungen C1 und C2 betrachtet. Durch das oben beschriebene Blickverhalten ist die Rolle der Bildmaterialien indirekt zu erkennen. Trotz der visuellen Abhängigkeit (vgl. Kapitel 2.2.4) wurden textliche Elemente oder Leerstellen der Buchseite häufiger betrachtet als die dort vorhanden Bilder (die Diskussion im Hinblick auf die Funktion von Bildern vgl. Kapitel 7.4.4.1). Im Folgenden wird die entsprechende Heatmap aufgezeigt, damit die Intensität der visuellen Aufmerksamkeit visualisiert wird. 170 7 Datenauswertung und -analyse 107 Die Diskussion im Hinblick auf das Betrachten von Bildern findet sich in Kapitel 7.4.4.1. Abb. 7-21: Heatmap des Probanden Nr.-14 (Teil C) Aus der entsprechenden Heatmap (siehe Abb. 7-21) zu Teil C ist vor allem zu entnehmen, dass die grafische Darstellung betreffend das deutsche Schulsystem ebenso viel Aufmerk‐ samkeit erregt hat wie die Texte auf dieser Buchseite. In Kombination mit der Handlung über das Betrachten des letzten Fotos auf der ersten Buchseite (siehe Abb. 7-17 und Abb. 7-18) lässt sich vermuten, dass die bildlichen Elemente die Aufmerksamkeit des Probanden leichter auf sich ziehen können, bei denen der Probanden mitdenken oder eine analytische Handlung ausführen muss. Mit anderen Worten ist es möglich, dass die Bildmaterialien, deren inhaltlichen Zusammenhänge erst durch eine Auseinandersetzung seitens der Lernenden aller dort vorhandenen Elemente (zum Beispiel Layout, textliche Reize, Ziffer in der Skala etc.) erfasst werden können, die visuelle Aufmerksamkeit des Probanden leichter erregen können. Damit kann begründet werden, dass mehrere rote Markierungen auf dieser Grafik liegen und im Vergleich dazu die drei Fotos in der nächsten Übung C2a, wie die meisten Fotos auf der ersten Buchseite (siehe Abb. 7-17 und Abb. 7-18), im Wesentlichen kaum berücksichtigt wurden. Allerdings ist es erwähnenswert und fraglich, ob die grafische Darstellung deshalb betrachtet wurde, weil es dort viele textliche Informationen gibt, welche die Hauptquelle der Informationen in dieser Übung darstellt. Es ist somit schwierig zu identifizieren, worauf die Blickfixationen zurückzuführen ist: Wegen der (ganzen) Grafik selbst oder eher lediglich wegen der dort vorhandenen textlichen Reize? Diese Frage basiert darauf, dass die roten Markierungen, genau genommen, auf den textlichen Reize der grafischen Darstellung gelegen sind. Dabei stellt zudem die Rolle der grafischen Darstellung und der Fotos für das Erledigen der jeweiligen Aufgaben auch einen Faktor für die visuelle Aufmerksamkeit dar. 107 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 171 In Bezug auf die Augenbewegungen auf die textlichen Elemente ist ersichtlich, dass die Fixationen besonders auf den Bereichen liegen, wo es viele Wörter oder einen langen Satz gibt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass er zu einem besseren Verständnis mehr Konzentration für die Informationsverarbeitung aufwenden musste. Auf dieser Buchseite wurden folgende Wörter besonders intensiv fixiert: „Hauptschulabschluss“, „Hauptschule“, „Mittelschule“, „Grundschule“, „Realschule“, „Abitur“, „und“, „ist“, „Mechatroniker“, „ma‐ chen“, „toll“, „zur Schule“, „Mathe“, „Lieblingsfach“, „Mathematik“, „Fächer“, „weil“, „meine Note“ und „echt“. In Kombination mit der Heatmap lassen sich drei themenbezogene Wortfolgen in den Wörternetzen sehen, die an das Wort „Schule“ anschließen: „Schule - Berufsschule“, „Schule - Realschule“ und „Schule - Fach - Lieblingsfach/ - Kurs“ (siehe Abb. 7-19). Der Output entspricht zwar den Augenbewegungen des Probanden, aber der Anteil der Wörter, die intensiv betrachtet und in die Wörternetze eingetragen wurden, ist gering. Auf der Grundlage der Modelle im Hinblick auf das mentale Lexikon in Kapitel 2.2 liegt hierbei die Vermutung nahe, dass die konzeptuell-lexikalische Verbindung zwischen „Ausbildung“ und „Arbeit“ nach den ersten zwei Lerneinheiten stärker war als die gedankliche Verbindung des Wortes „Ausbildung“ zum Konzept „Schule/ Studium“. Es lässt sich sehen, dass der Proband nur die Einträge „Realschule“ und „Berufsschule“ in der Wortfolge unter dem Thema „Ausbildung“ geschrieben hat. Die Wörter „Grundschule“ und „Mittelschule“ sowie das Wort „Hauptschulabschluss“ wurden zwar auch intensiv betrachtet, jedoch wurden sie nicht in die Wörternetze eingetragen, auch wenn sie sich auf das Thema „Ausbildung“ beziehen. Dies ist vermutlich damit zu begründen, dass der Zusammenhang zwischen der „Ausbildung“ bzw. der Berufsausbildung und den oben erwähnten Wörtern nach Ansicht des Probanden unter dem Einfluss der Tabelle über das deutsche Schulsystem nicht sehr eng ist. Dies kann auch darauf hinweisen, dass die konzeptuelle Verbindung zwischen der Ausbildung und der Erwerbstätigkeit stärker ist als die Verknüpfung der Ausbildung zu den Konzepten in den schulischen Kontexten. 172 7 Datenauswertung und -analyse 108 Wegen der Brille des Probanden gibt es in diesem Gazeplot eine kleine Abweichung. Die tatsächlich erfassten Stellen sollten sich ein wenig vertikal nach unten verlagern. Das gilt auch für die entsprechende Heatmap. 109 Die fünfte Textpassage ist wegen Platzmangels auf der nächsten Seite des Buchs positioniert. 110 Die Gesamtzahl der Fixationspunkte beträgt 721. 111 Hierbei werden alle Textpassagen als ein Ganzes angesehen. Abb. 7-22: Gazeplot des Probanden Nr.-14 (Teil E des Buchs) 108 Als ein weiteres Beispiel über die Ergebnisse des Selbstlernens des Probanden wird das Gazeplot (siehe Abb. 7-22) vorgestellt. Es visualisiert die Blickverläufe des Probanden, bis er die Seite zu Teil E (genauer gesagt, Aufgabe E1a) im Kursbuch durchgelesen hat und die Aufgaben gelöst hat. Das Thema in Teil E bezieht sich auf den Traumberuf und in diesem Teil ist ein sehr langer Fließtext vorhanden. Die Übung E1a ist eine Aufgabe zum Leseverstehen, wobei neun Wörter bzw. Berufsbezeichnungen angeboten werden. Darunter steht der lange Text, der aus fünf Textpassagen 109 besteht. Bei den jeweiligen Textpassagen handelt es sich um einen Beitrag einer befragten Person zum Thema. Dort sprechen die Personen darüber, was ihre Traumberufe waren und was sie derzeit beruflich machen. In der Aufgabe werden die Lernenden aufgefordert, die oben vorgegebenen Wörter den Textpassagen zuzuordnen. Da eine große Menge von Blickkreisen 110 auf dieser Seite vorliegt, ist ausschließlich durch das Gazeplot nicht exakt zu analysieren, wie der Proband den ganzen Text gelesen bzw. die ganze Übung gelöst hat. Für die Datenauswertung ist ein Review bzw. ein Video-Replay erforderlich, welches vom Eyetracker beim Selbstlernen bzw. beim Leseprozess des Probanden zu dieser Seite aufgenommen wurde. In Anlehnung an die nummerierte Reihenfolge im Gazeplot mit dem Video-Replay ist erkennbar, dass der Proband auf eine geordnete Weise von Anfang bis zum Ende mit diesem langen Text 111 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 173 umgegangen ist. Ohne die Aufgabenstellung der Übung zu lesen, wurde der Proband zu Beginn direkt von den vorgegebenen Wörtern hinsichtlich der Berufsbezeichnungen an‐ gezogen, denn die Wörter haben einen viereckigen braunen Hintergrund bzw. eine braune Zeichenschattierung. Im Vergleich dazu ist die gesamte Übung in blauer Farbe repräsentiert, was dazu führen kann, dass die Wörter wegen der Farbe der Zeichenschattierung auffällig sind. Danach hat er die Sätze in dem direkt darunter stehenden Block mit dem blauen Hintergrund gelesen. Die Sätze stellen zwar keine weitere Aufgabenstellung dar, aber sie tragen zu einem weitergehenden thematischen Einstieg bei. Im Anschluss daran hat er von oben bis unten die Texte bzw. die folgenden Textpassagen gelesen. Inzwischen schaute der Proband wieder die vorgegebenen Berufsbezeichnungen an. Beispielsweise hat er die Wörter betrachtet, nachdem er einen Textabschnitt durchgelesen hatte. Nach dem Durchlesen versuchte er, ein Wort bzw. eine passende Berufsbezeichnung zu finden und zuzuordnen. Außerdem ist in diesem Gazeplot festzustellen, dass der Proband einige Aufmerksamkeit auf die Fotos der ersten zwei Figuren in der Aufgabe verwendet hat, wie die Fixationspunkte 73, 74, 168 und 244 zeigen. Allerdings wurden die Fotos der dritten und nachfolgenden Figuren bzw. Fotos nicht mehr angeschaut, was darauf zurückzuführen ist, dass der Proband gespürt hat, dass die Fotos bei einem besseren Verständnis nicht wirklich helfen können. Dies lässt sich auch durch die Ergebnisse des retrospektiven Lauten Denkens bestätigen. Dieses Ergebnis oder die Meinung des Probanden ist in Kombination mit den bereits dargestellten Beispielen spannend für den Einsatz der Bildmaterialien seitens der Didaktiker*innen, was in Kapitel 7.4.4 ausführlich diskutiert wird. Abb. 7-23: Heatmap des Probanden Nr.-14 (Teil E) Abbildung 7-23 zeigt die entsprechende Heatmap zu der Seite über den Teil E des Kursbuchs. In Verbindung mit dem Gazeplot (siehe Abb. 7-22) ist aufgefallen, dass das Thema der Übung sowie der Titel der Aufgabe von dem Probanden kaum fixiert wurden. Er interessierte 174 7 Datenauswertung und -analyse 112 Anmerkung: Die Lerneinheit bei diesem Probanden fand direkt nach der letzten Lehrveranstaltung seiner Universität statt. Im retrospektiven Lauten Denken hat er ergänzt, dass er zu diesem Zeitpunkt bzw. beim Umgang mit diesem langen Text von Zeit zu Zeit geistesabwesend war. sich eher dafür, was in dem blauen Block der Aufgabe steht. Da der Proband mit den Aufgaben zum Leseverstehen sehr vertraut ist, wusste er ohne das detaillierte Lesen der Aufgabenstellung schon, was für eine Art der Leseübung es war. Im Vergleich zur generellen Aufgabenstellung oder zum Titel der Aufgabe war er eher gespannt darauf, ob weitere oder genauere Informationen zur Lösung der vorliegenden Aufgabe in diesem blauen Block verfügbar sind. Dies kann durch das Ergebnis seines retrospektiven Lauten Denkens unterstützt werden. Was die Fotos der Figuren betrifft, ist es auch deutlich zu erkennen, dass die Fotos der ersten zwei Figuren zwar von dem Probanden fokussiert worden sind, jedoch die Intensität des Fokus im Vergleich mit dem Text nicht hoch ist. Aus dem Schaubild ist ersichtlich, dass die textlichen Elemente (auf der Seite) wie gewohnt bei diesem Probanden eine dominierende Rolle spielen und eine große Aufmerksamkeit beim Probanden erregt haben. Darüber hinaus ist zu ersehen, dass viele intensive Fixationen auf den Stellen liegen oder um die Stellen der Seite positioniert sind, wo es eine Lücke im Text gibt. Es ist denkbar, dass die visuelle Aufmerksamkeit hierbei wegen der Aufgabenbearbeitung beeinflusst wird, denn der Proband musste Zeit für die Wahrnehmung und auch die Verarbeitung der dort vorhandenen Informationen investieren, um die Aufgabe zu bewältigen. Eine Ausnahme befindet sich in der vierten Textpassage und die meisten Fixationen des Probanden liegen auf den Sätzen, die vor der ersten Lücke in diesem Abschnitt stehen. Eine kleine mittelmäßige Fixation liegt danach erst auf dem Bereich zwischen den ersten und den zweiten bzw. letzten Lücken. Eine Ursache dafür kann darin bestehen, dass er nach dem Lesen der ersten drei Textpassagen wegen des Mangels an Energie ein wenig unkonzentriert war. 112 Als Vermutung kann dieser Faktor auch dafür verantwortlich sein, dass der Proband zum Lösen dieser Aufgabe eine Ausschlussmethode verwendet hat. Das Gazeplot zu dieser Seite (siehe Abb. 7-22) ergibt, dass der Proband im Allgemeinen den Text von oben bis unten gelesen hat. Jedoch ist basierend auf der Abbildung auch erkennbar, dass die Aufgabe von dem Probanden Abschnitt für Abschnitt gelöst wurde. Das heißt, dass die Lücken in dem vierten Abschnitt mit weniger Schwierigkeiten gefüllt werden konnten, nachdem alle Lücken der vorherigen Abschnitte sicher gefüllt worden waren. Zwei der restlichen Wörter hinsichtlich der Berufsbezeichnungen in dem blauen Block der Aufgabe sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die Lösungen zu den beiden Lücken im vierten Abschnitt. Das kann zwar nicht durch das nachgelagerte Laute Denken überprüft werden, da der Proband es nicht erwähnt hat, jedoch kann diese Vermutung durch das entsprechende Gazeplot (siehe Abb. 7-22) in einem gewissen Sinn gestützt werden. Ohne Beachtung einiger leichter Verluste der Konzentration des Probanden beim Umgang mit den Übungen lässt sich grundsätzlich sagen, dass das Lesen der vierten Textpassage mit dem Fixationspunkt 541 beginnt und mit dem Fixationspunkt 721 aufhört. Zwischenzeitlich hat er wieder auf den Bereich geschaut, wo der zweite Abschnitt steht (Fixationspunkte 609 bis 621). Dies liegt darin begründet, dass sich die Beiträge der beiden Figuren auf Medizin beziehen. Im Bereich, wo die Folge 609 bis 621 liegt, geht es um die Geschichte und die Motivation der zweiten Figur (Dominik) bezüglich des Jobwechsels vom Fußballspieler 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 175 113 Die Daten im Hinblick auf das Verhältnis von intensiver Betrachtung und Einträgen der Wörternetze werden in Kapitel 7.4.1 und Kapitel 7.4.2 zusammengeführt. Die Diskussion im Hinblick auf die Blickfixationen findet sich in Kapitel 7.4.4.2. zum Sportarzt. Im vierten Beitrag, besonders in dem Satz mit der ersten Lücke, erzählt die Figur Maria, dass ihr Traumjob Tierärztin ist. Daher liegt die Vermutung nahe, dass der Proband durch das Zurückschauen eine Bestätigung erzielen wollte, dass die vorherige Lücke richtig gefüllt wurde. Nach dieser Bestätigung hat der Proband zur Lösung der Aufgabe die oben genannte Ausschlussmethode angewendet. Beim Füllen beider Lücken hat der Proband keine anderen Bereiche angeschaut und der Fließtext des vierten Beitrags wurde ohne Überspringen zwischen den Beiträgen gelesen, was durch die Folge der Fixationspunkte 681 bis 721 gezeigt werden kann. Auf dieser Seite hat der Proband folgende Wörter fixiert: „Traumberufe“, „Pilot“, „Träumen“, „davon“, „Praktikum“, „Zeitung“, „Journalistin“, „Sportschule“, „Bayern München“, „Fußballspieler“, „jeden Tag“, „mit 15“, „konnte“, „in Heidelberg“, „wollte“, „nach fünf Jahren“, „davon“, „viele Jungen“, „als ich elf “, „Mit zwölf “, „Sportarzt“, „interessiert“, „Computerspiele“, „ausgedacht“, „Eltern“, „in der Nähe“, „Salzburg“, „Österreich“, „Maschinen“, „Bäckereien“, „Salzburg“, „her“ und „500 Mitarbeiter“. In Kombination mit den Wörternetzen des Probanden lässt sich ersehen, dass viele von dem Probanden auf dieser Seite besonders intensiv betrachteten Wörtern als Einträge in seinen Wörternetzen erscheinen. 113 Obwohl die besonders intensiv fixierten Wörter zu einer gleichen Übung (im Lernmaterial) gehören, stehen die einschlägigen Einträge in den Wörternetzen des Probanden nicht zusammen. Stattdessen verteilen sie sich an verschiedenen Orten der Wörternetze. Beispielsweise ist eine einschlägige Folge „Beruf - Traumberuf “, die an das Thema der Übung anknüpft. In der oben beschriebenen Übung kommen neun Wörter bzw. Berufsbezeichnungen vor, die von den Figuren in der Übung als Traumberuf(e) angesehen werden. Als Annahme werden die Wörter bzw. die Berufsbezeichnungen, die in den Text erwähnt werden, entsprechend dem Inhalt der Übung von den Lernenden direkt mit dem bereits aufgezeichneten Wort „Traumberuf “ verbunden. Allerdings sind diese Wörter nicht dem Eintrag „Traumberuf “ oder dem Eintrag „Beruf “ untergeordnet worden. Meines Erachtens kann dies implizieren, dass der Proband beim Lernprozess mit dem Buch eine tiefergehende Informationsverarbeitung vorgenommen hat, weil er die dort wahrgenommenen Informationen bzw. die Wörter nach seinem eigenen Verständnis durch eine (aus seiner Sicht) angemessene Beziehung in den Wörternetze angeordnet hat, anstatt die Wörter lediglich durch das Gedächtnis nach ihrer Quelle im Lernmaterial wiederzugeben. Eine Wortfolge mit den Einträgen, die sich auf die oben erwähnte Übung beziehen, ist oben links in der Ecke der Wörternetze zu finden und die Wortfolge ist „Fußballspieler - Bayern München - Verein - Sportarzt“. Es ist deutlich zu entnehmen, dass sich diese Folge genauer gesagt auf die zweite Figur, Dominik, in der Übung bezieht: Als Schüler einer Sportschule wollte er Sportler bzw. Fußballspieler werden. Sein Traum war es, bei Bayern München Fußball zu spielen. Jedoch konnte der Traum wegen einer Verletzung nicht erfüllt werden und danach hat er nach einer Umorientierung Medizin studiert. Nach dem Abschluss seines Studiums ist er als Sportarzt bei einem Fußballverein tätig. Es lässt 176 7 Datenauswertung und -analyse 114 Der Prozess, in welchem die Probanden ihre Wörternetze produzierten, wurde in der Durchführung der empirischen Forschung nicht aufgenommen. Daher kann hierbei nicht sichergestellt werden, ob sich erkennen, dass fast alle Einträge in der Folge diejenigen sind, die beim Lesen vom Probanden fixiert wurden. Dabei gehört nur der Eintrag „Verein“ nicht dazu und das Wort wird grundsätzlich wegen des davor aufgezeichneten Wortes „Bayern München“ von seinem mentalen Lexikon aktiv abgerufen. Zum anderen ist auffällig, dass die Reihenfolge der Einträge der Wortfolge der Abfolge der Geschichte des Fließtexts über die zweite Figur entspricht. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Proband beim Aufzeichnen an die Geschichte der zweiten Figur über seinen Traumberuf gedacht hat. Wie bereits erwähnt, ist es noch kennzeichnend, dass diese Wortfolge trotz der Entspre‐ chung des Textinhalts weder mit dem Eintrag „Traumberuf “ noch mit dem Eintrag „Beruf “ verbunden wird. Stattdessen wird sie an das Wort „Trainieren“ gehängt, das bereits vor dem Beginn der ersten Lerneinheit der Studie eigenständig geschrieben wurde. Dies kann darin begründet werden, dass der Inhalt der Wortfolge auf der gedanklichen Ebene in einer engeren Beziehung mit dem sprachlichen Zeichen „Trainieren“ steht als mit dem „Traumberuf “ oder „Beruf “. Die Platzierung der Einträge, die nicht von dem Inhalt des Texts in der Übung abhängt, kann hierbei als Internalisierung angesehen werden, was die Annahme unterstützen kann, dass der Proband beim außerschulischen Selbstlernen mit dem Buch die dort wahrgenommenen Informationen nicht nur oberflächlich verarbeitet hat (eine Diskussion dazu vgl. Kapitel 7.4.4.3). Das heißt, die oben erwähnten Wörter werden durch individuelle Erfahrungen spezifisch auf eigene Weise verknüpft, was als Sachnetz oder affektives Netz (vgl. Kapitel 3.2) betrachtet werden kann. Dies kann indirekt durch die Einträge „Bankkaufmann/ -frau“ und „Tierarzt/ -ärztin“ reflektieren. In der Übung kommen die beiden Berufsbezeichnungen auch vor und sie sind auch von dem Probanden in seine Wörternetze eingetragen worden. Anders als die von dem Wort „Fußballspieler“ ausge‐ hende Wortfolge werden das Wort „Bankkaufmann/ -frau“ und das Wort „Tierarzt/ -ärztin“ mit seinem Anhänger „Tierlieber“ unter dem Eintrag „Beruf “ als Oberbegriff aufgezeichnet. Es ist bemerkenswert, dass die beiden Wörter von dem Probanden in seine Wörternetze eingetragen worden sind, obwohl sie nach der Heatmap beim Lesen des Fließtexts in der Übung nicht so besonders betrachtet wurden wie die anderen auch in der Übung erwähnten Berufsbezeichnungen. Zum Eintragen des Wortes „Bankkaufmann/ -frau“ liegt eine Vermutung auf der Basis der Theorie über das mentale Lexikon im Hinblick auf den Aufbau der fremdsprachlichen lexikalischen Einheiten und die Aktivierung des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2) nahe, dass die orthografische Komponente des sprachlichen Zeichens (bzw. die männliche und die weibliche Form der Berufsbezeichnung) im Vergleich zu anderen Berufsbezeichnungen wie „Journalist/ in“ und „Programmierer/ in“ speziell (oder nicht üblich) ist. Daher wurde die Aufmerksamkeit des Probanden erregt und sein mentales Lexikon wurde durch diesen grammatischen „Reiz“ in der Kognition aktiviert, wie im Modell der Sprachverarbeitung (siehe Abb. 2-4 in Kapitel 2.2.1) dargestellt, obwohl er das Wort nicht besonders lange fixiert hat. An der Stelle zu dem Zweig „Tierarzt/ -ärztin - Tierlieber“ liegt die Annahme nahe, dass das Aufzeichnen der Wortfolge zum einen wegen des Eintrags „Sportarzt“, der sich in der oben beschrieben Wortfolge befindet, ausgelöst wird. 114 Zum anderen ist 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 177 die Wortfolge „Tierarzt/ -ärztin - Tierlieber“ nach der Wortfolge „Fußballspieler - Bayern München - Verein - Sportarzt“ aufgezeichnet wurde oder umgekehrt. In diesem Zusammenhang kann diese Annahme nicht geprüft werden. Dieser Aspekt wird in der Kapitel 8 über kritische Rückschau auf die vorliegende Untersuchung diskutiert. 115 Damit ist vom Probanden „Architekt“ gemeint. die Herstellung der Wortfolge in seinen Wörternetzen auf sein persönliches Interesse an diesem Beruf oder einen emotionalen Bezug zurückzuführen, weil das Element der Folge „Tierlieber“ nicht direkt im Fließtext der Übung vorkommt und es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit durch den Satz „Als Kind wollte ich Tierärztin werden und kranken Tieren helfen“ im Fließtext der Übung aktiviert worden ist. Mit anderen Worten sind die Bildung zum Wort „Tierlieber“ und seine Verbindung zu dem Eintrag „Tierarzt/ -ärztin“ vermutlich auf einen persönlichen, emotionalen Bezug zurückzuführen, wenn der Proband beim Entwickeln seiner Wörternetze an den Text zurückdachte. Hinzu kommt noch ein Beispiel für die individuelle Verknüpfung und es ist der Eintrag „Architeckter“. 115 Diese Berufsbezeichnung kommt zwar nicht in der Übung vor, aber beim Entfalten der Wörternetze hat der Proband das Wort aktiviert und es befindet sich als gleichrangiges Element zu dem Eintrag „Bankkaufmann/ -frau“ in den Wörternetzen. Nach der Darstellung der oben angesprochenen Einträge ist zu erkennen, dass ein Zusammenhang zwischen den Fixationen und den Einträgen bei dem Probanden besteht. Zudem lässt sich beobachten, dass es viele individuelle Verknüpfungen in den Wörternetzen des Probanden gibt. Diese individuellen Verknüpfungen in Kombination mit den Einträgen, welche der Proband nicht nach der jeweiligen Quelle bzw. den jeweiligen Übungen in den Wörternetzen angeordnet hat, können m. E. implizieren, dass die Tiefe der Informationsverarbeitung zu erkennen ist, welche die Speicherung von Wissen im Gedächtnis beeinflussen kann. Auf der theore‐ tischen Grundlage im Hinblick auf die Integration der Repräsentation in das vorhandene mentale Lexikon (vgl. Kapitel 2.2) zu entnehmen, dass eine Verknüpfung der während der Aufgabenbearbeitung wahrgenommenen sprachlichen Zeichen beim Lernprozess als Repräsentationen zu den anderen bereits vorhandenen lexikalischen Einheiten hergestellt worden ist. In der vorliegenden empirischen Untersuchung sind umfangreiche Daten über das außer‐ schulische Selbstlernen der Probanden erhoben worden. Da die Datenmenge sehr groß ist, könnte die vorliegende Arbeit einen breiten Raum einnehmen, wenn alle erhobenen Daten zu jeder einzelnen Seite dargestellt und analysiert würden, welche die Probanden dieser Untersuchung gelesen haben. Somit werden die Ergebnisse dieser drei Teilnehmenden aus der Gruppe A in der ersten Studie als Beispiele vorgestellt und in Betracht gezogen, weil sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede bei ihren Augenbewegungen und auch bei ihren Einträgen in den jeweiligen Wörternetzen vorliegen. Am Beispiel von ihren Ergebnissen sind einige Besonderheiten der Augenbewegungen und deren Beziehung zu den Wörternetzen darzustellen. Es lässt sich erkennen, dass die Fotos die Aufmerksamkeit der Lernenden generell kaum auf sich ziehen können. Dies betrifft besonders die Fotos, die (aus der Sicht der Probanden) nur eine ästhetische Funktion in den Materialien leisten. Die bildlichen Reize werden daher oft erst betrachtet, wenn die Lernenden zum Betrachten aufgefordert wurden. Wenn die Lernprodukte der Lernenden und ihre Augenbewegungen zusammen in den Blick genommen werden, ist zu erkennen, dass ein bestimmter Anteil 178 7 Datenauswertung und -analyse 116 Anmerkung: Wie in Kapitel 6 beschrieben, wurde eine realitätsnahe Simulation über ein realitäts‐ nahes Selbstlernen als ein ursprünglicher Wunsch der vorliegenden Studie realisiert. Alle Lernenden bzw. Studienteilnehmenden hatten daher kaum Einschränkungen, sondern einen großen Freiraum, was bedeutet, dass sie sich frei entscheiden konnten, in welcher Reihenfolge sie das Buch lesen wollten. Außerdem konnten sie auch selbst die Entscheidung treffen, ob sie auf irgendeine Aufgabe davon im Buch verzichten wollten. Als Folge liegen mehrere Unterschiede in verschiedenen Aspekten beim Selbstlernen bei allen Lernenden vor. Beispielsweise war die zeitliche Verteilung auf die Buchseiten bei den Probanden unterschiedlich. Darüber hinaus ist auch anzumerken, dass einige Buchseiten von manchen Probanden nicht gelesen wurden. Zur Analyse solcher Seiten können daher nur die Augenbewegungsdaten der Probanden, welche die Seiten gelesen haben, herangezogen werden. der Einträge in ihren Buch-Wörternetzen diejenigen Wörter darstellen, die in der Studie besonders intensiv betrachtet worden sind. Dabei ist auch zu sehen, dass die identischen beim Selbstlernen wahrgenommenen sprachlichen Zeichen in den Materialien bei den Lernenden je nach ihrem eigenen Verständnis, Erleben und ihren eigenen Erkenntnissen etc. unterschiedlich im mentalen Lexikon angeordnet werden, was durch die Verbindung der sprachlichen Zeichen mit verschiedenen Wörtern in ihren jeweiligen Wörternetzen reflektiert werden kann. Im letzten Teil des Kapitels werden die Augenbewegungsdaten vorgestellt, die beruhend auf allen Mitgliedern der Gruppe A durch das Computerprogramm verarbeitet werden, um die Besonderheit der chinesischen Lernenden beim Selbstlernen mit einem Buch auf der Makroebene zu zeigen. Die Augenbewegungen der gleichen Gruppe in der zweiten Studie, in der sie mit einem digitalen Lernangebot selbst lernen, werden in Kapitel 7.2.2.2. vorgestellt. Dabei werden wieder die Ergebnisse dieser drei Lernenden beschrieben, um bei‐ spielsweise die Besonderheiten betreffend die visuelle Aufmerksamkeit beim Selbstlernen (mit den beiden verschiedenen Medien) intrapersonal anschaulich zu betrachten. 7.2.1.1.4 Gesamte Ergebnisse der Gruppe A (1. Studie) Nach der Aufzählung und Beschreibung mehrerer Beispiele dreier Teilnehmenden dieser Untersuchung im Hinblick auf die Augenbewegungen auf einigen Buchseiten werden im Folgenden die übereinandergelegten Daten in Bezug auf das Augenverhalten aller Probanden auf einer identischen Seite durch einige Beispiele dargestellt. 116 Hierbei sollte zuerst angemerkt werden, dass die Gazeplots zwar die Blickverläufe der Probanden auf den Buchseiten exakt veranschaulichen können, jedoch sie bei der Datenauswertung einige Einschränkungen aufweisen. Diese grafische Darstellung zur Visualisierung der Augenbe‐ wegungen ist geeignet für die parallele Auseinandersetzung bezüglich der Blickverläufe einer angemessenen Anzahl der Probanden. Wenn die Blickverläufe einer hohen Anzahl der Teilnehmenden (beispielsweise mehr als fünf Personen) in der Studie durch ein Gazeplot gleichzeitig als Resultat der Eyetracking-Studie gezeigt werden, kann die Verwendung des Gazeplots kaum Sinn ergeben. Ein Grund dafür ist, dass sich das Gazeplot im Falle der Visualisierung der Augenbewegungen bzw. der Blickverläufe einer hohen Anzahl an Studienteilnehmenden als chaotisch darstellen kann. Diese Einschränkung des Gazeplots kann am Beispiel von Abbildung 7-24 veranschaulicht werden. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 179 Abb. 7-24: Gazeplot von mehreren Probanden (Teil E) Als ein extremes Beispiel geht es in der vorliegenden Abbildung um die Augenbewegungen mehrerer Forschungsprobanden, bis alle die Buchseite des Teils E durchgelesen haben. Die Blickverläufe der jeweiligen Lernenden werden durch verschiedene Farben angezeigt. Trotz der farbigen Unterschiede kann das Gazeplot für die Datenauswertung schwer genutzt werden. Es ist daher schwierig, mit solchen die Augenbewegungen vieler Personen implizierenden Schaubildern die Daten sowohl auf der Makroebene als auch auf der Mikroebene weitergehend auszuwerten. Bei der Verarbeitung des Blickverlaufsdiagramms mit einer großen Menge von Probanden kann das Exportieren eines dynamischen Videos als eine mögliche Lösung angesehen werden. Mit Hilfe der einzigartigen Merkmale von Videos können die Beobachtungsmuster mehrerer Probanden aufgedeckt werden, wobei zum Beispiel die für die Erledigung der Aufgabe erforderliche Zeit analysiert werden kann. Allerdings können die Augenbewegungen beim Ansehen der Videos (auf der Online-Lernplattform) in der vorliegenden Arbeit nur schwer dargestellt werden. Dies ist darin begründet, dass jede Einzelbildzählung der Videos zum Zweck einer vollstän‐ digen Darstellung beschrieben werden muss. Außerdem ist der Zeitvergleich hinsichtlich des gesamten Selbstlernens oder der Lösung einer identischen Aufgabe zwischen den Probanden nicht Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Daher wird diese Methode nicht angewandt. Im Folgenden werden hauptsächlich die Heatmaps, welche die gesamten Augenbewegungsdaten einer Gruppe implizieren, betrachtet und dargeboten. 180 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-25: Beispielhafte Heatmaps über die gesamten Augenbewegungsdaten der Gruppe A (1. Studie) In der vorliegenden Abbildung geht es um drei Heatmaps zu drei verschiedenen Seiten zum Thema der Studie im Buch, die in den vorherigen Kapiteln bereits beschrieben wurden. Vor allem lässt sich deutlich erkennen, dass die intensiv roten Markierungen im Wesentlichen auf den textlichen Elementen liegen. Das bedeutet, dass die markierten Textstellen generell am meisten die visuelle Aufmerksamkeit aller Probanden aus der Gruppe A auf sich gezogen haben. Die bildlichen Elemente wurden im Vergleich dazu weniger intensiv fixiert. Dies kann daran liegen, dass die Aufnahme der Informationen aus einem textlichen Element länger dauert als aus einem Porträt bzw. einem Bild, dessen Information (oft) ohne weitere Überlegungen wahrgenommen werden kann. Jedoch sollte hierbei auch berücksichtigt werden, dass die Fläche der (grünen) Markierung auf den Bildmaterialien wenig oder bruchstückhaft ist, was bedeuten kann, dass die bildlichen Elemente (im gedruckten Lernmaterial) auch nicht viel betrachtet wurden: In der Ana‐ lyse der Ergebnisse der erwähnten Teilnehmenden ist erkennbar, dass die Bilder beim Selbstlernen im Allgemeinen von den Probanden nicht initiativ berücksichtigt werden, weil solche Bilder (aus ihrer Sicht) keine direkte Hilfe beim Verstehen oder beim Lösen der jeweiligen Aufgaben leisten können. Umgekehrt lässt sich sagen, dass die Grafiken, die bei der Aufgabenlösung helfen können, mit höherer Wahrscheinlichkeit von den Lernenden häufiger intensiv betrachtet werden. Es ist zu beobachten, dass die Bilder oft erst angesehen werden, wenn die Lernenden von der Aufgabenstellung aufgefordert werden. Hinsichtlich der visuellen Aufmerksamkeit auf die grafischen Elemente ist auch zu erkennen, dass die Bilder mehr Aufmerksamkeit der (chinesischen) Lernenden auf sich ziehen können, wenn sie über textliche Elemente verfügen. Dies könnte daran liegen, dass viele chinesische Lernenden bei der Informationsaufnahme auf die schriftlich präsentierten oder übermittelten Informationen angewiesen sind, weil die chinesischen Lernenden in Bezug auf das Lernverhalten eine visuelle Abhängigkeit (vgl. Kapitel 2.2.4) haben, die zum Teil auf den muttersprachlichen Erwerb zurückzuführen ist. Sollten verschiedene grafische Reize verglichen werden, zeigt sich somit, dass die grafische Darstellung über das deutsche Schulsystem (in der Mitte in der vorliegenden Abbildung) mehr visuelle Aufmerksamkeit 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 181 117 Die Diskussion im Hinblick auf die Funktion von Bildern findet sich in Kapitel 7.4.4.1. der Probanden auf sich gezogen hat als die Bilder auf der ersten Buchseite (links in der vorliegenden Abbildung). Auf der Grafik liegt eine große Fläche der Markierungen vor und dort bestehen sogar einige gelbe Markierungen, die eine mittelmäßige bzw. höhere Intensität der Aufmerksamkeit (als die grünen oder farblosen Stellen) implizieren. Im Gegensatz dazu sind nur vereinzelte grün markierte Punkte auf den Fotos auf der ersten Buchseite zu sehen. Ein Grund für diese unterschiedliche Verteilung des Augenmerks besteht darin, dass die Lernenden für die Aufnahme der Informationen, die für das Erledigen der Aufgaben relevant sind, die Grafik (über das deutsche Schulsystem) betrachten müssen. Hinzu kommt, dass die Informationen aus dieser Grafik zum Teil durch ihre textlichen Elemente übermittelt werden. Um die Informationen vollständig wahrzunehmen, sollen die Lernenden die Grafik nicht nur durch die dort stehenden textlichen Informationen, sondern auch durch andere Elemente (beispielweise der Gestaltung der grafischen Darstellung etc.) auffassen. 117 Zu den Heatmaps, die auf den gesamten Augenbewegungsdaten der Probanden be‐ ruhen, sollte nochmals hervorgehoben werden, dass alle Lernenden bzw. Probanden beim Selbstlernen in der Untersuchung kaum Einschränkungen haben. Sie können sich frei entscheiden, welche Buchseite sie (zuerst) lesen möchten und in welcher Progression sie mit dem Buch selbst lernen wollen. Betreffend die erhobenen Forschungsergebnisse hat dies dazu geführt, dass nicht alle Buchseiten von sämtlichen Probanden gelesen wurden. Daher können manche Heatmaps zu den Augenbewegungen nur die Augenbewegungen eines bestimmten Anteils aller Probanden reflektieren. Infolgedessen lässt sich nur schwer eine Datenbank erstellen, welche die gemeinsamen, von sämtlichen Probanden besonders intensiv betrachteten Wörter auf allen Buchseiten umfasst. In diesem Zusammenhang werden die Prozentangaben nicht berechnet, die den Anteil der Einträge an den gemeinsam fixierten Wörtern, sondern je nach ihrem jeweiligen Selbstlernen bzw. nach den jeweiligen gelesenen Buchseiten berechnet. Der Anteil bezieht sich darauf, wie viele Einträge in den Wörternetzen die sprachlichen Zeichen darstellen, die von den Probanden beim Selbstlernen bzw. bei der jeweiligen Informationsaufnahme besonders intensiv fixiert worden sind. In Kapitel 7.1 werden der Durchschnittswert und der Zentralwert der Einträge in den jeweiligen Wörternetzen beider Gruppen fokussiert und im Folgenden werden die Prozentangaben betreffend das Verhältnis zwischen den Einträgen und den in den Lernma‐ terialien (länger) fixierten Wörtern bei den jeweiligen Teilnehmenden dieser Untersuchung dargeboten. Probanden Anteil der fixierten Wörter Nr.-1 51,61 % Nr.-3 50,00 % Nr.-4 55,00 % Nr.-6 51,67 % 182 7 Datenauswertung und -analyse 118 Damit werden die Wörter gemeint, die nach den Lerneinheiten in die Wörternetze eingetragen werden. Außerdem sollte hierbei noch angemerkt werden, dass der prozentuale Anteil der Wörter, die zwar beim Selbstlernen nicht besonders intensiv fixiert wurden, aber dennoch in die Wörternetze eingetragen worden sind, sehr gering ist. Daher wird dies hier nicht diskutiert. Probanden Anteil der fixierten Wörter Nr.-8 67,56 % Nr.-10 70,00 % Nr.-12 72,22 % Nr.-14 59,09 % Nr.-16 63,15 % Nr.-18 51,39 % Tab. 2: Anteil der fixierten Wörter in den Wörternetzen (Gruppe A in der ersten Studie) Die vorliegende Tabelle zeigt, in wieviel Prozent der von den Probanden in ihre jeweiligen Wörternetze eingetragenen Wörter die sprachlichen Zeichen darstellen, welche beim Selbstlernen in der Studie die Aufmerksamkeit der Probanden besonders intensiv auf sich gezogen haben. Vor allem ist erkennbar, dass der Anteil der Einträge, die beim Selbstlernen besonders fixiert wurden, in den Wörternetzen bei allen Probanden größer gleich (>/ =) 50 % ist. Das bedeutet, dass mindestens die Hälfte der Wörter in den von den Probanden generierten Wörternetzen diejenigen Wörter ausmachen, die beim Selbst‐ lernen überdurchschnittlich intensiv betrachtet worden sind. Viele dieser Wörter werden, abhängig von den Aufgaben im Buch, in den Wörternetzen angeordnet. Dabei lässt sich sehen, dass die Prozentangaben bei manchen Probanden ein wenig unterschiedlich sind. Beispielsweise beträgt der Anteil bei der Probandin Nr. 12 ungefähr 72,22 %, während er sich bei der Probandin Nr. 3 gerade auf 50 % beläuft. Ein Grund für diesen Unterschied über die Prozentzahl besteht in der Gesamtzahl der Wörter in den Wörternetzen. Probandin Nr. 12 hat nach dem Selbstlernen in der ersten Studie insgesamt 18 neue Wörter zu ihren Wörternetzen hinzugefügt und darunter finden sich 13 Einträge, die sich auf die beim Selbstlernen fixierten Wörter beziehen. Im Vergleich dazu hat Probandin Nr. 3 insgesamt 70 neue Wörter produziert und die Hälfte von den Einträgen, welche die Wörter darstellen, die von der Probandin beim Selbstlernen länger und häufiger betrachtet wurden. Daher lässt sich nicht sagen, dass die Prozentangaben desto besser sind, je höher sie sind. Diese Angaben können aber darauf hindeuten, dass die Probanden nach dem Eintragen der Wörter, die in Zusammenhang mit ihren jeweiligen längeren Fixationen stehen, auch einen bestimmten Anteil der Wörter aktiv assoziiert haben. 118 Auf der theoretischen Grundlage bezüglich des mentalen Lexikons ist erkennbar, dass diese Wörter als beim Selbstlernen bzw. bei der visuellen Wahrnehmung aktivierte lexikalischen Einheiten in ihrem mentalen Lexikon mit den Stichwörtern oder mit den bereits vorhandenen Einträgen verbunden werden. Diese Ergebnisse werden vergleichend mit den Daten weiter diskutiert, die sich auf das Selbstlernen der gleichen Gruppe in der zweiten Studie beziehen (Kapitel 7.4). 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 183 7.2.1.2 Gruppe B: Online-Lernplattform „Community Deutsch für dich“ Wie am Anfang dieses Kapitels beschrieben, wurden insgesamt neun Lernende in der ersten Studie in die Gruppe B eingeteilt. Zum Thema Ausbildung und Karriere lernten sie selbständig mit dem digitalen Angebot bzw. auf der Online-Plattform Community Deutsch für dich (über das internetgestützte digitale Lernangebot vgl. Kapitel 6.4.2). Wie alle Mitglieder der Gruppe A sind auch alle Teilnehmer der Gruppe B Germanistikstudenten, die bereits das Sprachniveau A 2.1 erreicht haben. Nach der Befragung über persönliche Daten ist ersichtlich, dass alle Mitglieder der Gruppe B vor dem Beginn der vorliegenden Untersuchung nicht mit dieser Online-Lernplattform vertraut waren. In diesem Kapitel wird auf die Augenbewegungen der Probanden aus der Gruppe B und auch auf den Zusammenhang zwischen Fixationen der Probanden und Einträgen der jeweiligen Wör‐ ternetze eingegangen, indem die Augenbewegungsdaten über das Selbstlernen auf der Online-Plattform wie im vorangegangen Kapitel am Beispiel von drei Probanden aus der Gruppe B grafisch dargestellt und analysiert werden. Das Kriterium für die Auswahl der Probanden, deren Augenbewegungsdaten als Beispiele in diesem Kapitel ausführlich beschrieben werden, ist analog zu dem Auswahlgrund der Probanden im vorherigen Kapitel. Der Grund besteht darin, dass einerseits einige bemerkenswerte Besonderheiten hinsichtlich der Augenbewegungen beim Umgang mit dem digitalen Lernangebot bei den ausgewählten Probanden in diesem Kapitel vorliegen. Andererseits gibt es auch Auffälligkeiten hinsichtlich der Augenbewegungen, wenn sie als Mitglieder der Gruppe A in der zweiten Studie die deutsche Sprache lernen, was in Kapitel 7.2.2.1 behandelt wird. Nach der Vorstellung der Besonderheiten der Augenbewegungen und der Analyse über die Beziehung zwischen den Fixationen der Probanden und den eingetragenen Wörtern in ihren Wörternetzen werden die erfassten Augenbewegungsdaten der Augenerfassung von sämtlichen Mitgliedern der Gruppe B in der ersten Studie vorgestellt und auch der Anteil der fixierten Wörter in den Wörternetzen bei allen Mitgliedern der Gruppe B tabellarisch dargestellt, sodass das Ergebnis der gesamten Gruppe präsentiert wird. Wie in Kapitel 6 beschrieben, wurden die Daten der Augenbewegungen der Probanden dieser Gruppe durch das Gerät Tobii Pro X3-120 erfasst, weil das bildschirmgestützte Eyetracking-System geeignet für die Analyse der Augenbewegungen beim Betrachten bei Online-Medien ist (vgl. Gastreich 2013: 16). Für die Auswertung des Augenverhaltens der Probanden werden auch Gazeplots und Heatmaps in diesem Kapitel aufgeführt, welche die zwei gängigen Arten von Grafiken für die Visualisierung des Blickverhaltens darstellen. Sie werden in Verbindung mit dem retrospektiven Lauten Denken der Probanden und mit ihren Wörternetzen gemeinsam analysiert (genauso wie in Kapitel 7.2.1.1), damit sich ihre diesbezüglichen Augenbewegungen besser verstehen lassen. Wie bereits beschrieben wurde, ist das Thema für die erste Studie im digitalen Lernangebot und im Buch zwar gleich, aber die Inhalte der beiden Medien unterscheiden sich teilweise voneinander. Das ist der Grund für den Verzicht auf die kontrastive Behandlung der Wörternetze zwischen den beiden Gruppen in der identischen Studie in der vorliegenden Arbeit. Zu dem Thema der ersten Studie stehen mehrere Übungssets, die sich auf „Schule und Universität“ und „Arbeit und Wirtschaft“ beziehen, auf der internetgestützten elektro‐ nischen Lernplattform. In Bezug auf Arbeit und Wirtschaft lässt sich beispielsweise ein Übungsset finden, das inhaltlich die Arbeitswelt (in Deutschland) behandelt. Hierbei gibt es 184 7 Datenauswertung und -analyse 119 Hierzu ist noch erwähnenswert, dass alle Angehörigen der Gruppe B (nach der Bearbeitung der Übungssets zu dem derzeitigen Sprachniveau der Lernenden) weitere einschlägige Übungen zu dem Lernthema der ersten Studie aber auf dem nächsten Sprachniveau als eine kleine „Herausforderung“ durchführen bzw. probieren konnten, wenn sie beim Selbstlernen Interesse hatten. Kurz gesagt hatte die Gruppe B so die volle Freiheit beim Selbstlernen wie die Gruppe A, aber ihnen standen noch mehr Lerninhalte für das Selbstlernen auf der Online-Lernplattform zur Verfügung, wodurch der im Theorieteil beschriebene Vorteil der internetgestützten digitalen Lernangebote im Hinblick auf einen unbegrenzten Raum für die Lernressourcen (zu einem gleichen Lernthema) (vgl. Kapitel 4.3) zu erkennen ist. Da die Teilnehmenden der Gruppe B z. B. aus dem zeitlichen Grund grundsätzlich kaum die Übungen auf dem nächsten Sprachniveau bearbeitet haben, wird die Datenanalyse der vorliegenden Arbeit dadurch nicht deutlich beeinflusst. Die Nutzung der digitalen Medien wird in Kapitel 7.4.4.3 und Kapitel 7.4.4.4 basierend auf anderen erhobenen und ausgewerteten Daten diskutiert. einige Übungen über den Führungsstil und das Arbeitsklima, was im Buch nicht vorhanden ist. Bezüglich des Themas „Schule und Universität“ liegt zum Beispiel ein Übungsset vor, wobei das Studentenleben in Deutschland vorgestellt wird, was keinen Schwerpunkt in dem Material des Buchs darstellt. Die Inhalte der Übungen auf der Online-Plattform werden im Folgenden mit der Analyse der Augenbewegungen der Probanden auch vorgestellt. Da der Fokus auf die intrapersonale Gegenüberstellung der Wörternetze liegt, sind die inhaltlichen Ungleichheiten der angebotenen Übungen der beiden Medien in derselben Studie akzeptabel. Beim Selbstlernen mit dem digitalen Angebot liegt auch kaum eine Einschränkung vor und alle Probanden der Gruppe B können sich frei entscheiden, welche Übung in welcher Lernprogression sie durchführen möchten. 119 Anders als das Selbstlernen mit dem Buch stehen den Lernenden der Gruppe B Videos und interaktive Übungen zur Verfügung, was im Folgenden auch analysiert wird. 7.2.1.2.1 Probandin Nr.-5 Die Untersuchungsteilnehmerin hat ein Jahr Deutsch gelernt und beim Deutschlernen fällt es ihr vor allem schwer, den deutschen Wortschatz zu lernen. Ihre Schwierigkeit besteht darin, die gelernten Wörter im Kopf zu behalten. Zu den Hürden zählt noch die deutsche Grammatik. Für diese Studienteilnehmende sind manche grammatischen Regeln nicht leicht nachvollziehbar. Aus diesem Grund investierte sie viel Zeit für das außerschulische Deutschlernen. Nach ihrem Sprachkurs lernte sie ungefähr fünf Mal pro Woche selbst und beim Selbstlernen wurden die Fertigkeiten Hören und Lesen fokussiert trainiert. Um den Umfang ihres Wortschatzes zu erhöhen, lernte sie außerdem deutsche Wörter in der Vokabelliste (von dem Lehrwerk) auswendig. Generell lässt sich sagen, dass das Lernverhalten der Probandin im Hinblick auf die Wortschatzarbeit und die Mediennutzung für das Deutschlernen der einschlägigen Darstellung im Theorieteil der Arbeit (vgl. Kapitel 4) entspricht. In ihrem Deutschunterricht wurden digitale Medien von ihren Lehrenden kaum benutzt, aber sie hat persönliche Erfahrungen mit der Internetnutzung. Neben dem alltäglichen Gebrauch benutzte sie das Internet auch für das Fremdsprachlernen und dort hörte/ las sie Nachrichten in deutscher Sprache. Hinzu kommt noch, dass sie mitunter deutschsprachige Filme anschaute, um authentisches alltägliches Deutsch zu lernen. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 185 120 Nach der schriftlichen Befragung benutzte die Probandin elektronische (Online-)Inhalte, um ihre Fertigkeiten zu trainieren, jedoch ging es grundsätzlich nur um Nachrichten und Filme. Sie hatte noch keine Erfahrung mit einem internetgestützten digitalen (systematisch konzipierten) Lernangebot für das Deutschlernen. Abb. 7-26: Übung zum Thema Arbeitswelten: Arbeitsklima Wie am Anfang des Kapitels beschrieben wurde, stehen verschiedene Übungssets, die ent‐ weder Arbeit und Wirtschaft oder Schule und Universität thematisieren, für das Selbstlernen in der ersten Studie zur Verfügung. Ergänzend sollte noch angemerkt werden, dass jedes un‐ abhängige Übungsset aus mehreren untergeordneten themenbezogenen Aufgaben besteht. Diese untergeordneten Aufgaben werden zwar separat seitenweise bzw. auf den jeweiligen einzelnen Webpages angezeigt, jedoch werden sie durch Hyperlinks verbunden. Durch das Anklicken können die Lernenden beim Lesen beliebig oft direkt von einer Webpage zu einer anderen gewünschten Webpage springen, ohne dazwischenliegende Seiten lesen zu müssen. Durch das Anklicken kann auch zugleich ermöglicht werden, dass die Lernenden die gelesenen oder ungelesenen vorherigen Webpages (erneut) lesen können. Basierend auf diesem Merkmal von Hyperlinks ist damit zu rechnen, dass der Lesemodus beim Lernen mit einem digitalen Angebot eine Non-Linearität aufweisen kann. Das unterscheidet sich vom Leseprozess mit einem Buch, weil sich die dort vorhandenen Inhalte oft linear aufeinander beziehen. Aufgrund der Tatsache, dass viele chinesische Lernenden oft die gedruckten Lernangebote für das Deutschlernen verwenden 120 (vgl. Kapitel 4.3), ist der Umgang mit dem digitalen Lernangebot bei chinesischen DaF-Lernenden von Interesse. Dies wird im Folgenden (und auch in Kapitel 7.2.2.2 zu der zweiten Studie der empirischen Untersuchung) aufgezeigt und daran schließt sich die Diskussion basierend auf der Zusammenführung der Ergebnisse der Untersuchung in Kapitel 7.4 an. Exemplarisch gibt Abbildung 7-26 eine Übersicht der Übungssets auf der Online-Plattform am Beispiel des Übungssets wieder, das sich auf das Arbeitsklima in der Arbeitswelt bezieht. In dem grauen Block auf der 186 7 Datenauswertung und -analyse linken Seite befindet sich die Navigationsleiste. Dort ist zu ersehen, dass es fünf Aufgaben und eine Vokabelliste in diesem Übungsset gibt. Jede Aufgabe des Übungssets hat ein untergeordnetes Mini-Thema und sie werden inhaltlich in einzelnen aufeinanderfolgenden Stufen angeordnet. Die erste Aufgabe führt mit offenen Fragen in das Thema des Übungssets ein und in der zweiten Übung geht es um die Chefs in einer Firma. Daran schließen sich Übungen an, die sich auf die Verbesserung des Arbeitsklimas und auf die Führungsstile beziehen. In der letzten Aufgabe werden wieder offene Fragen vorgegeben, bei denen die Lernenden mit den in den vorherigen Übungen gelernten (sprachlichen) Kenntnissen operieren können. Nach der letzten Aufgabe ist eine Vokabelliste verfügbar, wobei die Erklärungen und Beispielsätze einiger thematisch wichtiger Wörter angegeben werden. In diesem Übungsset sind alle Aufgaben schriftlich zu lösen und in den meisten Aufgaben wird die Fertigkeit Lesen bei den Lernenden gefördert. So werden die Lernenden in der zweiten Übung aufgefordert, die Texte bzw. Äußerungen von drei Personen und deren Aussagen zu lesen. Hierbei sprechen die drei Personen über ihre jeweiligen Chefs. Nach dem Lesen sollen die Lernenden die Aussagen zuordnen, je nachdem, was die Personen äußern. Die Optionsfelder liegen neben den Aussagen und die Lernenden können dort eine Antwort direkt auswählen, ohne ihre Antwort manuell eingeben zu müssen. Abb. 7-27: Gazeplot der Probandin Nr.-5 (die zweite Aufgabe der Übung „Arbeitswelten“) Die vorliegende Abbildung (siehe Abb. 7-27) zeigt die Augenbewegungen bzw. den Blick‐ verlauf der Probandin Nr. 5, als sie die zweite Übung dieses Sets löste. Vor allem ist es äußerst auffällig, dass die Probandin im Prozess der Lösung dieser Aufgabe den Titel „Und wie ist dein Chef ? “ nicht gelesen hat. Sie schaute zuerst das Bild an, das zwischen dem Titel und der Aufgabe steht. Jedoch hat das Bild grundsätzlich kaum die Aufmerksamkeit der Probandin erhalten. Es ist vor allem aufgefallen, dass nur eine Fixation (Fixationspunkt 1) auf dem Bild vorliegt. Basierend auf der Abbildung ist im Vergleich mit anderen 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 187 121 Die Zusammenführung der Ergebnisse und die einschlägige Diskussion in dieser Hinsicht finden sich in Kapitel 7.4. Fixationen zu erkennen, dass diese Fixation nicht sehr lange gedauert hat, denn die Größe des Kreises (Fixationspunkt 1) ist verhältnismäßig gering. Es scheint so, dass die Bilder sowohl im Buch als auch im digitalen Lernangebot die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden kaum erregen können. Obwohl das Bild in diesem Beispiel sehr groß ist und in der Mitte der Webpage steht, hat es die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin nach einer kurzen Weile schnell verloren, was als ein spannendes Ergebnis für den Einsatz der bildlichen Stimuli in den Lernmaterialien für das selbständige Fremdsprachenlernen angesehen werden kann. 121 Nach dieser kurzen Fixation hat die Probandin begonnen, die unter dem Bild stehende Aufgabenstellung zu lesen. Im ganzen Prozess des Lesens fokussierte die Probandin grundsätzlich den Text, in dem es die Äußerungen der Personen und die folgenden Aussagen zu dem untergeordneten Thema dieses Übungssets geht. Mit anderen Worten war die Probandin beim Lesen sehr aufmerksam bezüglich der textlichen Elemente der Webpage. Es kann bestätigt werden, dass die Aufmerksamkeit der Probandin von Fixationspunkt 14 bis zu Fixationspunkt 588 im Grunde nur auf den Texten in der Aufgabe liegt. Eine Ausnahme ist Fixationspunkt 434: Dabei hat sie auf das Feld geschaut, in dem „Gefällt mir“ und ein Zeichen für „Daumen hoch“ stehen. Abb. 7-28: Einige Fixationen der Probandin Nr. 5 bezüglich der zweiten Aufgabe der Übung „Arbeits‐ welten“ Die Abbildung 7-28 beruht auf dem entsprechenden Video-Replay über die Augenbewe‐ gungen (Rohdaten) dieser Probandin zu dieser Webpage. Sie stellt ein Fragment der 188 7 Datenauswertung und -analyse visuellen Aufmerksamkeit zu der Stelle dar, die oben angesprochen wurde. Diese Blickdaten vollziehen sich innerhalb von circa 1,3 Sekunden und durch die farbigen Abstufungen (von blass bis intensiv) kann die Abfolge der Blickdaten erfasst werden. In Kombination mit dem Gazeplot können die Nummern der jeweiligen Blickdaten auf der Basis des Fixationspunkts 434 festgelegt werden, was in der oben stehenden Abbildung bereits vom Verfasser zusätzlich gekennzeichnet wurde. Es lässt sich erkennen, dass als Ausnahme bzw. als Fixationspunkt die Nummer 434 auffällig ist, während die Probandin die letzten Aussagen der Äußerung einer Person zuordnete. Vor dem Auswählen suchte sie zuerst einschlägige Informationen in den Texten, die zur Aussage passen. Im Prozess der nochmaligen Lokali‐ sation bzw. der örtlichen Bestimmung der letzten Aussage wurde der Blick der Probandin von dem „Gefällt-mir“-Feld angezogen, was die Sakkade zwischen den Punkten 433 und 434 zeigt. Ein möglicher Grund ist die Farbe des Feldes und des Zeichens, denn sie sind blau und fallen daher im Vergleich mit den schwarzen Textpassagen auf. Dafür spricht die Tatsache, dass eine hellere Farbe leichter die visuelle Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann (vgl. Schawelka 2008: 176). Im Anschluss daran hat eine erneute Positionierung begonnen und nach dem Fixationspunkt 435 ist dies der Probandin gelungen. Danach erfolgte eine lange Fixation (Fixationspunkt 436). Diese Umorientierung hat zwar nur Millisekunden gedauert, aber aufgrund der im Theorieteil beschriebenen Präferenz hinsichtlich der Medienwahl für das Deutschlernen bei chinesischen Lernenden (vgl. Kapitel 4) stellt sich die Frage, ob der Gedankengang der Probandin in diesem Prozess bzw. nach dem langen Lesen auf einer Webpage mit verschiedenen durch vielfältige Darstellungsmöglichkeiten präsentierten Reizen im digitalen Lernangebot unterbrochen wurde. Welchen Einfluss können solche kurze Unterbrechungen des gedanklichen Flusses auf die Informationsaufnahme der Fremdsprachenlernenden ausüben? Obwohl dies keinen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit darstellt, wäre dies als eine spannende Frage im Kontext der Fremdsprachendidaktik anzusehen. Dafür bedarf es einer spezifischer Untersuchung. Dieser Aspekt wird in der vorliegenden Arbeit zwar nicht eingehend und detailliert behandelt, allerdings wird ein einschlägiger Aspekt (beispielsweise die Länge der Fixationen bei der Nutzung der digitalen Medien für das Selbstlernen bei chinesischen Lernenden) mit den anderen Ergebnissen in Kapitel 7.4.4.zusammenhängend diskutiert. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 189 Abb. 7-29: Gazeplots der Probandin Nr.-5 (die dritte und vierte Aufgabe der Übung „Arbeitswelten“) Die vorliegende Abbildung visualisiert die Blickverläufe der Probandin Nr. 5 beim Lesen der folgenden Übungen des Übungssets zum Thema Arbeitsklima, wobei die Abbildung 7-29a für die dritte und die Abbildung 7-29b für die vierte Übung steht. Die zweite Übung bezieht sich auf das Arbeitsklima und dort gibt es neben der Aufgabenstellung und der Einleitung zur Aufgabe vier kurze Texte sowie vier Ratschläge für die Verbesserung des Arbeitsklimas im Optionsfeld. Die Ratschläge sind „Kommunikation verbessern“, „Positives hervorheben“, „respektvoll verhalten“ und „Wichtiges gleich mitteilen“. Lernende werden hier auch aufge‐ fordert, jedem Ratschlag eine entsprechende Äußerung bzw. einen kurzen Text zuzuordnen. Ebenso wie beim Umgang mit der zweiten Übung hat die Probandin zum einen den Titel der Übung und den unter dem Titel stehenden Satz nicht gelesen, der dem thematischen Einstieg in die dritte Übung dient. Zum anderen hat die Probandin Nr. 5 zwischenzeitlich das Bild wenig angeschaut. Während die Texte dieser Webpage mehr als 160 Blicke angezogen haben, lagen nur zwei kurze Blicke auf dem Bild vor, was ein weiteres Beispiel für das oben dargestellte Blickverhalten hinsichtlich der Bilder im Lernmaterial (Abb. 7-27) und auch ein spannendes Ergebnis für die Diskussion in der Fremdsprachendidaktik (Kapitel 7.4.4.1) darstellt. Die Intensität der visuellen Aufmerksamkeit auf den vorgestellten Webpages wird durch die nächste grafische Darstellung in der Arbeit aufgezeigt. Nach dem Lösen der dritten Aufgabe hat die Probandin direkt die Navigationsleiste des Übungssets angeschaut und den Hyperlink zur vierten Übung angeklickt. In der vierten Übung geht es um Führungsstile und hier werden verschiedene Arten vor‐ gestellt, ein Unternehmen zu führen. Auf der Basis der Fachliteratur werden drei klassische Führungsstile beschrieben: der autoritäre, der kooperative und der Laissez-faire-Führungs‐ stil. Unter dem Text stehen sechs Aussagen und die Lernenden werden aufgefordert, einen passenden bzw. situationsgemäßen Führungsstil bei den jeweiligen Aussagen auszuwählen. Das Schaubild 7-29b liefert die Informationen über die Blickverläufe der Probandin Nr. 5, während sie diese Übung löste. Daraus ist leicht zu erkennen, dass ihr Umgang mit dieser 190 7 Datenauswertung und -analyse 122 Anmerkung: Wegen der Netzwerkverbindung zu einem Server im Ausland können sowohl Uploadals auch Downloadgeschwindigkeit nicht immer so hoch und stabil bleiben wie die Verbindung zu einem lokalen Server. Aus diesem Grund ist der Zugriff während der Nutzung der Online-Lernplatt‐ form nicht immer schnell und es kann mitunter eine Weile dauern, bis die fünfte Aufgabe bzw. die nächste Webpage fertig geladen wird. 123 Das Video-Replay findet sich im Anhang. Aufgabe dem Umgang mit den vorherigen Aufgaben sehr ähnelt. Zu Beginn der Aufgabe hat sie den Titel der Aufgabe nicht gelesen und schnell begonnen, den Text zu lesen und die Fragen zu beantworten. An Kreis 1 schließt sich Kreis 2 auf dem Text durch eine lange Linie an, die eine große Sakkade bzw. eine schnelle, ruckartige Augenbewegung impliziert. Zwischen Kreis 2 und Kreis 366 verharrten die Blicke der Probandin entweder bei den Texten hinsichtlich verschiedener Führungsstile oder bei den Fragen zu dieser Aufgabe. Im Vergleich mit den anderen Gazeplots bei den vorherigen Übungen ist es in diesem Gazeplot zur vierten Aufgabe auffällig, dass es ungefähr zwölf Fixationen mit verschiedener Dauer auf dem Bild gibt. Allerdings liegt dies nicht gänzlich daran, dass das Bild oder ein Teil des Bildes die Aufmerksamkeit dieser Probandin auf sich gezogen hat. Basierend auf dem entsprechenden Clip des Video-Replays ist ersichtlich, dass sich diese Erscheinung nach dem Anklicken der nächsten Aufgabe vollzogen hat. 122 Der Webbrowser ist jedoch bei der vierten Aufgabe geblieben. Während dieser Wartezeit hat die Probandin auf das Bild geschaut, was als Hauptgrund dafür angesehen werden kann, dass dem Bild der vierten Aufgabe mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde als den Bildern in den anderen vorherigen Aufgaben. 123 Mit Hilfe der vorgestellten Beispiele lässt sich zeigen, dass die Probandin im Allgemeinen kaum initiativ ihr Augenmerk auf die bildlichen Elemente gerichtet hat, wenn die Probandin am Beginn einer neuen Aufgabe gestanden hat. Nach der Darstellung der Gazeplots über die drei Aufgaben werden im Folgenden die entsprechenden Heatmaps vorgestellt. Abb. 7-30: Heatmaps der Probandin Nr.-5 (drei Aufgaben der Übung „Arbeitswelten“) 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 191 124 Da die Aussagen der sechs Fragen in der vierten Aufgabe abwechselnd an der gleichen Stelle der Webpage angezeigt werden, werden die lange betrachteten Wörter, die im Fließtext der vorliegenden Arbeit aufgeführt werden, nicht allein durch die Heatmap, sondern in Kombination mit dem Video-Replay und auch dem Programm zur Verarbeitung der Augenbewegungsdaten identifiziert. 125 Die Diskussion in dieser Hinsicht wird im Zusammenhang mit anderen Daten in Kapitel 7.4 geführt. Die vorliegende Abbildung enthält die drei Heatmaps zu den drei erwähnten Aufgaben im Übungsset, welches das Arbeitsklima thematisiert. Das Schaubild 7-30a visualisiert die Verteilung der visuellen Aufmerksamkeit und die Grafiken 7-30b und 7-30c sind jeweils für die dritte sowie vierte Aufgabe repräsentativ. Aus der Grafik geht hervor, dass die meisten überdurchschnittlich langen Fixationen auf den Texten (im Vergleich zu den Fotos) liegen. Auf den Bildern der drei Aufgaben liegen lediglich vereinzelte kurze Fokussierungen vor, was durch mehrere hellere grüne Punkte auf den Bildern dargestellt wird, was im nächsten Absatz beschrieben wird. Die von der Probandin überdurchschnittlich intensiv fixierten Wörter sind: „mein Chef “, „in einer kleinen Sprachschule“, „arbeiten gut zusammen“, „aber er“, „etwas nicht gefällt“, „Andreas“, „Kollegen“, „guten Kontakt“, „aber unsere Chefin“, „sagt nie“, „sonst viel“, „Spaß“, „Problem“, „gut gemacht“, „fühle mich“, „mag“, „äußern“ (siehe Abb. 7-30a); „gutes Arbeitsklima“, „Ratschläge“, „Kommunikation verbessern“, „Positives hervorheben“, „respektvoll verhalten“, „Wichtiges gleich mitteilen“ (siehe Abb. 7-30b); „guter Chef “, „autoritär“, „wurden früher“, „Mitarbeiterinnen“, „Chefin oder“, „Laissez faire“, „kooperativ“, „vollkommen“, „zentral“, „Entscheidungen beteiligt“, „Vergangenheit” , „beliebt“, „Fehler“ und „Konsequenzen“ (siehe Abb. 7-30c). 124 Ein möglicher Grund für diese Erscheinung liegt darin, dass die Fotos zu den Aufgaben (aus der Sicht dieser Probandin) keinen Schlüssel zur Lösung der Aufgaben bilden. Das bedeutet, dass die Entschlüsselung der Bilder bei der „Problemlösung“ nicht helfen konnte. Aus diesem Grund investierte die Probandin ungern Zeit dafür, die Bilder zu den Aufgaben zu betrachten. Außerdem sollte erwähnt werden, dass sie mit dem digitalen Angebot nicht vertraut war. Deswegen neigte sie trotz vieler persönlicher Erfahrungen über die Internetnutzung im Alltag dazu, mehr Energie bzw. Konzentration auf die Texte zu legen. Es liegt die Vermutung nahe, dass ihr diese Aktion ein Sicherheitsgefühl geben konnte. Der Grund dafür könnte sein, dass die textlichen Elemente für sie aufgrund der etablierten Lerngewohnheiten (beispielsweise im Hinblick auf Medienwahl für das Fremdsprachenlernen) (vgl. Kapitel 4.3) eine gewohnte Darstellungsart von Informationen sind. Durch das Lesen der Texte kann sie sich in diesem Zusammenhang (nicht nur im Rahmen dieser Untersuchung) gut entspannen, denn sie kann durch die textlichen Elemente der Webpage ohne Schwierigkeiten viele Informationen sammeln, die möglicherweise wichtig für die Bearbeitung der Aufgaben sind. 125 Hinter diesem Phänomen verbirgt sich, dass der Umgang mit digitalen Medien bei der Probandin durch ihre alltäglichen Lesegewohnheiten beim Lernen mit Büchern beeinflusst wird. Dies kann außerdem auch darauf zurückgeführt werden, dass die Probandin wegen der Unvertrautheit mit dem digitalen Lernangebot das Selbstlernen als Problemlösung an sich und als (Selbst-)Test ansieht. In diesem Zusammenhang hat die Probandin mehr Wert auf eine hohe Korrektheit der Aufgabenlösung gelegt, anstatt Freude am Selbstlernen mit diesem unbekannten digitalen Lernangebot zu erfahren. 192 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-31: Wörternetze der Probandin Nr.-5 (1. Studie) Die vorliegende Grafik zeigt, wie sich die Wörternetze der Probandin darstellen. Im Allge‐ meinen lässt sich beobachten, dass der links-obere Teil von dem Stichwort „Ausbildung“ handelt und sich der rechts-untere Teil auf „Karriere“ bezieht, was auf der theoretischen Grundlage im Hinblick auf die Struktur lexikalischer Einheiten im mentalen Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.2) und den Erwerb des L2-Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.3) bedeutet, dass die Reprä‐ sentationen zu den beiden Gegenständen gedanklich auf der Makroebene nicht miteinander verknüpft sind. Durch die räumliche Anordnung der Einträge lässt sich erkennen, mit welchem Stichwort die eingetragenen Wörter in der konzeptuell-lexikalischen Hinsicht stärker verknüpft sind. Beispielsweise zählt das Wort „Dolmetscher“ zu den Einträgen, deren Repräsentation im mentalen Lexikon in einem engeren Zusammenhang mit der lexikalischen Einheit der „Karriere“ steht. Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass sie nach dem Abschluss ihres Germanistikstudiums als Übersetzerin tätig werden will. In diesem Fall kann die Verbindung zwischen dem Wort „Dolmetscher“ und den gegebenen Stichwörtern zum einen zu einer Beziehung eines Begriffsnetzes oder eines Sachnetzes zum Wort „Karriere“ gehören. Zum anderen kann die Verbindung zugleich auch als eine individuelle Verbindung bzw. als eine Beziehung eines affektiven Netzes zum Wort „Ausbildung“ angesehen werden. Der Grund, warum die Probandin nach dem Übungsset eine sehr geringe Zahl der übungsbezogenen Wörter in die Wörternetze eingetragen hat, lässt sich zwar schwer exakt bestimmen. Es ist möglich, dass die Wörter beim Lernprozess zwar fixiert wurden, aber diese Blickfixationen hierbei nicht zu einer tiefergehenden Informationswahrnehmung 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 193 126 Die Zusammenführung der Ergebnisse im Hinblick auf das Blickverhalten und die Einträge der Wörternetze findet sich in Kapitel 7.4 und die Diskussion über die Lange der Blickfixationen wird in Kapitel 7.4.4.1 geführt. 127 Die Diskussion hierzu findet sich in Kapitel 7.4.4.Gleichzeitig war sie darüber besorgt, das digitale Lernangebot im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht angemessen für ihr Selbstlernen zu benutzen. 128 Generell hatte die Probandin keine Schwierigkeiten mit dem (technischen) Umgang mit digitalen Medien. Hier ist gemeint, dass diese kooperative Probandin auf keinerlei Fehler bezüglich ihrer Operation stoßen wollte, die das Selbstlernen und die vorliegende Studie stören. 129 Damit ist hauptsächlich das Lernen mit einem neuen bzw. unbekannten digitalen Lernangebot gemeint geführt haben. 126 Ein diesbezügliches Wort, das in einer engen Beziehung zu der oben vorgestellten Übung steht, ist das Wort „Chef “. Das Vorkommen dieses Eintrags ist darauf zurückzuführen, dass das Wort zum einen ein Schlusswort des Übungssets darstellt und oft in verschiedenen Übungen erscheint. Zum anderen wird das Wort von der Probandin beim Lernen häufig fixiert, was durch die Heatmap wiedergegeben werden kann. Daher ist es denkbar, dass das Wort beim Lernen im Gedächtnis der Probandin im Vergleich zu anderen auch besonders intensiv fixierten Wörtern fester verankert wurde. In den Wörternetzen lässt sich noch sehen, dass das Wort „Chef “ mit dem vorher geschriebenen Wort „Firma“ verbunden ist. Für die Herstellung dieser Verbindung, die zu einem Sachnetz gehört, kann der vom Übungsset gegebene Kontext verantwortlich sein, denn sämtliche Inhalte des Übungssets sind eng verknüpft mit den Situationen oder mit dem Kontext eines Betriebs oder einer Firma. 127 Die dort wahrgenommenen Informationen bzw. die sprachlichen Zeichen sind basierend auf der Theorie über die Entwicklung der lexikalischen Einheiten (vgl. Kapitel 2.2) nicht so beständig in das vorhandene mentale Lexikon integriert worden, dass die Wörter als reproduzierte Lernitems nach dem Selbstlernen eingetragen werden konnten. Hierbei liegt auch die Vermutung nahe, dass sich die Probandin beim Prozess der Informationswahrnehmung auf der Online-Lernplattform zugleich mit dem digitalen Lernangebot vertraut gemacht hat. Mit anderen Worten versuchte die Probandin während ihres digitalen Selbstlernens, dieses Lernangebot sich immer weiter vertraut zu machen. Basierend auf der Medienwahl und -nutzung für das Deutschlernen bei chinesischen Lernenden (vgl. Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3) könnte es sein, dass die kognitive Kapazität der Probandin beim außerschulischen Selbstlernen mit einem digitalen Lernangebot durch eine große Menge an Lernressourcen und die vielfältigen Darstellungsformen überlastet wurden. 128 Diese Sorge ist von der Probandin in der schriftlichen Befragung erwähnt worden (vgl. Kapitel 7.3 und auch Anhang A5). Unter dem Einfluss der chinesischen Lernkultur hat sie die Sorge, nach den Lerneinheiten der Studie möglicherweise sehr niedrige Ergebnisse zu erbringen. Das impliziert, dass sie sich in einer ungewohnten Lernumgebung 129 stets um eine hohe Leistung betreffend die Aufgabenlösung bemüht hat. Die Mentalität ist auf die Angst vor Fehlern zurückzuführen. Dies kann dazu führen, dass sie lange in einem Zustand mit hoher Spannung verblieben ist und im Laufe der Zeit leicht den Prozess des Selbstlernens als solchen vernachlässigt hat. Wegen dieses hohen Spannungszustandes der Probandin schränkt sich ihre kognitive Kapazität ein, sodass die übermittelten Informationen schwieriger aufgenommen werden konnten, obwohl die Lerninhalte fixiert worden sind. Als eine Folge führt dies dazu, dass die Probandin sich 194 7 Datenauswertung und -analyse 130 Die Diskussion über die Blickfixationen findet sich in Kapitel 7.4.4.2. bei der Entwicklung ihrer Wörternetze nur mit Schwierigkeiten an diejenigen Wörter erinnern konnte, die sie ihrer Meinung nach als sinnvolle themenbezogene Einträge in die Wörternetze hätten schreiben wollen. In diesem Zusammenhang ist es erklärbar und es lässt sich nachvollziehen, warum sie nach dem Lernen mit diesem Übungsset nicht viele Wörter zu ihren Wörternetzen hinzugefügt hat. Bezüglich dieses Übungssets ist noch das Wort „Teamarbeit“ zu sehen, das auf der rechten Seite der Wörternetze liegt. Das Wort wurde zwar beim Lesen des Texts von der Probandin nicht besonders intensiv betrachtet, wird aber nach der Lerneinheit in die Wörternetze eingetragen. Dies kann auf das beim Lernen besonders intensiv fixierte Wort „kooperativ“ zurückgeführt werden, welches als weiteres Beispiel das Verhältnis zwischen dem Blickverhalten und den Einträgen der Wörternetzen zeigen kann. Es ist auch möglich, dass keine besonders hohe Konzentration für die Wahrnehmung dieses sprachlichen Zeichens erforderlich sein müsste, weil das Wort mit Hilfe der englischen Kenntnisse der Probandin leicht verständlich sein kann. 130 Basierend auf dem Modell der Sprachverarbeitung (vgl. Kapitel 2.2.1) ist vorzustellen, dass die Repräsentation des sprachlichen Zeichens im mentalen Lexikon beim Lernprozess durch den visuellen Stimulus aktiviert und beim Entwickeln der Wörternetzen abgerufen wurde. Da die Einträge „Chef “ und „Teamarbeit“ aus demselben Übungsset stammen, ist damit zu rechnen, dass das Wort mit dem danebenstehenden Wort „Chef “ verknüpft wird. Jedoch ist die Tatsache anders. Das Wort „Teamarbeit“ ist von der Probandin durch einen unabhängigen Kreis direkt mit den Stichwörtern verbunden. Es besteht außerdem keine weitere Verbindung zu anderen Kreisen in den Wörternetzen, was bedeutet, dass dieses Wort nicht mit dem Wort „Chef “ verbunden wird. Es kann davon ausgegangen werden, dass keine Verknüpfung zwischen den beiden Wörtern im mentalen Lexikon auf der gedanklichen Ebene bei der Probandin hergestellt wurde. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass die beiden sich thematisch nahestehenden Wörter nicht verbunden sind, weil sie trotz desselben Übungssets aus zwei unterschiedlichen Aufgaben (siehe Abb. 7-30a und Abb. 7-30c) stammen. Als ein möglicher Grund dafür sind die beiden Webpages zwar vernetzt und nonlinear lesbar, aber die vom Bildschirm angezeigten Inhalte werden nach dem Anklicken einer anderen Webpage komplett ausgewechselt, wobei dies beim Umblättern in einem Buch ganz anders ist. Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass die dort vorhandenen Informationen zwar visuell wahrgenommen, jedoch nur „oberflächlich“ verarbeitet worden sind (die Diskussion hierzu vgl. Kapitel 7.4.4). Es ist vorstellbar, dass die Kohärenz bei der Informationsaufnahme bei einem Wechsel einer Webpage (bzw. beim Laden einer neuen/ anderen Webpage) gestört wird, sodass die Inhalte zweier Webpages auf der gedanklichen Eben nicht so leicht verbunden werden können wie bei der Informationsaufnahme mittels eines Buchs. Aufgrund dieser sporadischen Verteilung der Wörter kann in Verbindung mit der geringen Zahl der übungsbezogenen Wörter auch vermutet werden, dass die innerhalb des Übungssets vorkommenden Wörter nicht gut im Gedächtnis behalten werden können. Dies kann als ein möglicher indirekter Beweis für die eingeschränkte Kapazität beim Lernen auf der digitalen Lernplattform angesehen werden. Dies betrifft besonders die Beschäftigung mit einem weniger vertrauten Thema, denn es ist in dem Lernprodukt 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 195 131 Der Grund für die Einschränkung ist, dass das Video und einige andere (aber nicht alle) Videos nicht direkt auf der eigenen Webseite des Goethe-Instituts gespeichert, sondern beim Design der Webpage durch Verlinkung bzw. das Einfügen des Videoplayer-Codes von einem anderen Ort in die Webseite des Goethe-Instituts zugefügt wird. Das bedeutet, dass die Verlinkung dieses Videos von einem anderen Ort aus gehostet werden. Als technischer Vorteil kann die Präsentation der Videos erfolgen, ohne dass viele Videoressourcen auf der (eigenen) Webseite selbst verwendet werden. Leider ist der Zugriff zu diesem dritten Ort bzw. zu dieser Webseite, die das Goethe-Institut für das Verlinken der Videos von Das Deutschlandlabor ausgewählt hat, unglücklicherweise in China eingeschränkt, deswegen konnten diese Videos in der Phase der Datenerhebung ohne VPN (Virtual Private Network) nur selten wie gewohnt angezeigt und abgespielt werden. Um die Einwirkung dieser Beschränkung zu minimieren, wurde die Offlinewiedergabe der Videos vor der Untersuchung vom Verfasser vorbereitet. Die Lernenden konnten daher während des Selbstlernens die Videos separat anschauen, nachdem bzw. bevor sie die Webpage gelesen haben. bzw. den Wörternetzen der Probandin zu sehen, dass sie nach dieser Studie generell mehr Wörter produziert hat, die im Kontext mit dem Studentenleben stehen. In dieser Studie hat die Probandin beim Selbstlernen ein anderes Übungsset ausgewählt, und das Übungsset heißt Das Deutschlandlabor: Schule, in dem es um den Alltag in deutschen Schulen geht. Kennzeichnend ist, dass das Übungsset ein Video enthält. Dabei beziehen sich alle Aufgaben des Übungssets inhaltlich auf das Video. Im Folgenden wird vorgestellt, wie die Augenbewegungen der Probandin beim Umgang mit diesem Übungsset aussehen. Vor der Analyse zu diesem Übungsset soll hierbei noch angemerkt werden, dass das Video wegen einer technischen Einschränkung 131 nicht angezeigt und abgespielt werden konnte. Daher ist die Stelle, an der das Video platziert wurde, in der Webpage leer, wie die folgende Abbildung 7-32 zeigt. Diese Einschränkung trifft nur auf die Videos auf der Online-Lernplattform zu, was bedeutet, dass alle anderen Ressourcen in diesem digitalen Lernangebot, wie zum Beispiel Texte, Bilder, Audiodateien sowie interaktive Übungen, ohne Probleme angezeigt werden können. Abb. 7-32: Blickverlauf (Rohdaten) der Probandin Nr.-5 (Beispiel) 196 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-33: Gazeplot der Probandin Nr.-5 (die erste Aufgabe der Übung „Schule“) In den Abbildungen für die Vorstellung der Augenbewegungsdaten in der vorliegenden Arbeit (sowohl Gazeplots als auch Heatmaps) der Übung wird dieses Video (aus ästheti‐ schen Gründen) vom Verfasser wieder an seiner ursprünglichen Stelle in der Webpage wiedergegeben, obwohl es während des Selbstlernens von den Probanden nicht direkt auf der Webpage angesehen werden konnte. Auf diese Weise können die Inhalte der Webpage vollständig rekonstruiert werden, wie die Abbildung 7-33 zeigt. Diese Abbildung liefert die Information darüber, wie bzw. in welcher Abfolge die Probandin diese Webpage gelesen hat, bevor das eingebettete Video abgespielt wurde. Auf dieser Webpage finden sich 16 Fixationspunkte und es ist leicht zu beobachten, dass es zu Beginn des Lesens der Webpage mehrere große Sakkaden gegeben hat. Der erste Fixationspunkt befindet sich in dem leeren Bereich zwischen der Navigationsleiste und dem Video. Anschließend erfolgte eine schnelle ruckartige Rückbewegung und die Probandin hat das Wort „Schülerinnen“ in dem Satz fixiert, der die Überschrift des Videos darstellt. Darauf folgte Fixationspunkt 3, was bedeutet, dass die Probandin plötzlich auf eine angehängte Datei unter der Naviga‐ tionsleiste aufmerksam wurde. Der schnelle Sprung, der vor den letzten zwei Fixationen erfolgte, war möglicherweise unbewusst und willkürlich. Es ist darauf zurückzuführen, dass die Probandin innerhalb möglichst kurzer Zeit durch Überfliegen möglichst viele Informa‐ tionen sammeln und die Aufgabenstellung finden wollte, wobei ihr Blick zwischenzeitlich wegen der fettgedruckten Namen der Datei unter der Navigationsleiste kurz angezogen wurde. Bevor die Probandin den Satz unter dem Titel der Aufgabe erneut gelesen hat, ereigneten sich zwei ruckartige Rückbewegungen (Fixationspunkte 6 und 7). Nach dem Lesen des letzten Satzes unter dem Thema erfolgte wieder ein großer Abtastsprung. Der Blick der Probandin ist direkt auf den unten stehenden Satz gesprungen, was die Punkte 8 und 9 zeigen. Es ist sichtbar, dass es danach keine großen Sakkaden mehr gegeben hat. Ihre Blicke sind immer in dem Bereich unter dem Video geblieben. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 197 Abb. 7-34: Heatmap der Probandin Nr.-5 (die erste Aufgabe der Übung „Schule“) Abbildung 7-34 ist die entsprechende Heatmap im Hinblick auf den Umgang der Probandin mit der ersten Aufgabe, bevor das Video abgespielt wurde. Mit diesem Schaubild lassen sich die Fixationen leicht bestätigen, die sich nach mehreren Blicksprüngen ereignet haben. In der Heatmap ist festzustellen, dass die besonders intensiv betrachteten Stellen in den Texten gelegen waren. Sollen das Gazeplot und die Heatmap zusammenfassend beobachtet werden, ist zu erkennen, dass lange Fixationen erfolgten, sobald die Probandin eine Frage in der Übung gefunden hat. Diese Vermutung kann dadurch gestützt werden, dass die Positionen der beiden letzten Fixationen direkt auf den Stellen der zwei Fragen liegen. Auf dieser Webpage wurden folgende Wörter besonders betrachtet: „Schülerinnen“, „Warum? “, „welches Fach“ und „möchtest du gar nicht? “. Nach der Fixation auf die letzte Frage (Fixationspunkte 9 bis 13) ist ein Rückwärtssprung der Augen vorgekommen, der einer Regression ähnelt. Dieser intern ausgelöste und relativ kurze visuelle Prozess kann darauf hindeuten, dass die Probandin zu kontrollieren versuchte, ob sie andere wichtige Informationen bzw. Fragen in der Übung überlesen hat. 198 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-35: Gazeplot der Probandin Nr.-5 (die zweite Aufgabe der Übung „Schule“) In der vorliegenden Abbildung geht es um die Blickverläufe der Probandin, während sie die zweite Aufgabe des Übungssets löste. In der zweiten Aufgabe werden die Lernenden aufge‐ fordert, den Bildern die im Optionsfeld vorgegebenen Wörter zuzuordnen. Die Bilder stellen die Szenen des Videos dar und die Wörter, die zur Auswahl in der Optionsschaltfläche angeboten werden, sind die folgenden: „die Mensa“, „das Klassenzimmer“, „die Pause“, „die Sporthalle“, „die Tafel und das Whiteboard“. Es ist auffällig, dass die Bilder in der Aufgabe im Vergleich zu den Bildern der anderen bereits vorgestellten Übungen häufiger betrachtet wurden. Für die Erscheinung dieses Blickverhaltens besteht ein möglicher Grund darin, dass die Bilder hier relevant für die Aufgabenlösung sind, weil die Aufgabe eine Text-Bild-Zuordnung darstellt. Das Blickverhalten kann in Verbindung mit den oben bereits dargestellten Beispielen darauf hindeuten, dass die Bildmaterialien beim tatsächlichen Lernprozess viel visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden erregen können, aber diese intensive Betrachtung bedingt durch die Aufgabenstellung ist. Dabei stellen die Bilder 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 199 132 Die Diskussion im Hinblick auf die Betrachtung der Bilder findet sich in Kapitel 7.4.4.1.Infolgedessen sind die Fotos in dieser Aufgabe von der Probandin häufig betrachtet worden. Ihre Blicke sind zwischen den Bildern und dem Optionsfeld gesprungen, anstatt dass das Optionsfeld ausschließlich fokussiert worden ist. Dazu wird ein konkretes Beispiel im Folgenden dargestellt. die wichtige Quelle der Informationen für die Aufgabenbearbeitung dar. 132 Infolgedessen sind die Fotos in dieser Aufgabe von der Probandin häufig betrachtet worden. Ihre Blicke sind zwischen den Bildern und dem Optionsfeld gesprungen, anstatt dass das Optionsfeld ausschließlich fokussiert worden ist. Dazu wird ein konkretes Beispiel im Folgenden dargestellt. Abb. 7-36: Ein exemplarischer Auswahlprozess der Probandin Nr. 5 (die zweite Aufgabe der Übung „Schule“) Als Beispiel veranschaulicht die vorliegende Abbildung den Prozess, wie die Probandin das Bild einem Wort im Optionsfeld zuordnete. Als zeitliche Abfolge vollzieht sich das Schaubild 7-36a ohne Unterbrechung vor dem Schaubild 7-36b. Aus der Abbildung als Ganzes lässt sich beobachten, dass die Probandin nach dem Öffnen der Optionsschaltfläche zuerst die zur Auswahl gegebenen Wörter gelesen hat. Bevor die Entscheidung getroffen wurde, blieb die Maus auf der Option „die Pause“ stehen. Gleichzeitig beobachtete und fixierte die Probandin das nebenstehende Foto (wieder). Während dieser Fixation hat sich die Probandin für das Wort entschieden, wobei hervorgehoben werden soll, dass sich der Blick der Probandin zu diesem Zeitpunkt nicht geändert hat. Das Foto in der Aufgabe wurde während und selbst auch nach der Entscheidung immer weiter fixiert. Das lässt sich mit Hilfe des Schaubildes 7-36b stützen. Dort kann eine Vergrößerung des Kreises beobachtet werden, was bedeutet, dass sich die Dauer der identischen Fixation erhöht hat. Aus diesem beispielhaften Auswahlprozess der Probandin kann auch abgeleitet werden, dass das Bild nach der Entscheidung für die Überprüfung der Auswahl wieder betrachtet wurde. Aus diesem Grund lassen sich viele Blicke auf den Bildern im Gazeplot finden. Darüber hinaus ist zugleich leicht zu erkennen, dass die Maus-Bewegung nicht vollständig mit der Augenbewegung übereinstimmt. Wie das Beispiel zeigt, kann die Probandin das Bild beobachten und währenddessen mit der Maus die Option anklicken. Hierbei 200 7 Datenauswertung und -analyse 133 An diesem Beispiel ist zu erkennen, dass noch weitere Forschungsmethoden in den nachfolgenden fremdsprachendidaktischen Untersuchungen bezüglich der (visuellen) Aufmerksamkeit der Lernenden beim Lernprozess eingesetzt werden sollten, sodass mehr Daten zur Interpretation der komplexen Zusam‐ menhängen zur Verfügung stehen könnten. Dies wird nach der Zusammenführung der im Rahmen der vorliegenden Arbeit erhobenen Daten in Kapitel 7.4 und auch in Kapitel 8 diskutiert. stellt sich jedoch hinsichtlich der Aufmerksamkeit die Frage, worauf sich die Probandin zu diesem Zeitpunkt konzentriert hat. Diese „Asynchronizität“ von dem Maus-Movement und der Augenbewegung ergibt kein eindeutiges Signal, weil es unterschiedliche Vermutungen diesbezüglich geben kann. Beispielsweise kann angenommen werden, dass die Probandin während des Entscheidungsprozesses nur das Foto fixiert hat. Das Wort wurde vorher schon gelesen. Daher ist es nicht nötig, die Option vor dem Anklicken wieder zu lesen. Es ist jedoch auch vorstellbar, dass sich die Probandin trotz des Betrachtens des Bildes im Auswahlprozess auf die Überlegung konzentriert hat, ob das Wort „die Pause“ die richtige Lösung darstellt. Daher ist es in diesem Fall schwierig, die Aufmerksamkeit der Probandin genau zu identifizieren. 133 Abb. 7-37: Heatmap der Probandin Nr.-5 (die zweite Aufgabe der Übung „Schule“) 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 201 Abbildung 7-37 beschreibt die Abstufung der visuellen Aufmerksamkeit der Probandin auf verschiedene Bereiche der Webpage, bis die Lernende mit der zweiten Aufgabe fertig war. Mit Hilfe der Grafik ist festzustellen, dass die Texte bzw. die Wörter wie gewohnt im Vergleich mit den anderen Elementen vorrangige Objekte darstellten, die fixiert wurden. Dabei fällt zugleich auf, dass die bildlichen Elemente anscheinend zum ersten Mal so intensiv betrachtet wurden wie die textlichen Elemente auf derselben Oberfläche. Insgesamt gesehen befinden sich die überdurchschnittlich langen Fixationen überwiegend auf der ersten Hälfte der Aufgabe. Dies liegt vermutlich daran, dass die Probandin wegen der ersten Begegnung mit der Aufgabe hinsichtlich der Text-Bild-Zuordnung auf dieser Online-Plattform sehr konzentriert war, sodass sie mit der Aufgabe angemessen umgehen konnte. Ferner liegt ein großer Teil der langen Fixationen auf der zweiten Frage bzw. dem zweiten Foto und den Wörtern im neben dem Foto stehenden Optionsfeld. Dies kann darin begründet liegen, dass die Probandin dort vermutlich auf eine kleine Schwierigkeit gestoßen ist. Das zweite Bild („Ein Kind spielt Handball“) und das dritte Bild („Acht Kinder spielen Fußball“) unterscheiden sich zwar visuell voneinander, aber ein entsprechendes Wort im Optionsfeld kann schwer sofort gefunden werden, denn das Wort „die Pause“ kann den beiden Fotos inhaltlich konnotativ zugeordnet werden. Es ist in diesem Zusammenhang feststellbar, dass viele Blicksprünge zwischen dem zweiten Foto und dem zweiten Optionsfeld und auch lange Fixationen an beiden Stellen vorliegen, wie das Gazeplot zeigt. Zugleich kann dies zum einen dadurch erklärt werden, dass das dritte Foto und das dritte Optionsfeld aufgrund der Ausschlussmethode eine entsprechend geringere Aufmerksamkeit erregt haben. Zum anderen ist auch nachvollziehbar, warum die Probandin das dritte Foto weiter fixiert hat, obwohl die Entscheidung bzw. die Auswahl getroffen worden ist, wie Abbildung 7-36 im Hinblick auf den Auswahlprozess zeigt. Gemäß der Heatmap wurden folgende Wörter fixiert: „Sieh dir die Bilder“, „die Mensa“, „das Klassenzimmer“, „die Pause“, „die Sporthalle“, „die Tafel oder das Whiteboard“, „Prüfen“ und „Gefällt mir“. Bevor die in dieser Aufgabe fixierten Wörter in Verbindung mit den Wörternetzen der Probandin analysiert werden, werden davor noch die Heatmaps zu den restlichen Aufgaben des Übungssets aufgeführt. 202 7 Datenauswertung und -analyse 134 Die vierte und die letzte Aufgabe enthalten offene Fragen und in den beiden Aufgaben werden die Lernenden aufgefordert, ihre Meinung als Kommentar auf der Plattform zu schreiben. Vor dem Be‐ ginn der Studie wurden den Probanden die Aufgabentypen grob vorgestellt. Die Probanden und der Forschende haben beschlossen, aus zeitlichen Gründen nur die Kommentare von anderen Nutzern zu lesen, ohne die eigene Meinung auf der Online-Plattform zu schreiben. Diese Entscheidung wurde als Kompromiss getroffen, weil die Zeit für die Studie knapp war und diese Untersuchung keine Langzeitstudie darstellt. Außerdem ist die Analyse der Wahrnehmung hinsichtlich des Feedbacks von anderen Personen kein Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit, obwohl die Äußerung eigener Meinungen auch ein Teil des Lernens darstellt. Abb. 7-38: Heatmaps der Probandin Nr.-5 (vier Aufgaben der Übung „Schule“) Die vorliegende Abbildung 7-38 besteht aus vier verschiedenen Heatmaps jeweils zur fünften (siehe Abb. 7-38a), sechsten (siehe Abb. 7-38b), siebten (siehe Abb. 7-38c) und achten (siehe Abb. 7-38d) Aufgabe 134 des Übungssets „Das Deutschlandlabor: Schule“. In der fünften Aufgabe können die Lernenden durch Single-Choice-Fragen einen groben Eindruck von einer typisch deutschen Schule erhalten. Die nächste Aufgabe bezieht sich auf Schulfächer und in der Aufgabe werden verschiedene Fächer beschrieben. Die Lernenden sollen dem‐ entsprechend ein Schulfach vom Optionsfeld auswählen. Die siebte und die achte Aufgabe sind von der gleichen Art und in beiden Aufgaben sollen die Lernenden die passenden Wörter, die vorgegeben werden, in die Lücken schreiben. Beide Aufgaben unterscheiden sich durch ihre untergeordneten Themen teilweise voneinander. Während sich die siebte Aufgabe auf das deutsche Schulsystem bezieht, werden die Lernenden durch die achte 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 203 135 Die Wörter „Gymnasium“ und „Universität“ werden mit einem blauen Sternchen gekennzeichnet, weil sie zwei Mal [sowohl vor dem Beginn des Lernens als auch nach den ersten zwei Lerneinheiten (mit zwei ungleichen Anlässen bzw. Gedankengängen)] assoziiert werden. 136 Damit sind die Wörter gemeint, die nach den ersten zwei Lerneinheiten zu den Wörternetzen hinzugefügt werden. Aufgabe über einen Schultag in einem Gymnasium informiert. Es ist unverkennbar, dass sich die Fixationen ausnahmslos in zunehmendem Maße auf dem Bereich befinden, in dem die Fragen der Aufgaben stehen. Wenn die vier Heatmaps miteinander verglichen werden, ist es auffällig, dass der Einleitungssatz der ersten beiden Aufgaben von der Probandin grob gelesen wurde, obwohl die Sätze der beiden Aufgaben nicht fokussiert wurden. Im Gegensatz dazu wurde der Einleitungssatz der letzten zwei Aufgaben nicht gelesen. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Probandin mit dem Aufgabentyp in den letzten zwei Aufgaben vertraut ist. Obwohl die Single-Choice-Aufgaben für die Probandin auch bekannt sind, kann es mehrere Möglichkeiten hinsichtlich der Aufgabenlösung geben, wenn die notwendigen Informationen zu den Aufgaben oder Fragen nicht zuerst gesammelt worden sind. Das bedeutet, dass die Lernenden beim Selbstlernen in der Studie ratlos sein könnten, wenn die Anforderungen für die Bearbeitung der Aufgaben nicht bekannt wären. Im Vergleich dazu können die Lücken-Aufgaben eindeutiger behandelt werden, ohne die Aufgabenstellung gelesen zu haben. Diese Vermutung kann durch die Tatsache gestützt werden, dass die Aufgabenstellungen in den Schaubildern 7-38a und 7-38b aufmerksamer gelesen wurden als in den Schaubildern 7-38c und 7-38d. Dies kann darauf hindeuten, dass der Einleitungssatz bei der Aufgabenlösung (aus der Sicht der Probandin) nicht viel helfen konnte. Dieser Stil der Aufgabenbearbeitung bzw. die lösungsorientierte Einstellung kann zudem auch die bedingte Betrachtung der Bilder im Lernmaterial erklären (die Diskussion hierzu vgl. Kapitel 7.4.4). Insgesamt gesehen wurden nach der Heatmap lediglich die Wörter fokussiert, die in den Aufgabenbereichen erschienen sind: „die Schulen“, „Sportunterricht“, „Sportart“, „Gymnasium“, „Leichtathletik“, „Podiumsdiskussion“, „Referat“ (siehe Abb. 7-38a); „Mathematik“, „Sport“, „Biologie“, „Kunst“ (siehe Abb. 7-38b); „Abitur“, „Grund‐ schule“, „Noten“, „Schulsystem“, „Studium“ (siehe Abb. 7-38c); „Unterricht“, „Referate“, „üben“ und „Mensa“ (siehe Abb. 7-38d). Es ist erkennbar, dass die besonders intensiv betrachteten Wörter einen Bezug zu den Inhalten der Aufgabenbereiche der Übungen haben. Im Folgenden werden die von der Probandin besonders intensiv fixierten Wörter in Verbindung mit ihren Wörternetzen analysiert (siehe Abb. 7-31). Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass viele Wörter, die sich auf die Schule und die Universität beziehen, zu den Wörternetzen hinzufügt worden sind. Die einschlägigen Wörter 135 sind in dem linken Teil ihrer Wörternetze zu finden und die Anzahl der Wörter ist viel höher als die Wörter, die zum Bereich der Berufsausbildung zu zählen sind. Dafür kann die Tatsache verantwortlich sein, dass das Thema Schule und Universität wegen der sozialen Identität der Probandin mehr einen Bezug zu ihrem eigenen Alltag als Studentin hat. Außerdem ist klar zu entnehmen, dass eine Spur des oben dargestellten Übungssets bei nahezu allen einschlägigen Wörtern 136 zu finden ist. Ein beispielhaftes Wort ist das Wort „Labor“, das aus dem Namen des Übungssets Das Deutschlandlabor: Schule kommt. Darüber hinaus lässt sich ein größerer Zweig bei den Wörternetzen finden, welcher durch das gedankliche Konzept über das deutsche Schulsystem ausgelöst worden ist. 204 7 Datenauswertung und -analyse 137 In der Aufgabe wird Folgendes angezeigt: „Kinder mit guten (Noten) gehen später auf das Gymna‐ sium. Dort macht man am Ende das (Abitur). Das ist der höchste Schulabschluss in Deutschland. Man kann damit an der Universität ein (Studium) beginnen.“ (Die Klammern entsprechen hier den Lücken in der siebten Aufgabe, Stand: 20.09.2021) Dieser Zweig beinhaltet „Gymnasium - Abitur/ - Universität - Studium“ und das Wort „Studium“ schließt sich zugleich an weitere Einträge an. Es ist vorstellbar, dass das Wort „Schulsystem“ als verdecktes Hyperonym bei der Probandin die Weiterentwicklung der Wörternetze in Bezug auf das deutsche Schulsystem initiiert, obwohl das Wort nicht direkt geschrieben wird. Mit anderen Worten steht der Zweig in einer engen Beziehung mit der siebten Aufgabe (siehe Abb. 7-38c). In diesem Zweig können drei in der siebten Aufgabe überdurchschnittlich häufig betrachteten Wörter gefunden werden. Jedoch sind sie nicht unmittelbar linear miteinander verknüpft. Nach den Wörternetzen ist das Wort „Abitur“ mit dem Eintrag „Gymnasium“ verbunden, was durch den Inhalt der siebten Übung zu begründen ist. Jedoch hat die Probandin keine direkte Verbindung zwischen dem Eintrag „Abitur“ und dem Eintrag „Studium“ hergestellt, obwohl sich die Positionen zwischen „Abitur“ und „Studium“ in der Aufgabe annähern 137 und eine konzeptuelle Verknüpfung zwischen den beiden Wörtern mit dem Pronominaladverb damit während der Bearbeitung der Lücken im Text der Aufgabe gefördert werden kann. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass das Wort „Abitur“, das den höchsten Schulabschluss des Gymnasiums bedeutet, für chinesische Lernende kulturspezifisch ist. Auch das Wort „Gymnasium“ kann als spezifisches Wort bei chinesischen Deutschlernenden angesehen werden, obwohl ein entsprechender Begriff im Chinesischen vorhanden ist. Im Vergleich damit ist das Wort „Studium“ bzw. das von diesem Wort repräsentierte Konzept nicht so stark kulturspezifisch. In diesem Zusammenhang ist es nachzuvollziehen, warum keine direkte Verbindung zwischen den Wörtern „Abitur“ und „Studium“, aber durchaus eine Verbindung zwischen den Einträgen „Abitur“ und „Gymnasium“ besteht. Zudem kann dies darauf hindeuten, dass die konzeptuelle Verknüpfung der Wörter „Abitur“ und „Studium“ im mentalen Lexikon der Probandin weniger deutlich vorhanden ist, was vermutlich daran liegen könnte, dass die Informationsverarbeitung beim Lernprozesse der Übungen nicht so tiefgehend war. Als Folge konnte die Herstellung der konzeptuell-lexikalischen Verbindung der beiden Einträge nicht gefördert werden (die Diskussion vgl. Kapitel 7.4.4.3). Als ein anderes besonders betrachtetes Wort fungiert „Studium“ als Knoten mit weiteren Wörtern. Es ist auffällig, dass es nicht mit dem auch aus der siebten Aufgabe stammenden Wort „Note“ direkt verknüpft ist. In der Zwischenposition liegt das Wort „Prüfung“, das nicht in der Aufgabe erscheint. Das Wort wurde von der Probandin durch die logische Nähe assoziiert, was als Sachnetz kategorisiert werden kann. Mit dem Wort „Studium“ wird außerdem das Wort „Stress“ vermutlich wegen ihrer eigenen Situation in Verbindung gebracht und diese Konnotation gehört zu einem affektiven Teilnetz, welches in Kapitel 3.2 dargestellt wurde. Hinzu kommt noch das Wort „Fächer“, was auf eine individuelle Verknüpfung zurückzuführen sein kann. Es kann aber auch möglicherweise davon ausge‐ gangen werden, dass die Probandin zu diesem Zeitpunkt an die sechste Aufgabe gedacht haben könnte. Allerdings wird kein Wort in einen assoziativen Zusammenhang mit dem Wort „Fächer“ gebracht. Einige konkrete Fächer werden zwar aufgeschrieben, aber sie sind von dem Wort „Fächer“ getrennt. Es ist in Kombination mit der Heatmap (siehe Abb. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 205 138 Daher ist es sinnvoll, dass der Prozess der Generierung der Wörternetze bei allen Probanden aufge‐ nommen wird. Die Videoaufnahme kann bei der Datenauswertung weitgehend helfen, und damit kann festgehalten werden, in welcher Reihenfolge die Wörter geschrieben oder hinzugefügt werden. Der dazugehörende Kritikpunkt wird in dem Kapitel bezüglich der Selbstreflexion beschrieben. 139 Diese Sicht ist aus den Ergebnissen des retrospektiven Lauten Denkens dieser Probandin zu erschließen. 7-38b) ohne Schwierigkeit herauszufinden, dass diese Wörter bezüglich der konkreten Fächer diejenigen sind, die in der sechsten Übung besonders intensiv betrachtet wurden. Doch ist zugleich auch zu beobachten, dass sich diese Wörter an verschiedenen Stellen der Wörternetze verteilen. Ein möglicher Grund besteht darin, dass sich diese Wörter bezüglich der Fächer wegen der gestellten Aufgabe in der Übung konzeptuell eher dem Kontext von „Gymnasium“ annähern, während das geschriebene Wort „Fächer“ unter dem Wort „Studium“ bzw. in einem hochschulischen Kontext generiert wird. Aber der Grund, warum es keine Verbindung zwischen dem Wort „Gymnasium“ und den Wörtern bezüglich der konkreten Fächer gibt, lässt sich nur schwer eindeutig erklären. 138 Außerdem ist zu beobachten, dass zwei konkrete Fächer, nämlich „Sport“ und „Mathematik“ nicht miteinander, sondern mit anderen Wörtern verbunden worden sind. So besteht eine Verbindung zwischen „Sport“ und „Sporthalle“, die durch das Video in Verbindung mit der in Kapitel 2.2.4 dargestellten visuellen Abhängigkeit beim Lernprozess und auch durch die zweite Aufgabe der Übung zu begründen werden kann. Es liegt daran, dass die Probandin anschließend weiter an das sprachliche Zeichen „Ball“ gedacht hat, das im Video und in der zweiten Aufgabe präsentiert worden ist. Die Wörter „Kunst“ und „Mathematik“ stellen zwar wie das Wort „Sport“ Kohyponyme zum Oberbegriff „Fach“ dar. Jedoch werden die beiden Wörter unmittelbar mit den Stichwörtern der Wörternetze verbunden, ohne dass sie mit dem Eintrag „Sport“ verbunden werden. Ein möglicher Grund besteht darin, dass die beiden Wörter nicht im Video oder in der zweiten Aufgabe, sondern erst in der sechsten Aufgabe über Schulfächer (siehe Abb. 7-38b) vorkommen. Dabei besteht m. E. eine gewisse Ähnlich‐ keit zwischen diesen Einträgen und dem bereits dargestellten Beispiel betreffend die Wörter „Chef “ und „Teamarbeit“, was diese Vermutung unterstützen kann. Weil die Perzeption beim Umblättern einer Webpage nicht genauso wie beim Umblättern einer Buchseite ist, wird die Kohärenz bzw. der inhaltliche Zusammenhang der übermittelten Informationen gestört, sodass die gelernten bzw. wahrgenommenen Inhalte auf der gedanklichen Ebene getrennt angeordnet werden könnten (die Diskussion vgl. Kapitel 7.4.4.3). Dies kann dann dazu führen, dass die aus den jeweiligen Aufgaben stammenden Wörter getrennt in den Wörternetzen platziert werden, obwohl sie aus demselben Übungsset stammen. Bei der Analyse zweier Übungssets auf der Online-Lernplattform bei der Probandin Nr. 5 lässt sich in erster Linie erkennen, dass die Bilder die Aufmerksamkeit der Probandin kaum auf sich gezogen haben. Die meisten Bilder in den Übungen tragen (aus ihrer Sicht 139 ) lediglich zur Ästhetik bei, somit werden die Bilder nicht berücksichtigt. Als Ausnahme werden die bildlichen Elemente bzw. Reize besonders betrachtet, wenn sie wichtige oder notwendige Informationen zur Problemlösung liefern. Dies stellt ein spannendes und interessantes Phänomen dar, denn die visuelle Aufmerksamkeit auf die bildlichen Elemente der Probanden beim Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot ähnelt sehr den Augenbewegungen der Gruppe A, wobei das Selbstlernen mit einem Buch in der ersten 206 7 Datenauswertung und -analyse 140 Siehe Anhang A2. Studie erfolgte. Es ist zudem noch zu beobachten, dass die Aufmerksamkeit bezüglich der Bilder häufig erst endet, bis die nötigen Informationen zum Lösen der Aufgaben gefunden worden sind. Hierzu ist von Interesse, ob und inwieweit es möglich ist, dass die von den Bildern übermittelten Informationen durch die intensive visuelle Aufmerksamkeit bzw. die Fixation als themenbezogene Repräsentationen in das mentale Lexikon in Verbindung mit dem konzeptuellen System gebracht werden. Dies lässt sich bei dieser Probandin allerdings nicht deutlich erkennen. Im Folgenden werden die Augenbewegungen einer weiteren Probandin dargestellt, die auch zur Gruppe B in der ersten Studie angehört, um zu beobachten, dass die oben erwähnten Phänomene hinsichtlich der Augenbewegungen und der Einträge in den Wörternetzen auch bei anderen chinesischen Probanden aus der Gruppe B zu sehen sind. 7.2.1.2.2 Probandin Nr.-9 Als weiteres Mitglied der Gruppe B hat die Probandin Nr. 9 genauso lange Deutsch gelernt wie die anderen Studienteilnehmenden der Untersuchung. Beim Deutschlernen ist es ihr sehr schwergefallen, die deutsche Grammatik zu lernen. Die Ursache dafür ist, dass es viele Ausnahmen gibt. Die grammatischen Regeln können aus diesem Grund nicht immer leicht klar verallgemeinert werden, was dazu führt, dass die Probandin immer zusätzliche Zeit für das Memorieren der Ausnahmen verwenden musste. Außerdem erwies sich die englische Sprache in manchen Fällen auch als Hürde für ihr Deutschlernen. Als erste Fremdsprache der Probandin kann Englisch zwar ihren Erwerb der deutschen Sprache fördern, was als positiver Transfer bezeichnet werden kann (vgl. Rösler 2012: 242). Jedoch wird manchmal auch Interferenz verursacht, die aus der fremdsprachendidaktischen Perspektive eine große Quelle von Lernfehlern sein kann (vgl. ebd.: 153). Die Interferenz trifft zum Beispiel auf die Übertragung zwischen fremdsprachlichen und muttersprachlichen Strukturen zu. Das Problem war bei der Probandin vorhanden und daher investierte sie nach dem Deutschunterricht viel Zeit für das Selbstlernen. Entsprechend dem Fragebogen 140 legte sie mehr Wert auf die Wiederholung der deutschen Grammatik, was vermutlich auf die im chinesischen DaF-Unterricht häufig verwendete GÜM-Methode (vgl. Kapitel 3.4) zurückzuführen ist. Des Weiteren bereitete sie sich beim Selbstlernen auch auf die neuen zu lernenden grammatischen Kenntnisse vor. Ihr Selbstlernen war mitunter themenorientiert und sie suchte zum Zweck der Ergänzung oder Erweiterung ihrer Deutschkenntnisse Lern‐ materialien zu einem Thema, wofür sie sich interessierte. Gelegentlich las sie auch Märchen für Kinder in deutscher Sprache, um ihr Leseverstehen gefördert werden zu können. Für die inhaltliche Ergänzung ihres Selbstlernens verwendete die Probandin neben dem Lehrwerk auch digitale Medien und dadurch können (aus ihrer Sicht) einige komplizierte sprachliche Kenntnisse anschaulicher erklärt werden, sodass sie sich besser nachvollziehen lassen. Obwohl der Probandin der Einsatz von digitalen Medien gefällt, werden digitale Medien beispielsweise wegen Zeitmangels nicht häufig verwendet, was implizieren kann, dass die digitalen Medien eher als ergänzende Mittel für das Deutschlernen angesehen werden. Dies deckt sich mit der Darstellung im Hinblick auf die Mediennutzung der chinesischen Deutschlernenden im Theorieteil der vorliegenden Arbeit (vgl. Kapitel 4.3). 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 207 Das außerschulische Selbstlernen hält die Probandin für sinnvoll und nützlich. Jedoch ist eine Unterstützung im Hinblick darauf aus der Ansicht der Probandin notwendig, damit die Lernqualität in einem außerschulischen Kontext möglichst effizient gewährleistet werden kann, was basierend auf den erfassten allgemeinen persönlichen Daten der Probandin vermutlich einen der Gründe dafür darstellt, dass viele chinesische DaF-Lernenden es nicht gewohnt sind, mit den (internetgestützten) digitalen Medien selbstständig die deutsche Sprache zu lernen. Insgesamt lässt sich erkennen, dass die Probandin Nr. 9 eine Lernende mit einer großen Autonomie ist. Im Folgenden wird dargestellt, wie die Augenbewegungen der autonomen Lernenden beim Umgang mit dem digitalen Lernangebot aussehen. In den ersten zwei Lerneinheiten hat die Probandin zuerst das Übungsset „Menschen in Deutschland: Studentenleben“ zum Thema „Schule und Universität“ ausgewählt. Abb. 7-39: Gazeplot der Probandin Nr. 9 (die erste Aufgabe der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) Abbildung 7-39 beschreibt den Blickverlauf der Probandin Nr. 9, während sie die erste Aufgabe des Übungssets mit dem Titel „Studentenleben“ im digitalen Lernangebot löste. Diese Aufgabe trägt zunächst zu einer thematischen Einführung bei. Über dem in der Mitte liegenden Bild steht eine offene Frage betreffend die Auswahl einer deutschen Universität und unter diesem großen Bild wird die Aufgabe durch die Frage betreffend die Auswahl eines Studiengangs bzw. eines Fachs inhaltlich erweitert. Aus der Grafik wird in erster Linie ersichtlich, dass sich die Fixationen größtenteils in dem Bereich befinden, wo die Texte bzw. die Fragen der Aufgabe stehen. Das Lesen der Webpage hat mit dem kurzen Anschauen des großen Fotos begonnen und danach ist der Blick der Probandin auf die Navigationsleiste gesprungen. Ein möglicher Grund für diese Handlung ist, dass die Fragen bzw. Aufforderungen der Aufgaben nicht sofort gefunden werden. Bei einem großen Foto ohne Aufgabenstellung war die Probandin möglicherweise verwirrt. Deshalb hat sie nach dem Gazeplot sofort auf den Bereich der Navigationsleiste geschaut, um sicherzustellen, dass die richtige Webpage geladen oder 208 7 Datenauswertung und -analyse 141 Solange eine Aufgabe gelöst worden ist, wird sie vom System automatisch durch ein grünes Häkchen im Navigationsbereich gekennzeichnet. Das funktioniert genauso wie der Browserverlauf bzw. die Chronik in einem Webbrowser. Da sich alle Probanden (der Gruppe B) mit dem Benutzerkonto des Forschenden auf der Online-Plattform anmelden, kann die letzte Person den Browserverlauf der vorherigen Person sehen, denn die Aktivitätsdatensätze sind mit dem Konto verbunden, wenn die Daten nicht entfernt werden. 142 Die Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4.1. ausgewählt wurde. Der Größe des Fixationspunktes bzw. des Kreises Nr. 5 ist leicht zu entnehmen, dass sich dort eine längere Fixation vollzogen hat, was allerdings auch auffällig ist. Dafür könnten die grünen Häkchen in der Navigationsleiste ursächlich sein, die aufgrund der Aktivitätsdatensätze von den vorherigen Probanden auf der Plattform bearbeitet worden sind. 141 In diesem Zusammenhang hat der Blick Nr. 5 länger als die ersten vier Blicke gedauert, weil die Probandin die Position der zu erledigenden Aufgabe in dem Navigationsbereich überprüft wollte. Im Anschluss daran erfolgte eine große Sakkade (Fixationspunkte 5 und 6) und nach dieser Sakkade hat die Probandin mit dem Lesen der Aufgabenstellung unter dem Bild angefangen. Inzwischen ist der Fixationspunkt 9 auffällig, denn der Punkt befindet sich nicht auf dem Bereich der Texte, während die Probandin die Fragen las. Hierzu soll angemerkt werden, dass der Fixationspunkt nicht wegen der Attraktivität des Fotos verursacht wurde. Der Fixationspunkt hat sich entsprechend dem Video-Replay zu dem Zeitpunkt vollzogen, als die Probandin während des Lesens die Webpage herunterscrollte. Als Reaktionsmechanismus scrollte sie am Bildschirm sofort wieder nach oben und zugleich wanderte ihr Blick unbewusst mit dem Bildschirm auch nach oben. Diese blitzschnelle Augenbewegung wurde vom Eyetracker aufgezeichnet und der Blickverlauf wurde vom Programm Tobii Pro Lab mit den Algorithmen verarbeitet, wie die vorliegende Abbildung zeigt. Mit Hilfe der Abbildung lässt sich ein grober Eindruck in Bezug auf das Blickverhalten der Probandin Nr. 9 bei der ersten Begegnung mit dem digitalen Lernangebot bzw. beim Lesen der ersten Webpage gewinnen. Ebenso wie die anderen Teilnehmenden hat die Probandin auch kaum Aufmerksamkeit auf die bildlichen Elemente auf der Webpage aufgewendet. Was m. E. hier auffällt, ist dass die Probandin trotz der ersten Begegnung mit dem digitalen Lernangebot nicht alle Reize betrachtet hat. Dabei sollte hervorgehoben werden, dass das Foto als Stimulus zwar groß und in der Mitte der Webpage steht, allerdings kaum die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin erregt hat. 142 Da alle Aufgaben innerhalb eines Übungssets inhaltlich teilweise miteinander verbunden sind, wird die entsprechende Heatmap mit den Heatmaps anderer Aufgaben dieses Übungs‐ sets zusammen aufgeführt und sie werden in Kombination mit den Wörternetzen der Probandin analysiert. Somit wird zunächst das Gazeplot hinsichtlich einer anderen Übung aufgezeigt. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 209 Abb. 7-40: Gazeplot der Probandin Nr. 9 (die zweite Aufgabe der Übung „Menschen in Deutsch-land: Studentenleben“) In der Abbildung 7-40 geht es um die Blickverläufe, wenn die zweite Aufgabe von der Probandin gelöst wurde. Diese Aufgabe besteht aus vier Lückentexten und die Lösungen zu allen Lücken werden durch in der Aufgabe vorhandene Audiodateien akustisch repräsen‐ tiert. Die Lernenden sollen daher die integrierten Audiodateien hören und die fehlenden Wörter in die Lücken manuell eingeben. Trotz vieler Fixationen in dieser Aufgabe ist es bemerkenswert, dass das Bild in dieser Aufgabe grundsätzlich kaum berücksichtigt wurde, wie es auch bei dem Bild in der ersten Aufgabe der Fall war (siehe Abb. 7-39). Es ist erkennbar, dass das Bild in dieser Aufgabe zu Beginn bei der Informationsaufnahme keine Aufmerksamkeit dieser Probandin auf sich gezogen hat, so wie die folgende Abbildung 7-41 zeigt. 210 7 Datenauswertung und -analyse 143 Da diese Webpage sehr lang ist, beschränkt sich der sichtbare Bereich in der Tat auf den Bildschirm. Alle Inhalte der Aufgabe müssten daher durch mehrmaliges Scrollen gesehen werden. Das bedeutet, dass die Aufgabe Abschnitt für Abschnitt auf der Webpage angezeigt wird. Das Gazeplot sowie die Heatmap werden vom Programm Tobii Pro Lab durch seine spezifischen Algorithmen erstellt. Basierend auf den Positionen der Fixationen bzw. Fixationspunkte in allen Abschnitten der Webpage werden die (entsprechenden) ursprünglichen Stellen der Fixationen auf der gesamten Seite ermittelt und zusammengesetzt. Abb. 7-41: Exemplarischer Übersprung (zweite Aufgabe der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) Aus dem Schaubild ist zu entnehmen, dass der Blick der Probandin nach ihrem Lesen des Einleitungssatzes unter den Titel (Fixationspunkte bis 11) durch eine lange Sakkade direkt auf den Bereich wanderte, der die Aufgabenstellung enthält (Fixationspunkt 12). Das bedeutet, dass das Bild in diesem Prozess keine Aufmerksamkeit erregt hat, wie es bei den Bildern in den meisten Aufgaben im Lernmaterial der Fall ist. Obwohl es gemäß dem Gazeplot (siehe Abb. 7-40) einige Fixationskreise (Fixationspunkte 26, 27 und 455) auf dem Bild gibt, werden die Fixationen nicht wegen des Bildes hervorgerufen. Der Grund dafür ist identisch mit der Ursache für den Fixationspunkt 9 in der ersten Aufgabe des Übungssets, was durch das Video-Replay bestätigt werden kann. 143 Entsprechend den ganzheitlichen Blickverläufen im Gazeplot in Verbindung mit dem Video-Replay lässt sich sagen, dass die Aufgabe von oben bis unten Lücke für Lücke sukzessive gelöst wurde. Die Einzelheiten werden durch die folgende grafische Darstellung gezeigt. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 211 144 Da der Eye-Tracker nur die Daten im Hinblick auf das Augenverhalten auf dem Bildschirm erhebt, werden die Sakkadenprozesse bzw. die Blicke, die aus dem Bildschirm springen, bis zum Rand des Bildschirmes aufgenommen. Abb. 7-42: Prozess der Aufgabenlösung (zweite Aufgabe der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) Die Abbildung 7-42 besteht aus zwei Schaubildern. Das linke Schaubild zeigt einige Blicke, wenn die Lücken in der ersten Frage gefüllt wurden. Das rechte Schaubild zeigt einen Teil der visuellen Aufmerksamkeit dieser Probandin, als sie den letzten Lückentext löste. Während die Audiodateien zu den jeweiligen Fragen abgespielt wurden, wurde die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin zu einem großen Teil von den Audios gelenkt. Die Blicke bewegten sich dynamisch fast immer auf die Stelle der Wörter, die in den Audiodateien vorgelesen wurden. Diese Augenbewegungen sind nachvollziehbar, weil die Lösung sich wegen der Art der Übung nicht durch die visuelle, sondern die akustische Wahrnehmung erzielen lässt. Die Blickbewegungen der Probandin werden von den Wörtern abgewendet. Wenn sie die Wörter in die Lücken eingibt, werden die Blickbewegungen auf die Tastatur und die Lücke gerichtet. Diese Bewegungen werden in der grafischen Darstellung num‐ meriert. Im linken Teil des Schaubildes lassen sich zwei lange rote Linien finden, die Sakkadenprozesse wiedergeben. Die beiden Linien bedeuten, dass die Probandin während des Hörens nach unten bzw. auf die Tastatur geschaut hat. 144 Linie 1 zeigt, dass die Probandin schnell auf die Tastatur geschaut und versucht hat, das fehlende Wort einzugeben, wenn das Wort in der Audiodatei ausgesprochen wurde. Doch war die Zeit für die Eingabe knapp und deshalb hat die Probandin nur die ersten zwei Buchstaben „ge“ (des Wortes gefunden) eingegeben. Im Anschluss daran hat die Probandin wieder auf den Bildschirm bzw. die zweite Lücke in der ersten Frage geschaut, was die zweite Linie zeigt. Die Wörter in den Lücken wurden nach der Audiodatei zur ersten Frage vervollständigt. Diese Strategie wurde in der ganzen Aufgabe verwendet. Der rechte Teil liefert die Informationen über den Blickverlauf in einer sehr kurzen Zeitspanne, wo die zweite Lücke nach der Eingabe für die erste Lücke in der letzten Frage neu positioniert wurde. Es lässt sich ersehen, dass die Probandin nach der Eingabe (Linie 3) im Bruchteil einer Sekunde die Position der zweiten Lücke verloren hat. Nach einigen kurzen Blicken hat die Probandin die Lücke wieder gefunden und dort erfolgte eine längere Fixation. Als ein möglicher Grund für diese 212 7 Datenauswertung und -analyse Fixation kann angenommen werden, dass die Probandin ohne Augenbewegung wartete, bis das fehlende Wort in der zweiten Lücke in der Audiodatei ausgesprochen wurde. Es ist auch darauf zurückzuführen, dass sich die Probandin nach dem erneuten Positionieren wieder an den Kontext des Satzes bzw. der Frage erinnert hat, indem die Lücke und ihre benachbarten Wörter fokussiert wurden. Abb. 7-43: Heatmap der Probandin Nr. 9 (zweite Aufgabe der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) In der dazugehörenden Heatmap liefert Abbildung 7-43 die Informationen darüber, wo und inwieweit die Fixationen in der zweiten Aufgabe waren, bis die Probandin alle Fragen beantwortet hat. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Wörter umso intensiver betrachtet wurden, je näher sie an den Lücken der Fragen positioniert sind. Die meisten Wörter, die besonders intensiv betrachtet worden sind, sind entweder in den Lücken oder in ihrer Nähe. Es handelt sich um die folgenden Wörter: „habe“, „neue Freunde“, „gefunden“, „studieren“, „Informatik“, „Software“, „Technik“, „das Studieren“, „Ausbildung“, „Studium“, „Studenten‐ leben“ und „muss“. Diese Heatmap wird beruhend auf den Augenbewegungsdaten erstellt, welche die visuelle Aufmerksamkeit dieser Probandin beim Vervollständigen der fehlenden Wörter nach dem Hören darstellt. Angesichts der Tatsache, dass die Eingabe eines längeren Wortes in die Lücke im Vergleich zu einem kürzeren Wort länger dauert, ist es denkbar, dass die Fixationen auf der Lücke, in die ein längeres Wort eingegeben wird, dementsprechend intensiver erscheinen. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Fixationen oder die Verweildauer der Blicke in der Hörübung zum Teil durch externe Faktoren beeinflusst werden können, denn die Faktoren wirken auf die optische Aufmerksamkeit der Probandin ein. Dabei ist es von Interesse, ob die Wörter, die in diesem Fall wahrgenommen worden sind, nach den Lerneinheiten auch in die Wörternetze eingetragen werden, was nach der Darstellung 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 213 der Heatmap im Hinblick auf die vorgestellten Aufgaben durch die Beobachtung der Wörternetze der Probandin (siehe Abb. 7-45) behandelt wird. Abb. 7-44: Heatmaps der Probandin Nr. 9 (drei Aufgaben der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) Die Lernenden bzw. die Probanden werden aufgefordert, die gegebenen Aussagen den Studierenden zuzuordnen. Basierend auf den Heatmaps ist festzustellen, dass die Intensität des Betrachtens der Bilder in allen Aufgaben unterdurchschnittlich ist, was genauso wie das Blickverhalten der Probandin Nr. 5 (vgl. Kapitel 7.2.1.2.1) ist. Dadurch kann die Annahme unterstützt werden, dass die Bildmaterialien beim Lernprozess des außerschulischen selbstständigen Wortschatzes von den (chinesischen) Lernenden grundsätzlich nur bedingt betrachtet werden. Abbildung 7-44 enthält drei Heatmaps zu den jeweiligen Aufgaben, wobei die erste Heatmap (siehe Abb. 7-44a) den Fokus der visuellen Aufmerksamkeit zu der ersten Aufgabe widerspiegelt. Da die restlichen Aufgaben (außer der zweiten Aufgabe) auch schriftlich sind, wird das Blickverhalten an den Beispielen der vierten (siehe Abb. 7-44b) und 214 7 Datenauswertung und -analyse 145 Die letzte Aufgabe des Übungssets wurde von der Probandin bei ihrem Selbstlernen nicht gelesen und nicht bearbeitet, daher wird die Aufgabe in der vorliegenden Arbeit nicht aufgeführt. 146 Die Diskussion in dieser Hinsicht findet sich in Kapitel 7.4.4.1.Dies kann durch die Tatsache bestätigt werden, dass sich lediglich eine (blass-)grüne Kennzeichnung auf den Bildern befindet. Außerdem lässt sich noch beobachten, dass die Fixationen nicht gleichmäßig auf den textlichen Elementen der Fließtexte der Aufgaben liegen. Sie verteilen sich häufiger bzw. mit höherer Wahrscheinlichkeit auf den Bereichen, in denen die Lücken oder Fragen sind. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich die Probandin nach dem Lesen der Wörter zur Lösung der Aufgabe Gedanken machen musste. Der Prozess der Überlegung hat somit eine Weile gedauert und in diesem Prozess bewegten sich die Augen der Probandin nicht häufig, wenn die Wörter bzw. die Informationen an anderen Stellen für die Lösung notwendig waren. Die in den Aufgaben besonders intensiv betrachteten Wörter sind die folgenden: „zum Mitlesen“, „Stell dir vor“, „kannst an einer Universität“, „studieren“, „welcher“, „deutschen“, „welches Fach“ (siehe Abb. 7-44a); „schrecklich“, „wohl“, „voll“, „kleine“, „groß“, „intensiv“, „schön“, „klingt“, „Gegenteil“, „Institut“, „Asienwissenschaft“, „Studierende“, „dagegen“, „richtig“, „Geschichte Asiens“, „Lerngruppe“, „gebildet“, „macht“, „vorgestellt“ (siehe Abb. 7-44b) 147 Anmerkung: In der vierten Aufgabe wählen die Lernenden ein passendes Adjektiv aus dem Auswahlpool aus, indem sie zuerst den interaktiven Auswahlpool öffnen/ anklicken. Nach dem Öffnen des Auswahlpools wird ein Untermenü im Vordergrund (gegenüber dem Fließtext) auf der Webpage angezeigt. Das heißt, dass die Stellen bzw. die Wörter im Fließtext unter dem Auswahlpool bedeckt werden, nachdem der interaktive Auswahlpool geöffnet worden ist. Als Vorteil dieser Prozedur sind alle Adjektive auf der Untermenüseite klar zu sehen. Bei der Probandin sind die Blicke oft auf der Untermenüseite geblieben, wenn sie sich mit den Fragen beschäftigte. Während der Datenerhebung kann der Eye-Tracker mit der zur Zeit der Studie vorherrschenden Technik die Reize jedoch nicht automatisch voneinander unterscheiden, die zwar auf einer identischen Stelle, aber in zwei unterschiedlichen Schichten der Stelle positioniert sind. Beispielsweise sind hierbei die Wörter auf der Untermenüseite (Schicht 1) und die Wörter, die in den von der Untermenüseite bedeckten Stellen existieren (Schicht 2), anzutreffen. Die Fixationen auf den beiden Schichten werden vom Gerät als Fixationen in einem gleichen Bereich identifiziert, was jedoch den Tatsachen widerspricht. Aus diesem Grund lassen sich die fixierten Wörter nur auf der Basis der Heatmap nicht exakt bestimmen. Dafür ist eine Überprüfung bzw. eine Modifikation mit Hilfe des Video-Replays erforderlich. Die Wörter, die im Fließtext der vorliegenden Arbeit erwähnt werden, sind auf der Grundlage von beiden Datenarten festgelegt. der fünften Aufgabe (siehe Abb. 7-44c) analysiert. 145 In der vierten Aufgabe geht es darum, dass die Figur Leonie über ihr Studium in Bonn an eine Freundin von ihr schreibt. In der Aufgabe werden die Lernenden aufgefordert, ein passendes Adjektiv aus dem Auswahlpool für jede Lücke im Text auszuwählen. Durch die fünfte Aufgabe wird auch die Lesefähigkeit in der Fremdsprache Deutsch gefördert und diese Aufgabe bezieht sich darauf, wie die Studentinnen und Studenten in Deutschland wohnen. Darüber sprechen fünf Studierende und in dem Fragenbereich stehen auch fünf Aussagen, die die Meinungen der jeweiligen Studierenden zusammenfassen. 146147 ; „konzentrieren“, „überlege noch“, „wohnen“, „wenn“, „in einer Wohngemeinschaft“, „super“, „überrascht“ und „noch nicht ausgezogen“ (siehe Abb. 7-44c). 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 215 Abb. 7-45: Wörternetze der Probandin Nr.-9 (1. Studie) In der grafischen Darstellung (siehe Abb. 7-45) geht es um die gesamten Wörternetze der Probandin. Es kann auf der Basis der schwarzen Wörter vor allem davon ausgegangen werden, dass die Probandin über Vorkenntnisse über die deutsche Landeskunde bezüglich Schule schon verfügt hat. Vor dem Beginn des Selbstlernens wurde eine Wortfolge über das deutsche Schulsystem in die Netze eingetragen. Ferner hat die Probandin neben einigen Wörtern über verschiedene Berufe noch eine kurze Folge („Familie - Kinder“) hinzugefügt, die rechts oben steht. Diese Folge wurde möglicherweise durch ihr Weltwissen begründet und kann als Sachnetz angesehen werden. Über die Balance zwischen Arbeit und Familie bei Erwerbstätigen wird sowohl in Deutschland als auch in China häufig diskutiert. Durch individuelle Verbindungen im konzeptuellen System hat die Probandin überdies das Wort „Mittel 20 (Mitte 20)“ assoziiert, denn in Anbetracht der gegebenen Stichwörter hat sie als Vermutung an die Zeit gedacht, in der sie das Studium voraussichtlich abschließt und in die Arbeit einsteigt. Insgesamt gesehen ist einerseits erkennbar, dass die Probandin über einen bestimmten Wortschatzumfang und über einschlägige Kenntnisse zum Thema verfügt hat. Andererseits ist die Vielfältigkeit der Sinnrelationen der Wörter, die in Kapitel 3 dargestellt wurden, in den Wörternetze zu ersehen. Vergleichend mit den Wörternetzen der Probandin Nr. 5 (vgl. Kapitel 7.2.1.2.1) kann ohne Schwierigkeit erkannt werden, dass sich die Wörternetze der Probandin Nr. 9 in quantitativer Hinsicht deutlich entwickelt haben. Auf der Grundlage des Modells der Sprachverarbeitung in Kombination mit dem theoretischen Rahmen bezüglich des Aufbaus der lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon (vgl. Kapitel 2.2) lässt sich erkennen, dass viele sprachliche Zeichen von der Probandin visuell wahrgenommen wurden und sie als Repräsentationen beim Lernprozess aktiviert und/ oder mit den anderen lexikalischen Einheiten im vorhandenen mentalen Lexikon integriert worden sind. Viele neue Wörter sind nach dem Selbstlernen durch einen erfolgreichen lexikalischen Abruf vom mentalen Lexikon zu den Wörternetzen hinzugefügt worden. Fünf einschlägige Einträge lassen sich 216 7 Datenauswertung und -analyse 148 Die Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4. im Lernprodukt dieser Probandin finden, die in Beziehung zu den bereits beschriebenen Aufgaben stehen. Das erste ist das Wort „Studentenleben“, das den Titel des oben darge‐ stellten Übungssets und auch dessen erste Aufgabe darstellt. Dieses Wort ist mit dem schwarzen bzw. dem vor der Studie bereits eingetragenen Wort „Hochschule“ in den Wörternetzen verbunden. Das zweite Wort ist der Eintrag „Institut“, der mit dem Wort „Universität“ verknüpft ist. Das Wort stammt aus der vierten Aufgabe und wurde von der Probandin überdurchschnittlich lange betrachtet. Das dritte einschlägige Beispiel ist die Phrase „Lerngruppe bilden“ und sie greift auch auf die vierte Aufgabe des Übungssets zurück. Dort gibt es den Satz „Wir haben eine kleine Lerngruppe gebildet.“, wobei die Wörter „Lerngruppe gebildet“ von der Probandin beim Lesen fixiert wurden. In den Wörternetzen finden sich noch ein Wort und eine Phrase, die sich auf eine Aufgabe in diesem Übungsset beziehen: „Studium“ und „Freunde kennenlernen“. Dabei wird die Vermutung zu der Phrase nahegelegt, dass der Anlass der Generierung in einer Beziehung zu der Hörübung bzw. zu der zweiten Übung des Übungssets steht. In der Übung wurden die Wörter „neue Freunde“ und „gefunden“ überdurchschnittlich intensiv betrachtet. Daher ist basierend auf dem Modell der Sprachverarbeitung (vgl. Kapitel 2.2.1) vorstellbar, dass diese Repräsentation durch die akustische Wahrnehmung und auch durch die visuelle Wahrnehmung (bzw. die Eingabe der Wörter in die Lücke) aktiviert worden ist. Anhand der Heatmaps lässt sich sehen, dass viele Wörter in diesem Übungsset von der Probandin besonders intensiv fixiert wurden, allerdings nicht viele von ihnen in die Wörternetze eingetragen worden sind. Ein möglicher Grund für diese niedrige Anzahl könnte darin bestehen, dass die kognitive Kapazität der Lernenden ausgelastet war. 148 Wie bereits beschrieben, war die Probandin mit dem digitalen Lernangebot nicht vertraut. In diesem Zusammenhang ist möglich und vorstellbar, dass die Probandin bei ihrer ersten Begegnung mit diesem digitalen Lernangebot bzw. in der ersten Lerneinheit während der Informationsaufnahme noch Energien und Konzentration darauf verwenden musste, um sich mit der Nutzung dieser elektronischen Lernplattform für das Selbstlernen vertraut machen zu können. Dies kann die Aufnahme bzw. die Speicherung der neu wahrgenom‐ menen Informationen im Gedächtnis behindern, bis die Probandin als Nutzerin mit dem digitalen Lernangebot ausreichend vertraut war. Damit wurde beim Konzipieren dieser empirischen Untersuchung gerechnet und daher haben alle Lernenden entsprechend dem Forschungsdesign (vgl. Kapitel 6.3) zwischen Lerneinheiten eine kurze Pause eingelegt und sie konnten sich gut entspannen. Das Ziel ist es, dass sie in der anschließenden Lerneinheit ausreichend Energie und Lernmotivation haben können. Als indirekter Beweis hierzu ist aus den Wörternetzen entnehmbar, dass deutlich mehr Wörter aus dem zweiten Übungsset, welches die Probandin in den ersten beiden Lerneinheiten löste, in den Wörternetzen vorkommen. Dies kann darauf hindeuten, dass die Probandin ab der zweiten Lerneinheit mit der Nutzung dieser Online-Plattform für das Selbstlernen vertraut war und sie sich mehr auf das Selbstlernen konzentrieren konnte. Da sich viele Einträge in den Wörternetzen auf die Inhalte des zweiten Übungssets Das Deutschlandlabor: Schule beziehen, wird dieses Übungsset im Folgenden dargestellt. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 217 149 Das Manuskript zum Video Das Deutschlandlabor: Schule findet sich im Anhang. Wie in der Analyse der Augenbewegungen der Probandin Nr. 5 beschrieben (vgl. Kapitel 7.2.1.2.1), ist ein Video in diesem Übungsset vorhanden, was neben vielen interaktiven Übungen eine weitere Eigenschaft dieses Übungsset auf dieser Lernplattform darstellt. Da alle Aufgaben in diesem Übungsset im Zusammenhang mit dem Video stehen, wird das Video in die meisten Aufgaben eingebettet, die auf den verschiedenen Webpages sind. Als Vorteil dessen ist ein Durchblättern unnötig, was bedeutet, dass das gleiche Video bei der Lösung einer Aufgabe direkt auf der identischen Webpage abgespielt wird, ohne dass die Seite zum Anschauen des Videos gewechselt werden muss. In Kapitel 6.4 wurde das Video zum Übungsset „Das Deutschlandlabor: Schule“ als Beispiel grob vorgestellt. Das Video 149 wurde zum Thema „Schulalltag“ gedreht und es besteht aus mehreren Szenen. Da nicht alle Szenen in der kommenden Auseinandersetzung angezeigt werden, sollte hier zuerst das Video szenenweise inhaltlich genauer beschrieben werden, sodass ein Überblick über das Video vorliegt. In der ersten Szene führen eine Moderatorin und ein Moderator (Nina und David) ein kurzes Gespräch, um in das Hauptthema des Videos einzuführen. Im Anschluss daran werden weitere themenbezogene Informationen durch einen Sprecher im Hintergrund gegeben. Der Sprecher stellt das deutsche Schulsystem (von der Grundschule bis zur Universität) kurz vor und währenddessen werden einige statische Fotos nacheinander gezeigt. Nach der thematischen Einführung besuchen die beiden Moderatoren ein Gymnasium und sie treffen eine Schülerin (Pia) und einen Schüler (Johannes). Sie veranstalten danach eine Umfrage in Bezug auf Lieblingsfächer bei Schüle‐ rinnen und Schülern in diesem Gymnasium. Da der Sportunterricht bei vielen Schülern sehr beliebt ist, wird im Video darüber gesprochen, was die Schülerinnen und die Schüler im Sportunterricht lernen. Als zweites Beispiel zu den Fächern wird der Deutschunterricht thematisiert. Im Video können die Lernenden sehen, wie der Deutschunterricht für deut‐ sche Schüler am Beispiel einer Podiumsdiskussion zum Thema „Globalisierung“ aussieht. Als Nächstes wird im Video gezeigt, was Schülerinnen und Schüler in der Mensa zu Mittag essen können. Das wird von einer Szene über eine Mittagspause ergänzt. Anschließend wird der Informatikunterricht in einer weiteren Szene gezeigt, in dessen Verlauf Pia ihr Referat hält und die anderen Schülerinnen und Schüler zuhören. Danach wird ein kleines Wettspiel veranstaltet. Die beiden Moderatoren und die beiden Schüler werden in zwei Gruppen (Pia und Nina, Johannes und David) aufgeteilt und ausgehend von dem Eindruck der Globalisierung müssen beide Teams anderen Schülerinnen und Schülern Fragen stellen, damit sie den Satz „Ich liebe dich“ in möglichst vielen Sprachen erhalten können. Zum Abschluss werden die Sätze gezählt, die beide Gruppen angesammelt haben. Im Folgenden werden die Augenbewegungsdaten der Probandin im Hinblick auf das Anschauen des Videos am Beispiel von einigen der oben angesprochenen Szenen aufgeführt. Vor der Darstellung der Ergebnisse sollte nochmals angemerkt werden, dass sich die Augenbewegungen bei den Videos bzw. den dynamischen Stimuli zwar durch die Eyetra‐ cker ohne Datenverluste erheben lassen, aber die erhobenen Augenbewegungen auf den dynamischen Stimuli bei einem Video nicht allein durch eine Heatmap oder ein Gazeplot visualisiert werden können. Für die Analyse in Bezug auf die Augenbewegungsdaten bei einer Szene in dem Video wird daher ein Videoabschnitt ausgewählt, der aus einigen 218 7 Datenauswertung und -analyse 150 Dies ist der Fall, weil fast alle Stimuli dynamisch sind. Dies trifft auch auf die statischen Bilder zu, die sich im Video verschieben. 151 Der Punkt 6 ist außerhalb vom Rahmen des Videos. Datenframes besteht. Die Daten zum Blickverhalten werden auf einem Datenframe als Vertreter für den entsprechenden Videoabschnitt verarbeitet. Die Augenbewegungsdaten im Hinblick auf eine ganze Szene können auf einem Gazeplot oder einer Heatmap zwar nicht exakt visualisiert werden 150 , aber die Schaubilder in der Abbildung können genügend nützliche Informationen über die Augenbewegungen der Lernenden liefern. Abb. 7-46: Gazeplots der Probandin Nr.-9 (Video: Schule) Die vorliegende Abbildung liefert Informationen über die Blickverläufe der Probandin in drei Szenen des Videos. Das Schaubild 7-46a bezieht sich auf die Szene, in der das Hauptthema auf dem Bildschirm angezeigt wird. Hierbei ist der Blickverlauf grob gesehen zyklisch. Die Probandin wird zu Beginn von dem Logo „Deutschlandlabor“ schnell ange‐ zogen und dafür könnte die leuchtende Farbe des Hintergrunds des Logos ursächlich sein. Nach einigen Blicken erfolgte eine große Sakkade, wobei die Probandin nach oben auf das Wort „Schule“ im Einleitungssatz geschaut hat (Fixationspunkt 6 151 ). Nach diesem Blick hat die Probandin auf das Logo von „Goethe Institut“ geschaut und der nächste Fixationspunkt befindet sich wieder auf dem Logo „Deutschlandlabor“. Schließlich verharrt die Fixation auf dem Thema des Videos. Das erneute Ansehen des Logos „Deutschland Labor“ ist auf der Grundlage des Video-Replays am ehesten darauf zurückzuführen, dass der Name der Serie bzw. das Wort Deutschlandlabor zu diesem Zeitpunkt von dem Sprecher ausgesprochen wurde. Das könnte darauf hindeuten, dass das Audio die Aufmerksamkeit der Lernenden während des Anschauens des Videos gesteuert hat. Dass das Hauptthema des Videos zuletzt betrachtet wurde, könnte in der Farbe der Schrift begründet sein. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 219 152 Obwohl die gezeigten Fotos keine bewegten Bilder sind, werden sie durch eine Art von Animation (z. B. Vergrößerung) im Video angezeigt. Daher werden die meisten Fixationen hierbei so interpre‐ tiert, dass die Probandin das Wort liest. Trotz der Größe hat die Farbe im Vergleich mit der Farbe des Logos der Serie eine geringere Anziehungskraft, sodass das Wort ohne Weiteres übersehen werden kann. Das kann vermutlich erklären, warum eine große Sakkade zwischen dem 5. und dem 6. Fixationspunkt liegt. Bei den ersten fünf Blicken auf das Video fehlten der Probandin noch wichtige Informationen und deshalb richtete sie vorübergehend ihre Aufmerksamkeit auf den Einleitungssatz, damit die gewünschten Informationen gesammelt werden konnten. Die Abbildungen 7-46b und 7-46c veranschaulichen das Blickverhalten der Probandin, wenn das Thema von den beiden Moderatoren eingeführt wurde. In Abbildung 7-46b geht es um die Begrüßung und Selbstvorstellung der Moderatoren. Hierbei fällt auf, dass der Einleitungssatz wieder gelesen wurde, obwohl die Aufmerksamkeit zum großen Teil auf die beiden Moderatoren gerichtet wurde. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass die von den Moderatoren präsentierten Informationen für die Probandin zur Bearbeitung der Übungen nicht notwendig waren. Daher wurde die Aufmerksamkeit nicht auf die Moderatoren, sondern auf die Stimuli auf der Webpage gerichtet, mit denen die Probandin die erwünschten Informationen aufnehmen konnte. Nach dem Lesen wurde die Aufmerksamkeit zu einem großen Teil von der auditiven Wahrnehmung dominiert, was die Punkte 13 bis 17 in Abbildung 7-46 b stützen können. Ab dem Fixationspunkt 12 bleibt die Fixation ständig auf dem Moderator und zwischenzeitlich vollzogen sich zwei kleine Augensprünge (Fixationspunkt 15). Der Fixationskreis 15 befindet sich auf dem Logo „Deutschlandlabor“ im Hintergrund der beiden Moderatoren. Der Zeitpunkt des Augensprungs, zu dem die Sakkade (von Punkt 15 zum Punkt 16) aufgetreten ist, fällt auf der Basis des Video-Replays zusammen mit dem Zeitpunkt, als der Moderator seinen Namen nennt. Das bedeutet, dass sich die Probandin bei den letzten Blicken besonders auf den Moderator konzentrierte. In Kombination mit dem Schaubild (siehe Abb. 7-46c) lässt sich sagen, dass die Aufmerksamkeit bzw. die Fixationen größtenteils durch das Audio gelenkt wurden. Jedoch kann die (visuelle) Aufmerksamkeit bzw. die Fixation der Probandin willkürlich gelenkt werden, wenn zum Beispiel keine relevante akustische Information gegeben wird. Hierbei bewegte die Probandin ihre Augen auf einen anderen Stimulus bzw. ein textliches Element, um für ein besseres Verständnis wichtige Informationen gewinnen zu können. Wie in der inhaltlichen Beschreibung des Videos erwähnt, werden mehrere Fotos gezeigt, wenn der Sprecher im Video die landeskundlichen Kenntnisse über das deutsche Schulsystem kurz vorstellt. Jedes Foto wird für ungefähr drei Sekunden angezeigt. Das Gazeplot (6-46d) visualisiert die Augensprünge beim Anschauen eines Bildes dieser Fotoreihe. Dabei ist es auffällig, dass die Personen im Foto nicht betrachtet wurde und fast alle Blickfixationen auf dem Wort „Zeugnisausgabe“ gelegen sind. 152 Dies kann m. E. die im Theorieteil beschriebene spezifische Eigenschaft bzw. die starke visuelle Abhängigkeit (vgl. Kapitel 2.2.4) der chinesischen Lernenden bestätigen, wobei vorzugsweise die textlichen Reize betrachtet oder berücksichtigt werden. Zudem ist es zu beobachten, dass es nur eine Fixation gibt, die nicht in der Umgebung dieses Wortes liegt. Die Fixation wird durch Fixationspunkt 7 gezeigt, wobei die visuelle Aufmerksamkeit auf eine unbeschriebene 220 7 Datenauswertung und -analyse 153 Damit ist die Dauer für einige Millisekunden gemeint. Tafel, die keine Information enthält. Nach ihrem retrospektiven Lauten Denken liegt dem Anlass dieses Blickverhaltens am ehesten die Ursache zugrunde, dass die Probandin ihre Augen kurz 153 ausruhen und entspannen wollte, denn das Selbstlernen mit einem digitalen Lernangebot gehört zu einer Bildschirmarbeit und eine lange Bildschirmarbeit kann oft bei ihrer zu müden und trockenen Augen führen. Außerdem können die Augen während des konzentrierten Anschauens der kontinuierlich aufeinanderfolgenden Szenen und Fotos angestrengt werden, besonders wenn das synchrone Audio (in einer Fremdsprache) angehört werden muss. Abb. 7-47: Gazeplots der Probandin Nr. 9 (Zwei Szenen: Umfrage und Informatikuntericht, Video: Schule) Abbildung 7-47 veranschaulicht die Blickverläufe während der Szene, in der die Umfrage in Bezug auf die Lieblingsfächer durchgeführt wird. Darüber hinaus geht es auch um die Szene, in der der Informatikunterricht stattfindet. In den Schaubildern 7-47a und 7-47b werden ein Schüler und eine Schülerin interviewt und sie antworten, welche Fächer ihnen am besten gefallen. Aus den beiden Schaubildern ist zu entnehmen, dass die Blicke der Probandin nur auf den Personen liegen. Auf welche Person die Aufmerksamkeit gerichtet wird, ist davon abhängig, wer spricht. Zum Beispiel 80b ist der Blick der Probandin in der Mitte des Bildschirms positioniert. Anschließend erfolgte eine kleine Sakkade, wobei die Aufmerksamkeit auf die Schülerin gerichtet wurde, wenn sie spricht. Die Schülerin im Video wurde so lange fixiert, bis sie ihre Meinung ausgedrückt hat. Danach bewegte sich der Blick der Probandin auf den Moderator. Möglicherweise erwartete die Probandin die Reaktion des Moderators. Die Schaubilder 7-47c und 7-47d repräsentieren zwei Aufnahmen der Szene, die den Lernenden den Informatikunterricht in einem deutschen Gymnasium zeigt. Die Schülerin Pia hält ihr Referat und alle anderen Schülerinnen und Schüler hören 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 221 154 Anmerkung: In 6-47c und auch in der zweiten Aufnahme 6-47d stellt der Sprecher aus der Dritten-Person-Sicht den Informatikunterricht im Hintergrund des Videos vor. Was Pia während ihres Vortrags sagt, kann kaum gehört werden. Aus diesem Grund wird davon ausgegangen, dass die (visuelle) Aufmerksamkeit größtenteils dem Inhalt auf der Tafel statt der Schülerin Pia gewidmet wird. zu. Dabei ist auffällig, dass sich die Fixationen vorübergehend auf Pia und auf den Inhalt des Whiteboards 154 richten. Es lässt sich auch sehen, dass es zwei Fixationen gibt, die außerhalb des Whiteboards liegen. Dieses Blickverhalten ist vermutlich dadurch erklärbar, dass die Probandin aus Neugier die Notizen eines Schülers beobachten wollte, weil die Reihe an Zahlen auf dem Whiteboard ohne zusätzliche Informationen nicht ohne Weiteres erfassbar war. Im Schaubild 7-47d wird das gesamte Szenario des Informatikunterrichts eingefangen. Als eine Art von Kamera-Perspektive wird die Umgebung der Schülerin Pia im Unterricht präsentiert. Ebenso wie in dem Schaubild 7-47c richtete die Probandin jedoch ihre visuelle Aufmerksamkeit zum größten Teil auf das Whiteboard. Nach dem ersten Blick wurde das Augenmerk der Probandin wieder von der Tafel angezogen und dort vollzog sich eine längere Fixation, wie die Fixationspunkte 2 bis 5 zeigen. An Punkt 5 schließt sich der Fixationskreis 6 an, wobei ein Augensprung erfolgte. Ein möglicher Grund dafür könnte die Änderung der Kamera-Perspektive sein, ebenso wie dies auf die Fixationspunkte 8 und 9 im Schaubild 7-47c zutrifft. Dieser Augensprung ist außerdem auch darauf zurückzuführen, dass der Schüler zu diesem Zeitpunkt etwas aufschreibt. Im Vergleich mit anderen Schülern, die nur zuhören, kann der Junge Aufmerksamkeit hervorrufen, weil er als dynamisches Objekt im Vergleich zu den anderen unbeweglichen Objekten oder Personen im Video der Probandin leichter auffällt. Auf den vorherigen zwei Abbildungen ist kennzeichnend, dass der Hintergrund bzw. die Gegenstände im Hintergrund kaum besonders betrachtet wurden. Während des Anschauens eines Videos beachtete die Probandin in vielen Fällen vorzugsweise länger die Bereiche, in denen sich textliche Elemente befinden. Dies kann durch die folgende Abbildung (siehe Abb. 7-48) veranschaulicht werden, die aus einigen Heatmaps zu den oben erwähnten Gazeplots besteht. Aus den Schaubildern 7-48c und 7-48d ist leicht zu ersehen, dass sich die längeren Fixationen auf der Tafel befinden. Beim Anschauen konzentrierte sich die Probandin auf die textlich präsentierten Informationen, während sie das Video anschaute. 222 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-48: Heatmaps der Probandin Nr. 9 (Zwei Szenen: Umfrage und Informatikuntericht, Video: Schule) Außerdem spielt die auditive Wahrnehmung auch eine große Rolle, wie zum Beispiel die Schaubilder 7-48a und 7-48b zeigen. Eine Person wurde von der Probandin fixiert, wenn die Person im Video spricht. Das Blickverhalten wurde häufig von Audiodaten beeinflusst, denn in manchen Fällen werden die relevanten Informationen akustisch geliefert und diese Informationen lassen sich ausschließlich durch optische Wahrnehmung nicht erfassen. Daher hängt das Blickverhalten in solchen Fällen stark von dem akustischen Kontext ab. Auf der Basis der Schaubilder 7-48c kann auch erkannt werden, dass ein dynamischer Stimulus (hier beispielsweise die körperliche Bewegung der Personen im Video) Aufmerksamkeit erregen konnte. Nach den Schaubildern 7-48c und 7-48d lässt sich zudem die visuelle Abhängigkeit der (chinesischen) Lernenden (vgl. Kapitel 2.2.4) bestätigen, wobei die roten Markierungen auf den Bereichen gelegen sind, in denen schriftliche Informationen (auf der Tafel) vorhanden sind, obwohl die auf der Tafel geschriebenen Informationen tatsächlich nicht durch Audio im Video vorgestellt wurden. Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass die Probandin die Bereiche anschaute, damit sie nützliche oder zusätzliche Informationen für ein besseres Verständnis der parallel akustisch wahrgenommenen Informationen erhalten konnte. Als einer der Hauptteile des Videos wird das kurze Wettspiel, das sich auf die Samm‐ lung des Satzes „Ich liebe dich“ in verschiedenen Sprachen bezieht, mit verschiedenen Kameraperspektiven aufgenommen. Im Video wird nicht nur die Kommunikation mit den befragten Schülerinnen und Schülern, sondern auch der Prozess der Sammlung der Sätze aufgezeichnet, wenn die beiden Teams die Aufgabe des Wettspiels durchführen. Während die befragten Schüler den Zielsatz in den verschiedenen Sprachen aufschreiben, werden die Namen der jeweiligen Sprachen wie Untertitel (nach oben rollend bzw. sich dorthin bewe‐ 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 223 gend) an einer Ecke des Bildschirms angezeigt. Für die Analyse der Augenbewegungsdaten werden hierbei drei Aufnahmen ausgewählt. Ihre entsprechenden Gazeplots (siehe Abb. 7-49) und Heatmaps (siehe Abb. 7-50) werden im Folgenden gezeigt. Abb. 7-49: Gazeplots der Probandin Nr.-9 (Szene: Wettspiel, Video: Schule) Abb. 7-50: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (Szene: Wettspiel, Video: Schule) Schaubild 7-49a beschreibt den Sammlungsprozess bei der Gruppe von Johannes und David, während Schaubild 7-49b für die Gruppe von Pia und Nina steht. In der dritten Aufnahme (siehe Abb. 7-49c) wird die Technik des Split-Screens bzw. der Bildschirmaufteilung verwendet, sodass die Handlungen beider Teams gleichzeitig gezeigt werden können. Die Sprachen, die neu gesammelt werden, werden auch auf den Seiten der jeweiligen Gruppen in Bewegungen angezeigt. Mit Hilfe der oben erwähnten Aufnahmen lässt sich insgesamt ersehen, dass viele dynamische Reize in der Szene bezüglich des Wettspiels vorliegen. Es ist vor allem ersichtlich, dass die Augenbewegungen bei diesen Aufnahmen sehr aktiv sind. Nach den Schaubildern finden sich viele Sakkaden, aber die Augensprünge sind leicht nachvollziehbar geordnet. Aus den nummerierten Fixationskreisen in den Schaubildern kann entnommen werden, wie die Augensprünge in den jeweiligen Aufnahmen verlaufen. Als gemeinsames Merkmal lässt sich beobachten, dass sich die visuelle Aufmerksamkeit 224 7 Datenauswertung und -analyse 155 Die Fixationspunkte 24 und 25 werden hierbei nicht dazugezählt, weil sie nicht direkt durch die Fixation im Bereich der Sprachen, sondern durch Fixationspunkt 23 hervorgerufen werden. 156 Die Ergebnisse werden in Kapitel 7.4 zusammengeführt und diskutiert. hauptsächlich zwischen den Landessprachen, den Personen und dem Aufschreiben der Sätze bzw. den Handlungen der Personen bewegte. Zum Beispiel findet sich in Schaubild 7-49a die visuelle Aufmerksamkeit zwischen den Wörtern, die im Bereich der dynamisch rollenden Texte (über verschiedene Sprachen) und auf dem Papier liegen. Die Probandin könnte neugierig sein, was auf dem Papier geschrieben ist. Wenn eine Person zwischen‐ zeitlich spricht, wurden diese Person und ihre Handlungen ebenfalls beachtet (siehe Abb. 7-49b). Wegen der Bildschirmaufteilung liefert die dritte Aufnahme mehr Informationen als die ersten beiden. Außerdem sind auch mehr bewegte Reize in dieser Aufnahme vorhanden. Es ist ohne Schwierigkeit zu beobachten, dass viele Sakkaden zwischen den beiden Teilen des geteilten Bildschirms vorliegen. Im Vergleich mit dem Gazeplot zu den ersten beiden Aufnahmen ist zu erkennen, dass sich die Probandin überwiegend auf die Sprachen bzw. die bewegten Wörter auf den beiden Seiten des Bildschirms konzentriert hat. Die Anzahl der Fixationspunkte, die sich auf die Handlung der Personen (oder die Notizen auf dem Papier) beziehen, beträgt hierbei nur 3, während die Zahl der Fixationspunkte beim Anschauen der Wörter zu den Namen der Sprachen über 30 liegt. Für diese große Differenz ist wahr‐ scheinlich die Tatsache verantwortlich, dass die Probandin gegenüber vielen (textlichen) Reizen ihre Aufmerksamkeit auf die Reize, die sie wichtig fand, konzentrieren wollte. Darüber hinaus ist es auch möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die rollenden Wörter wegen ihrer hellen Farbe und der Dynamik bzw. der Positionsverschiebung mehr ins Auge fallen. Interessant erscheint die Tatsache, dass die visuelle Aufmerksamkeit im Wesentlichen auf die Personen (Nina und einen Schüler) und auf die Namen der Sprachen gerichtet wurde. 155 Die Richtung aller Sakkaden (von dem Bereich Sprachen bis zu dem Bereich Personen) stimmt mit der Richtung der Bewegung der rollenden Wörter überein, was aus der fremdsprachendidaktischen Perspektiven in Bezug auf das Sprachenlernen mit digitalen Medien als Potenzial einer Dynamik bzw. der dynamischen Reize zur Erregung der Aufmerksamkeit der Lernenden betrachtet werden kann. In der Unterrichtspraxis kann eine positive und gezielte Steuerung der Aufmerksamkeit der Lernenden durch eine flexible Anwendung der dynamischen Reize realisiert werden. Was das Anschauen eines Videos angeht, ist zusammenfassend festzustellen, dass die visuelle Aufmerksamkeit häufig durch den auditiven Kontext gesteuert wird. 156 Eine sprechende Person wird von der Probandin im Vergleich mit anderen Reizen in einem Video häufiger und konzentrierter betrachtet. In Verbindung mit der Heatmap (siehe Abb. 7-50) ist zu erkennen, dass textliche Elemente unter allen visuellen Reizen von der Probandin vorzugsweise beachtet wurden. Auf Basis dieser Daten scheint es naheliegend, dass die textlichen Elemente bzw. die Wörter in den Videobildern für die Probandin zuverlässige Informationsträger darstellten. Diese Annahme lässt sich durch die im Theorieteil dargestellte visuelle Abhängigkeit der chine‐ sischen Lernenden (vgl. Kapitel 2.2.4) unterstützen. Sie wurden fixiert, damit notwendige Informationen für ein gutes Verständnis möglichst schnell aufgenommen werden konnten. Die Probandin richtete ihre Augen auch auf die textlichen themenbezogenen Elemente, wenn es noch an notwendigen Informationen für ein besseres Verständnis gefehlt hat. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 225 Hierzu stellt sich die Frage, inwieweit die in den Videobildern vorkommenden sprachlichen Zeichen im Kopf verarbeitet werden. Hinzu kommt noch, ob die Szene oder deren Elemente in den Videobildern als Einträge in die Wörternetze auftauchen. Die beiden Fragen werden im Folgenden kombinierend mit den Wörternetzen der Probandin diskutiert. Davor wird zunächst die Augenbewegung der Probandin gezeigt, wenn sie nach dem Anschauen des Videos die Übungen im digitalen Lernangebot bearbeitete. Abb. 7-51: Gazeplots der Probandin Nr.-9 (die sechste und siebte Aufgabe der Übung „Schule“) In der vorliegenden grafischen Darstellung geht es um die Blickverläufe der Probandin, wenn sie zwei Aufgaben des Übungssets in Bezug auf den Alltag in einer Schule löste. Im Gegensatz zu Probandin Nr. 5 hat Probandin Nr. 9 sowohl den Einleitungssatz der sechsten (Abb. 7-51a) als auch der siebten Aufgabe gelesen (Abb. 7-51b). Aber das Blickver‐ halten im Hinblick auf das Lesen des Einleitungssatzes ist unterschiedlich. Zu Beginn der sechsten Aufgabe wurde das Augenmerk der Probandin schnell vom ersten Optionsfeld (Fixationspunkte 2 und 3) angezogen und anschließend erfolgte eine große Sakkade, wobei die Augen auf den Titel der Aufgabe gesprungen sind und die Probandin mit dem Lesen des darunter stehenden Einleitungssatzes angefangen hat (Fixationspunkte 4 bis 19), anstatt das Optionsfeld per Button zu öffnen. Danach hat sie die Aufgabenstellung gelesen (Fixationspunkte 20 bis 26) und die Aufgaben gelöst. Im Vergleich dazu ist die Reihenfolge des Blickverlaufs umgekehrt. Entsprechend dem Gazeplot wurden der erste Satz und die Lücke im Satz zuerst betrachtet (Fixationspunkte 4 bis 7) und als Nächstes hat die Probandin die Fragen in der Aufgabenstellung gelesen (Fixationspunkte 8 bis 12), ohne die Aufgabenstellung vollständig durchzulesen. Erst danach hat die Probandin auf den Einleitungssatz der Aufgabe geschaut und dort vollzogen sich mehrere Fixationen, die zeitlich unterschiedlich andauerten (Fixationspunkte 13 bis 22). Für diesen Unterschied bezüglich der Blickverläufe in den beiden Aufgaben könnten die Lernerfahrungen der Probandin verantwortlich sein. Genauso wie Probandin Nr. 5 ist Probandin Nr. 9 auch vertraut sowohl mit den Single-Choice-Fragen als auch mit den Lückenaufgaben. Jedoch ist bei einer Lückenaufgabe leicht mit einem Blick zu ermessen, was in der Aufgabe geleistet werden soll. Für die Lösung einer Single-Choice-Frage sind allerdings zusätzliche Informationen erforderlich, denn es gibt mehr Möglichkeiten für die Aufgabenlösung, wenn das Ziel der Aufgabe und die Aufgabenstellung nicht gelesen worden sind. Aus diesem 226 7 Datenauswertung und -analyse Grund unterscheiden sich die Augenbewegungen in beiden Aufgaben voneinander. Bei der sechsten Aufgabe (Single-Choice-Frage) hat die Probandin nach einigen Blicken den Text von Anfang an gelesen, wobei zuerst der Titel und der Einleitungssatz und dann die Aufgabenstellung gelesen wurden. Es wurde möglicherweise darauf abgezielt, dass sie den Kontext der Aufgabe und dazu möglichst viele nützliche Informationen gewinnen konnte. Im Vergleich dazu hat die Probandin von unten nach oben gelesen, was als ein Überprüfungsprozess zur (persönlichen) Erfassung der Aufgabe angesehen werden kann. Dies kann durch die Tatsache gestützt werden, dass die Probandin vor dem Ausfüllen der ersten Lücke den restlichen ungelesenen Satz betrachtet hat, wie die Fixationspunkte 45 bis 50 zeigen. Sollten die beiden Gazeplots in Abbildung 7-51 verglichen werden, lässt sich ohne Schwierigkeit ersehen, dass die Fixationen in der sechsten Aufgabe nicht so deutlich auf einem Bereich zentriert sind wie in der siebten Aufgabe. Die meisten Fixationen befinden sich auf dem Bereich des Lückentexts in der siebten Aufgabe, während sich die Blicke auf die verschiedenen Bereichen in der sechsten Aufgabe verteilen. Obwohl sich die meisten Fixationen der Probandin auf dem Bereich der Texte für die Aufgabe und die Optionsfelder befinden, ist die Anzahl der Fixationen auf andere Stellen nicht gering. Auf der Basis der Anzahl der betroffenen Fixationskreise ist zu identifizieren, dass diese Augenbewegungen bei der Aufgabenlösung vollzogen worden sind. Nach den Ergebnissen des retrospektiven Lauten Denkens sind die Augenbewegungen darauf zurückzuführen, dass sich die Probandin die Szene des Videos vergegenwärtigen wollte, weil die Aufgabe inhaltlich im Zusammenhang mit dem Video steht. Aus diesem Grund schaute die Probandin zwischenzeitlich auf den Bereich des Videos (z. B. Fixationspunkte 59, 85 und 219) als bildliches Hilfsmittel zu einem besseren Verständnis, damit ihr die Inhalte des Videos schneller wieder einfallen können. Dieser Grund trifft auch auf die Fixationen bezüglich der Navigationsleiste (z. B. Fixationspunkte 100 bis 104) zu. Durch das Lesen der Texte bzw. der Wörter in der Navigationsleiste als textliches Hilfsmittel versuchte die Probandin sicherzustellen, dass sie sich ohne ein erneutes Abspielen des Videos gleich an die Inhalte des Videos erinnern konnte. Mit Hilfe der Wörter in der Navigationsleiste verfolgte sie wohl das Ziel, sich weitere konkrete Inhalte ins Gedächtnis zurückrufen zu können, denn die von der Probandin betrachteten Wörter in der Navigationsleiste hat eine kurz zusammengefasste Darstellung einiger Szenen des Videos ergeben. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 227 Abb. 7-52: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (die sechste und siebte Aufgabe der Übung „Schule“) In Anlehnung an die Gazeplots und Heatmaps betreffend die sechste und siebte Auf‐ gabe lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die textlichen Elemente nach wie vor dominierend bei der Aufmerksamkeitserregung waren. Dies kann durch die Tatsache bestätigt werden, dass die besonders betrachteten Zonen im Bereich der Aufgabentexte positioniert sind (siehe Abb. 7-52). Auf diese aufgabenorientierte Einstellung oder den Stil beim Deutschlernen können die Rahmenbedingungen des chinesischen Germanistik-Stu‐ diums zurückgeführt werden, in dem alle chinesischen Germanistik-Studierenden zum Absolvieren ihres Bachelor-Studiums einige wichtige Sprachprüfungen (beispielsweise die von der Prüfungskommission des chinesischen Bildungsministeriums veranstaltete Prüfung „PGG“) bestehen müssen, was im Theorieteil hinsichtlich der Besonderheiten des Wortschatzlernens im chinesischen DaF-Kontext (vgl. Kapitel 3.4) dargestellt wurde. Entsprechend der Abbildung 7-52 (in Verbindung mit dem Video-Replay) wurden die folgenden Wörter überdurchschnittlich intensiv angeschaut: „Mathematik“, „Sport“, „Bio‐ logie“, „Kunst“, „Geschichte“, „Mathematik“, „bewegt sich“, „Fach“, „kann man zeichnen“, „hört oder singt“, „geht es um Rechnen“ (siehe Abb. 7-52a); „Schulsystem“, „mit sechs“, „Grundschule“, „guten“, „Noten“, „gehen später“, „Abitur“, „Studium“ und „Universität“ (siehe Abb. 7-52b). In Kombination mit den Wörternetzen der Probandin lässt sich ohne Schwierigkeit erkennen, dass sich das Übungsset den Wörternetzen deutlich aufgeprägt hat. Neben einigen aus dem Übungsset stammenden Wörtern, die vereinzelt an unterschied‐ lichen Stellen der Wörternetze liegen, kann ein großes Teilnetz als typisches Beispiel angetroffen werden. Als typisches Beispiel wird eine Verbindung zwischen „Schule“ und „Fächer“ von der Probandin nach der zweiten Lerneinheit hergestellt und mit dem Wort „Fächer“ werden mehrere konkrete schulische Unterrichtsfächer assoziiert, beispielsweise „Kunst“, „Musik“ und andere mehr. Es ist ersichtlich, dass das ganze Teilnetz auf die sechste Aufgabe im Übungsset zurückgreift. Alle betroffenen Wörter stammen aus dieser Aufgabe und sie wurden während der Aufgabenlösung aufmerksam betrachtet, was ein Verhältnis zwischen den Blickfixationen und den Einträgen zeigen kann. Außerdem ist es auffällig, dass das Teilnetz durch ihre individuelle konzeptuelle Vorstellung inhaltlich erweitert worden ist. Das Wort „Fächer“ wird hierbei mit dem Wort „Hochschule“ ver‐ bunden und unter dem hochschulischen Kontext hat die Probandin an ihren Studiengang „Germanistik“ und weitere benachbarte Fächer gedacht. Auf der theoretischen Grundlage 228 7 Datenauswertung und -analyse 157 Originaltext: „Deshalb gibt es oft eine (Mensa). Dort können die Schüler kleine Snacks und warmes Essen kaufen.“. Die Klammer entspricht der Lücke in der Aufgabe. In der achten Aufgabe wird das Wort „Mensa“ besonders betrachtet, und das Wort „warm“ wird mittelmäßig fixiert. hinsichtlich der Augenbewegungen in der Wahrnehmungspsychologie und basierend auf der Eye-Mind-Hypothese (vgl. Kapitel 5.2.1) lässt sich sagen, dass die Probandin bei der Bearbeitung dieser Aufgabe die visuell wahrgenommenen Informationen kognitiv tiefer‐ gehend verarbeitet hat, wobei die Entwicklung ihres mentalen Lexikons gefördert wurde. Als zweites Beispiel ist die Wortfolge „Mensa - essen - warm“ zu fokussieren. Sie kommt aus einer Szene des Videos das Mittagessen und die Mittagspause betreffend. Die Wörter wurden auch in der achten Aufgabe schriftlich erwähnt und von der Probandin beim Lesen intensiver betrachtet. 157 Der entscheidende motivationale Grund für das Eintragen dieser Wortfolge kann zwar nicht exakt ermittelt werden, jedoch könnte auf der oben erwähnten theoretischen Grundlage im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den Augenbewegungen und der Informationswahrnehmung (vgl. Kapitel 5.2.1) die Vermutung naheliegen, dass die Blickfixationen auf den sprachlichen Zeichen, die im digitalen Lernangebot durch verschiedene Darstellungsformen mehrmals übermittelt werden, mit einer höheren Wahr‐ scheinlichkeit zu einer tiefgreifenden kognitiven Informationsverarbeitung führen können, was das Speichern der wahrgenommenen Informationen fördern kann. Zudem ist daraus der im Theorieteil beschriebene Vorteil der digitalen Medien (vgl. Kapitel 4.2) deutlich zu erkennen, dass die digitalen Medien im Vergleich zu den gedruckten Lernangeboten mehr semiotische Ressourcen verbinden und zugleich eine multicodale und multimodale Lernumgebung bilden können, in der ein Gegenstand noch anschaulicher präsentiert werden kann, was bei einem sinnvollen Zusammenspiel der vielfältigen semiotischen Ressourcen einen Wissenserwerb positiv beeinflussen kann. Ferner ist festzustellen, dass diese Wortfolge mit dem Wort „Studentenleben“ verknüpft ist. Daraus ergibt sich, dass eine semantisch-konzeptuelle Verbindung zwischen den beiden oben erwähnten Übungssets nach den ersten zwei Lerneinheiten hergestellt wurde. Hierbei liegt auch noch die Vermutung nahe, dass die Probandin in diesem Kontext ihre persönliche Situation mit herangezogen hat. Aufgrund der Tatsache, dass Studierende auch in der Mensa zu Mittag essen, werden das Wort „Mensa“ und die weiteren damit einhergehenden Wörter auf der konzeptuellen Ebene im mentalen Lexikon in ihrem Alltag an der Universität miteinbezogen. Dabei ist eine kontextadäquate Miteinbeziehung der Wortfolge von aus einer anderen Quelle stammenden Wörtern vorgenommen worden, anstatt dass eine neue direkte unabhängige Verbindung der einzutragenden Wörter zu den Stichwörtern in den Wörternetzen hergestellt worden ist. Dies kann als eine lexikalisch-konzeptuelle Internalisierung bei der Probandin angesehen werden. Mit anderen Worten impliziert diese Internalisierung, dass solche Wörter nicht nur auf der semantischen Ebene begriffen werden, sondern dass auch der Zugriff auf die lexikalischen Einheiten zum Konzeptsystem als beständig zu klassifizieren ist. Aus den Wörternetzen der Probandin ist zu entnehmen, dass viele Wörter auch nach den letzten zwei Lerneinheiten produziert worden sind. Im Folgenden wird somit eines der Übungssets, die in den letzten zwei Lerneinheiten bearbeitet worden sind, als Beispiel aus den Lerneinheiten vorgeführt. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 229 Abb. 7-53: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (die ersten vier Aufgaben der Übung „Ausbildung“) In der dritten Lerneinheit wählte die Probandin das Übungsset aus, welches unter dem Thema „Arbeit und Wirtschaft“ steht. In diesem Übungsset sind fünf Aufgaben zum Themenkomplex „Ausbildung“ vorhanden. Alle Aufgaben sind schriftliche Übungen und hier werden die ersten vier Aufgaben angezeigt. Abbildung 7-53 veranschaulicht, welcher Bereich in den verschiedenen Übungen besonders intensiv fixiert wurde. In der ersten Auf‐ gabe werden allen Lernenden offene Fragen mit einer Abbildung von Köchen gestellt und die Lernenden sollen mit Begründungen beantworten, was ihr Traumberuf ist und warum er ihnen gefällt. Die folgende Aufgabe stellt den Lernenden die duale Berufsausbildung vor und dort wird auch ihre aktuelle Lage beschrieben. Die Lernenden sollen zwei von vier vorhandenen Aussagen über die duale Ausbildung auswählen, die die Ausbildung korrekt beschreiben. Die dritte Aufgabe bezieht sich darauf, dass fünf Auszubildende ihre jeweilige Ausbildung kurz beschreiben. Nach dem Lesen sollen die Namen der Auszubildenden den im Fragenbereich vorliegenden Aussagen zugeordnet werden. Dieser Aufgabentyp wird in der letzten Aufgabe auch eingesetzt, aber diese Aufgabe unterscheidet sich inhaltlich von der dritten Aufgabe. Hier äußern zwei Jugendliche ihre Meinungen mit Argumenten zum Thema Ausbildung oder Studium. Eine Person ist für das Studium, während die andere 230 7 Datenauswertung und -analyse 158 Die ausführliche Diskussion bezüglich der Blickfixationen findet sich in Kapitel 7.4.2 und in Kapitel 7.4.4.2. für die Ausbildung spricht. Die Lernenden sollen die Texte lesen und danach die kurz zusammengefassten Argumente kategorisieren. Aus Abbildung 7-53 ist vor allem ersichtlich, dass die Wörter im Aufgabenbereich (dem Bereich, in dem Fließtexte und Frage vorhanden sind) deutlich intensiver betrachtet wurden als die Wörter in anderen Bereichen der Webpage. Beispielsweise befinden sich die Fixationen in der zweiten und der vierten Aufgabe nur im Fragenbereich. In der dritten Aufgabe verteilen sich die Fixationen gleichmäßig im Aufgabenbereich. Die Fixationen in diesen Bereichen sind zum einen vermutlich darin begründet, dass die Probandin beim Lesen der Fragen gleichzeitig über mögliche Antworten nachdenken musste. Diese Überlegungen nahmen Zeit in Anspruch und während des Nachdenkens hat die Probandin aufmerksam die Wörter gelesen, die sie für wichtig hielt. Das intensivere Betrachten in diesem Bereich hängt zum anderen möglicherweise auch teilweise von der Lesestrategie ab, die die Probandin benutzt hat. Zur Lösung der Aufgaben sollte (oder wollte) die Lernende detailliert lesen, während ein globales Lesen für ein gutes Verständnis des Fließtexts für die Bearbeitung der Aufgaben schwer möglich sein kann. Im Rezeptionsprozess des Leseverstehens hat die Probandin zwar Satz für Satz gelesen, doch wurde hierbei mögli‐ cherweise darauf abgezielt, den Kontext bzw. eine allgemeine Vorstellung von dem Inhalt des Fließtexts zu gewinnen. Nach einem allgemeinen Verständnis ohne direkten Bezug auf inhaltliche Einzelheiten hat die Probandin Wort für Wort die Fragen mit bestimmten Details oder Schlüsselwörtern gelesen. Mit den Schlüsselwörtern hat die Probandin erneut den Fließtext gelesen, wobei der Text selektiv oder detailliert statt global gelesen wurde, sodass die entsprechenden Informationen zu den Schlüsselwörtern im Fließtext gefunden werden konnten. Der Prozess kann durch die folgende Abbildung 7-54 gestützt werden. Das Schaubild visualisiert die Blickverläufe, wenn die Probandin die dritte und die vierte Aufgabe löste. Es ist identifizierbar, dass die Augensprünge während der Bearbeitung der Aufgaben lediglich im Fragenbereich verlaufen sind. Stattdessen ist das Augenmerk häufig zwischen dem Fragenbereich und dem Fließtext gesprungen, was impliziert, dass die Probandin nach dem Lesen einer Frage die betreffenden Stellen des Fließtexts erneut und gezielt gelesen hat. Dieses Verhalten ist besonders aus dem Schaubild 7-54a ersichtlich. Diesbezüglich ist es auf der theoretischen Grundlage vorzustellen, dass ein möglicher Zusammenhang zwischen den rot markierten Bereichen einer Webpage in einer Heatmap existiert. Mit anderen Worten ist es vorstellbar, dass die Fixationen an einigen Stellen des Fließtexts nicht unbedingt nur auf die dort stehenden Wörter (in einem Fließtext) zurückzuführen sind. Die dort vorkommenden Fixationen können auch durch die Fragen ausgelöst werden. Exemplarisch kann hier das Schaubild 7-53c herangezogen werden. Im Fließtext mit der Beschreibung von fünf Auszubildenden zu ihren Ausbildungen wurden nach der Heatmap mehrere Stellen besonders intensiv betrachtet. Das intensive Betrachten liegt teilweise daran, dass die dort stehenden Wörter die Probandin interessierten, wenn der Text von ihr zügig, bisweilen kursorisch gelesen wurde. Zugleich kann sich das intensive Anschauen in diesen Bereichen während des erneuten selektiven oder detaillierten Lesens des Fließtexts vollziehen. 158 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 231 159 Die diesbezügliche Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4. Abb. 7-54: Gazeplots der Probandin Nr.-9 (die dritte und vierte Aufgabe der Übung „Ausbil-dung“) Mit Hilfe der oben angesprochenen Beispiele kann erkannt werden, dass das Blickverhalten bzw. die Blickfixationen der Probandin von den Fragen in der Aufgabe abhängig sein konnten. Hierbei ist die Intensität der Fixationen nicht unbedingt betroffen, aber eine innere Beziehung zwischen den Fragen und den Stellen der Fixationen im Fließtext ist denkbar. Im Kontext der Fremdsprachendidaktik können die Übungen für einen solchen Lerntyp, basierend auf dieser Beziehung, die Erstellung der Materialien für das außerschulische Selbstlernen vorgeschlagen werden, dass der (wichtige) Lernwortschatz mit den Fragen verbunden werden kann. Das heißt, dass die Lehrenden bei der Erstellung einer Aufgabe den Kernwortschatz und seine miteinander verbundenen Wörter als mit den Fragen korrelierende Wörter in den Fließtexten einbetten können. Durch die Fragen können die Lehrenden die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden beim Lernprozess des außerschu‐ lischen Selbstlernens erregen oder anleiten. Auf diese Weise ist es möglich zu realisieren, dass die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auf die zu den Lernzielen gehörenden Wörter oder auf die von den Lehrenden erwünschten Stellen in den Lehrmaterialien gerichtet werden kann. Dadurch kann auf der Grundlage der Eye-Mind-Hypothese (vgl. Kapitel 5.2.1) das Ziel erreicht werden, dass die Informationen so häufig betrachtet werden könnten, sodass die dort vorhandenen Informationen durch die Blickfixationen wahrgenommen und verarbeitet werden, wie dies den Erwartungen der Lehrenden entspricht. 159 In Anlehnung an die Heatmap (siehe Abb. 7-53) ist zu beobachten, dass die Bilder in diesem Übungsset betrachtet wurden, obwohl die Intensität dieser Blickfixationen niedrig ist. Dies könnte darin begründet sein, dass das digitale Lernangebot im Laufe der Zeit des Selbstlernens für die Probandin zunehmend vertraut war. Das bedeutet, dass sie bei dem Umgang mit der Online-Lernplattform immer besser zurechtkommen konnte und sie sich im Vergleich mit der ersten Lerneinheit nach der Hälfte der Studie sicherer fühlte. Vor diesem Hintergrund hat die Probandin nach dem Öffnen einer neuen Webpage nicht mehr 232 7 Datenauswertung und -analyse 160 Anmerkung: Wegen der Veränderung der Sitzhaltung und der Sitzposition der Probandin liegt eine kurze, flüchtig Abweichung bei der Erfassung der Augenbewegungsdaten vor, was durch die ersten fünf Fixationen in dem Schaubild 7-54a reflektiert wird. Ihre tatsächliche Fixation liegt auf dem Einleitungssatz. Die restlichen Kreise implizieren die Fixationen auf das Bild. 161 Da nur die Optionen zur Auswahl der Namen der Figuren existent sind, werden diese hier nicht aufgezählt. Dies trifft auch auf die vierte Aufgabe zu. zwingend die Informationen nur dadurch aufgenommen, dass sie lediglich textliche Reize betrachtete. Beim Lesen der Webpage hat die Probandin gelegentlich einen kurzen Blick auf die Bilder der Webpages geworfen. Jedoch unterscheiden sich die Fixationen auf den verschiedenen Bildern der Webpages voneinander, wie Abbildung 7-54 als Beispiel zeigt. Nach der grafischen Darstellung lässt sich erkennen, dass mehrere Fixationen 160 auf dem Foto in der dritten Übung vorliegen, während die Probandin beim Lesen der vierten Übung nur einmal das Foto fixierte. Entsprechend dem Ergebnis des retrospektiven Lauten Den‐ kens ist ein Grund darin zu bestehen, dass das Foto der dritten Aufgabe mehr warme Farben aufweist. Gegenüber den warmen Farben fühlte sich die Probandin wohl und entspannt und zugleich haben die warmen Farben ihre Blicke angezogen. Die diesbezügliche Diskussion im Hinblick auf das Betrachten von Bildern in der Fremdsprachendidaktik findet sich in Kapitel 7.4.4. Laut den Heatmaps (siehe Abb. 7-53) wurden die folgenden Wörter besonders intensiv betrachtet: „Julia“, „Ausbildung“, „Köchin“, „Traumberuf “ (siehe Abb. 7-53a); „Auszubil‐ denden“, „verbinden“, „duale“, „Theorie und Praxis“, „Ausbildungsplätze“ (siehe Abb. 7-53b); „Reisebüropraktikum“, „startet“, „langweilig“, „Team arbeiten kann“, „herstellen“, „Koch“, „entschieden“, „Lebensmittelkunde“, „allgemein“, „Leon“, „Ausbildung“, „Kaufmann“, „Ver‐ sicherung“, „stattfindet“, „Berufsschulunterricht“, „blockweise“, „erforderlich“, „während“, „Betrieb“, „Ausbildung“, „Fachverkäuferin“, „Lebensmittelhandwerk“, „Azubis“, „Zwischen‐ prüfung“, „Tobias“, „Fachkraft“, „Betrieb“, „schon einige Erfahrungen“, „bekommen“, „Ein‐ kauf “, „Versand“, „Fuhrpark“, „manchmal“, „mit anderen zusammenzuarbeiten“, „Faktor“, „Ausbildung“, „unter anderem“, „Fahrzeuge“, „abwechslungsreich“ (siehe Abb. 7-53c 161 ); „ganz nah an der Praxis“, „schneller“, „Berufsleben“, „mehr Zeit“, „pro Studium“ und „pro Ausbildung“ (siehe Abb. 7-53d). Insgesamt betrachtet finden sich die aus dem Übungsset stammenden Wörter an verschiedenen Stellen in den Wörternetzen. Auf der rechten Seite der Wörternetze der Probandin (siehe Abb. 7-45) kann zunächst eine Wortfolge gefunden werden, die im Zusammenhang mit der ersten Aufgabe steht. Nach der Lerneinheit ist das Teilnetz, welches aus dem Eintrag „Beruf “ ausgeht, inhaltlich erweitert worden. Hierzu sind die neuen Wörter „Traumberuf “ und „Köchin“ hinzugefügt worden, die von der Probandin in der ersten Aufgabe fixiert wurden. Die Position beider Wörter in der Wortfolge stimmt mit dem Aufbau der Aufgabe überein. Das Wort „Traumberuf “ bildet den Titel der Aufgabe, während das Wort „Köchin“ ein Beispiel in der Aufgabe ist. Als Inspiration hat das Wort „Traumberuf “ mehrere Berufsbezeichnungen im Kopf der Probandin aktiviert und sie hat nach der Art der Wissenschaft zwei Kreise erstellt, die verschiedene Berufe enthalten. Nach dem Wort „Köchin“ geht die Assoziation der Probandin weiter und durch ihre individuelle Vorstellung im Zusammenhang mit der chinesischen Kultur hat die Probandin die Wortfolge „ein chinesisches Restaurant haben - verschiedene Länder“ zu dem Wort 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 233 hergestellt. Außerdem ist noch an das Wort „spülen“ anstatt an das häufig auftretende Verb „kochen“ gedacht worden, was m. E. als interessant zu klassifizieren ist. Dies kann durch das zu der Aufgabe gehörende Foto begründet worden sein, weil das Foto die Handlung der dargestellten Personen (einer Köchin und zwei Köche) nicht vollständig und eindeutig zeigt. Das Foto kann die Vorstellung im Hinblick auf unterschiedliche Aktivitäten in der Küche (kochen, spülen, schneiden, waschen, vorbereiten usw.) aktivieren. Daraus ist einerseits einer der didaktischen Funktionen von Bildern beim Fremdsprachenlernen zu erkennen, andererseits sollte dann in der Fremdsprachendidaktik diskutiert werden, wie gewährleistet werden kann, dass die Bilder in Lernmaterialien für das außerschulische Selbstlernen (möglichst) häufig betrachtet werden. Diese Frage ist deswegen wichtig, weil die Funktionen von Bildmaterialien wahrnehmbar und deren Einsatz erst sinnvoll ist, wenn die bildlichen Stimuli im Lernmaterial von den Lernenden beim außerschulischen Selbstlernen tatsächlich auch fixiert werden (die Diskussion hierzu vgl. Kapitel 7.4.4.1). Neben diesem angesprochenen Feld der Wörternetze lassen sich auch einige Wörter auf der linken Seite der Wörternetze finden. Beispielsweise sind die Wörter „duales System“ und „Praktikum“ zu finden. Das erstgenannte Wort stammt aus der zweiten Aufgabe und das letztgenannte tritt im Fließtext der dritten Aufgabe auf. Beide Wörter wurden besonders betrachtet, während die Probandin die Aufgaben des Übungssets bearbeitete. Ferner ist auch zu beobachten, dass fünf neue Wörter bzw. Phrasen, und zwar „mehr Möglichkeiten“, „Chancen“, „verdient“, „lange Zeit nachdenken“ und „überlegen“, nach der Lerneinheit mit dem Wort „Universität“ verknüpft sind. Diese Wörter stammen grundsätzlich aus dem Fließtext der Aufgabe, die sich auf zwei unterschiedliche Meinungen zum Studium und zur Ausbildung bezieht. Auffällig ist, dass die Wörter entsprechend der Heatmap während der Aufgabe nicht besonders intensiv und aufmerksam betrachtet wurden. Dies kann darin begründet liegen, dass die Wörter, beispielsweise „Chance“ oder „verdient“, vor der Aufgabe bekannt waren. Nach der Lerneinheit sind diese Wörter der Probandin eingefallen. Auf der theoretischen Grundlage hinsichtlich der Funktionsweise des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.1) ist es vorstellbar, dass die entsprechenden Repräsentationen im mentalen Lexikon der Probandin bereits vorhanden waren, aber erst durch die visuellen Stimuli beim Lernprozess aktiviert worden sind, was einen späteren erfolgreichen Abruf ermöglicht hat. Daher wurden die Wörter nach dem Lernen in die Wörternetze eingetragen, obwohl sie beim Lesen nicht besonders betrachtet wurden. Das kann durch die Tatsache auch gestützt werden, dass die oben erwähnten Wörter, die im Abschnitt über „pro Studium“ im Lernmaterial auftreten, nicht direkt mit dem blauen Eintrag „Studium“ in den Wörternetzen (siehe Abb. 7-45) verbunden sind, sondern eher mit dem schwarzen Eintrag „Universität“, der vor dem Selbstlernen produziert worden ist. Als Synonym des beim Lernen besonders betrachteten sprachlichen Zeichens „Chance“ liegt der Eintrag „(mehr) Möglichkeiten“ auch dort vor, der durch eigene Überlegung und möglichweise noch basierend auf der individuellen Meinung der Probandin zu diesem Thema im Rahmen der Diskussion ausgelöst wurde. Es ist noch eine Auffälligkeit zu beobachten: In den Wörternetzen lässt sich sehen, dass die Einträge „Vergleich“ und „persönliche Entscheidung“ weit von der Stelle vom Eintrag „Universität“ oder „Studium“ entfernt sind. Sie werden zwar auch durch die vierte Aufgabe aufgerufen und können als Schlagwörter der Aufgabe angesehen werden. Anstatt die beiden 234 7 Datenauswertung und -analyse 162 Hierbei werden einige Wörter ausgeschlossen, die (inhaltlich) nicht eng mit dem Thema bzw. mit den Stichwörtern zusammenhängen, zum Beispiel „während“ oder der Name einer Figur. 163 Die Diskussion bezüglich der Blickfixationen findet sich in Kapitel 7.4.4.1. 164 Die Zusammenführung der diesbezüglichen Ergebnisse findet sich in Kapitel 7.4.2. Wörter direkt mit oder in der Nähe der hochschulbezogenen Wörter zu verknüpfen, werden sie von der Probandin in zwei vereinzelten Kreisen angelegt, die unmittelbar mit den Stichwörtern der Wörternetze verbunden sind. Angesichts dieser Platzierung kann davon ausgegangen werden, dass die Probandin vorzugsweise (vor dem Selbstlernen bereits) bekannte Wörter zusammen notierte. Dadurch kann diese Annahme bekräftigt werden, dass die fünf mit dem Wort „Universität“ verbundenen Wörter der Probandin schon vorher bekannt waren. Außerdem könnte diese Anordnung bzw. die direkte Verbindung der beiden Einträge zu den Stichwörtern möglicherweise eine oberflächliche Informationsverarbei‐ tung implizieren (die Diskussion hierzu vgl. Kapitel 7.4.4). Hierzu stellt sich aber umgekehrt auch die Frage, warum viele in dem Übungsset besonders intensiv fixierte Wörter 162 nicht in den Wörternetzen vorkommen. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die von den fixierten Wörtern gelieferten Informationen zwar aufgenommen, aber nicht kognitiv viel verarbeitet worden sind. Die roten Bereiche bedeuten zwar, dass die Wörter an den betroffenen Stellen beim Lesen aufmerksam betrachtet wurden. Jedoch können die roten Bereiche auch implizieren, dass es dort hohe kognitive Belastungen gab. Das bedeutet, dass die Fixationen auf den Wörtern wegen einer geringen Verständlichkeit statt wegen eines großen Interesses aktiviert wurden. Beispielsweise steht das fixierte Wort „Auszubildende“ betreffend die Wortbildung zum einen im Zusammenhang mit der Grammatik über das Partizip I als Substantivierung. Zum anderen wird die Bildung dieses Wortes durch die Passiversatzform (sein + zu + Infinitiv) beeinflusst. Es ist denkbar, dass ein solches Wort für eine Lernende mit der Niveaustufe A2 nicht leicht sofort zu verstehen ist. Hinzu kommt noch das Wort „Azubis“ im Fließtext, das auch beim Lesen fixiert wurde. Da sich die Struktur von Abbreviationen in der chinesischen Sprache von der deutschen Sprache unterscheidet, ist auch vorstellbar, dass das Wort für die Probandin nicht leicht nachvollziehbar ist, obwohl es lange mit hoher Aufmerksamkeit gelesen wurde. 163 Durch die Beispiele dieser Probandin lässt sich sehen, dass das Augenmerk auf die bildlichen Elemente ähnlich ist wie bei der Probandin Nr. 5. Die Bilder haben die visuelle Aufmerksamkeit dieser Probandin im Allgemeinen kaum auf sich gezogen, obwohl sie viel Raum auf den Webpages einnehmen. Dabei liegt eine Ausnahme (siehe Abb. 7-54a) vor, die auf die hellere Farbe zurückzuführen ist (die Diskussion hierzu vgl. Kapitel 7.4.4.1). Betreffend die Blickbewegungen bei Videos lässt sich erkennen, dass die visuelle Aufmerksamkeit beim Anschauen der Videos oft durch die akustische Reize und deren Wahrnehmung gelenkt wird. Ein Gegenstand wird oft betrachtet, wenn er durch akustische Signale in den Videos angesprochen wird. Zudem ist auch zu beobachten, dass die dynamischen oder textlichen Elemente in den Videos mehr Augenmerk der Probandin auf sich ziehen können. 164 Wenn die Wörternetze dieser Probandin mit dem Lernprodukt der Probandin Nr. 5 verglichen werden, liegt eine Auffälligkeit im Hinblick auf die Einträge vor, wobei die Einträge einerseits je nach den Übungen oder Übungssets in den Wörter‐ netzen angeordnet werden. Andererseits werden die Einträge aus verschiedenen Übungen 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 235 165 Die Diskussion im Hinblick auf die Mediennutzung für den Wortschatzerwerb wird in Kapitel 7.4.4.3 geführt. miteinander verknüpft und außerdem werden viele bereits vorhandene Repräsentationen im mentalen Lexikon dieser Probandin aktiviert und in die Wörternetze eingetragen. Dies kann darauf hindeuten, dass viele (bereits gelernte) Wörter beim Selbstlernen durch die visuelle Wahrnehmung aktiviert worden sind und sie mit den neu gelernten Wörtern nach ihrem eigenen Verständnis oder enzyklopädischen Wissen im mentalen Lexikon und im konzeptuellen System verknüpft werden. Dies ist bei den Wörternetzen der Probandin Nr. 5 nicht deutlich zu sehen. Laut den persönlichen Daten könnte es daran liegen, dass diese Probandin ein deutliches Interesse an dem Einsatz von digitalen Medien für das Fremdsprachenlernen hat. Außerdem spielen dabei die Erfahrungen betreffend die Nutzung der digitalen Medien ebenfalls eine Rolle. Während die Probandin Nr. 5 digitale Medien generell für das Hören/ Lesen der deutschen Nachrichten verwendet, verfügt die Probandin Nr. 9 schon über einige Erfahrungen damit, durch die digitalen Medien die komplizierten sprachlichen Deutschkenntnisse zu verstehen. In diesem Zusammenhang ist es vorstellbar, dass die Probandin Nr. 9 in der Studie mit diesem digitalen Lernangebot mehr motiviert sein könnte und sie beim Selbstlernen besser wusste, wie das digitale Lernangebot für das Selbstlernen verwendet werden sollte. 165 Bevor die gesamten Augenbewegungsdaten der Gruppe B wie die von der Gruppe A vorgestellt werden, wird noch auf die Ergebnisse einer weiteren Probandin aus der Gruppe B eingegangen, wobei es auch hier Besonderheiten gibt. 7.2.1.2.3 Probandin Nr.-20 Ebenso wie andere Teilnehmende hat die Probandin als Germanistik-Studentin vor der Untersuchung schon ein Jahr Deutsch gelernt. Beim Deutschlernen ist ihr das Hörverstehen schwergefallen, wenn zu schnell gesprochen wird. Im Hinblick auf das Wortschatzlernen stellte die Aneignung von Kollokationen für sie eine Hürde dar. Nach den regulären Deutschkursen lernte die Probandin zwei Mal in einer Woche selbständig, wobei sie hauptsächlich Vokabeln auswendig lernte und wiederholte, was sich mit der Darstellung der Wortschatzarbeit bei chinesischen Lernenden im Theorieteil der Arbeit deckt (vgl. Kapitel 2.2.4 und Kapitel 3.4). Aus ihrer Sicht kann ihr das Selbstlernen beim Deutschlernen zwar viel helfen, aber dafür ist ein gutes Zeitmanagement erforderlich. Für die Erweiterung ihrer sprachlichen Kenntnisse verwendete die Probandin auch mobile Applikationen, allerdings hat sie oft vergessen, was sie dort gelernt hat. Im Kombination mit dem Punkt über das Zeitmanagement könnte dies einen ergänzenden Grund darstellen, warum es viele chinesische Deutschlernende nicht gewohnt sind, mit digitalen Medien außerschulisch selbständig zu lernen, wie in Kapitel 4.3 beschrieben. Als Mitglied der Gruppe B findet das Selbstlernen der Probandin in der ersten Studie auch auf der Online-Plattform statt und im Folgenden werden ihre Augenbewegungsdaten beim Selbstlernen dargestellt. 236 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-55: Gazeplot der Probandin Nr. 20 (die erste Aufgabe der Übung „Menschen in Deutsch-land: Studentenleben“) In der ersten Lerneinheit hat die Probandin das Übungsset über das Leben der Studierenden in Deutschland zu bearbeiten. Die grafische Darstellung (siehe Abb. 7-55) beschreibt die Blickverläufe der Probandin, als sie die erste Aufgabe löste. In erster Linie fällt auf, dass das Bild dieser Aufgabe ein wenig mehr Fixationen von der Probandin erhalten hat als bei den beiden anderen Probanden in dieser Untersuchung. Es lässt sich beobachten, dass sich die ersten fünf Blicke auf dem Bild befinden. Das deutet darauf hin, dass das Bild nach dem Laden der Webpage schnell in den Blick genommen wurde. Nach dem retrospektiven Lauten Denken der Probandin ist diese Auffälligkeit vor allem auf ihre Neugier zurückzuführen: Da dies ihre erste Begegnung mit dieser Online-Lernplattform war, war die Probandin neugierig auf die gesamte Webpage. Das Bild erscheint wegen seiner Farbe und Größe sowie seiner Position auf der Webpage als dominant, was dazu geführt hat, dass das Bild als zentrales Element schnell eine große Aufmerksamkeit erregt hat. Unter diesem Einfluss hat die Probandin nach dem fünften Blick die Information über das Urheberrecht des Fotos gelesen, was der angesprochenen großen Neugier im Lauten Denken der Probandin entspricht. Außerdem hat die Probandin die Erwartung gehegt, dass das Bild in der Aufgabe eine Unterstützung für die Aufgabenlösung bieten konnte. Diese Erwartung wurde von der Probandin in der zweiten Aufgabe auch beibehalten. Die kann implizieren, dass die Probandin grundsätzlich auch eine aufgabenorientierte Lernende darstellt. Wie die folgende Abbildung 7-56 zeigt, hat das Bild der zweiten Aufgabe auch einige Fixationen erhalten, wobei die (Gesichter der) vier Personen im Vordergrund des Fotos angeschaut wurden (Fixationspunkte 34 bis 41). Erst danach hat die Probandin mit dem Hörverstehen in der Aufgabe begonnen. Im Hinblick auf das Betrachten der Bilder lässt sich sagen, dass die Blickfixationen auf den Bildern grundsätzlich eher wegen der Strategien für die Aufgabenbearbeitung der Probandin zurückzuführen sind, anstatt dass die Bilder selbst viel visuelle Aufmerksamkeit erregen. Dies wird durch weitere Beispiele in diesem Teilkapitel identifiziert. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 237 Abb. 7-56: Gazeplot der Probandin Nr. 20 (die zweite Aufgabe der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) Was das Betrachten des Bildes betrifft, ist dem Gazeplot (siehe Abb. 7-56) zu entnehmen, dass die visuelle Aufmerksamkeit auf Bilder zu der ersten groben Aufnahme von Informa‐ tionen zunehmend geringer worden ist. Nach dem zweiten Blick, der in der Heatmap hinter dem Fixationskreis 36 steht, hat sich die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin schnell zu der Navigationsleiste bewegt. Im Anschluss daran hat die Probandin den Einleitungssatz gelesen und erst danach hat sie ihre Aufmerksamkeit auf das Bild gerichtet. Das impliziert, dass eine Änderung bezüglich der Vorrangigkeit eines Bildes im Laufe der Bearbeitung der Aufgaben in ihrem Lesemodus zu beobachten ist. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass die allgemeine Neugier im Laufe der Zeit wegen ihres aufgabenorientierten Stils allmählich gesunken ist. Hinzu kommt, dass das Foto aus ihrer Sicht möglicherweise nicht so viele nützliche Informationen liefern könnte wie erwartet. In diesem Zusammenhang änderte die Probandin ihre Lesestrategie, wobei sie zum Aufgabenlösen mehr Aufmerk‐ samkeit auf die Texte verwendet hat, denn diese können aus der Sicht der Probandin mehr Informationen über den Kontext und die Aufgabenstellung liefern. Aus diesem Grund hat die Probandin in der zweiten Aufgabe zuerst die Texte gelesen und erst danach das Foto betrachtet. Diese Änderung der Priorität bei der Betrachtung der bildlichen Elemente spiegelt sich deutlich in den Gazeplots der nachfolgenden Aufgaben des Übungssets wider. 238 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-57: Gazeplots der Probandin Nr. 20 (drei Aufgaben der Übung „Menschen in Deutsch-land: Studentenleben“) Die vorstehende Abbildung zeigt die Abläufe der visuellen Aufmerksamkeit dieser Pro‐ bandin bei der Informationswahrnehmung der drei Aufgaben desselben Übungssets. Es ist ersichtlich, dass die Probandin ihr Augenmerk zwar auf die Bilder der Aufgaben gerichtet hat, aber die Intensität der Anziehungskraft der Bilder geringer war als in den ersten beiden Aufgaben. Beispielsweise wurde das Bild in der dritten Aufgabe (siehe Abb. 7-57a) zu Beginn als Erstes betrachtet, allerdings hat die Probandin nach dem ersten Blick sofort auf den Text unter dem Bild geschaut. Nach dem zweiten Blick hat sie damit begonnen, die Aufgabenstellung und die vorgegebenen Wörter für den Lückentext zu lesen. Zwischen‐ zeitlich bewegte sich ein Blick von kurzer Dauer zwischen dem Fragenbereich und der Navigationsleiste, was auf eine Fortschrittsüberprüfung dieses Übungssets zurückzuführen ist. Währenddessen lassen sich zwei Fixationskreise (Punkte 36 und 37) in dem Gazeplot finden. Dazu sollte angemerkt werden, dass diese beiden Fixationspunkte auf der Basis des entsprechenden Video-Replays nicht als Augenmerk auf das Bild angesehen werden können. Der Grund besteht darin, dass die beiden Blicke mit dem Herunterscrollen der Webpage zeitlich parallel vorgenommen werden. Dies ist ein Übergang der visuellen Aufmerksamkeit zwischen der Navigationsleiste (Punkte 34 und 35) und dem Fragenbereich (ab Punkte 38). In Kombination mit dem retrospektiven Lauten Denken der Probandin diente dieser Übergang als eine kurze Pause und Vorbereitung für ihre Augen, bevor sie den langen Text zu lesen begonnen hat. Ähnliche Handlungen ereigneten sich auch bei der Lösung der kommenden Aufgabe (siehe Abb. 7-57b). Dort gibt es zwei lange Fixationen (Punkte 8 und 578), die sich auf dem Foto befinden. Ebenso wie die Punkte 36 und 37 im Schaubild 7-57a ereignen sich die beiden Fixationen beim Scrollen der Webpage und sie treten separat vor und nach der Aufgabenlösung auf. Insgesamt gesehen ist festzuhalten, dass die Bilder der Aufgaben im Laufe der Zeit immer weniger Aufmerksamkeit erhalten haben. Dies liegt hauptsächlich darin begründet, dass nach der Meinung der Probandin kein deutlicher Zusammenhang zwischen den Bildern und den Texten in den Aufgaben 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 239 besteht. Diese Ansicht wird mit der Zeit des Aufgabenlösens zunehmend bekräftigt, denn alle Bilder leisten aus der Perspektive der Probandin keinen Beitrag zur Aufgabenlösung. Die Probandin ist der Ansicht, dass die Bilder lediglich eine ästhetische Funktion in den Aufgaben übernehmen und keine weiteren nützlichen Informationen liefern können. Aus diesem Grund widmete sie solchen bildlichen Elementen immer weniger Aufmerksamkeit in den Aufgaben, was durch die entsprechenden Heatmaps aufgezeigt werden kann (die Diskussion hinsichtlich des Betrachtens von Bildern vgl. Kapitel 7.4.4.1). Abb. 7-58: Heatmaps der Probandin Nr. 20 (drei Aufgaben der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) Die vorliegende Abbildung, die aus drei Heatmaps besteht, veranschaulicht die verschie‐ denen festen Positionen der Blickverläufe. Sie verdeutlicht, wo und inwieweit diese Positionen für eine Zeitspanne in den drei oben erwähnten Übungen fixiert wurden. Es lässt sich sehen, dass die meisten der rot markierten Stellen im Bereich der Fragen positioniert sind. Dort wurden die Bereiche mit höherer Wahrscheinlichkeit fixiert, wenn sie für die Probandin unbekannte Wörter enthalten. Die Wörter, die in der dritten Aufgabe besonders betrachtet wurden, sind die folgenden: „dauern“, „erklären“, „essen“, „vergangen (vergehen)“, „erklärt (erklären)“, „Fälle“ (siehe Abb. 7-58a). In der vierten Aufgabe wurden neben den im Optionsfeld stehenden Wörtern - „schön“, „voll“, „intensiv“, „schrecklich“, „groß“, „kleine“, „wohl“ - noch die Wörter „darauf “, „hätte“, „Lust“ und „Sprachkurs“ überdurchschnittlich intensiv fixiert (siehe Abb. 7-58b). In der fünften Aufgabe verteilen sich die fest fixierten Wörter grundsätzlich im ersten und im letzten Textabschnitt sowie im Fragenbereich. Es handelt sich hierbei um die Wörter „Abitur“, „Zimmer“, „WG“, „suchen“, „wohne mit drei anderen Studierenden“, „irgendjemand“, „am billigsten“, „hätte nicht“, „Küche“, „Duschen“, „entschieden allein zu wohnen“, „konzentrieren“, „überlege noch“, „in den nächsten Jahren“, „Wohngemeinschaft“, „ausgezogen“ und „überrascht“ (siehe Abb. 7-58c). 240 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-59: Wörternetze der Probandin Nr.-20 (1. Studie) Abbildung 7-59 zeigt die Entwicklung der Wörternetze der Probandin Nr. 20 und es ist ersichtlich, dass sich die Wörternetze nach den Lerneinheiten des Selbstlernens deutlich entwickelt haben. Aus den schwarzen Einträgen ist auf der theoretischen Grundlage über das mentale Lexikon (vgl. Kapitel 2.2) zu entnehmen, dass die Probandin über eine bestimmte Menge von themenbezogenen lexikalischen Einheiten verfügt hat. Darüber hinaus sind diese Repräsentationen auf der konzeptuell-lexikalischen Ebene miteinander verbunden. Es ist jedoch auffällig bei den ganzen Wörternetzen, dass die nach dem Selbst‐ lernen eingetragenen Wörter grundsätzlich nach den jeweiligen Lerneinheiten separat angeordnet sind. Dieser Aspekt wird in Kapitel 7.4.1 und auch in Kapitel 7.4.4.3 diskutiert. Die Spur des dargestellten Übungssets kann auf der oben rechts befindlichen Seite der Wörternetze gefunden werden. Hierbei ist das schwarze Wort „Universität“, das im Übungsset auch besonders betrachtet wurde, mit dem Wort „Studium“ verbunden. Das Wort ist möglicherweise auf die ersten beiden Aufgaben zurückzuführen und diese Vermutung bezüglich der Quelle des Wortes „Studium“ basiert auf dem nachfolgenden Wort „Student“, welches als Titel bzw. als Thema des Übungssets zu betrachten und in der ersten Aufgabe behandelt wird. Außerdem tritt das Wort auch in der Navigationsleiste auf, was vermutlich dazu führt, dass das Wort bei der Entwicklung der Wörternetze unter dem funktionalen Einfluss der Navigationsleiste als Knoten zu anderen Wörtern werden kann. An das Wort „Student“ schließt sich ebenfalls eine Wortfolge an und diese lautet folgendermaßen: „Studentenwohnheim - bei Eltern wohnen - WG - ausziehen - anziehen, umziehen“. Es kann mühelos erkannt werden, dass die Wörter der Folge aus der fünften Aufgabe stammen, die sich darauf bezieht, wo und wie Studierende in Deutschland wohnen. Die ersten vier 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 241 166 Die Diskussion im Hinblick auf den Wortschatzerwerb und die Medienwahl findet sich in Kapitel 7.4.4.3. Mitglieder der Wortfolge sind die Wörter, die in der Aufgabe besonders betrachtet werden. Hierbei basiert das Wort „ausziehen“ auf dem Wort „ausgezogen“ (siehe Abb. 7-58c). Des Weiteren ist dort eine wortfamiliäre Verbindung hergestellt, wobei die Wörter „anziehen, umziehen“ nach dem Wort „ausziehen“ eingetragen worden sind. Es kann beobachtet werden, dass sich keine weiteren Wörter des Übungssets außerhalb der oben beschriebenen Stelle finden lassen. Ein Grund dafür könnte sein, dass die in den Aufgaben besonders intensiv betrachteten Wörter, beispielsweise in der dritten und in der vierten Aufgabe, keine erkennbar enge Beziehung mit den gegebenen Wörtern oder mit den bereits geschriebenen Wörtern haben. Bezüglich der Ursache liegt die Vermutung nahe, dass dies die erste Begegnung der Studentin mit der Online-Lernplattform war. Da die Probandin mit dem Umgang mit dem digitalen Lernangebot noch nicht vertraut war, musste sie ihre Konzentration zum Teil für ein schnelles Zurechtkommen bei der Nutzung dieses digitalen Lernangebots einteilen. Es ist denkbar, dass sich die kognitive Informationsverarbeitung in diesem Fall nicht so tiefgehend vollzogen hat, dass die dort wahrgenommenen sprachlichen Zeichen nicht im Gedächtnis gespeichert werden konnten. Angesichts dieses Umstandes ist es auch erklärbar, warum die Wörter aus den vorderen Aufgaben kaum in ihre Wörternetze eingetragen worden sind. 166 Da ein großer Teil der blauen Wörter aus einem anderen Übungsset bzw. aus dem Übungsset „Das Deutschlandlabor: Schule“ kommt, wird im Folgenden dargestellt, wie die Aufgaben aus dem Übungsset betrachtet wurden und wie der Zusammenhang zwischen ihrem Augenverhalten bei den Aufgaben und bei den Wörternetzen aussieht. Abb. 7-60: Gazeplots der Probandin Nr.-20 (Video: Schule) In erster Linie wird das Blickverhalten der Probandin Nr. 20 beim Anschauen des Videos im Übungsset dargestellt. Die vorliegende Abbildung, die aus vier Gazeplots besteht, 242 7 Datenauswertung und -analyse zeigt die Blickverläufe der Probandin über einige Videoszenen im Teil der thematischen Einführung des Videos. Das Schaubild (siehe Abb. 7-60a) beschreibt die Abfolge der Fixationen der Probandin, wenn das Thema des Videos auf dem Bildschirm angezeigt wurde. Es ist zu sagen, dass die Blicke zu diesem Videobild sprunghaft waren. Hierbei liegt eine Ähnlichkeit der visuellen Aufmerksamkeit zwischen Probandin Nr.-9 und Nr.-20 vor. Zu Beginn ist die Eingangsposition der Fixation der Probandin Nr. 20 auch in der Mitte der Videoszene zu finden, denn das Logo ist wegen seiner hellen Farbe und der textlichen Elemente auffällig (Fixationspunkte 1 und 2). Als Unterschied bewegte sich die visuelle Aufmerksamkeit danach auf die Cartoon-Figur der Moderatorin auf der rechten Seite und anschließend auf die Figur des Moderators. Im Anschluss daran schaute die Probandin wieder in die Mitte, wo das Logo der Videoserie und das Thema des Videos anzutreffen sind. Der Grund dafür ist vermutlich, dass sich das Logo zu diesem Zeitpunkt nach oben verschiebt. Diese Verschiebung hat anschließend dazu geführt, dass die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin auf den Text bzw. auf das Thema des Videos gelenkt wurde. Die Schaubilder 7-60b und 7-60c beschreiben die Blickverläufe bei zwei Videoszenen, in denen die beiden Moderatoren das Thema dieser Episode der Videoserie eröffnen. Vor allem ist ersichtlich, dass sich das Augenmerk der Probandin Nr. 20 größtenteils ebenso auf die beiden Moderatoren verteilt, wie bei Probandin Nr. 9 (siehe Abb. 7-46). Hinzu kommt noch die Ähnlichkeit, dass Probandin Nr. 20 beim Anschauen der ersten Videoszene mit den Moderatoren auch einen (flüchtigen) Blick auf das Logo der Videoserie geworfen hat (Fixationspunkt 5 im Schaubild 7-60b). Diese Sakkade liegt auch darin begründet, dass der Name der Serie zu diesem Zeitpunkt von dem männlichen Moderator genannt wurde, was durch das entsprechende Video-Replay bestätigt werden kann. In diesem Schaubild lässt sich zugleich auch beobachten, dass die Punkte, die unmittelbar vor und nach dem Fixationspunkt 5 existieren, auf dem männlichen Moderator liegen. Hierbei ist die schnelle Wiedererkennung des Logos auch sehr auffällig. Dies kann damit in Zusammenhang stehen, dass die Fixationen in der vorherigen Videoszene (siehe Abb. 7-60a) dabei geholfen haben. Wegen der Farbe und der Form wird das Logo als auffälliger Stimulus durch die visuelle Aufmerksamkeit wenigstens im Kurzzeitgedächtnis verankert. Basierend auf dem Augenverhalten der beiden angesprochenen Probandinnen gegenüber identischen Videoszenen lässt sich insgesamt erkennen, dass die AOIs, die die Aufmerksamkeit schnell auf sich gezogen haben, entweder textlich oder farbig auffällig sind. Hierbei kann die Dynamik der Elemente vermutlich auch eine Rolle spielen. Die Anziehungskraft der textlichen Elemente kann durch Schaubild 7-60d illustriert werden. Nach dem ersten Blick schaute die Probandin auf den Text, welcher das Urheberrecht des Videos angibt, anstatt auf das Bild. Im Anschluss daran hat das Wort „Zeugnis“, das auf der Tafel steht, die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin auf sich gezogen. Dies kann als ein weiteres Beispiel für die visuelle Abhängigkeit der chinesischen Lernenden (vgl. Kapitel 2.2.4) angesehen werden, wobei sie beim Selbstlernen bzw. bei der Informationswahrnehmung vorzugsweise textliche Stimuli berücksichtigen. Außerdem liegt hierbei noch eine Gemeinsamkeit hin‐ sichtlich des Blickverhaltens beim Anschauen von Videos vor: Solange eine Person im Video redet, wurde die Person von den beiden Probandinnen fixiert. Zwischenzeitlich können einige Sakkaden auf anderen Stellen vorkommen, aber die Blicke schweiften grundsätzlich schnell wieder zurück. Die Tatsache, dass die visuelle Aufmerksamkeit durch die Audios 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 243 gesteuert wurde, kann durch die folgenden Gazeplots zu anderen Videoszenen bekräftigt werden. Abb. 7-61: Gazeplots der Probandin Nr. 20 (Zwei Szenen: Umfrage und Informatikunterricht, Video: Schule) Abbildung 7-61 zeigt, wie die Blicke der Probandin verlaufen, wenn sie die Szene in Bezug auf die Umfrage zu Lieblingsfächern (siehe Abb. 7-61a und Abb. 7-61b) und die Szene hinsichtlich des Informatikunterrichts (siehe Abb. 7-61c und Abb. 7-61d) im Video anschaute. Wie die ersten Gazeplots zeigen, bewegte sich die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin nach dem ersten Blick schnell auf die sprechenden Personen. In den Gazeplots gibt es viele Fixationskreise auf den Personen, was darauf hindeutet, dass die visuelle Aufmerksamkeit beim Anschauen eines Videos zum großen Teil durch die Audios gesteuert wurde. In den letzten zwei Gazeplots wird die Zugkräftigkeit der textlichen Elemente veranschaulicht. Hierbei ist festzustellen, dass das AOI mit den textlichen Elementen bei der ersten Begegnung eine überdurchschnittliche Anzahl an Blicken auf sich gezogen hat. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die Texte für die Probandin eine äußerst vertrauenswürdige Quelle für die Aufnahme von Informationen darstellten (wie dies auch bei Probandin Nr. 9 der Fall ist). Unterschiedlich ist die Tatsache, dass Probandin Nr. 20 in der zweiten Szene des Informatikunterrichts grundsätzlich noch die Tafel bzw. die dort stehenden Texte fixierte (siehe Abb. 7-47c), während sich Probandin Nr. 9 auf die Umgebung im Klassenzimmer konzentrierte. Dieser Unterschied kann vermutlich am Lerntyp liegen. Im Vergleich mit Probandin Nr. 9 ist Probandin Nr. 20 zwar nicht so sehr abhängig von Texten, wenn sie Informationen aufnimmt. Allerdings ist die visuelle Abhängigkeit bei dieser Probandin durch die anderen bereits dargestellten Beispiele (siehe Abb. 7-60d) auch leicht wahrzunehmen. Das Augenmerk dieser Probandin ist häufig angezogen worden, auch wenn es keine sprechende Person gibt. Diese Situation ist in den oben aufgeführten Gazeplots (siehe Abb. 7-60a, Abb. 7-60d und Abb. 7-61c) anzutreffen (die Diskussion über das Blickverhalten beim Anschauen der Videos und Kapitel 7.4.2). 244 7 Datenauswertung und -analyse 167 Nach dem retrospektiven Lauten Denken besteht der Grund für die Blickfixationen auf der Stelle des Videos auf der Webpage in der Heatmap 7-62a darin, dass sich die Probandin an das erste Bild nicht gut erinnern konnte. Aus diesem Grund kam hier eine signifikant längere Fixation vor, wobei die Probandin den Versuch unternommen hat, an die entsprechende Szene im Video zurückzudenken. Abb. 7-62: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (fünf Aufgaben der Übung „Schule“) In der vorliegenden grafischen Darstellung (siehe Abb. 7-62) geht es um die Heatmaps von fünf Aufgaben im Übungsset zum Thema „Schule“. Dabei fällt in erster Linie auf, dass die AOIs, in denen Fragen vorliegen, überdurchschnittlich intensiv betrachtet wurden. Hierbei sind auch Bilder in der Heatmap 7-62a 167 anzutreffen, denn die Bilder sind wichtig für die Lösung der dort vorhandenen Übung (Wort-Bild-Zuordnung). Im Vergleich dazu wurden die Bilder in den anderen Aufgaben kaum betrachtet. Basierend auf den Heatmaps sind die Wörter feststellbar, die in den aufgeführten Aufgaben des Übungssets fixiert wurden. Dies sind die folgenden Lexeme: „Mensa“, „Klas‐ senzimmer“, „Pause“, „Tafel oder Whiteboard“, „Sporthalle“ (siehe Abb. 7-62a); „Schulen“, „überall“, „Schulabschluss“, „Abitur“, „Aggertal-Gymnasium“, „beliebtes Schulfach“, „in der Mensa“ (siehe Abb. 7-62b); „Grundschule“, „Gymnasium“, „gemeinsam“, „Sportart“, „Ag‐ gertal-Gymnasium“, „Leichtathletik“, „Ballett“, „Podiumsdiskussion“, „Deutschunterricht“, „mitreden“, „diskutieren“, „typisch“, „Pia“, „Informatik-Unterricht“, „hält ein Referat“ (siehe Abb. 7-62c); „Kunst“, „Musik“, „Biologie“, „Sport“, „Geschichte“, „Mathematik“, „zeichnen“, „Fach”, „hört“ (siehe Abb. 7-62d); „Schulsystem“ und „Grundschule“ (siehe Abb. 7-62e). In Verbindung mit den Wörternetzen der Probandin ist leicht zu erkennen, dass die blauen Wörter in der oberen Hälfte der Netze grundsätzlich auf das oben erwähnte Übungsset zu‐ rückzuführen sind. Außerdem lässt sich zugleich auch ohne Schwierigkeiten identifizieren, dass ein großer Teil der blauen Wörter diejenigen Wörter sind, die im Übungsset besonders intensiv betrachtet wurden. Zum Beispiel sind drei Wortfolgen vorhanden, die mit dem Wort „Schule“ verbunden sind. Fast alle Wörter in den Wortfolgen sind die Wörter, die von 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 245 der Probandin beim Lernen fixiert wurden. Besonders auffällig ist die Folge „Schule - an der Tafel schreiben - Deutsch“. Die dort eingetragenen Wörter stehen im Zusammenhang mit der zweiten Übung und der Szene über den Deutschunterricht im Video. Der Eintrag der ersten Wortfolge ist möglicherweise den Fixationen auch auf den Bildern in der Übung (siehe Abb. 7-62a) zu verdanken. Es lässt sich auf den im Theorieteil beschriebenen Vorteile der digitalen Medien im Hinblick auf die Möglichkeiten der Darstellung bzw. der Übermittlung von Informationen (vgl. Kapitel 4.2) vorstellen, dass ein Gegenstand oder ein Sachverhalt durch verschiedene Darstellungsformen mit einer höher Wahrscheinlichkeit so fixiert werden kann, dass sich eine tiefergehende Verarbeitung der Informationen ermöglichen lässt. Zu vermuten ist, dass die Fixationen dazu geführt haben, dass die Folge „Schule - an der Tafel schreiben - Deutsch“ unabhängig in den Wörternetzen vorkommt, anstatt dass sie mit den anderen aus derselben Übung kommenden Wörtern wie „Mensa“ und „Pause“ in Verbindung stehen. Als zweites Beispiel hinsichtlich der Spur des Übungssets in den Wörternetzen ist die Wortfolge auffällig, die von den Wörtern „Unterricht/ Fach“ geleitet wird. Als Knoten werden die beiden Wörter mit acht Schulfächern verbunden, wobei fünf davon aus der sechsten Übung stammen (siehe Abb. 7-62d). Die Herkunft der restlichen drei Fächer, „Politik“, „Deutsch“ und „Englisch“, kann möglicherweise durch das Video im Übungsset erklärt werden, denn die Fächer werden von den Schülern als Lieblingsfächer angesehen. Auf der Basis der Sprachen „Deutsch“ und „Englisch“ hat die Probandin das Wort „Sprach‐ lernen“ in die Wörternetze eingetragen. Der Grund des Eintrags könnte darin bestehen, dass sie zu diesem Zeitpunkt an ihre eigene Lage bzw. an ihr Deutschlernen gedacht hat. Des Weiteren liegt hierzu noch die Vermutung nahe, dass ein Zusammenhang zwischen diesem Eintrag und dem Wettspiel besteht. Im Wettspiel geht es um die Sammlung des Satzes „Ich liebe dich“ in möglichst vielen Sprachen unter den Schülerinnen und Schülern in dem Gymnasium (vgl. Kapitel 7.2.1.2.2). Beim Anschauen der einschlägigen Videoszenen wurden viele der im Bild angezeigten Sprachen von der Probandin fixiert. Es könnte daher sein, dass dies die Probandin zum Wort „Sprachlernen“ inspiriert hat. Diesem Wort folgt der Eintrag des Wortes „Referat“, das vermutlich aus der fünften Übung und der Videoszene über den Informatikunterricht stammt. Diese Platzierung des Wortes ist wahrscheinlich auch auf ihre eigene Situation beim Deutschlernen zurückzuführen, weil sie in ihrem Deutschunterricht mitunter eine Präsentation halten muss. Dadurch kann die Herstellung der Verbindung zwischen den Wörtern „Referat“ und „Student“ auch erklärt werden. Da auch viele rote Wörter netzwerkartig miteinander in dem Lernprodukt der Probandin verbunden sind, wird ihr Blickverhalten bei einem Übungsset, das in den letzten zwei Lerneinheiten realisiert wird, im Folgenden dargestellt. 246 7 Datenauswertung und -analyse 168 Die Diskussion hinsichtlich des Betrachtens von Bildern findet sich in Kapitel 7.4.4.1. Abb. 7-63: Heatmaps der Probandin Nr.-20 (fünf Aufgaben der Übung „Ausbildung“) Abbildung 7-63 enthält sechs Heatmaps zu den jeweiligen Aufgaben des Übungssets, welches das Arbeitsklima in der deutschen Arbeitswelt thematisiert. Die Heatmaps werden nach der Reihenfolge der Anordnung im digitalen Lernangebot nummeriert. Dem Schau‐ bild ist zu entnehmen, dass sich die rot markierten Stellen, die überdurchschnittlichen Fixationen entsprechen, grundsätzlich auf den Bereichen befinden, in denen es Texte gibt. Des Weiteren fällt auf, dass die Bilder von der Probandin mehr betrachtet wurden, wenn dort keine geschlossene Aufgabe vorliegt. Dies kann beispielsweise durch einen Vergleich zwischen den Schaubildern 7-63a und 7-63b gestützt werden. Allerdings gibt es im Schaubild 7-63d eine Ausnahme, wobei das Foto mehrere Fixationen erhält, obwohl es eine geschlossene Übung darstellt. Für diese auffällige Handlung in Bezug auf den Umgang mit dem Foto in der Aufgabe ist entsprechend dem retrospektiven Lauten Denken ausschlaggebend, dass der Anlass zur Auswahl des Fotos (seitens der Designenden) für diese Aufgabe von der Probandin nicht unverzüglich nachvollzogen werden konnte. Auf der Webpage bzw. in dieser Aufgabe geht es um die Methoden zur Verbesserung des Arbeitsklimas, aber im Bild hält jede Person ein Puzzlestück vor und die Personen verbinden die Stücke des Puzzles miteinander. Aus der Sicht der Probandin ist die Beziehung zwischen dem Bild und dem (untergeordneten) Thema der Aufgabe nicht sofort begreiflich und daher verweilt das Augenmerk der Probandin auf dem Bild, damit der Zusammenhang zwischen dem Bild und der Aufgabe erschlossen werden kann. 168 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 247 169 Die Daten werden in Kapitel 7.4 zusammengeführt. 170 Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass der inhaltliche Aufbau eine Rolle bei der Struktur der Teilnetze spielen kann. Da die Lernenden hinsichtlich der Begründung ihrer Einträge in die Wörternetze nicht befragt worden sind, kann der Beweggrund zu dieser Anordnung der Einträge in den Wörternetzen nicht identifiziert. Dieser Aspekt wird in Kapitel 8 diskutiert. Die Wörter, die in den jeweiligen Aufgaben des Übungssets besonders betrachtet wurden, sind die folgenden: „Wie muss dein Job sein“, „auf der Arbeit“ (siehe Abb. 7-63a); „jung“, „duzen uns“, „zu ihm gehen“, „Problem“, „arbeiten gut zusammen“, „gefällt“, „arbeite seit“, „Verlag“, „Kollegen“, „Spaß“, „fühle mich dort zu Hause“, „immer wieder“, „auf der Arbeit wie daheim“, „mag“, „Chef/ Chefin“, „locker“, „Kritik gut äußern“, „leider nicht“, „ein offenes Ohr“, „Sorgen und Konflikte“, „Vorgesetzter/ Vorgesetzte“, „besonders kommunikativ“, „mehr Lob“ (siehe Abb. 7-63b); „Kommunikation verbessern“, „Positives hervorheben“, „respektvoll verhalten“, „Wichtiges mitteilen“, „Mitarbeiter“ (siehe Abb. 7-63c); „Laissez-faire“, „Führungsstil“ „sinngemäß“, „einfach machen lassen“, „Führungs‐ kraft“, „für richtig halten“, „volle Freiheit“, „Prozesse im Unternehmen“, „vollkommen“, „Zusammenarbeit“, „zentral“, „an Entscheidungen beteiligt“, „Vergangenheit besonders be‐ liebt“ (siehe Abb. 7-63d); „Welche Eigenschaften“, „oder eine“, „wie soll“, „guter Chef “, „was soll“, „drei Dinge“, „Kommentar“, „nach folgendem Muster“, „zuhören“ (siehe Abb. 7-63e); „Arbeitsklima“, „Arbeitsplatz“, „Arbeitsstelle“, „die Art, wie“, „publiziert“ und „Vokabelliste gelesen“ (siehe Abb. 7-63f). Da die Aufgaben des Übungssets auf die Deutschlernenden mit dem Sprachniveau zwischen A2 und B1 abzielen, ist es denkbar, dass einige Fixationen auf den textlichen Elementen vermutlich nicht auf ein großes Interesse der Probandin zurückzuführen sind. Der Grund hierfür könnte eher darin bestehen, dass die Wörter der die Probandin nicht bekannt waren. Aus diesem Grund musste sie die Wörter bzw. die Sätze in der Nähe dieser Wörter sorgfältig lesen, damit sie nach dem Kontext die Bedeutung der Wörter erschließen konnte. Durch die Einbettung einer Vokabelliste mit der Erklärung einiger Wörter am Ende des Übungssets ist ersichtlich, dass es dort einige den Lernenden Schwierigkeiten bereitende Wörter gibt. Außerdem wird die Schwierigkeit des Übungssets auch im retrospektiven Lauten Denken von der Probandin erwähnt. Einige Wörter überschritten die Grenze ihres Wortschatzumfangs und beim Lesen wurde deshalb mehr Zeit in Anspruch genommen. Nun werden die besonders fixierten Wörter in Verbindung mit den Wörternetzen analysiert werden. In Kombination mit dem Output bzw. mit den Wörternetzen der Probandin lässt sich beobachten, dass ein großer Teil der fixierten Wörter von der Probandin in die Wörternetze eingetragen worden ist, was das Verhältnis zwischen den Augenbewegungen und dem Output des außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen zeigen kann. 169 Hierbei ist es auffällig, dass die im Fließtext der Aufgaben fixierten Wörter, die sich auch in der Navigation des Übungssets befinden, mit höherer Wahrscheinlichkeit als Oberbegriffe bzw. Knoten in den Netzen vorkommen. 170 Beispielsweise sind die Wörter „Unternehmen“, „Arbeitsklima“ und „Chef “ zu identifizieren, welche die jeweiligen Themen der untergeordneten Übungen darstellen und in der Navigationsleiste stehen. Diese drei Wörter sind einerseits wegen der logischen Nähe (vgl. Kapitel 3.2) miteinander verbunden, andererseits leiten sie jeweils eine Wortfolge oder mehrere Wortfolgen ein, deren Wörter in einer Beziehung der Sachnetze zu den drei angesprochenen Wörtern stehen. Hinzu 248 7 Datenauswertung und -analyse 171 Nach der Zusammenführung der Ergebnisse (vgl. Kapitel 7.4.2) wird der Wortschatzerwerb in Verbindung mit der Medienwahl in Kapitel 7.4.4.3 diskutiert. kommt noch das Wort „Führungsstil“. Mit diesem Wort war die Probandin zwar nicht sehr vertraut, aber es wurde trotz einer Unsicherheit (mit einem Fragezeichen) in die Wörternetze eingetragen und dort als Zwischenstelle mit den Wörtern „Chef/ Chefin“ und „Arbeitsklima“ verbunden. Die Herstellung dieser Verbindung ist möglicherweise auf die dritte und die vierte Aufgabe zurückzuführen. In den beiden Aufgaben geht es um den Zusammenhang zwischen den drei Wörtern (siehe Abb. 7-63c und Abb. 7-63d). In der Aufgabe, die die Verbesserung des Arbeitsklimas thematisiert, werden die Verbesserung der Kommunikation, die Mitteilung von wichtigen Informationen und die Hervorhebung von positiven Aspekten der Arbeit von den Mitarbeitern als drei Methoden zur Förderung eines positiven Arbeitsklimas in einem Unternehmen angesprochen. Dadurch kann der Anlass zur Herstellung der Verbindung „Unternehmen - Arbeitsklima - Chef/ Führungsstil - loben - Wichtiges mitteilen - Kommunikation“ erklärt werden. Zu dem Wort „Führungsstil“ wurde noch das Wort „Zusammenarbeit“ von der Probandin hinzugefügt, welches im Auf‐ gabenbereich der Webpage über unterschiedliche Führungsstile auch besonders betrachtet wurde. Insgesamt lässt sich basierend auf den Wörternetzen der Probandin wahrnehmen, dass es eine Beziehung zwischen der Anordnung der Einträge der Wörternetze und der Position der fixierten Wörter in den Aufgaben geben könnte. Des Weiteren lässt sich beobachten, dass die fixierten Wörter, die eine ähnliche Bedeutung haben, nach der Beziehung der Begriffsnetze angeordnet werden. Ein typisches Beispiel ist die Wortfolge, die das Wort „Unternehmen“ leitet. Unter dem Wort „Unternehmen“ stehen das Wort „Kollege“ (siehe Abb. 7-63b) und das Wort „Mitarbeiter“ (siehe Abb. 7-63c). In dem unteren Teil der Wörternetze der Probandin lässt sich erkennen, dass sie gegenüber dem Wort „Atmosphäre“ frei assoziierte. 171 7.2.1.2.4 Gesamte Ergebnisse der Gruppe B (1. Studie) Nach der Vorstellung der Ergebnisse der drei Mitglieder der Gruppe B beim Selbstlernen auf der internetgestützten digitalen Lernplattform werden im Folgenden die übereinanderge‐ legten Daten in Bezug auf das Blickverhalten aller Probanden dargestellt. Zuerst werden die Angaben bezüglich des Verhältnisses zwischen den Einträgen, die in Beziehung zu Fixationen der Probanden stehen, und der Gesamtzahl der Einträge bei den jeweiligen Wörternetzen in den Blick genommen. Das entsprechende Verhältnis lässt sich durch die folgende Tabelle zeigen. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 249 172 Anmerkung: Hierbei wird das Geschlecht bei den Berufszeichnungen, welche in die Wörternetze eingetragen werden, nicht eigens berücksichtigt. Das heißt, dass beispielweise die Wörter „Lehrer“ und „Lehrerin“ als ein Wort angesehen und in die Gesamtzahl eingerechnet werden. Außerdem werden die schwarzen Wörter, die mit einem blauen oder roten Sternchen versehen sind, auch eingerechnet, denn sie tauchen nach den Lerneinheiten wieder häufig im Gedächtnis der Lernenden auf. Die Wörternetze finden sich auch im Anhang. Probanden Anteil der fixierten Wörter Nr.-2 49,02 % Nr.-5 80,00 % Nr.-7 62,16 % Nr.-9 57,81 % Nr.-11 77,27 % Nr.-13 74,29 % Nr.-15 72,29 % Nr.-17 64,91 % Nr.-20 74,32 % Tab. 3: Anteil der fixierten Wörter in den Wörternetzen (Gruppe B in der ersten Studie) Der Tabelle ist vor allem zu entnehmen, dass die Prozentzahl der Einträge, die sich auf die beim Lernen besonders betrachteten Wörter beziehen, bei den meisten Mitgliedern der Gruppe B über 50 % liegt. Das kann darauf hindeuten, dass die sprachlichen Zeichen, die beim Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot besonders intensiv fixiert worden sind, einen großen Bestandteil der nach dem Selbstlernen produzierten Wörternetze darstellen. Ebenso wie bei der Gruppe A lässt sich hierbei auch nicht sagen, dass die höchste Prozent‐ angabe das beste Ergebnis repräsentiert, weil die Gesamtzahl der Einträge in den jeweiligen Wörternetzen bei der Ermittlung dieser Prozentangaben ebenfalls eine Rolle spielt. Aber anders als bei Gruppe A ist die Schwankung betreffend diese Prozentangabe im Vergleich mit einigen Mitglieder der Gruppe B größer. Während der Umfang bei Gruppe A generell zwischen 50 % und 72 % liegt, schwankt der Anteil der besonders betrachteten Wörter in den Wörternetzen zwischen 49 % (Probandin Nr. 2) und 80 % (Proband Nr. 5). Die Wörternetze der beiden Lernenden werden durch die folgende Abbildung 172 wiedergegeben. 250 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-64: Wörternetze der Probandin Nr.-2 (oben) und Probandin Nr.-5 (unten) (1. Studie) Ein Grund für die große Differenz bei den Prozentangaben in der Tabelle besteht in der Gesamtzahl der Wörter in den Wörternetzen, denn die Gesamtzahl kann die Ermittlung 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 251 der Ergebnisse bezüglich der Prozentzahl der beim Lernen fixierten Wörter beeinflussen. Die Probandin Nr. 2 hat nach dem Selbstlernen insgesamt 51 Wörter produziert und die Anzahl der fixierten Wörter beträgt 25, was 49 % ergibt. Zu dem restlichen Teil der Wörter gehören zunächst die Wörter, die von der Probandin frei assoziiert worden sind. Beispielsweise hat die Probandin nach den ersten zwei Lerneinheiten ausgehend von den Stichwörtern an „Eltern“ und „Kinder“ gedacht, was vermutlich teilweise durch das nebenstehende schwarze Wort „Familie“ ausgelöst wurde. Ähnliche Beispiele sind noch das Wort „fleißig“ oder das Wort „Konkurrenz“, das unabhängig mit den Stichwörtern verbunden ist. Neben solchen Wörtern kommen außerdem Wörter vor, die zwar von der Probandin selbst wiedergegeben werden, aber mit den beim Lernen auf den Webpages be‐ sonders fixierten Wörtern zusammenhängen. Beispielsweise ist das Wort „Berufswunsch“ in den Wörternetzen der Probandin Nr. 2 zu finden. Hierzu liegt die Vermutung nahe, dass das Konzept von der Probandin basierend auf dem Wort „Traumjob“ aktiviert wurde, das im Übungsset zum Thema „Arbeitswelten: Ausbildung“ selbst wiedergegeben wird. Hinzu kommt noch das Wort „Zukunft“ und der damit verbundene Kreis, der die Wörter „entscheiden“ und „wählen“ enthält. Sie sind vermutlich auf die vierte Aufgabe des gleichen Übungssets zurückzuführen, in der es um die Diskussion zum Thema „Ausbildung oder Studium“ geht. Solche Wörter kommen zwar nicht in der Aufgabe vor, aber sie sind nach der Lerneinheit von der Probandin mit den bereits gelernten Wörtern konzeptuell in die Wörternetze eingetragen worden. Im Vergleich mit dieser Probandin liegt die Gesamtzahl der nach dem Selbstlernen neu eingetragenen Wörter bei der Probandin Nr. 5 in ihren Wörternetzen bei 30 und davon sind doch 24 Einträge zu finden, welche die beim Lernen besonders intensiv betrachteten Wörter darstellen. Hierbei ist es auffällig, dass bei dieser Probandin freie Assoziationen nur sehr gering erfolgten. Mit anderen Worten hat die Probandin grundsätzlich nur die Wörter in ihre Wörternetze eingetragen, die beim Selbstlernen durch die visuelle Aufmerksamkeit aufgenommen worden sind. Aus dem Vergleich kann allerdings nicht direkt abgeleitet werden, dass Probandin Nr. 2 vom Selbstlernen mit der Online-Plattform nicht so stark „profitiert“ hat wie die Probandin Nr. 5. Der Grund besteht darin, dass die Probandin Nr. 5 nach dem Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot auch viele Wörter produziert hat. Diese quantitative Differenz kann an dem jeweiligen Sprachniveau anstatt an dem verwendeten Medium für das Selbstlernen liegen. Hinzu kommt, dass noch viele weitere Faktoren für die Bewertung der Wörternetze berücksichtigt werden müssen. Allerdings impliziert die Differenz der Prozentangaben in der Tabelle, dass die Informationsaufnahme beim Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot mehr bereits vorhandene Repräsenta‐ tionen im mentalen Lexikon der Probandin Nr. 2 aktiviert hat und diese mit den neu wahrgenommenen sprachlichen Zeichen netzwerkartig verbunden sind, während es bei der Probandin Nr. 5 nicht deutlich zu erkennen ist. Dies ist aber kein Einzelfall in der Gruppe B und es ist auch für die Probandin Nr. 11 zutreffend. In Kombination mit der schriftlichen Befragung im Hinblick auf die persönlichen Gefühle und die Gedanken (vgl. Kapitel 7.3) ist dies darauf zurückzuführen, dass die Probandin wegen ihrer geringen Erfahrungen mit dem Selbstlernen mit digitalen Medien bei der Informationsaufnahme einen bestimmten Anteil ihrer Energie für das Vertrautmachen mit der Online-Lernplattform aufwenden muss. Dieser Mangel an Erfahrungen und aufgrund der Tatsache, dass die Probandin 252 7 Datenauswertung und -analyse mit der Online-Lernplattform nicht vertraut war, haben ihre Konzentrationsfähigkeit bei der Informationsaufnahme beeinträchtigt. Als Folge entsteht nach dieser Studie kein positives Gefühl zum Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot, welches häufig nach dem Selbstlernen mit einem Buch gewonnen werden kann. Ferner konnten die Lernstrategien, die von ihr für das Lernen mit einem Buch verwendet werden, beim Lernen mit einem digitalen Lernangebot nicht viel helfen. In ihren Wörternetzen stellen im Wesentlichen viele Einträge diejenigen Wörter dar, die beim Selbstlernen besonders intensiv fixiert wurden, was die Heatmaps verdeutlichen können. Dort zählen nur fünf Einträge zu denjenigen, die von der Probandin nach dem Selbstlernen vom mentalen Lexikon aktiviert worden sind. Hinsichtlich der Augenbewegungen ist durch die Ergebnisse der drei Teilnehmenden dieser Untersuchung zu erkennen, dass die Bilder im digitalen Lernangebot im Allgemeinen von den Probanden nicht berücksichtigt werden, auch wenn diese Bilder groß sind und in der Mitte der Webpages positioniert sind. Die Bilder werden häufig erst betrachtet, wenn durch die Aufgabenstellung für das Erledigen der Aufgaben darauf hingewiesen wird. Dies ähnelt den Ergebnissen der Gruppe A in der ersten Studie, wo ein Selbstlernen mit dem analogen Medium erfolgte. Betreffend die Augenbewegungen beim Anschauen der Videos ist ersichtlich, dass die visuelle Aufmerksamkeit dabei oft durch die akustische Wahrnehmung gelenkt werden kann. Es lässt sich erkennen, dass die Fixationen auf den Personen in den Videos in den meisten Fällen erhalten bleiben, wenn die Personen sprechen. Wenn ein Gegenstand durch die akustischen Signale dargestellt wird, richten die Probanden oft auch ihre visuelle Aufmerksamkeit darauf. Außerdem können die dynamischen und textlichen Elemente im Vergleich zu anderen Elementen in den Videos leichter die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden auf sich ziehen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Wörternetze aller Mitglieder der Gruppe B nach dem Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot weiterentwickelt haben. In Kombination der Einträge mit der schriftlichen Befragung ist jedoch erkennbar, dass die Qualität der Informationsaufnahme im digitalen Lernangebot wegen einiger Faktoren innerhalb dieser Gruppe individuell unterschiedlich ist. Manche Probanden können beim Selbstlernen mit den digitalen Medien beispielweise wegen des Mangels an Erfahrungen die dort übermittelten Information nicht genauso (gut) verarbeiten, wie sie es beim gewohnten Selbstlernen mit einem gedruckten Buch bzw. einem Lehrwerk in Papierform tun können. Dieser Aspekt wird nach der Vorstellung der Ergebnisse der zweiten Studie weiter diskutiert (vgl. Kapitel 7.4). 7.2.2 Zweite Studie (Thema: Freizeit und Urlaub) In Kapitel 7.2.1 wurden die Augenbewegungen der chinesischen Deutschlernenden am Beispiel von einigen Lernenden der beiden Gruppen (mit zwei unterschiedlichen Medien) in der ersten Studie zum Thema „Ausbildung und Karriere“ dargestellt. Basierend auf den Augenbewegungen der ausgewählten Probanden der beiden Gruppen sind außerdem die von den Lernenden produzierten Wörternetze analysiert worden. In der ersten Studie wurden einige Auffälligkeiten hinsichtlich der visuellen Aufmerksamkeit der chinesischen Deutschlernenden auf die Lerninhalte der beiden unterschiedlichen Medien beschrieben. Außerdem ist auch zu beobachten, dass viele Einträge in den Wörternetzen der Probanden 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 253 173 Die diesbezügliche Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.2. 174 Die Funktion der Bildmaterialien wird in Kapitel 7.4.4.1. diskutiert. in einem Zusammenhang mit den beim Selbstlernen von den Probanden besonders intensiv fixierten Wörtern stehen (vgl. Kapitel 7.2.1.1.4 und 7.2.1.2.4). 173 In diesem Kapitel wird die Wiederholungsuntersuchung bzw. die zweite Studie der vorliegenden Untersuchung vorgestellt. In der zweiten Studie wurde ein neues Thema für das Selbstlernen ausgewählt und die Lernthematik bezieht sich hier auf Freizeit und Urlaub. Wie in Kapitel über das Forschungsdesign (vgl. Kapitel 6.3) beschrieben, wurden die beiden Gruppen in dieser Studie miteinander getauscht. In der Wiederholungsuntersuchung haben alle Mitglieder der Gruppe A die Aufgaben im digitalen Lernangebot bearbeitet, welche die Probanden der Gruppe B in der ersten Studie realisiert haben (und umgekehrt). Das bedeutet, dass die Gruppe A, die in der ersten Studie das Buch für das Selbstlernen verwendet hat, in der zweiten Studie dieser Untersuchung auf der Online-Lernplattform die deutsche Sprache selbständig lernt. Vor der Datenauswertung bezüglich der zweiten Studie sollte nochmals hervorgehoben werden, dass der direkte Vergleich im Hinblick auf die Inhalte bzw. die Einträge der Wörternetze zwischen den beiden Gruppen in derselben Studie keinen Schwerpunkt darstellt, weil die Lerninhalte des Buchs und des digitalen Lernangebots sich voneinander unterscheiden (vgl. Kapitel 6.4). Stattdessen wird das Ergebnis der jeweiligen Lernenden hauptsächlich intrapersonal gegeneinander abgewogen, um die individuellen Unterschiede oder Übereinstimmungen in Bezug auf die Augenbewegungen bei der Informationswahrnehmung mit den beiden verschiedenen Medien und auch auf die Lernprodukte darzustellen. - 7.2.2.1 Gruppe A: Buch „Schritte international neu“ In diesem Kapitel werden die Ergebnisse grundsätzlich an Beispielen der Probanden dargestellt, die in der ersten Studie bzw. in Kapitel 7.2.1 angesprochen wurden. Auf diese Weise kann nicht nur beobachtet werden, ob sich eine identische Person beim Selbstlernen mit zwei verschiedenen Medien unterschiedlich verhalten hat. Durch die Analyse der Wörternetze der Probanden in Kombination mit ihren jeweiligen Augenbewegungen ist auch zu erkennen, ob sich die Beziehung zwischen Fixationen und Einträgen in den Wörternetzen beim Lernen mit einem anderen Lernangebot von dieser Beziehung in der ersten Studie unterscheidet. 7.2.2.1.1 Probandin Nr.-5 Die Augenbewegungen der Probandin Nr. 5 auf der Online-Lernplattform sind in Kapitel 7.2.1.2.1 beschrieben worden. Basierend auf den grafischen Darstellungen ihrer Augenbe‐ wegungen lässt sich feststellen, dass sie beim Selbstlernen in der ersten Studie die Bilder nicht besonders häufig betrachtet hat. Die bildlichen Reize in den Materialien werden oft erst berücksichtigt, wenn die wichtigen Informationen zur Lösung einer Aufgabe durch Bilder übermittelt werden. 174 Ungefähr 62 % aller Einträge in ihren Wörternetzen sind die Wörter, die von der Probandin besonders intensiv betrachtet wurden. Der Zusammenhang zwischen den Einträgen und der visuellen Aufmerksamkeit wird nach der Darstellung der diesbezüglichen Ergebnisse in der zweiten Studie der Untersuchung in Kapitel 7.4 254 7 Datenauswertung und -analyse 175 Der erste Kreis der Fixation steht hinter dem vierten Fixationspunkt auf dem Schaubild. diskutiert. Im Folgenden wird vorgestellt, wie sich ihre Augenbewegungen und ihre Wör‐ ternetze nach dem Selbstlernen mit einem Buch darstellen. Durch die Darstellung lassen sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausfinden, die sich auf die Augenbewegungen beim außerschulischen Selbstlernen mit zwei unterschiedlichen Medien beziehen. Abb. 7-65: Gazeplot der Probandin Nr.-5 (die erste Seite der Materialien) In der vorstehenden grafischen Darstellung geht es um die erste Seite des Lehrwerks Schritte international neu (vgl. Kapitel 6.4.1), das in der zweiten Studie benutzt wurde. Ähnlich wie bei der Lektion zum Thema „Ausbildung und Karriere“ sind auch mehrere Fotos am Anfang dieser Lektion vorhanden, die sich auf die themenbezogene Folge der Figuren des Lehrwerks beziehen. Als einer didaktischen Funktionen können die Fotos zur thematischen Einführung beitragen. Unter den Bildern stehen eine offene Aufgabe (Übung 1) und noch eine Aufgabe, die eine geschlossene schriftliche Übung 2a und eine Hörübung 2b enthält. Das Gazeplot (siehe Abb. 7-65) visualisiert die Blickverläufe der Probandin, während sie erstmals die erste Buchseite las. Aus der Grafik ergibt sich, dass die Probandin zu Beginn des Selbstlernens bzw. nach dem Öffnen des Buchs direkt auf die Aufgabenstellung der ersten Übung („Sehen Sie sich die Fotos an“) geblickt hat, wie der erste Fixationskreis 175 zeigt. Danach hat sie die konkrete Frage der Übung gelesen, wobei inzwischen eine Fixation auf der Sprechblase auf der rechten Buchseite zu sehen ist (Fixationspunkt 7). Auffällig ist, dass die Probandin der Aufgabenstellung nicht gefolgt ist: Nach dem Lesen der Aufgabenstellung wurde grundsätzlich keine visuelle Aufmerksamkeit auf die Bilder gerichtet, obwohl dazu in der Übung aufgefordert wurde. Nach dem Gazeplot ist leicht zu sehen, dass die Probandin im Anschluss daran den Text in der Sprechblase und anschließend die zweite Übung gelesen 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 255 hat, anstatt die oben stehenden Bilder anzusehen. Dies kann darauf hindeuten, dass die Probandin nicht vorhatte, die Aufgabe zu lösen. Trotzdem ist diese Vernachlässigung der Bilder interessant, weil die Bilder anscheinend kein Interesse bei der Probandin erregt haben. Die vorhandenen Bilder wurden erst betrachtet, als die Probandin die Übung 2a löste. Das liegt daran, dass die Bilder den jeweils passenden Sätzen in der Übung zugeordnet werden müssen. Das Verhalten der Probandin im Hinblick auf den Umgang mit den bildlichen Reizen auf der Buchseite stimmt mit der Handlungsweise beim Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot überein. Das kann die Annahme unterstützen, dass die Rolle bzw. die Wichtigkeit der bildlichen Elemente für die Bearbeitung der Aufgaben die Erregung der visuellen Aufmerksamkeit dieser Probandin beeinflussen kann. Dies kann auch durch das Ergebnis der Probandin aus dem retrospektiven Lauten Denken bestätigt werden. Aus der Sicht der Probandin besteht die Funktion der bildlichen Elemente hauptsächlich in ästhetischen Gründen. Aus diesem Grund werden die bildlichen Reize von der Probandin nicht vorrangig betrachtet, genauso wie es in der Abbildung 7-65 gezeigt wird (die Diskussion im Hinblick auf die visuelle Aufmerksamkeit auf den bildlichen Stimuli in Lernmaterialien vgl. Kapitel 7.4.4.1). Abb. 7-66: Heatmap der Probandin Nr.-5 (die erste Seite der Materialien) Die entsprechende Heatmap zu den Übungen auf der ersten Buchseite zeigt Abbildung 7-66, wobei die Stellen auf der Seite, die besonders intensiv betrachtet wurden, wiedergegeben werden. Nach der Heatmap wurden die Wörter „die Fotos“, „sehen ja lustig“, „Ostsee“, „Hotels“, „direkt“, „hättest“, „vielleicht“, „Urlaubsidee“ und „könnten“ auffällig aufmerksam gelesen. Bevor die Analyse der Wörternetze mit den oben erwähnten Wörtern beginnt, werden im Folgenden die Augenbewegungen der Probandin beim Umgang mit weiteren Übungen auf einer anderen Buchseite dargestellt. 256 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-67: Gazeplot und Heatmap der Probandin Nr.-5 (Teil B) Ein weiteres Beispiel bezüglich der „beschränkten“ Berücksichtigung der bildlichen Ele‐ mente besteht in dem Umgang der Probandin mit den Aufgaben im Teil B des Buchs. Zuerst wird der Inhalt dieses Teils kurz vorgestellt. Im Teil B sind drei Übungen vorhanden. Während die Übung B1 die Fertigkeit Hören der Probandin fördert, stellt die darauffolgende Übung B2 eine geschlossene schriftliche Übung dar. Als Hauptübung nimmt die Übung B2 einen großen Teil der Buchseite ein und sie beinhaltet drei verschiedene schriftliche Aufgaben. In der Aufgabe B2a sollen die Lernenden nach dem Lesen der Fließtexte den jeweiligen Texten ein passendes Foto zuordnen. Die folgenden zwei Aufgaben stellen grammatische Übungen dar, welche die Adjektivdeklination thematisieren. Als Letztes erscheint die Übung B3 als eine offene kommunikative Übung und dort sollen die Lernenden mit einer Gruppenpartnerin oder einem Gruppenpartner darüber sprechen, was sie in ihrer Freizeit bevorzugt unternehmen. Entsprechend dem Gazeplot bzw. dem Schaubild 7-67a ist zu erkennen, dass die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin zu Beginn schnell auf die blaue Tabelle gelenkt wurde, die sich auf die Adjektivdeklination ohne Artikel im Nominativ bezieht. Im Anschluss daran kam eine große Sakkade vor und die Probandin hat die Wörter in der weißen Tabelle gelesen (Fixationspunkte 3 und 4), um die am Anfang (Fixationspunkt 1) nicht gelesenen Wörter bzw. Informationen aufzunehmen. Danach kam wieder eine große Sakkade vor, die sich erneut in Richtung auf die blaue Tabelle bewegte. Dort hat die visuelle Aufmerksamkeit für eine Weile verharrt. Hierbei fällt auf, dass sich währenddessen zwei Fixationen auf dem ersten Bild in der Aufgabe B2a vollzogen haben (Fixationspunkte 7 und 11). Allerdings hat diese Blickfixation nicht sehr lange gedauert, was der geringe Durchmesser des Fixa‐ tionspunktes anzeigen kann. Anschließend hat die Probandin wieder die angesprochene blaue Tabelle angeschaut. Diese Fixationen können darauf hinweisen, dass die Probandin 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 257 176 Die Diskussion in dieser Hinsicht findet sich in Kapitel 7.4.4.1. 177 Der Fixationskreis ist hinter dem Fixationskreis 43 im Gazeplot. von den Bildern im Allgemeinen (ungeachtet der Aufgabenstellung) angezogen werden konnte. Jedoch ist diese Anziehung nicht uneingeschränkt. Das Gazeplot zeigt deutlich, dass die Bearbeitung der Aufgabe ab der Fixation 12 begonnen hat. Trotz eines flüchtigen Blickes (Fixationspunkt 7) hat die Probandin nach der Aufgabenstellung zuerst den Fließtext (Fixationspunkte 14 bis 17) grob gelesen, anstatt das Bild genauer zu betrachten. 176 Die visuelle Aufmerksamkeit wurde erst nach dem Lesen der zweiten Zeile des ersten Fließtexts auf das Bild gerichtet (Fixationspunkt 18). Nach der 18. Blickfixation hat die Probandin die dritte Zeile weitergelesen (Fixationspunkt 19) und im Anschluss daran kam eine große Sakkade vor, wobei die Probandin das Wort unter dem ersten Bild beobachtete (Fixationspunkt 20 177 ). Dieser Vorgang kann darauf hindeuten, dass die Probandin mit der Text-Bild-Zuordnung beschäftigte. Solche Vorgänge sind wiederholt geschehen. Während die Probandin die beiden Fließtexte in der Aufgabe B2a las, hat sie mehrere Male auf die Bilder geschaut, um eine richtige Zuordnung erreichen zu können. Hierzu lässt sich sagen, dass die Fixationen auf den Bildern grundsätzlich nur zur Lösung der Aufgaben erregt wurden. Basierend auf dem Gazeplot ist auch zu sehen, dass die Tabelle hinsichtlich der Adjektivdeklination ohne Artikel im Akkusativ in der Aufgabe B2b während des Lesens die Texte in der Aufgabe B2a zugleich ergänzt wurde. Dort sind viele Fixationen zu sehen, weil die Probandin die Lücken in der Tabelle schloss. Dies ist bei der dritten Aufgabe der Übung auf dieser Buchseite auch der Fall. Anhand der Heatmap bzw. dem Schaubild 7-67b ist zu beobachten, dass alle drei Bilder in diesem Teil nicht besonders intensiv betrachtet wurden. Eine Auffälligkeit ist, dass das Wort „Salzkammergut“ unter dem entsprechenden Bild überdurchschnittlich lange fixiert wurde, aber das Bild nicht. In Anlehnung an das retrospektive Laute Denken liegt das besonders intensive Betrachten des Wortes daran, dass die Probandin den Namen des österreichischen landschaftlich und historisch geprägten Kulturraums interessant fand. Aus diesem Grund ist ihr Augenmerk dort für eine Weile geblieben, um sicherzustellen, dass das ein Name einer Stadt oder Region ist. Hierbei ist außerdem auch auffällig, dass das dritte Bild, das zur dritten Aufgabe B2c gehört, von der Probandin im Leseprozess grundsätzlich nicht wahrgenommen wurde. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass diese Aufgabe lediglich die grammatische Übung über die Adjektivdeklination darstellt. Das Bild spielte bei dem Füllen der Lücken (aus der aufgabenorientierten Perspektive) kaum Rolle. Da das Wort „Berghütte“ in dem ersten Satz der Aufgabe erscheint und es für die meisten Deutschlernenden mit der A2-Niveaustufe nicht sofort nachvollziehbar ist, wird das Bild, in dem eine Berghütte hinter einem Berg dargestellt ist, neben dem Satz eingebettet. Der Anlass der Einbettung liegt vermutlich darin, dass das Bild nach dem Gedanken der Entwickler*innen des Lehrwerks das Wort „Berghütte“ konkret und bildlich veranschaulicht und die Lernenden mit dem Bild ohne sprachliche Erläuterung das Konzept „Berghütte“ verstehen können. Allerdings ist es denkbar, dass das Bild (bei dieser Probandin) diese Funktion nicht erfüllt hat, weil diese Probandin bei der Informationswahrnehmung das Bild überhaupt nicht betrachtet hat. Daran ist zu erkennen, dass die Funktion von Bildern aus der Sicht der Probandin vorwiegend in ästhetischen 258 7 Datenauswertung und -analyse Gründen besteht. In diesem Fall werden die Bilder nicht besonders intensiv berücksichtigt und sie werden erst mehrmals oder lange fixiert, wenn das Betrachten der Bilder einen Teil des Prozesses der Bearbeitung der Aufgaben darstellt (die Diskussion dazu vgl. Kapitel 7.4.4.1). In dieser Heatmap ist zudem feststellbar, dass die folgenden Wörter in Teil B des Kurs‐ buchs besonders betrachtet wurden: „Frühstück mit regionalen Produkten“, „Halbpension“, „Salzkammergut“, „Wunsch“, „Wandertour“, „Bergen“, „Tälern“, „entspannen“, „Badewiese“, „direkt“, „ruhige“, „ohne lauten Verkehr“, „ruhiger Bauernhof “, „Tiere“, „große“, „kosten‐ lose“, „Hotel“, „(ins) historische Zentrum“, „mit“, „zahlreichen“, „billige“, „moderne“ und „Jugendherberge“. Abb. 7-68: Wörternetze der Probandin Nr.-5 (2. Studie) Abbildung 7-68 zeigt die Wörternetze der Probandin, die nach dem Abschluss der zweiten Studie produziert wurden. Zu Beginn des Selbstlernens in der zweiten Studie hat die Probandin gegenüber den vorhandenen Stichwörtern an mehrere ihrer Freizeitaktivitäten gedacht. Auf der theoretischen Grundlage des Aufbaus des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.2) und der Sinnrelationen der Wörter (vgl. Kapitel 3.1 und Kapitel 3.2) ist zu erkennen, dass die Probandin vor dem Selbstlernen über eine bestimmte Menge der themenbezogenen Repräsentationen in ihrem mentalen Lexikon verfügt hat. Sie sind so im mentalen Lexikon intergiert, dass die entsprechenden lexikalischen Einheiten als Lernitems in die Wörter‐ netze eingetragen worden sind. Aus den Wörternetzen lässt sich erkennen, dass einige Wörter aus den oben erwähnten Übungen in die Wörternetze eingetragen wurden. Auf der linken Seite ist eine Wortfolge auf die angesprochenen Übungen zurückzuführen. Die Wortfolge ist „Jugendherberge - billig - kostenlos“, was inhaltlich aus der Übung B2c kommt. Mit dem Wort „Jugendherberge“ hat die Probandin selbstständig noch das Wort „günstig“ assoziiert, wobei das eingetragene Wort „billig“ vermutlich auch eine Rolle bei der gedanklich-lexikalischen Aktivierung gespielt hat. Zudem verteilen sich die einschlägigen 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 259 Wörter an verschiedenen Stellen auf der rechten Seite der Wörternetze. Beispielsweise sind „Foto“ und „Hotel - Pension“ vorhanden. Darüber hinaus lässt sich sehen, dass die Anzahl der nachträglich eingetragenen Wörter trotz vieler fixierter Wörter in den Übungen niedrig ist. In erster Linie kann dies vermutlich darin begründet liegen, dass manche Wörter für die Probandin schwer verständlich oder zu behalten waren. Trotz der visuellen Aufmerksamkeit sind einige Wörter, wie „hättest“ oder „könnten“, auf der ersten Seite des Buchs aus grammatischen Gründen nicht leicht zu verstehen. Andere Beispiele sind Eigennamen wie „Salzkammergut“ oder das Wort „Bade‐ wiese“, die für chinesische Deutschlernende etwas Kulturspezifisches sind. Es gibt einerseits kein einfaches oder unabhängiges chinesisches Wort als Äquivalent zum Wort „Badewiese“. Andererseits könnte es sein, dass das Teilwort „Bad(e)“ des zusammengesetzten Wortes vermutlich eher als „Dusche/ duschen“ statt „Schwimmen“ verstanden würde. Das führt dazu, dass sich die Bedeutung des Kompositums nicht einfach erschließen lässt. Umgekehrt kann damit auch erklärt werden, warum das Wort auffällig länger fixiert wurde. Infolge‐ dessen ist die Wahrscheinlichkeit eines Eintrags solcher Wörter daher dementsprechend niedrig, obwohl sie beim Lesen besonders betrachtet wurden (die diesbezügliche Diskussion vgl. 6.4.4.2.). Dass die Wörter, die nicht auf den oben erwähnten Fall zutreffen, auch nicht in die Wörternetze eingetragen sind, ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Kapazität der Probandin zur Aufnahme von Informationen überfordert war. Im Hinblick auf das Layout unterscheidet sich das Buch stark von der Online-Lernplattform „Community Deutsch für dich“. Bei dieser internetgestützten elektronischen Lernplattform können alle Übungen wegen der Unbegrenztheit des Platzes separat auf mehrere Webpages verteilt werden. Demzufolge kann jede Aufgabe mit ausreichend Platz präsentiert werden. Im Vergleich zu dem digitalen Lernangebot hat das Buch ein Problem mit dem Mangel an Raum und daher können die Übungen zu einem gleichen untergeordneten Thema nicht so frei verteilt werden wie in der Online-Plattform. Es ist üblich, dass eine Buchseite mehrere Aufgaben beinhaltet. Das kann vermutlich zu einer visuellen Belastung führen, besonders wenn die Aufgaben nur in Fließtexten dargestellt werden. Obwohl die Texte im Vergleich zu anderen Arten von Elementen signifikant mehr Informationen übermitteln können, kann zugleich auch die Kapazität der Lernenden betreffend die Informationsaufnahme stark belastet werden, wenn die Probandin mehrere nacheinander folgende Texte lesen muss. Das kann ein Grund dafür sein, dass viele Wörter hierbei zwar beim Lesen fixiert wurden, aber bei der nachträglichen Generierung der Wörternetze nicht aufgeschrieben wurden (die Diskussion in dieser Hinsicht vgl. Kapitel 7.4.4.3). In der Abbildung 7-68 lässt sich beobachten, dass neben den oben aufgeführten Wörtern noch viele Wörter den Wörternetzen hinzugefügt wurden. Ein großer Teil davon kommt aus einer Übung im Arbeitsbuch zum Teil A vom Kursbuch des Lehrwerks. Im Folgenden wird das Blickverhalten der Probandin gezeigt, wenn sie die Übungen im Arbeitsbuch bearbeitete. 260 7 Datenauswertung und -analyse 178 Da die Probandin die ersten zwei Aufgaben auf dieser Buchseite nicht bearbeitet hat, werden die einzelnen Blicke, die beim Lernprozess nur sporadisch auf den genannten Aufgaben gerichteten wurden, in der Abbildung nicht gezeigt. Abb. 7-69: Heatmap der Probandin Nr.-5 (Übungen zum Teil A) Abbildung 6-69 178 visualisiert, welche Stellen in der dritten Aufgabe im Arbeitsbuch von der Probandin überdurchschnittlich lange fixiert wurden. Im Allgemeinen lässt sich beobachten, dass sich die meisten Fixationen auf den oben vorgegebenen Wörtern in der Aufgabe befinden. Die besonders intensiv fixierten Wörter sind die Wörter „See“, „Osten“, „Strand“, „Küste“, „Meer“, „Gebirge“ „Norden“ und „Wald“. Außerdem ist ersichtlich, dass die visuelle Aufmerksamkeit auf die Bilder in dieser Aufgabe im Vergleich zu anderen Aufgaben mit Bildern nicht in Widerspruch steht. Die Bilder der Aufgabe wurden von der Probandin betrachtet, weil sie wichtig für die Bearbeitung bzw. die Lösung der Aufgabe sind. Hierbei ist es auffällig, dass es zwei rot markierte Stellen in den ersten Bildern gibt. Die erste intensive Fixation ist auf dem Bild „See“ und in dem zweiten Bild wurde der Teil des Bildes „Strand“ besonders intensiv fixiert. Die Fixation auf den zwei Stellen liegt entsprechend dem retrospektiven Lauten Denken der Probandin daran, dass sie die beiden bildlichen Elemente nicht sofort erfassen konnte, weil die schwarz-weißen Bilder (und im Vergleich zu Fotos oder Comics) grundsätzlich durch einfachere Striche dargestellt werden. So kann die besonders intensiv betrachteten Stelle auf eine laufende Person und zwei unter einem Regenschirm liegende Personen in dem zweiten Bild beobachtet werden, wie die Heatmap zeigt. In Kombination mit den Wörternetzen erscheinen allerdings die beiden Fixationen auf den Stellen der Bilder als hilfreich, um die Informationen vertieft aufnehmen zu können. Dafür spricht die Tatsache, dass die dort intensiv fixierten Wörter, die in dieser Aufgabe vorhanden sind, in die Wörternetze eingetragen worden sind. Hierbei fällt eine Wortfolge auf: „an den Strand - Küste/ Meer - auf dem See“. Die Auffälligkeit der Wortfolge ist einerseits die Hinzufügung einer Präposition zu den Wörtern „Strand“ und „See“. Hier liegt die Vermutung nahe, dass die Zugabe einer Präposition in Zusammenhang mit den zwei besonderen Fixationen auf den Bildern steht. Es lässt sich erkennen, dass die beiden überdurchschnittlich intensiv fixierten Stellen der Bilder genau den Wörtern „Strand“ und „See“ entsprechen. Die Fixationen auf die bildlichen Elemente haben möglicherweise die 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 261 szenischen Assoziationen der Probandin im gedanklichen Konzept aktiviert oder gefördert, was den Abruf der lexikalischen Einheiten aus dem mentalen Lexikon (zur Beschreibung dieser Szenarien) nachträglich beim Produzieren der Wörternetze sprachlich gefördert hat. Diese Vermutung kann mit dem Eintrag der anderen zwei Wörter („Küste“ und „Meer“) gestützt werden. Es lässt sich sehen, dass die das Meer oder die Küste veranschaulichenden Stellen auf den Bildern in der Aufgabe nicht fixiert wurden. Bei der Entfaltung der Wörternetze hat die Probandin dazu keine Präposition hinzugefügt, obwohl sie auch in der Wortfolge (sogar in der Zwischenstelle) vorhanden sind. Die Auffälligkeit der von dem Eintrag „Strand“ ausgehenden Wortfolge besteht andererseits in ihrer Position und deren Verbindung mit den Wörtern in den Wörternetzen. Obwohl die Wörter „Wald“ und „Berg“ („Gebirge“ in der Aufgabe des Buchs) auch in der Aufgabe 3 im Arbeitsbuch vorkommen, hat die Probandin die beiden Wörter separat als eine unabhängige Wortfolge mit den Stichwörtern der Wörternetzen verbunden, anstatt diese beiden Einträge mit den oben erwähnten Wörtern (aus der „Strand“-Wortfolge) zusammen zu verknüpfen. Zwischen ihnen ist keine Verbindung vorhanden, was möglicherweise auf die beiden besonderen Fixationen auf den Bildern in der Aufgabe zurückzuführen ist. Die Fixationen auf den Bildern haben möglicherweise die Wörter „Strand“ und „(der) See“ auf der konzeptuellen Ebene nähergebracht, obwohl der See im Bild neben einem Berg und einem Wald auf der Buchseite gezeichnet wurde. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Betrachten der Bilder bei der Probandin während der Informationswahrnehmung zwar beschränkt war, aber die visuelle Aufmerksamkeit auf den Bildern die Entfaltung der Wörternetze bzw. den Eintrag der Wörter in die Netze beeinflussen konnte. Der Einfluss bezieht sich nicht nur auf die Herstellung der Verbindung zwischen den in die Wörternetze eingetragenen Wörtern, sondern vermutlich auch auf das „Wiederfinden“ der einzutragenden Wörter (im Gedächtnis), je nachdem, wie intensiv sie betrachtet wurden. Beispielsweise wurde das Wort „Osten“ zwar von der Probandin im Bereich der vorgegebenen Wörter auch im Bereich der Lücke (zum Wort „Osten“) intensiv fixiert, aber das Wort ist nach der Lerneinheit bei der Entwicklung der Wörternetze nicht aufgeschrieben. Hierzu kann einerseits vermutet werden, dass das Wort „Osten“ (und auch das Wort „Norden“) trotz intensiver Fixationen seitens der Probandin beim Entwickeln der Wörternetze nicht als themenbezogen erscheinen könnte. Andererseits liegt auch die Vermutung nahe, dass die Fixationen auf die Wörter „Osten“ und „Norden“ noch nicht intensiv genug für die Integration in das mentale Lexikon sowie für die Herstellung der semantisch-konzeptuellen Verbindung zwischen lexikalischen Einheiten waren, sodass die beiden Wörter beim Entwickeln der Wörternetze im Gedächtnis nicht „wiedergefunden“ werden konnten (die diesbezügliche Diskussion vgl. Kapitel 7.4.4.1). 262 7 Datenauswertung und -analyse 179 Dieser Aspekt wird in Kapitel 7.4.4.2 diskutiert 180 Dieser Aspekt kann durch die Eyetracking-Technologie in Verbindung mit dem retrospektiven Lauten Denken nicht genau festgelegt werden, weil für eine eindeutige Interpretation im Hinblick Abb. 7-70: Heatmaps der Probandin Nr.-5 (zwei Übungen im Kursbuch) In der Gesamtbetrachtung ist des Weiteren zu entdecken, dass die in die Wörternetze eingetragenen Wörter größtenteils aus den Übungen stammen, die ein Foto oder eine Zeichnung enthalten. Ein Beispiel dafür stellt das Wort „Radfahren“ in den Wörternetzen dar. Das Wort kommt aus einer Übung zu Teil D im Kursbuch, die nach der Hälfte des Selbstlernens bearbeitet wurde. In der Übung werden die Lernenden aufgefordert, drei vorhandene Texte und die unter den Texten stehenden Nachrichten zu lesen und einander zuzuordnen. Das Wort „Radfahren“ ist in dieser Übung zu finden und es wurde von der Probandin besonders betrachtet, wie das Schaubild 7-70a zeigt. Ein weiteres Beispiel ist die Hörübung in Teil C, welche die Probandin in den letzten zwei Lerneinheiten gelöst hat. In dieser Übung sind zwei Aufgaben vorhanden. In der Aufgabe C1a geht es um die Zuordnung der Gespräche und Bilder, während die Probandin in der Aufgabe C1b die richtige Auswahl aus der gegebenen Optionen ankreuzen sollte. Nach dem Schaubild 7-70b ist leicht zu sehen, dass viele Fixationen in dieser Aufgabe vorkommen. Es gibt drei Stellen bei den Bildern, die beim Lesen besonders intensiv betrachtet wurden, während sich mehr Fixationen auf den Texten in der zweiten Aufgabe ereigneten. Allerdings sind keine Wörter aus dieser Aufgabe (trotz der zahlreichen Fixationen) in die Wörternetze eingetragen. 179 Im Vergleich dazu sind die Wörter „Zug“, „Flixbus“ („Fluxbus“ im Buch) und „Auto“ in den Wörternetzen der Probandin aufzuspüren. Es lässt sich sagen, dass der Eintrag der Wörter und die Blickfixationen auf den (entsprechenden) Bildern zueinander passen. In den letzten zwei Lerneinheiten hat die Probandin noch einige Übungen (ohne Foto oder Zeichnung) erledigt und dort gibt es auch viele Blickfixationen. Jedoch sind lediglich einzelne Wörter aus den Übungen zu den Wörternetzen hinzugefügt worden, was ähnlich wie bei Aufgabe C1b in Schaubild 7-70b ist. Ein möglicher Grund dafür besteht darin, dass Texte in den Übungen für viele chinesische Deutschlernende mit der visuellen Abhängigkeit (vgl. Kapitel 2.2.4) die dominierenden Informationsträger sind. Obwohl sie viele Informationen liefern können, können sie bzw. lange Fließtexte zugleich auch die kognitive Kapazität der Lernenden bei der Wahrnehmung und Aufnahme der Informationen im Kontext des Selbstlernens in einer Fremdsprache belasten. 180 Im Vergleich dazu ist beispielsweise die Übung C1a in 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 263 auf diesen komplexen Zusammenhang noch weitere Daten erforderlich sind. Daraus ist zu erkennen, dass weitere Forschungsmethoden eingesetzt werden sollten. Dies wird nach der Darstellung der Forschungsergebnisse in Kapitel 7.4 diskutiert. 181 Die diesbezügliche Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4.1.In den meisten Fällen ist die Probandin bei der Informationswahrnehmung grundlegend nur auf Texte bzw. textliche Elemente angewiesen, um Informationen sicher aufzunehmen. Dieses Angewiesensein kann durch das Blickverhalten der Probandin beim Anschauen der Videos auf der Online-Lernplattform wahrgenommen werden. Solange textliche Elemente in einem Videobild vorhanden sind, werden sie vorzugsweise betrachtet. Schaubild 7-70b auffällig, weil diese Übung kurze Texte und Bilder beinhaltet. Obwohl die Informationen durch kurze Texte nicht so ausführlich übermittelt werden können wie durch lange Schrifttexte, kann sich die Belastung der Kapazität der Lernenden beim Selbstlernen dementsprechend reduzieren. Außerdem ist es vorstellbar, dass die Bilder oder die Zeichnungen der Aufgabe einen „Speicherpunkt“ bilden könnten, sodass der Inhalt der Aufgabe wie ein „Haken“ im Kopf hängen bleiben kann. Bei der hinterher vorgenommenen Entwicklung der Wörternetze haben die Bilder bzw. die „Speicherpunkte“ gefördert, dass die Inhalte aus dem Gedächtnis leichter reproduziert bzw. wiedergefunden werden können. Vergleichend mit den Ergebnissen dieser Probandin in der ersten Studie ist in Bezug auf die Augenbewegungen betreffend die bildlichen Elemente zu erkennen, dass grundsätzlich kein großer Unterschied vorliegt. Im Allgemeinen können die Bilder weder im Buch noch auf der Online-Lernplattform eine hohe Aufmerksamkeit bei dieser Probandin auf sich ziehen. Bezüglich der Wörternetze ist auffällig, dass die Verbindung der (in den ersten beiden Lerneinheiten produzierten) blauen Einträgen mit den (in letzten beiden Lerneinheiten produzierten) roten Einträgen bei ihren Buch-Wörternetzen häufiger zu sehen sind. Das kann implizieren, dass die im Buch wahrgenommenen Informationen bei dieser Probandin auf der gedanklichen Ebene inhaltlich besser bzw. netzwerkartig verbunden werden können. 7.2.2.1.2 Probandin Nr.-9 In Kapitel 7.2.1.2.2 wurde der Umgang der Probandin Nr. 9 mit dem internetgestützten digitalen Lernangebot in der ersten Studie der Untersuchung beschrieben. Dort ist zu beobachten, dass die Probandin beim digitalen Selbstlernen die Bilder der Übungen nicht häufig berücksichtigt hat. Zu einer Ausnahme zählt in erster Linie die Aufgabe, wobei die Probandin einem Bild ein Wort bzw. einen Text zuordnet. 181 Zudem kann ein Bild möglicherweise auch die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin auf sich ziehen, wenn das Bild durch eine warme Farbe präsentiert wird, was allerdings im Rahmen der vorliegenden Studie grundsätzlich einen Einzelfall darstellen kann. In den meisten Fällen ist die Probandin bei der Informationswahrnehmung grundlegend nur auf Texte bzw. textliche Elemente angewiesen, um Informationen sicher aufzunehmen. Im Folgenden werden die Augenbewegungen der Probandin beim Selbstlernen mit dem Buch dargestellt. Entsprechend der Darstellung ist einerseits zu erkennen, ob und welche Besonderheiten über die Augenbewegungen beim Lernen mit dem Buch vorhanden sind. In Kombination mit den Ergebnissen in Kapitel 7.2.1.2.2 lässt sich auch erkennen, ob es beispielweise einen Unterschied bezüglich des Umgangs mit Bildern beim Lernen mit den beiden verschiedenen Medien gibt. 264 7 Datenauswertung und -analyse 182 Der Fixationskreis 1 ist hinter dem Kreis 8. Der zweite Fixationspunkt ist über dem Fixationskreis 2 bzw. hinter dem Kreis 154 und der dritte Fixationspunkt findet sich hinter dem Kreis bzw. dem Fixationspunkt 156. Abb. 7-71: Gazeplot und Heatmap der Probandin Nr.-9 (die erste Seite der Materialien) Die vorliegende Abbildung enthält das Gazeplot 7-71a und die Heatmap 7-71b, während die Probandin die erste Buchseite der Lektion zum Thema „Reisen“ gelesen hat. Im Vergleich mit der Probandin Nr. 5 ist im Gazeplot der Probandin Nr. 9 vor allem deshalb auffällig, weil es viele Fixationen auf den Bildern gibt. Grundsätzlich liegt dies an der Aufgabenstellung beider Aufgaben auf der Seite. Betrachtet man das Gazeplot genauer, lässt sich jedoch ersehen, dass sich die anfänglichen Fixationen nicht auf die Bilder beziehen. Dem Gazeplot ist zu entnehmen, dass die Probandin zu Beginn den Text bzw. den Titel von Folge 12 („Die Qual der Wahl“) fixiert hat (Fixationspunkte 1 bis 3 182 ). Im Anschluss daran kam eine große Sakkade vor, wobei sich die visuelle Aufmerksamkeit auf die erste Übung auf der Seite verschoben hat (Fixationspunkte bis 7). Nach dem Lesen der ersten Übung ist das Augenmerk wieder auf den Titel zurückgekehrt, wobei die Wörter dort erneut sorgfältig gelesen wurden (Fixationspunkte bis 24). Danach hat die Probandin mit der zweiten Übung begonnen und sie ließ im Leseprozess ihre Blicke über die Bilder wandern, wie die Fixationskreise auf den Bildern zeigen. Daraus ist leicht zu erkennen, dass der Umgang mit den Bildern im Buch genauso wie auf der Online-Plattform ist. Auf dieser Buchseite wurde das Betrachten der Bilder auch durch die Aufgabenstellung begründet. Um die Informationen aufzunehmen, hat die Probandin nach wie vor in erster Linie textliche Elemente bevorzugt und zwischenzeitlich hat sie die vorhandenen Bilder weniger berücksichtigt. Nach der Heatmap kann beobachtet werden, dass es sowohl im Bereich der Aufgabe 2a als auch bei den Bildern besonders lange betrachtete Stellen gibt. Es lässt sich in der Abbildung 7-71 erkennen, dass die rot markierten Stellen, die überdurchschnittlich intensive Fixationen wiedergeben, auf dem Blockpfeil und in der Nähe davon gelegen sind. Entsprechend der Heatmap ist zu erkennen, dass die Probandin auf den Titel der Folge 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 265 183 Anmerkung: Da die Aufgaben aus Übung C1 erst in der zweiten Hälfte des Selbstlernens bearbeitet wurden, wird die Übung C2 zuerst dargestellt. Außerdem wird auch hier angemerkt, dass die Augenbewegungen über die Übung aus dem Teil A des Buchs nicht vorgestellt werden, weil die Übung grundsätzlich eine Leseaufgabe mit einem langen Fließtext darstellt und dort keine Besonderheiten hinsichtlich der Augenbewegungen vorliegen. 184 Die diesbezügliche Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4.1. 12 bzw. auf dessen Wörter zwischen den Bildern geschaut hat. Darüber hinaus wurden auch das Gesicht der weiblichen Figur und das Fahrrad sowie der Freizeitpark bzw. das Riesenrad besonders intensiv betrachtet. Insgesamt gesehen wurden die folgenden Wörter überwiegend fixiert: „Qual“, „Wahl“, „sehen“, „Fotos“, „günstige“, „mit mir“, „(in die) Berge“, „Ostsee“, „Hotel“, „am Meer“, „Lust“, „keine Wahl“, „könnten“ und „vergleichen“. Da die Probandin in den ersten zwei Lerneinheiten noch viele Übungen erledigt hat, wird vor der Analyse ihrer Wörternetze beschrieben, worauf die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin in anderen Übungen gerichtet wurde. Abb. 7-72: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (drei Übungen im Kursbuch) In der vorliegenden Abbildung geht es um Heatmaps betreffend die Übungen in drei Seiten des Kursbuchs 183 , die die Probandin in der ersten Hälfte des Selbstlernens in der zweiten Studie bearbeitet hat. Was die visuelle Aufmerksamkeit auf die Bilder betrifft, lässt sich im Allgemeinen sagen, dass das Blickverhalten der Probandin hierbei der „Regelmäßigkeit“ entspricht, die aus der früheren Beobachtung abgeleitet worden ist: Die Bilder werden berücksichtigt, wenn es wegen der Aufgabenstellung erforderlich ist. So haben die Bilder aus Aufgabe B2a die visuelle Aufmerksamkeit auf sich gezogen und im Gegensatz dazu wurde das Foto aus Aufgabe B2c auf der identischen Buchseite nicht berücksichtigt. 184 Der Unterschied liegt daran, dass die vorhandenen Bilder in Aufgabe B2a zur Zuordnung obligatorisch zu betrachten sind. Hierbei ist in Schaubild 7-72c auffällig, dass die Bilder aus Aufgabe D1a auch einige Male betrachtet worden sind, obwohl keine Zuordnung zwischen Bildern und Texten zur Lösung der Aufgabe erforderlich ist. Entsprechend dem retrospektiven Lauten Denken ist ein Grund für das Anschauen der Bilder darin zu sehen, 266 7 Datenauswertung und -analyse 185 Die Information kommt aus der Befragung bezüglich der persönlichen Daten. 186 Im Gazeplot lässt sich sehen, dass die Fixationen auf den Bildern während des Lesens der Fließtexte bei Aufgabe C1a oder bei den vorhandenen Sätzen in Aufgabe C1b vorkommen. dass die Probandin die Aufnahmen einer Landschaft kurz sehen wollte. Da die Probandin persönlich gern reist 185 , ist es denkbar, dass die Probandin sich aus diesem Grund für die Fotos interessiert hat. Ferner fordern alle Aufgaben der Übungen zwar nur zu Zuordnungen zwischen den Texten und den Nachrichten C1a und den gegebenen Sätzen C1b auf, aber die Probandin ist auf den Gedanken gekommen, zur Suche von potenziellen Hinweisen für die richtige Zuordnung auf die Bilder zu schauen. 186 All dies kann erneut bekräftigten, dass sich die Probandin beim Selbstlernen für die Informationsaufnahme hauptsächlich auf die Texte konzentriert hat und sich das Betrachten von bildlichen Elementen bei der Probandin nur bedingt vollzogen hat. Gemäß den aufgeführten Heatmaps sind die überdurchschnittlich intensiv fixierten Wörter die folgenden: „der/ das/ die“, „Berghütte“, „Verkehr“, „ruhig“, „viel“, „Spielwiese“, „kostenlos“, „Fahrradverleih“, „Hotel“, „zentral“, „Sehenswürdigkeit“, „Übernachtung“, „be‐ rühmt“ (siehe Abb. 7-72a); „besuchen“, „Reisebüro“, „Angestellter/ Angestellte“, „günstig“, „ausgebucht“, „andere Angebote“, „können“, „abfahren“ (siehe Abb. 7-72b); „Wochenende“, „möchtest“, „Luzern“, „könnten“, „Berg“, „wunderschönen Blick“, „Vierwaldstättersee“, „natürlich“, „Kanu“, „surfen“, „Lust“, „Stadtführung“, „schon“, „Allerlei (gegessen)“, „am Wasser“, „spazieren gehen“, „Rad fahren“, „vielleicht“, „fahren“ und „kann (man)“ (siehe Abb. 7-72c). Abb. 7-73: Wörternetze der Probandin Nr.-9 (2. Studie) 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 267 187 Die Diskussion in dieser Hinsicht findet sich in Kapitel 7.4.4.3. 188 Diese Übung besteht aus zwei Aufgaben. In der ersten Aufgabe A4a sollen die Lernenden die Tabellen ergänzen, sodass die grammatischen Kenntnisse in Bezug auf die deutschen Wechselpräpositionen geübt und zusammengefasst werden. Die zweite Aufgabe A4b ist eine kommunikative Übung und dort werden einige Reiseziele und Adjektive vorgegeben. In dieser Aufgabe können die Lernenden durch kommunikative Übungen zum einen die grammatischen Kenntnisse zu den Wechselpräposi‐ tionen mündlich üben und vertiefen. Zum anderen kann der Wortschatz zum Thema Reisen in der Übung erweitert werden. Entsprechend der Heatmap wurden die Wörter „Süden“, „Berg“, „Land“, „See“, „Insel“, „Strand“ (Aufgabe A4a); „Wien“, „Alpen“, „Berge“, „langweilig“, „kalt“, „windig“, „in die Berge“ und „in den Bergen“ (Aufgabe A4b) fokussiert. Abbildung 7-73 stellt die gesamten Wörternetze der Probandin Nr. 9 dar. Vor allem ist auf der Grundlage der Theorie im Hinblick auf das mentale Lexikon (vgl. Kapitel 2.2) zu sagen, dass die Probandin vor dem Selbstlernen über viele themenbezogene lexikalische Einheiten in ihrem mentalen Lexikon verfügt hat. Die Probandin hat gegenüber den gegebenen Stichwörtern „Freizeit und Urlaub“ an viele Wörter selbstständig gedacht, was die hohe Anzahl der schwarzen Wörter andeutet. Die Probandin hat viele Freizeitaktivitäten aufgelistet und ausgehend von den Aktivitäten durch individuelle oder logische Nähe sind weitere Wörter zu den jeweiligen Tätigkeiten in der Freizeit in die Wörternetze eingetragen worden. Was die Wörternetze nach Abschluss der ersten zwei Lerneinheiten betrifft, lässt sich in der grafischen Darstellung beobachten, dass die Wörter nicht nach den gemachten Übungen blockweise in die Wörternetze eingetragen worden sind. Stattdessen sind die (blauen) Wörter gemischt in die Netze geschrieben. Beispielsweise ist eine Verbindung zwischen den gegebenen themenbezogenen Stichwörtern und dem Wort „Sehenswürdig‐ keiten“ hergestellt, das aus Aufgabe B2c stammt. Ausgehend von diesem Wort sind noch weitere Wörter erweitertet worden, wobei die Wortfolge „Kamera - fotografieren - Foto“ teilweise aus den Übungen auf der ersten Buchseite (siehe Abb. 7-71), zum Teil mithilfe der lexikalischen Sinnrelation der Sachnetze (logische Nähe) und der Wortfamiliennetze (vgl. Kapitel 3.2) erstellt ist. In theoretischen Rahmen der Medienwahl für das Fremdspra‐ chenlernen (vgl. Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3) in Kombination mit den persönlichen Daten der Probandin liegt die Vermutung nahe, dass diese Anordnung möglicherweise auf die benutzen Medien für das Fremdsprachenlernen zurückzuführen ist. Da die Probandin, wie andere chinesische Deutschlernende, viele Erfahrungen mit der Nutzung der gedruckten Medien für das Fremdsprachenlernen hat, ist es denkbar, dass eine tiefgehende kognitive Verarbeitung der wahrgenommenen Informationen bei dem außerschulischen Selbstlernen mit dem Buch leicht realisiert werden kann, welche bei der Informationswahrnehmung eine netzwerkartige Integration der lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon ermöglicht. 187 In den Wörternetzen sind außerdem die Wörter „berühmt“ und „Alpen“ zu finden. Das erstgenannte Wort stammt auch aus Aufgabe B2c und das letztgenannte Wort ist in der Übung A4 auffindbar, wie die folgende Abbildung zeigt. 188 268 7 Datenauswertung und -analyse 189 Der entscheidende Reiz (aus den Lernmaterialien) für das Eintragen dieser Wortgruppe kann wegen der eingesetzten Forschungsmethoden nicht genau festgelegt werden. Eine kritische Reflexion findet sich in Kapitel 8. Basierend darauf ist zugleich zu vermuten, dass die Häufigkeit des Vorkommens eines sprachlichen Zeichens im Lernmaterial bei der Informationsaufnahme eine Rolle spielen könnte. Dies kann bedeuten, dass die wiederholten Blickfixationen auf einem identischen Stimulus (trotz unterschiedlicher Orte des Vorkommens) zur Erhöhung der Tiefe der kognitiven Informationsverarbeitung führen könnten. Abb. 7-74: Aufgabe A4 und deren Heatmap der Probandin Nr.-9 Ein weiteres Beispiel stellt das untergeordnete Netz dar, das mit der Phrase „in die Berge steigen“ in den Wörternetzen (siehe Abb. 7-73) beginnt. Diese Wortgruppe ist sowohl auf der ersten Buchseite als auch in den Übungen A4 oder D1(siehe Abb. 7-72c) aufzuspüren. 189 Mit dieser Wortgruppe sind viele Wörter assoziiert worden, wobei die assoziierten Wörter in zwei Felder aufgeteilt sind. Das erste mit der Wortgruppe verbundene Feld wird von der Wortgruppe „ans Meer fahren“ eingeleitet, die möglicherweise aus der Aufgabe D1a stammt (denn der Wortgruppe folgt das Wort „surfen“, das aus derselben Aufgabe kommt). Es kann jedoch auch sein, dass die Wortgruppe auf Aufgabe A4 zurückzuführen ist. Hierfür liegt der Grund nahe, dass die in diesem Feld vorhandenen Wortgruppen „am Strand spielen“ und „um den See fahren“ in Zusammenhang mit Aufgabe A4 stehen. Das andere Feld, das mit „in die Berge steigen“ verknüpft ist, enthält auch Wörter aus unterschiedlichen Aufgaben. Beispielsweise kann das Wort „übernachten“ auf das beim Lernen fixierte Wort „Übernachtung“ aus Aufgabe B2c zurückgehen und das durch das Zwischenwort „Zimmer“ verknüpfte Wort „Hotel“ sowie dessen folgende Wörter („Service“ und „Frühstück“) sind in Aufgabe B2a aufspürbar. Als drittes Beispiel findet sich noch eine Wortfolge, die mit dem Wort „Wetter“ eingeleitet wird und viele Adjektive beinhaltet. Die meisten in der Wortfolge geschriebenen Einträge kommen aus der Aufgabe A4b, aber es gibt auch einen Eintrag bzw. das Adjektiv „wunderschön“, welches in einer Beziehung zu dem Teil D des Buchs steht. Dort ist nebenbei zu ersehen, dass die Probandin einen Versuch angestellt hat, möglichst viele im Buch gelernte Adjektive in einem Kreis der Wörternetze anzusammeln. Der Versuch der Erinnerung an die Adjektive kann durch zwei von der Probandin erstellte Fragezeichen in diesem Kreis erkannt werden. Im Versuch erinnerte sich die Probandin an die beim Selbstlernen gelesenen bzw. gelernten Adjektive, die geeignet für die Beschreibung des Wetters sind, obwohl die Adjektive unter Umständen ursprünglich im Buch bzw. in den Übungen für die Beschreibung anderer Gegenstände verwendet werden. Neben den oben erwähnten Wörtern sind noch einige blaue Wörter in den Wörternetzen zu finden und sie 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 269 190 Hierbei wird eine Wortgruppe als eine Einheit gezählt. verteilen sich an verschiedenen Stellen. Kombinierend mit den einschlägigen Heatmaps ist sichtbar, dass eine hohe Anzahl der blauen Wörter auf die besonders intensiv betrachteten Stellen der in den ersten zwei Lerneinheiten realisierten Übungen zurückgehen. Die Zahl der blauen Wörter beläuft sich entsprechend den Wörternetzen auf 35 190 und die Menge der blauen Wörter, welche erkennbar die rot markierten Stellen der Übungen betreffen, liegt bei 26. Die restlichen (blauen) Wörter in den Wörternetzen sind hauptsächlich diejenigen, die auf der Grundlage der bereits eingetragenen Wörter, die im Zusammenhang mit den Fixationen stehen, selbstständig assoziiert wurden. Aus dem Verhältnis von beiden Zahlen geht hervor, dass eine bestimmte Beziehung zwischen den Einträgen der Wörternetze und den Fixationen besteht. Dies wird im Kapitel hinsichtlich der gesamten ausgewerteten Forschungsergebnisse (vgl. Kapitel 7.4.4) diskutiert. Sollen die Wörternetze, die in der ersten Studie (Selbstlernen mit dem digitalen Lernan‐ gebot) der Probandin Nr. 9 generiert wurden, mit ihren Wörternetzen in der zweiten Studie (Lernen mit dem Buch) verglichen werden, ist leicht zu erkennen, dass die Platzierung der Einträge in ihren beiden Wörternetzen unterschiedlich ist. Es ist sichtbar, dass der Platz bzw. die Gruppierung der eingetragenen Wörter in den nach dem Lernen mit den digitalen Medien generierten Wörternetzen zum größten Teil nach den Übungen bestimmt wird. Mit anderen Worten werden die Wörter, die in einer identischen Übung besonders intensiv betrachtet wurden, grundsätzlich zusammen in den Wörternetzen verbunden sind. In den Wörternetzen, die nach dem Lernen mit dem Buch produziert wurden, sind die Wörter im Vergleich dazu nicht nach der Anordnung der Übungen im Buch an einem bestimmten Platz, sondern gemischt positioniert. Der Unterschied der Platzierung der Einträge in den Wörternetzen kann vermutlich daran liegen, dass die traditionellen und die digitalen Medien über unterschiedliche Merkmale verfügen. Da der Prozess der Informationswahrnehmung von digitalen Lernangeboten nonlinear sein kann, liegt hierbei die Vermutung nahe, dass die Probandin beim Selbstlernen dazu neigte, dass sie die Wörter, die besonders fixiert oder beim Aufgabenlösen auf der kognitiven Ebene bearbeitet wurden, zu einem (nachträglichen) leichten lexikalischen Wiederaufruf direkt entsprechend der Anordnung der Übungen im Kopf behielt. Hierfür liegt als ein weiterer möglicher Grund vor, dass digitale Medien verschiedene Arten von Übungen und eine große Menge von Lernressourcen zur Verfügung stellen. Als Vorteil können die sprachlichen Kenntnisse hier durch verschiedene Darstellungsformen und unterschiedliche Kanäle erworben und mehrmals trainiert werden. Zugleich kann es allerdings auch einen Nachteil geben. Es ist möglich, dass die Probandin, die nicht viele Erfahrungen mit der Nutzung der digitalen Me‐ dien für das Selbstlernen hatte, bei dem Prozess des Selbstlernens mit einem unvertrauten digitalen Lernangebot einen großen Teil ihrer Konzentration für die Wahrnehmung und die Zusammenstellung (seitens der Rezipientin) einer großen Menge an den Informationen, die durch vielfältige Zeichensysteme auf der Online-Lernplattform dargestellt werden, aufwenden musste, sodass eine tiefergehende Informationsverarbeitung in der Kognition nicht leicht realisiert werden konnte. Kombiniert mit der oben angesprochenen Nonline‐ arität des Lernangebots kann dies dazu führen, dass die Probandin beim Lernen auf der Online-Plattform möglicherweise nicht genügend Energie zur Verfügung gehabt haben 270 7 Datenauswertung und -analyse könnte, um die fixierten oder die bearbeiteten Wörter aus verschiedenen Übungen auf der kognitiven Ebene miteinander verknüpfen zu können. Dadurch könnte vielleicht die Platzierung der Einträge in den Wörternetzen in der ersten Studie (Selbstlernen auf der Online-Lernplattform) begründet werden. Da die Probandin mehr Erfahrungen mit dem Lernen bzw. dem Selbstlernen mit einem Buch hat, kann sie vermutlich mit weniger Anstrengung mit dem gedruckten Lernmaterial umgehen. Es ist denkbar, dass sich die Probandin in diesem Fall gut auf den Lernprozess konzentrieren konnte. Die beim Lernprozess wahrgenommenen Wörter lassen sich somit gut verarbeiten und im Gedächtnis behalten. Das ermöglicht der Probandin, die neuen Wörter basierend auf den vorhandenen themenbezogenen lexikalischen Wissensbeständen bzw. den zu Beginn des Selbstlernens schon geschriebenen Wörtern nach ihrer eigenen konzeptuellen Vorstellung und ihren lexikalischen Kenntnissen an den passenden Stellen der Wörternetze einzutragen (die diesbezügliche Diskussion vgl. Kapitel 7.4.4). Abb. 7-75: Vier Übungen und deren Heatmaps der Probandin Nr.-9 In den letzten zwei Lerneinheiten der zweiten Studie hat die Probandin grundsätzlich die Übungen im Arbeitsbuch ausgewählt und erledigt. Hinzu kommen noch einige Hörü‐ bungen im Kursbuch. In der Abbildung 7-75 geht es um die Heatmaps zu vier Übungen, die während der letzten Hälfte des Selbstlernens gelöst wurden. Mit Hilfe der Heatmaps ist zu beobachten, welche Stellen bzw. welche dort liegenden Wörter in den Übungen besonders intensiv betrachtet wurden. Die ersten drei Übungen (siehe Abb. 7-75a bis Abb. 7-75c) sind schriftliche Übungen im Arbeitsbuch und die vierte Übung (siehe Abb. 7-75d) stellt eine Hörübung im Kursbuch dar. Da die erste Übung in Kapitel 7.2.2.1.1 bereits beschrieben wurde, werden die anderen drei Übungen hier vorgestellt. Die zweite Übung (siehe Abb. 7-75b) enthält zwei Fließtexte. Der erste bezieht sich auf einen Dialog im Reisebüro über die Buchung von Tickets für die Fahrt und für die Übernachtung für die Wochenendreise nach Wien. Im zweiten Text geht es um die Erzählung hinsichtlich der 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 271 Reise in Wien am vergangenen Wochenende. In der Übung sollen die Lernenden für jede Lücke eine passende Präposition aus den gegebenen Optionen auswählen, damit sie die Grammatik über deutsche Präpositionen üben. Die dritte in Abbildung 7-75 gezeigte Übung ist inhaltlich mit der zweiten Übung verbunden. Die Übung thematisiert eine Buchung der Fahrt und der Unterkunft für die Wochenendreise nach Basel. Dort gibt es einen Fließtext, der von einem Dialog im Reisebüro handelt. In diesem Text sind mehrere Lücken vorhanden. Dort werden einige Wörter und Wortgruppen als Optionen zu den Lücken vorgegeben. Die Lernenden sollen jeder Lücke eine passende vorgegebene Wortgruppe zuordnen, sodass der Dialog Sinn und Kohärenz ergeben kann. Die Hörübung (siehe Abb. 7-75d) kommt aus Teil C des Kursbuchs. Sie bezieht sich auf die Planung einer Reise und hat zwei Aufgaben. In der ersten Aufgabe werden drei Bilder bzw. Anzeigen über verschiedene im Buch genannte Verkehrsmittel (Zug, Auto und Fluxbus) thematisiert. Die Lernenden sollen drei Gespräche hören und sie den Bildern zuordnen. Für die zweite Aufgabe sollen die Lernenden eine andere Strategie für das Hörverstehen verwenden, weil die konkreten Inhalte der Gespräche fokussiert werden. Zu jedem Satz sind zwei Optionen vorhanden und sie sollen eine davon auswählen, die sie für richtig halten. Was den Umgang mit den Bildern in den Übungen betrifft, lässt sich durch den Vergleich der Heatmaps sehen, dass die Probandin die vorhandenen bildlichen Elemente grundsätzlich unverändert behandelt hat, wie oben beschrieben. Beispielsweise sind mehr rot markierte Stellen vorhanden, die auf das intensive gezielte Betrachten der Probandin hinweisen, in Schaubild 7-75a als in Schaubild 7-75b. Der Grund dafür könnte sein, dass zu einer Zuordnung von Text und Bild in der ersten Übung (siehe Abb. 7-75a) aufgefordert wird. Das Bild in der zweiten Übung (siehe Abb. 7-75b) liefert keine Hinweise für die Lösung der Aufgabe, sondern es zeigt die Stadt Wien, die im Fließtext der Übung angesprochen wird. Es ist denkbar, dass die Probandin möglicherweise aus diesem Grund das Bild der zweiten Übung nicht angeschaut hat. In Schaubild 7-75d kann auch ersehen werden, dass keine überdurchschnittlich intensive visuelle Aufmerksamkeit auf den Bildern vorliegt. Wenn ein Text und ein Bild als Ganzes (als eine integrierte bildliche Wiedergabe) angesehen werden, ist durch die Beobachtung der Verteilung der Fixationen in der Heatmap festzustellen, dass die Probandin im Prozess der Informationswahrnehmung grundsätzlich nur die textlichen Elemente der jeweiligen bildlichen Wiedergaben besonders intensiv fixiert hat. Mit anderen Worten haben die bildlichen Elemente die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin nicht auf sich gezogen. Außerhalb der Bereiche der textlichen Elemente zu den Bildern sind lediglich vereinzelte Blicke zu sehen. Das deutet darauf hin, dass die Aufmerksamkeit der Probandin grundsätzlich auf den in den Bildern textlich präsentierten Informationen liegt. Die Informationen, die bildlich übermittelt werden, wurden beim Lesen der Übung im Grunde nicht berücksichtigt. Ein Beispiel für die durch die bildlichen Elemente der Fotos übermittelten Informationen ist das Aussehen eines „Fluxbusses“ oder der Hintergrund des Fotos mit dem Auto. Daraus ist zu entnehmen, dass die Bilder aus der Sicht der Probandin in den meisten Fällen hauptsächlich lediglich der Optimierung der optischen Aspekte der Übungen dienen. Eine Ausnahme tritt auf, wenn ein Bild für die Antwort oder für die Lösung zu der entsprechenden Aufgabe hinweisend ist. In diesem Fall wurde das Bild von der Probandin betrachtet (die diesbezügliche Diskussion vgl. Kapitel 7.4.4.1). 272 7 Datenauswertung und -analyse 191 In den Plattform-Wörternetzen (siehe Abb. 7-45) ist zwar auch zu sehen, dass die blauen und die roten Einträge verbunden sind. Jedoch lässt sich in den Buch-Wörternetzen (in dieser Studie) häufiger sehen, dass die roten reproduzierten Lernitems direkt mit den aus den anderen bearbeiteten Übungen stammenden und dort wahrgenommenen Wörter verknüpft sind. In Anlehnung an die aufgeführten Heatmaps wurden die folgenden Wörter besonders intensiv betrachtet: „(die) Wüste“, „(der) Osten“, „(die) Küste“, „(die) Berge“, „(der) Wald“, „(der) Rhein“, „(das) Land“, „(der) Berg“ (siehe Abb. 7-75a); „für“, „kann“, „Doppelzimmer“, „über Donnerstag“, „bleiben aber drei“, „Hm“, „klingt“, „Busfahrt“, „wie lange“, „über No‐ vember“ (siehe Abb. 7-75b); „schon ausgebucht“, „von Freitag“, „für wie (viele)“, „Angebote“, „(von Juni) an“, „buchen“, „Prospekt“, „inklusive“, „nächstes Wochenende“, „leider“ (siehe Abb. 7-75c); „Herbst(angebote)“, „Stadtreisen“, „Fluxbus“, „Fahrt“, „Wagen“, „gebucht“, „fährt (direkt)“, „Aufenthalt“, „buchen“, „temporale“ und „mehr (als)“ (siehe Abb. 7-75d). In Verbindung mit den Wörternetzen ist zu ersehen, dass viele in den letzten zwei Lerneinheiten hinzugefügte Einträge die beim Lernprozess besonders intensiv betrachteten Wörter aus den oben beschriebenen Übungen darstellen. Ein Beispiel dafür sind die neu eingetragenen Wörter (mit roter Farbe) im Feld der Wörternetze, die sich auf verschiedene Reiseziele in der Natur beziehen. Hierzu soll angemerkt werden, dass einige in der Übung 108a fixierte Wörter nicht aufgeschrieben wurden, weil sie in einer Übung aus der ersten Hälfte des Selbstlernens vorgekommen sind und die Wörter (blau markiert) bereits in die Wörternetze eingetragen wurden. Aus diesem Grund sind nur zwei rote Wörter, „Wütze“ (Wüste) sowie „Wald“ in diesem Feld der Wörternetze zu sehen und die beiden Einträgen sind mit diesen bereits eingetragen Lernitems in den Wörternetzen verknüpft. Mit diesem Beispiel kann das Verhältnis zwischen den Einträgen der Wörternetze und den Blickfixationen beim Prozess des Selbstlernens wahrgenommen werden. Zudem ist daraus auch ersichtlich, dass eine konzeptuell-lexikalische Verknüpfung zwischen den Wörtern aus den verschiedenen bearbeiteten Übungen realisiert wurde. Das oben erwähnte Feld betrifft hauptsächlich die Übung des Teils A im Kursbuch (siehe Abb. 7-74) und eine Übung aus dem Arbeitsbuch (siehe Abb. 7-75a). Ebenso wie die Auseinandersetzung zu den ersten zwei Lerneinheiten kann diese Verknüpfung auch an dem Merkmal der analogen Medien und an der Lernerfahrung der Probandin liegen (die Diskussion vgl. Kapitel 7.4.4). Wegen der Linearität und auch aufgrund ihrer Erfahrungen zum Lernen mit Büchern könnte die Probandin bei der Informationswahrnehmung und -aufnahme die sprachlichen Zeichen aus den vorherigen Übungen und aus den kürzlich absolvierten Übungen möglicherweise ohne große Anstrengung miteinander auf der kognitiven Ebene verbunden haben. 191 Ein weiteres einschlägiges Beispiel befindet sich in dem Feld über das Wort „Hotel“ in den Wörternetzen. Dort ist eine neu hinzugefügte Wortfolge mit zwei Zweigen vorhanden: „Einzelzimmer/ Doppelzimmer - buchen, ausgebucht sein/ Angebot auswählen - Entschei‐ dung“, was aus den verschiedenen Übungen in der Abbildung 7-75 stammt. Die Wortfolge ist mit dem Wort „Hotel“ verbunden, was basierend auf der Theorie im Hinblick auf das mentale Lexikon (vgl. Kapitel 2.2) vorzustellen ist, dass die neu gelernten Wörter und die einschlägigen Wörter aus den Übungen in den ersten zwei Lerneinheiten in eine engere Beziehung auf der gedanklichen Ebene zueinander gesetzt worden sind. Hierbei fällt auch auf, dass die nach den letzten zwei Lerneinheiten eingetragenen Wörter häufig nicht nach der bearbeiteten Übungen angeordnet worden sind. Ein Beispiel dazu ist die Wortfolge 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 273 192 Anmerkung: Obwohl die Probandin in der Aufgabe auch „Zug“ und „Auto“ besonders intensiv betrachtet hat, wurden diese Wörter nicht mit dem „Fluxbus“ zusammen eingetragen, weil die beiden Wörter bereits zu Beginn des Selbstlernens aufgeschrieben wurden. „Reisebüro - Tourist Information - eine gute Fahrt wünschen“. Basierend auf der Anord‐ nung der Übungen kann damit gerechnet werden, dass die Probandin beispielsweise eine Verbindung zwischen dem Wort „Reisebüro“ und den Wörtern „Hotel“, „Doppelzimmer“ oder „buchen“ herstellt hat, denn das Wort „Reisebüro“ kommt als Kontext der Übungen mit den Wörtern zusammen vor. In den Übungen über das Reisebüro (siehe Abb. 7-75b und Abb. 7-75c) geht es um die Buchung von Fahrkarten und Unterkünften. Dort gibt es mehrere Satzmuster bezüglich der Bestellung und außerdem Wörter über verschiedene Arten von Verkehrsmitteln und Übernachtungsmöglichkeiten. Jedoch verhält sich hier die Realität anders als die Annahme. Das Wort „Reisebüro“ ist mit dem schwarzen Wort „Reise“ in Beziehung gesetzt. Dies kann darin begründet liegen, dass die Verbindung nach der Beziehung der Wortfamilie (vgl. Kapitel 3) hergestellt wird. Neben dieser Anordnung fällt hierbei noch auf, dass eine freie Assoziation nach dem Eintrag des Wortes „Reisebüro“ vorliegt. Die nach diesem Wort folgenden Wortgruppen sind darauf zurückzuführen, dass die Probandin basierend auf den Inhalten der Übungen nach dem Wort initiativ eine Zusammenfassung erstellt hat. Dies könnte auch dadurch verursacht werden, dass die kommenden Wortgruppen, ausgehend von den Sinnrelationen des Weltwissens der Probandin, eingetragen worden sind. Solche freien Assoziationen sind auch an anderen Stellen der Wörternetze zu finden. Ein Beispiel ist der Wortkreis auf der rechten Seite der Wörternetze, der sich auf die Verkehrsmittel bezieht. Nach dem Eintragen des beim Lernprozess besonders intensiv fixierten Wortes „Fluxbus“ 192 hat es auf der gedanklichen Ebene eine Vorstellung über weitere Verkehrsmittel aktiviert. Zu den aktiven Vorstellungen zählt noch die Wortfolge, die dem Wortkreis über Adjektive für das Wetter folgt. Der Inhalt des Wortkreises wird durch die Verbindung der Wörter noch erweitert, die im Gedächtnis der Probandin behalten wurden. Hinzu kommen die roten Wörter, die in Beziehung zu dem Kreis „ins Ausland gehen“ stehen. Im Vergleich zu den Wörternetzen der Probandin, die in der ersten Studie (Selbstlernen mit dem digitalen Angebot) generiert werden, lässt sich die aktive Vorstellung hier häufiger sehen. Wie oben angesprochen, kann der Unterschied darauf zurückgeführt werden, dass die Probandin mehr Erfahrungen im Hinblick auf das Selbstlernen mit traditionellen Medien hat. Die einschlägige Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4. Hinsichtlich der visuellen Aufmerksamkeit der Probandin auf verschiedenen Reizen in den gedruckten Materialien ist erkennbar, dass die bildlichen Elemente zu Beginn der Studie die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Allerdings haben die Bilder in den späteren Buchseiten im Laufe des Lernprozesses die visuelle Aufmerksamkeit der Pro‐ bandin zunehmend verloren. Die Blickfixationen auf den Bildern auf der ersten Buchseite könnte (daher) dadurch begründet sein, dass die Probandin zu Beginn der Studie Neugierde auf alle auf der Buchseite vorhandenen Informationen hat, auch die nicht-sprachlich präsentierten Reize. Allerdings ist die Probandin im Laufe der Studie „pragmatischer“ geworden, wobei die Bilder erst von ihr intensiv betrachtet worden sind, wenn die Bilder für 274 7 Datenauswertung und -analyse 193 Die Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4.3. das Lösen der Aufgaben relevant waren, wie es bei anderen angesprochenen chinesischen Deutschlernenden auch der Fall ist. Dieser Aspekt wird in Kapitel 7.4.4.1 diskutiert. Ebenso wie in der ersten Studie haben sich die Buch-Wörternetze dieser Probandin auch deutlich entwickelt. In der zweiten Studie sind die beim Lernprozess besonders betrachteten Wörter nicht nur mit höherer Wahrscheinlichkeit in die Wörternetze eingetragen worden, sondern diese eingetragenen Lernitems haben auch individuelle lexikalische Assoziationen ausgelöst. Das bedeutet, dass eine große Zahl der Einträge in einem Zusammenhang mit den sprachlichen Zeichen stehen, die beim Prozess der Informationswahrnehmung besonders intensiv fixiert worden sind. Auf Basis der im Theorieteil beschriebenen Modelle hinsicht‐ lich der Funktionsweise des mentalen Lexikons und der Entwicklung der Repräsentationen im mentalen Lexikon (vgl. Kapitel 2.2) lässt sich zugleich sagen, dass viele Wörter als ein Bestandteil der Wörternetze dieser Probandin vorkommen, deren Repräsentation durch die visuelle Wahrnehmung der Informationen in den Materialien des Buchs im mentalen Lexikon aktiviert und beim Entwickeln der Wörternetze abgerufen worden sind. 193 7.2.2.1.3 Probandin Nr.-20 Damit die Ergebnisse der Probanden in der vorliegenden Arbeit intrapersonal verglichen werden kann, werden in Kapitel 7.2.2.1 auch die Ergebnisse der Probandin Nr. 20 im Hinblick auf ihr Selbstlernen in der zweiten Studie dargestellt. In der ersten Studie ist ersichtlich, dass viele Einträge der Wörternetze der Probandin diejenigen Wörter darstellen, die beim Lernen besonders intensiv betrachtet wurden. Hierbei besteht die Auffälligkeit, dass die besonders fixierten Wörter, die sich in der Navigation befinden, mit großer Wahrscheinlichkeit als Oberbegriff bzw. Knoten in ihren Wörternetzen existieren. Mit ihnen werden die Wörter strukturiert verbunden, die in den entsprechenden Übungen vorkommen (vgl. Kapitel 7.2.1.2.3). Im Folgenden wird durch die Gazeplots und die Heatmaps analysiert, wie das Blickverhalten der Probandin beim Lernen mit dem Buch und wie der Zusammenhang zwischen ihrem Augenverhalten und ihren Wörternetzen in der zweiten Studie aussehen. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 275 Abb. 7-76: Gazeplot und Heatmap der Probandin Nr.-20 (die erste Seite der Materialien) In der vorliegenden Abbildung geht es um ein Gazeplot und eine Heatmap und die beiden Grafiken visualisieren das Augenverhalten der Probandin in verschiedener Hinsicht, während sie die erste Buchseite las. Aus dem Gazeplot 7-76a ist zu entnehmen, dass Probandin Nr. 20 direkt mit der zweiten Übung begonnen hat, was anders ist als bei den beiden oben vorgestellten Studienteilnehmenden. Es liegt kaum Blickfixation vor, die direkt auf der ersten Übung gelegen ist. Die erste Fixation befindet sich auf dem ersten Wort des Satzes F in Aufgabe 2a. Im Anschluss an die erste Blickfixation hat die Probandin die in der Aufgabe vorhandenen Sätze von oben nach unten gelesen. Dazwischen bewegte sich das Augenmerk der Probandin zwischen den Sätzen in der Aufgabe und den oben stehenden Bildern. Das kann als Gemeinsamkeit in Bezug auf die Augenbewegung bei den meisten Studienteilnehmenden angesehen werden. Mit anderen Worten ist es bei der Probandin auch der Fall, dass die Bilder grundsätzlich erst wegen der Aufgabenstellung fixiert wurden. In den meisten Fällen schauten viele Teilnehmende der vorliegenden Studie nicht initiativ auf die Bilder, wenn sie keine wichtigen Hinweise für die Lösungen bzw. die Aufgabenbearbeitung liefern oder es dort keine Auffälligkeiten gibt. In diesem Zusammenhang ist es nachvollziehbar, warum die überdurchschnittlich intensiv beobachteten Stellen grundsätzlich in dem Bereich liegen, wo es Texte gibt (siehe Abb. 7-76b). Hierbei sollte angemerkt werden, dass es in dieser Heatmap eine rot markierte Stelle gibt, die zwischen der Ordnungsnummer C und dem auf der gleichen Zeile stehenden Satz (Satz C) liegt. Dafür besteht der Grund zum einen darin, dass der Satz bereits dem entsprechenden Foto im Lehrwerk als Beispiel zugeordnet ist. Zum anderen stellt diese Aufgabe die erste Aufgabe dar und sie wurde von der Probandin merkwürdigerweise ohne ein Lesen der Aufgabenstellung gelöst. Daher hat die Blickfixation der Probandin angedauert, denn sie benötigte längere Zeit für die Erschließung der Aufgabenstellung. Dieser Prozess kann in Anlehnung an das Gazeplot 7-76a dadurch bestätigt werden, dass die zweite bis fünfte Fixation genau auf der rot markierten Stelle liegt. Dort liegen nur feine 276 7 Datenauswertung und -analyse Bewegungen vor, was als Drift oder Mikro-Sakkaden bezeichnet werden kann. Nach einem kurzen Blick (Fixationspunkt 6 auf dem unten links stehenden Bild) hat die Probandin Satz C weitergelesen. Entsprechend dieser Heatmap ist festzustellen, dass es drei rote Stellen gibt, die wichtig für die Datenauswertung der vorliegenden Arbeit sind. Dort wurden die Wörter „an der Ostsee“, „vielleicht“ und „Urlaubsidee“ beim Lernprozess besonders intensiv betrachtet. Im Folgenden werden weitere Übungen dargestellt, die in den ersten zwei Lerneinheiten von der Probandin bearbeitet werden. Abb. 7-77: Drei Übungen und deren Heatmaps der Probandin Nr.-20 Bei der vorliegenden grafischen Darstellung handelt es sich um Heatmaps von drei Übungen im Kursbuch, welche die Probandin für ihr Selbstlernen ausgewählt und bearbeitet hat. Die Schaubilder (siehe Abb. 7-77a und Abb. 7-77b) beziehen sich auf eine identische Übung bzw. auf die Übung A3. Wie im Kapitel über digitale Medien erwähnt, haben traditionelle Medien das Merkmal, dass ihr Platz (beispielsweise auf einer Buchseite) eingeschränkt ist. Da diese Übung einen langen Fließtext enthält, ist der Fließtext wegen der räumlichen Einschränkung des Buchs getrennt auf zwei Buchseiten angeordnet. Das Schaubild 7-77c handelt von den Aufgaben B2 und B3, während das letzte Schaubild der Abbildung die Übungen E2 und E3 betrifft. In Schaubild 7-77a bzw. in der ersten Passage des Fließtexts der Aufgabe A3a sind besonders hohe visuelle Konzentrationen auf dem neben dem Text stehenden Bild zu erkennen. Nach dem retrospektiven Lauten Denken der Probandin besteht der Grund für die Berücksichtigung des ersten Bildes in der Aufgabe darin, dass die Probandin bei der ersten Begegnung mit der ersten Aufgabe die Aufgabenstellung nicht vollständig gelesen und sich zugleich vorgestellt hat, dass die Fotos in der Aufgabe auch den Passagen zugeordnet werden sollten. Außerdem hat sich die Probandin durch das Foto entscheidende Impulse für die Lösung der Aufgabe gewünscht, weil diese Aufgabe für die Probandin in der Studie die erste größere Übung mit einem langen Text darstellte. Aus diesem Grund ist es vorzustellen, dass die Probandin den ersten Abschnitt des Texts vermutlich sorgfältig bzw. detailliert gelesen hat (oder lesen wollte). Zu einigen rot markierten Stellen im Schaubild 7-77a sollte angemerkt werden. Aus diesem Schaubild ist zu ersehen, dass sich die Probandin 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 277 194 Anmerkung: Das kann durch die Erinnerung der Probandin in ihrem retrospektiven Lauten Denken bestätigt werden. Die Probandin gab an, dass sie sich beim Lernen grundsätzlich nur auf das Lesen der Texte konzentriert habe. Nach dem Video-Replay kann außerdem festgestellt werden, dass die Probandin während des Lesens einen Stift festhielt. Der Stift bewegte sich, während die Probandin Zeile für Zeile las. Außerdem ist auch festzustellen, dass die Probandin in den leeren Stellen nichts aufgeschrieben hat. In diesem Zusammenhang stimmt ihre Äußerung mit den erfassten Augenbewegungsdaten überein. Ausgehend vom Verhältnis zwischen der Verschiebung des Augenmerks der Probandin und der Positionsbewegung des von der Probandin gehaltenen Stiftes ist zu erkennen, dass die intensiven Fixationen auf den leeren Stellen zu den Abweichungen der erfassten Daten gehören. Die Abweichungen wurden nicht von technischen Fehlern des Geräts verursacht, sondern von der Brille der Probandin. Zudem wurden sie auch durch die Position der Augäpfel der Probandin in Kombination mit den anderen erwähnten Faktoren ausgelöst. Zu Beginn der Studie wurden alle Studienteilnehmenden, die eine Brille tragen, darüber informiert, dass das Gerät bzw. der Eye-Tracker (Tobii Pro Glass 2) für die vorliegende Untersuchung nicht mit dem zusätzlichen Zubehör des Eyetrackers für Probanden mit einer Sehhilfe zusammen vorbereitet wurde. Während des gesamten Selbstlernens hatten alle Studienteilnehmenden ihre Brille und gleichzeitig noch den Eye-Tracker (die Eyetracking-Brille über ihre eigene Brille) zu tragen. Da die Linsen der Brillen von allen Probanden keine entsprechenden Linsen des Eye-Trackers sind, kann dies leicht zu einer Abweichung der erfassten Augenbewegungsdaten führen. Dies liegt daran, dass der Eye-Tracker (Tobii Pro Glass 2) mitunter die Ablenkung der Lichtstrahlen durch die unbekannten bzw. durch die nicht entsprechend hergestellten spezifischen Linsen nicht exakt identifizieren und ermitteln kann. In diesem Zusammenhang werden alle Probanden mit einer Sehhilfe gebeten, während der Lerneinheiten auf ihre Kopfbewegung aufzupassen. Aus Sorge um eine potenzielle Abweichung der Erhebung der Augenbewegungsdaten hat die Probandin beim Lesen des Texts über die erste Figur (siehe Abb. 7-77a) versucht, ihren Kopf möglichst still zu halten und nur die Augen zu bewegen. Beim Lesen des Texts hat die Probandin daher mit einer fast unveränderten Kopfhaltung lediglich ihre Augäpfel nach unten bewegt, da der Text auf dem unteren Teil der Buchseite ist. Diese (nicht natürliche) Position kann keine Prävention in Bezug auf die Abweichung von Daten sicherstellen, sondern sie hat unerwartet eine Abweichung ausgelöst. auf manche leeren Stellen der Buchseite konzentriert hat. In Wirklichkeit ist dies aber nicht der Fall. Die Fixationen auf den leeren Stellen zwischen den drei Nachrichten und dem Text zu der ersten Figur sollten als visuelle Konzentration auf die Texte der oben stehenden Nachrichten angesehen werden. 194 Auf der Basis auf der Abbildung 7-77 lassen sich die beim Lernen mit den oben erwähnten Übungen besonders betrachteten Wörter feststellen. Es sind die folgenden Lexeme: „Schwester“, „fahren“, „aufs Land“, „Berge“, „Meer“, „besuchen“, „Freunde“, „gemeinsam“, „spielen“, „Sommer“, „Heimatstadt“, „dort“, „Meer“, „Strand“, „spielen“, „ganzen Tag“, „Kinder“, „mag“, „Milan“, „jedes Jahr“, „(in den) Bergen“ (siehe Abb. 7-77a); „Bordeaux“, „schon“, „am Meer“, „kein“ (siehe Abb. 7-77b); „Spielwiese“, „familienfreundliches (Hotel)“, „nur fünf Minuten“, „zum Schloss“, „(mit) zahl‐ reichen Sehenswürdigkeiten“, „billige Übernachtung“, „moderne Jugendherberge“ (siehe Abb. 7-77c); „Vorschläge machen“, „wollen wir…“, „einen (Vorschlag) annehmen“, „machen“ und „wie (kommen)“ (siehe Abb. 7-77d). 278 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-78: Wörternetze der Probandin Nr.-20 (2. Studie) Bei Abbildung 7-78 handelt es sich um die Wörternetze der Probandin, die in der zweiten Studie generiert werden. Vor allem ist ersichtlich, dass die Probandin zu Beginn des Selbstlernens bereits über eine bestimmte Menge der themenbezogenen Wörter verfügt hat. Auf den theoretischen Grundlagen der Funktionsweise sowie des Aufbaus des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2) und der wortspezifischen Beziehungen (vgl. Kapitel 3.1 und Kapitel 3.2) lässt sich sagen, dass die Repräsentation, die sich gedanklich auf die Stichwörter beziehen, aus dem mentalen Lexikon erfolgreich abgerufen und zugleich weitere lexikali‐ sche Einheiten wegen der bereits abgerufenen Repräsentationen im mentalen Lexikon durch verschiedene wortspezifische Sinnrelationen aktiviert worden sind. Kombinierend mit den oben beschriebenen Übungen sind viele Wörter in den Wörternetzen auffindbar. Das erste Beispiel ist das Wort „Urlaubsidee“, das auf der linken Seite der Netze vorkommt. Das Wort kommt aus der zweiten Übung auf der ersten Seite des Buchs (siehe Abb. 7-76a) und damit hat die Probandin (möglicherweise) durch logische Nähe (vgl. Kapitel 3.2) selbstständig das Wort „Gedanke“ assoziiert. Als zweites Beispiel sind die hinzugefügten Wörter zum schwarzen bzw. die zu Beginn aufgeschriebenen Wortkreise zum Thema „Reise“ zu betrachten. Dort sind beispielsweise die Wörter „aufs Land“, „Berg“ und „Strand“ eingetragen und die Einträge scheinen auf die Übung A3 zurückzugreifen. Außerdem lassen sich noch die Wörter „Sehenswürdigkeiten“, „Hotel“ und „übernachten“ in den Wörternetzen finden und sie können in der Übung B2 aufgespürt werden. Dem Wort „Hotel“ hat die Probandin des Weiteren das fixierte Wort „Jugendherberge“ hinzugefügt. Jedoch ist die orthografische Information des Wortes bei der Probandin fehlerhaft, obwohl die semantische Information des Wortes beim Lernen erfolgreich aufgenommen und im mentalen Lexikon der Probandin verankert wurde, was mit der Darstellung der Phase der Entwicklung einer fremdsprachlichen lexikalischen Einheit im Rahmen des Jiangs 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 279 Modells im Erwerb des L2-Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.3) übereinstimmt. Trotzdem hat die Probandin nicht auf den Eintrag dieses Wortes in die Wörternetze verzichtet und sie hat versucht, das Wort orthographisch korrekt einzutragen. Damit sich der Eintrag des Forschenden bei der Auseinandersetzung mit ihren Wörternetzen verstehen lässt, hat die Probandin daneben noch das chinesische Äquivalent „ 青 (qīng) 旅 (lǚ)“ mit einem Fragezei‐ chen aufgeschrieben, was auf die „Alarmierung“ des Monitors des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.1) zurückzuführen ist. Als letztes Beispiel für die ersten beiden Lerneinheiten ist die Wortfolge, die mit der Wortgruppe „mit Freunden treffen“ verbunden wird, in den Blick zu nehmen. Es ist leicht zu erkennen, dass diese neu hinzugefügte Wortfolge in Beziehung mit der letzten Übung in Abbildung 7-77 steht. Die Wortfolge hat drei Zweige und davon korrespondieren zwei Zweige („Vorschlag“ - „interessant“ - „annehmen“ und „Vorschlag“ - „langweilig“ - „ablehnen“) mit der Übung E2, die die Planung einer Reise thematisiert. In der Übung werden die Lernenden aufgefordert, den vorgegebenen Sätzen drei unterschiedliche Situationen in Bezug auf die Planung einer Reise (einen Vorschlag machen, einen Vorschlag annehmen und ablehnen) zuzuordnen. Es lässt sich ersehen, dass die Probandin nach dem gemeinsamen lexikalischen Knoten bzw. dem Wort „Vorschlag“, je nach der Situation, einen entsprechenden Zweig erstellt hat. Dort hat die Probandin nicht nur die bei ihrem Selbstlernen fixierten Wörter, wie „Vorschläge machen“ und „(Vorschlag) annehmen“, eingetragen, sondern dazwischen auch eigene situationsgemäße Wörter, wie „interessant“ und „langweilig“, assoziiert. Basierend auf der Theorie über die wortspezifischen Beziehungen (vgl. Kapitel 3.1 und Kapitel 3.2) lässt sich erkennen, dass die Einträge in der Kognition durch verschiede Beziehungen miteinander verknüpft sind. Ähnlich wie bei Probandin Nr. 9 ist auch bei dieser Probandin in der zweiten Studie eine freie Assoziation zu erkennen. Neben den beiden Adjektiven zum Wortkreis „Vorschlag“ hat die Probandin nach dem Eintrag „Sehenswürdigkeit“ noch einige touristische Orte, wie „Kirche“, „Museum“, „Garten“ und „Park“, aufgeschrieben. Des Weiteren sind zum Kreis „Sehenswürdigkeit“ zwei von der Probandin selbst assoziierten Wörter, „besuchen“ und „fotografieren“ hinzugefügt, die Aktivitäten oder Tätigkeiten der Reisenden darstellen. Ein weiteres Beispiel ist das Hinzufügen der Wörter „Tier pflegen“ und „Pflanzen“, was vermutlich durch ihre eigene individuelle gedankliche Vorstellung im Hinblick auf die Aktivitäten zu Hause ausgelöst ist. In den Wörternetzen der Probandin besteht außerdem noch die Auffälligkeit, dass einige Einträge auch auf die bearbeiteten Übungen zurückgehen, obwohl die Wörter beim Selbstlernen nicht auffällig intensiv fixiert wurden. Beispielsweise sind die Wörter (aus der Aufgabe B2a) „Lage“ und „Frühstück“ zum Wortkreis „Hotel“ hinzugefügt. Auf der theoretischen Grundlagen hinsichtlich des Aufbaus und der Struktur des mentalen Lexikons besteht ein möglicher Grund darin, dass die beiden sprachlichen Zeichen für die Probandin zwar vertraut sind, allerdings die entsprechenden Repräsentationen nicht mit den anderen Repräsentationen, die sich auf die Stichwörter oder die anderen bereits aufgeschrieben Wörter beziehen, im mentalen Lexikon so stark verbunden war, dass die lexikalischen Einheiten oder deren jeweiligen orthografischen Komponente davor nicht erfolgreich abgerufen werden konnten, wie es bei dem TOT-Zustand (vgl. Kapitel 2.2.2) ist. Die Repräsentation der Wörter wurden erst beim Lesen dieser Wörter im Lernmaterial durch die visuellen Reize aktiviert. Hinzu kommen noch die Wörter „lecker“ und „regional“ 280 7 Datenauswertung und -analyse 195 Damit meinte die Probandin das Wort „traditionell“. sowie „Frühstück“, die auch aus der Aufgabe B2a stammen. Allerdings werden die Wörter nicht im Feld des Wortkreises „Hotel“ aufgeschrieben, sondern die Probandin hat für sie eine neue unabhängige Verbindung zu den Stichwörtern hergestellt, was im Rahmen der Theorie bezüglich der Entwicklung der lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.3) darauf hindeuten kann, dass eine starke Verbindung zwischen den Wörter bzw. den entsprechend lexikalischen Einheiten und der Repräsentation von „Hotel“ nicht vorliegt. Dass die Wörter zwar beim Lernen nach der Heatmap nicht besonders intensiv fixiert, aber nach dem Lernen (wegen der visuellen Reize im Lernmaterial) in die Wörternetze eingetragen wurden, liegt daran, dass die Wörter der Probandin möglicherweise vor der Studie auch bekannt waren, aber sie der Probandin erst nach der (visuelle) Informati‐ onswahrnehmung beim Selbstlernen wieder eingefallen sind. Bei den beiden Beispielen lässt sich auch sehen, dass die Probandin hierbei auch nicht nur die aus den Übungen kommenden Wörter aufgeschrieben hat. Dort finden sich auch einige Wörter, die nach dem Eintragen der beim Lernprozess visuell wahrgenommenen Wörter von der Probandin frei assoziiert werden. Ein Beispiel ist das Wort „Essen“, das zwischen den Stichwörtern und den Wörtern von „regional“ und „Produkt“ etc. aus der Aufgabe B2a stammt. Dazu hat die Probandin noch an zwei Wörter gedacht: „Geschmack“ und „traditional“ 195 . Ausgehend von den Wörternetzen lässt sich hinsichtlich der ersten zwei Lerneinheiten erkennen, dass die Probandin in der zweiten Studie viele eigene Wörter assoziiert hat und dieser Aspekt wird nach der Zusammenführung der Ergebnisse in Kapitel 7.4.4 in Verbindung mit anderen Ergebnissen diskutiert. Im Folgenden werden einige Übungen, die in den letzten zwei Lerneinheiten von der Probandin realisiert werden, in den Blick genommen. Abb. 7-79: Drei Übungen und deren Heatmaps der Probandin Nr.-20 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 281 196 Die Diskussion in dieser Hinsicht findet sich in Kapitel 7.4.4.1. Bei Abbildung 7-79 handelt es sich um Heatmaps zu drei Übungen, die in der letzten Hälfte des Selbstlernens erledigt wurden. In Schaubild 7-79a geht es um die schriftliche Übung zur Buchung einer Reise und um die Erzählung zur Reise. Die Inhalte der Übung wurden bereits im Kapitel bezüglich der Probandin Nr. 9 beschrieben. Das Schaubild stellt die Heatmap zu dieser Aufgabe dar und die Seitenbereiche, die besonders intensiv betrachtet wurden, werden farblich ausdrücklich angezeigt. Basierend darauf ist zuerst zu erkennen, dass das Bild in der Aufgabe von der Probandin genauso wenig beachtet wurde, wie es von der obigen Probandin gemacht wurde. 196 Es ist denkbar, dass der Grund der geringen Berücksichtigung des Bildes vermutlich identisch sein könnte, denn es ist mit Hilfe der oben beschriebenen Beispiele in der zweiten Studie ersichtlich, dass auf Bilder von Übungen grundsätzlich nur wegen der Aufgabenstellung Rücksicht genommen wurde. Anders als Probandin Nr. 9 befinden sich bei Probandin Nr. 20 mehr Fixationen im zweiten Fließtext. Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass die Fixationen zu einem großen Anteil auf die Aufgaben zurückzuführen sind. Mit anderen Worten könnten der Probandin die Fragen bzw. die Lücken des zweiten Texts schwergefallen sein. Als Grund für diese Annahme kann angegeben werden, dass sich die rot markierten Stellen im Grunde in der Nähe der Lücken des Fließtexts konzentrieren. In dieser Aufgabe wurden die Wörter „da“, „(günstiges) Angebot“, „pro Person“, „in Wien“, „für/ ohne Frühstück“, „gilt schon“, „unser Bus“, „ab/ über“, „mit dem Schiff “, „Donau“, „nicht mehr so oft“, „hatten“, „(keine) Plätze mehr“, „Na ja“, „(zwei) Stunden“ besonders intensiv fokussiert. Bevor die weiteren Schaubilder ausführlich dargestellt werden, werden zuerst die oben erwähnten intensiv fixierten Wörter in Verbindung mit den Wörternetzen analysiert. An der unteren rechten Stelle der Wörternetze lassen sich leicht die Einträge finden, die in Zusammenhang mit der oben erwähnten Aufgabe stehen. Die neu eingetragenen Wörter hat die Probandin trotz des Kontexts von „Reisebüro“ (in der Aufgabe) mit dem Wort „Hotel“ verknüpft, was das Gleiche wie bei den obigen beiden Probandinnen ist. Es ist bemerkenswert, dass das (beim Lernen fixierte) Wort „buchen“ bei allen drei angeführten Studienteilnehmenden im Feld von „Hotel“ ihrer Wörternetze eingetragen wird, auch wenn das Wort „Reisebüro“ (beim Lernen besonders betrachtet) auch in die Wörternetze eingetragen ist. Dies kann vermutlich daran liegen, dass die Studienteilnehmenden bzw. die jüngere (chinesische) Generation nicht häufig in das Reisebüro gehen, obwohl die Reisebüros in ihrem Alltag häufig zu sehen sind. Ferner ist im angesprochenen Feld der Wörternetze der Probandin Nr. 20 ersichtlich, dass alle dort eingetragenen Wörter die besonders intensiv fixierten Wörter aus dem ersten Fließtext der Aufgabe darstellen. Es gibt lediglich ein Wort, das möglicherweise auf den zweiten Fließtext zurückgeht, in den Wörternetzen und das Wort ist „Donau“. Dieses Wort ist allerdings durch das Weltwissen separat mit einem anderen Feld der Wörternetze bzw. mit dem Feld „See, Fluss“ verbunden. Die anderen ebenfalls aus dem zweiten Fließtext kommenden Wörter werden nicht eingetragen, was darauf zurückzuführen ist, dass sich die Probandin beim Lernen mehr auf die intensive Überlegung bezüglich der Lücken im zweiten Fließtext konzentrierte, 282 7 Datenauswertung und -analyse 197 Da die aus den eingesetzten Forschungsmethoden erhobenen Daten nicht direkt darauf hindeuten kann, kann dies nur als eine Annahme gestellt werden. Daraus ist zu erkennen, dass noch weitere Forschungsmethoden für die Analyse im Hinblick auf den motivationalen Grund der Einträge der Wörternetze erforderlich sind. Eine Reflexion findet sich in Kapitel 8. 198 Anmerkung: In den Wörternetzen gibt es noch einige Einträge, die aus den besonders intensiv fixierten Bereichen kommen. Sie werden nicht im Fließtext der vorliegenden Arbeit ausführlich sodass die Repräsentationen der dort wahrgenommenen Wörter beim Lernprozess nicht in das mentale Lexikon integriert werden konnte. 197 Bei dem zweiten Schaubild der Abbildung 7-79 handelt es sich um die Hörübung C1 im Kursbuch. Da die Probandin beim Selbstlernen nur die erste Aufgabe der Übung erledigt hat, wird die Aufgabe C1a näher beleuchtet. Dem Schaubild ist zu entnehmen, dass sowohl Texte als auch Bilder in dieser Aufgabe fokussiert wurden. Nach dem retrospektiven Lauten Denken der Probandin ist der Grund dafür darin zu sehen, dass sie vor dem Abspielen der Audiodateien zur Hörübung die Texte schnell gelesen und während des Hörens die Bilder angeschaut hat, damit die akustisch aufgenommenen Informationen durch Bilder auf der kognitiven Ebene veranschaulicht werden können. Grundlegend stimmt das mit der Handlungsweise im Hinblick auf das Betrachten von Bildern überein. Mit anderen Worten werden die Bilder berücksichtigt, wenn die einschlägigen textlichen Elemente nach Ansicht der Probandin nicht genügend Informationen über den Kontext bzw. zu wenige Hinweise für die Lösung liefern. Die Spuren der Aufgabe lassen sich in der unteren rechten Ecke der Wörternetze auffinden. Da die Aufgabe inhaltlich die Verkehrsmittel für die Reise thematisiert, sind die in der Aufgabe angeführten Verkehrsmittel, beispielsweise „Auto“, „Bus“ und „Zug“, nach dem Lernen in die Wörternetze eingetragen worden. Die drei Wörter sind mit dem Wort „Verkehr“ verbunden, welches davor bzw. in der ersten zwei Lerneinheiten des Selbstlernen aufgeschrieben worden sind. Darüber hinaus sind dort noch weitere Wörter über Verkehrsmittel hinzugefügt, die der Probandin in der Fremdsprache Deutsch bekannt sind. Im dritten Schaubild der Abbildung 7-79 geht es um eine umfassende Übung mit dem Titel „Fokus: Beruf “, die eine Buchungsbestätigung thematisiert. Die Übung enthält drei Aufgaben, wobei die ersten zwei Hörübungen sind und die letzte Aufgabe den schriftlichen Ausdruck fördert. Nach dem Schaubild ist ersichtlich, dass ein großflächiger, besonders fixierter Bereich, der in der Heatmap mit der Farbe Rot markiert wird, in der zweiten Aufgabe vorliegt. Hierbei werden die Wörter „Einzelzimmer“, „89 €“, „Doppelzimmer“, „Reservierung“ und „3. - 4. Mai“ im Vergleich mit den anderen Wörtern auf dieser Seite auffällig intensiv fixiert. Allerdings werden keine intensiv fixierten Wörter aus dieser Aufgabe in die Wörternetze eingetragen. Auch die Wörter, die weniger intensive visuelle Aufmerksamkeit erhalten, sind nicht in den Wörternetzen aufzufinden. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die Lernkapazität der Probandin beim Lesen der Aufgabe bereits beansprucht wurde, weil diese Aufgabe in der späteren Phase der Lerneinheit gelöst wurde. Basierend auf den angeführten Beispielen der Probandin lässt sich zusammenfassend sagen, dass eine bestimmte Menge der Einträge in den Wörternetzen in Zusammenhang mit den Fixationen steht. Viele nach dem Lernen hinzugefügte Wörter stammen aus den Bereichen, in denen die besonders intensive Aufmerksamkeit der Probandin basierend auf den Heatmaps leicht zu erkennen ist. 198 In den Wörternetzen dieser Probandin liegen auch 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 283 dargestellt, weil es dort keine weiteren Besonderheiten gibt wie in den im Text bereits vorgeführten Beispielen. 199 Die Diskussion im Hinblick auf die Blickfixationen findet sich in Kapitel 7.4.4.1. einige Wörter vor, die nicht besonders betrachtet worden sind. Wie in der Darstellung der einschlägigen Ergebnisse bereits beschrieben, ist dies am ehesten darauf zurückzuführen, dass die Probandin vor dem Selbstlernen bzw. vor der Studie mit den Wörtern bereits vertraut war. Ihre entsprechenden Repräsentationen im mentalen Lexikon sind beim Selbstlernen durch die visuelle Wahrnehmung aktiviert worden. Die Wörter sind der Probandin nach der visuellen Wahrnehmung somit wahrscheinlich wieder eingefallen. 199 7.2.2.1.4 Gesamte Ergebnisse der Gruppe A Nach der Darstellung des Blickverhaltens von drei Studienteilnehmenden werden die Ergebnisse der Gruppe A in der zweiten Studie diskutiert. Dabei handelt es sich nicht nur um den intrapersonalen Kontrast der Wörternetze, sondern es wird auch der Zusammenhang zwischen den Augenbewegungen der Probanden der Gruppe A in der zweiten Studie und ihren Wörternetzen in diesem Kapitel beschrieben. Probanden Anteil der fixierten Wörter Nr.-2 64,29 % Nr.-5 62,16 % Nr.-7 66,04 % Nr.-9 53,73 % Nr.-11 62,50 % Nr.-13 60,87 % Nr.-15 50,00 % Nr.-17 52,78 % Nr.-20 55,56 % Tab. 4: Anteil der fixierten Wörter in den Wörternetzen (Gruppe A in der zweiten Studie) Die vorliegende Tabelle enthält die Informationen darüber, wie hoch der Anteil der Einträge, die sich auf die Fixationen der Mitglieder der Gruppe A in der zweiten Studie beziehen, in den jeweiligen Wörternetzen ist. Im Unterschied zur Situation der Wörternetze der Gruppe in der ersten Studie (vgl. Tabelle 3) liegt grundsätzlich kein Extremfall in der zweiten Studie vor. Hierbei ist die Schwankung nicht groß und der Wert liegt im Grunde zwischen ca. 50 % und 66 %, während die Prozentangabe in der ersten Studie (Selbstlernen auf der Online-Lernplattform) zwischen 49 % und 80 % schwankt. Dabei werden zwei Beispiele aufgeführt. Sollen die Wörternetze einer identischen Person aus den beiden Studien verglichen werden, lässt sich erkennen, dass die intrapersonale Differenz betreffend die Prozentangabe bei den Lernenden aus dieser Gruppe individuell unterschiedlich ist. 284 7 Datenauswertung und -analyse Beispielsweise gibt es keinen großen Unterschied bei Probandin Nr. 9. Bei ihr liegt die Prozentzahl sowohl in der ersten Studie als auch in der zweiten Studie nahe bei 60 %. Im Vergleich dazu ist eine große Differenz bei Probandin Nr. 2 zu sehen. Die Zahl der Einträge in den Wörternetzen, die die Probandin Nr. 2 nach den beiden Studien produziert hat, liegen nahe beieinander. Zugleich ist aber zu beobachten, dass sich ca. 49 % der Einträge der Wörternetze auf die bei der Informationswahrnehmung besonders intensiv fixierten sprachlichen Zeichen beziehen, während der Anteil der besonders intensiv fixierten Wörter als Einträge in den Wörternetzen in der zweiten Studie bzw. beim Selbstlernen mit dem Buch ungefähr 64 % beträgt. Es lässt sich zwar nicht direkt sagen, dass die Probandin in der zweiten Studie bzw. beim Selbstlernen mit dem gedruckten Lehrwerk mehr Informationen bzw. sprachliche Zeichen aufgenommen hat. Aber diese Differenz kann darauf hindeuten, dass die beim Selbstlernen mit dem Buch wahrgenommenen Informationen später mit höherer Wahrscheinlichkeit aus dem Gedächtnis wieder aufgerufen werden können. Dies kann daran liegen, dass die in der zweiten Studie besonders intensiv fixierten Wörter bei der Informationswahrnehmung und -aufnahme im Gedächtnis fester verankert werden als die Wörter, die in der ersten Studie bzw. beim Lernen mit dem digitalen Lernangebot besonders betrachtet wurden. Diese festere Verankerung kann auf die häufigere Nutzung der gedruckten Lernmaterialien zurückgeführt werden. Wegen mehr Erfahrungen ist die Probandin vertraut mit dem Umgang bzw. mit dem Gebrauch von Büchern. Infolgedessen kann die Probandin ihre Konzentration und Bemühungen o. Ä. vollständig auf das Lernen richten, ohne von sonstigen Faktoren beeinflusst zu werden. Es ist somit denkbar, dass viele Wörter beim Lernprozess mit dem Lehrwerk durch die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin in ihrem Gedächtnis aufgenommen und in das mentale Lexikon integriert werden konnten. Infolgedessen kann ein höherer Anteil von zuvor besonders intensiv fixierten Wörtern, die in Zusammenhang mit den gegebenen Stichwörtern stehen, abge‐ rufen werden. Die restlichen Einträge sind im Wesentlichen die Wörter, die basierend auf den im Zusammenhang mit Fixationen stehenden Wörtern frei assoziiert worden sind. Die folgende Abbildung 7-80 zeigt die Wörternetze der Probandin Nr. 2 und es sind zwei Beispiele dafür zu finden. Das erste Beispiel ist das rote Wort „schenken“, das mit dem blauen Wort „Geschenk“ verbunden ist. Daran hat die Probandin vermutlich erst nach dem Eintragen aller durch Fixationen im Kopf aufgenommenen Wörter, basierend auf der morphologischen Sinnrelation der Wörter, zusätzlich gedacht, weil das Verb nicht in den von der Probandin realisierten Übungen vorgekommen ist. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 285 Abb. 7-80: Wörternetze der Probandin Nr.-2 (2. Studie) Das zweite Beispiel ist der nach den letzten Lerneinheiten generierte Wortkreis „das? “, der mit dem blauen Wort „Meer“ verknüpft ist. Es kann vermutet werden, dass die Probandin auch erst nach dem Eintragen aller im Gedächtnis verankerten Wörter mit der Überlegung zum Genus des Eintrags „Meer“ beginnt. Der Grund für diese Annahme ist, dass die Probandin beim Generieren ihrer Wörter im Grunde zuerst an Substantive und Verben gedacht hat. Danach sind Adjektive und Adverbien aufgeschrieben worden. Diese Priorität kann dadurch festgestellt werden, dass alle eingetragenen Adjektive und Adverbien in den Wörternetzen von beiden Studien entweder in einer untergeordneten Ebene zu finden sind oder sie zwar unmittelbar mit den Stichwörtern verbunden, aber einzeln platziert werden. Bei der Klassifikation der Einträge sind die Artikel für die Substantive bei der Probandin von geringer Relevanz und sie hat nur einen Artikel (mit einem Fragezeichen) in den Wörternetzen der zweiten Studie aufgeschrieben. In diesem Zusammenhang wird der Eintrag als freie Assoziation angesehen. Basierend auf dem intrapersonalen Vergleich betreffend die Prozentangabe kann zugleich auch wahrgenommen werden, dass diese Probandin nach der ersten Studie neben den Einträgen, die im Zusammenhang mit den Fixationen stehen, mehr frei lexikalische Assoziationen aktiviert hat. Mit anderen Worten haben sich die freien Assoziationen in der zweiten Studie nicht so häufig vollzogen wie beim Selbstlernen auf der Online-Plattform. Dass trotz einer niedrigeren Zahl der im Zusammenhang mit den Fixationen stehenden Einträge mehr freie Assoziationen in den Wörternetzen vorgenommen worden sind, kann auch als positiv angesehen werden. Das Vorkommen der selbstständig vorgestellten Wörter kann darauf hindeuten, dass die damit verbundenen Einträge nach der Informationswahrnehmung im derzeitigen mentalen Lexikon integriert worden sind. Dies könnte durch die verschiedenen Darstellungsformen 286 7 Datenauswertung und -analyse 200 Siehe Anhang A2 201 Siehe Anhang A2. des internetgestützten digitalen Lernangebots begründet sein. Für die Wahrnehmung der durch unterschiedliche Darstellungsformen übermittelten Information werden verschie‐ dene Kanäle oder Sinnmodalitäten verwendet, was die Aktivierung der zuvor vorhandenen lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon oder die Verbindung der neu aufgenommenen mit den bereits vorhandenen lexikalischen Einheiten fördern kann. Der niedrige Anteil der Einträge in den Plattform-Wörternetzen der Probandin, die in einer Beziehung mit den Fixationen stehen, kann darin begründet liegen, dass die Probandin über keinerlei Vorerfahrungen im Hinblick auf das Lernen mit digitalen Medien verfügte. 200 Es ist möglich, dass die Probandin beim Lernen mit digitalen Medien einen Teil ihrer Energien und ihrer Konzentration für den Umgang mit der digitalen Lernplattform aufwenden musste, was die Informationsaufnahme beim Selbstlernen mit dem digitalen Lerngebot gestört haben könnte. Durch den intrapersonalen Vergleich ist auch eine große Differenz bei Probandin Nr. 13 zu sehen. Jedoch beträgt der Wert in der ersten Studie ca. 74 %, während er in der zweiten Studie bei ungefähr 60 % liegt, was anders als die Situation bei Probandin Nr. 2 ist. Mit anderen Worten sind ca. drei Viertel der Wörter in den Wörternetzen, die nach dem Lernen mit dem digitalen Lernangebot produziert wurden, beim Lernen besonders intensiv betrachtete Wörter. Im Vergleich dazu sind drei Fünftel der Einträge in den Wörternetzen die überdurchschnittlich lange fixierten Wörter darstellen. Hierbei ist auffällig, dass die Probandin nach dem Lernen in quantitativer Hinsicht mehr Wörter eingetragen hat (siehe Abb. 7-81). In diesem Zusammenhang lässt sich sagen, dass mehr Wörter beim Lernen mit dem digitalen Lernangebot durch die (visuelle) Aufmerksamkeit tatsächlich aufgenommen wurden. Entsprechend der Einträge der Wörternetze in der ersten Studie ist deutlich zu sehen, dass ein möglicher Grund dafür darin zu sehen ist, dass die Probandin vor der Studie bereits über einige Erfahrung beim Selbstlernen mit digitalen Medien verfügt hat 201 und die Erfahrungen der Probandin bei der Aufnahme von Informationen geholfen haben. Ihre Einstellung bezüglich des Selbstlernens mit zwei unterschiedlichen Medien wird in Kapitel 7.3 beschrieben und die Diskussion der ausgewerteten Forschungsergebnisse für die Fremdsprachendidaktik wird nach der Zusammenführung der Forschungsergebnisse in Kapitel 7.4.4 geführt. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 287 Abb. 7-81: Die Wörternetze der Probandin Nr.-13 (2. Studie) - 7.2.2.2 Gruppe B: Online-Lernplattform „Community Deutsch für dich“ In den letzten Kapiteln sind die Ergebnisse einer identischen Gruppe in zwei Studien bereits beschrieben worden, wobei die Probanden dieser Gruppe in der ersten Studie auf der Online-Lernplattform und in der zweiten Studie mit dem gedruckten Lehrwerk 288 7 Datenauswertung und -analyse selbstständig die deutsche Sprache gelernt haben. In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der anderen Gruppe in der zweiten Studie präsentiert, indem die Augenbewegungen und die Wörternetze der drei Probanden beschrieben werden, deren Blickverhalten und Lernprodukte in der ersten Studie bereits dargestellt worden sind. Vor der Aufführung der Beispiele soll zuerst angemerkt werden, dass es zahlreiche Übungen zum Thema der zweiten Studie auf der Plattform gibt. Infolgedessen sind die Übungen, die von den Mitgliedern der Gruppe ausgewählt und erledigt werden, individuell unterschiedlich. 7.2.2.2.1 Probandin Nr.-1 In der ersten Studie lässt sich basierend auf verschiedenen Heatmaps und Gazeplots sehen, dass Probandin Nr. 1 im Allgemeinen vorzugsweise durch die visuelle Aufmerksamkeit auf textliche Elemente auf den Buchseiten Informationen aufgenommen hat. Die Bilder sind beim außerschulischen Selbstlernen in der ersten Studie von der Probandin nicht besonders berücksichtigt worden. Was die Wörternetze betrifft, stellt circa die Hälfte der Einträge in den Wörternetzen die Wörter dar, die beim Selbstlernen mit dem Buch besonders intensiv fixiert wurden. In diesem Kapitel werden die Augenbewegungen und die Wörternetze der Probandin in der zweiten Studie dargestellt und sie werden im Anschluss daran mit der oben beschrieben Ergebnissen über das außerschulische Selbstlernen mit dem Buch (vgl. Kapitel 7.2.1.1.1) verglichen. Abb. 7-82: Gazeplot und Heatmap der Probandin Nr. 1 (die erste Aufgabe der Übung „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“) In der Abbildung 7-82 handelt es sich um ein Gazeplot und eine Heatmap zu der ersten Übung, die von der Probandin in der zweiten Studie bearbeitet wurde. In Anlehnung an die ersten zwei Fixationspunkte auf dem Gazeplot 7-82a ist festzustellen, dass das Bild (über die Klingel) zu Beginn der Bearbeitung der Übung die Aufmerksamkeit der Probandin schnell 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 289 auf sich gezogen hat, ohne dass sie zuvor die Aufgabenstellung gelesen hat. Ein möglicher Grund dafür besteht darin, dass in dieser Aufgabe zu einer Zuordnung von Texten (Wörtern) und Bildern aufgefordert wird. Hinzu kommt, dass nur Bilder in dem Aufgabenbereich direkt angezeigt werden. Alle zuzuordnenden Wörter werden vom System in neben den Bildern liegenden Dropdown-Listenfeldern versteckt und nicht direkt präsentiert. In der ersten Schicht der Listenfelder steht nur „? ? ? “ und alle Wörter werden erst gezeigt, nachdem die Nutzer die Felder angeklickt haben. In diesem Zusammenhang kann die Aufmerksamkeit auf das Bild durch das Design der Dropdown-Listenfelder begründet werden, was die ersten Fixationen wiedergeben. In dem Gazeplot (siehe Abb. 7-82a) lässt sich beobachten, dass das Listenfeld die Aufmerksamkeit der Probandin nach dem kurzen Betrachten des Bildes der Klingel sofort erregt hat. Nach der zweiten Blickfixation auf das erste Foto hat die Probandin ihr Augenmerk kurz auf die Listenfelder gerichtet und im Anschluss daran hat die Probandin mit der Aufgabenlösung begonnen (Fixationspunkte 4 bis 5). Die kommenden Fixationspunkte implizieren, dass die Probandin anschließend den thematisch einleitenden Satz und die darunter stehende Aufgabenstellung gelesen hat. Die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin hat sich zwischen den Bildern und den Dropdown-Listenfeldern bewegt, um den jeweiligen Bildern ein passendes Wort aus den vorgegebenen Optionen zuzuordnen. Entsprechend der Heatmap ist zu beobachten, dass die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin hauptsächlich auf die Wörter in den Listenfeldern geblieben ist. Im Bereich des Optionsfeldes zum fünften Bild ist eine große rote Markierung sehr deutlich zu sehen, die auf die besonders hohe Intensität der visuellen Aufmerksamkeit hindeutet. Ein möglicher Grund dafür besteht darin, dass das fünfte Bild über eine Komponente eines Fahrrads von der Probandin zwar sofort erkannt werden konnte, aber die Probandin das entsprechende deutsche Wort für den im fünften Bild präsentierten Gegenstand nicht kannte. Aus diesem Grund ist es vorstellbar, dass eine schnelle Reaktion auf die Auswahl eines passenden Wortes kaum möglich und dafür ein Nachdenken erforderlich war, wie die intensive Blickfixation in der Heatmap zeigt (die Diskussion im Hinblick auf die Blickfixationen vgl. Kapitel 7.4.4.2). Nach der Heatmap lässt sich sehen, dass die Wörter „Sattel“, „Laufrad“, „Klingel“, „Lichter“, „Helm“ und „Kette“ besonders intensiv betrachtet wurden. 290 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-83: Vier Aufgaben und deren Heatmaps der Probandin Nr.-1 Bei der Abbildung 7-83 handelt es sich um Heatmaps im Hinblick auf vier Übungen des ersten Übungssets zum Thema „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“. Die Übungen sind nach ihrer Anordnung im Übungsset in der vorliegenden Abbildung aufgeführt. Davon fördern drei Übungen (siehe Abb. 7-83a, Abb. 7-83b und Abb. 7-83d) die rezeptive schriftliche Fertigkeit der Probandin und mit der vierten Übung des Übungssets (siehe Abb. 7-83c) kann die Probandin das Hörverstehen trainieren. In den jeweiligen Übungen wird einem Text eine große bildliche Darstellung beigegeben, die zur Übung inhaltlich passt. Allerdings lässt sich sehen, dass alle die den Texten beigegebenen Bilder beim Lernen sporadisch fixiert wurden. Die besonders intensiv betrachteten Stellen sind im Bereich der textlichen Elemente des Lernmaterials gelegen. Das stimmt grundsätzlich mit dem Verhalten der Probandin in der ersten Studie (vgl. Kapitel 7.2.1.1.1) überein: Wenn ein Bild keine große Rolle für das Aufgabenlösen spielt, wird es von der Probandin mit höherer Wahrscheinlichkeit weniger berücksichtigt als ein Text. Sollen die Heatmaps im Hinblick auf das Betrachten der Bilder eingehend vergleichend beobachtet werden, lässt sich ein offensichtlicher Unterschied erkennen, obwohl sie generell nicht besonders intensiv fixiert wurden. Auf den Bildern der dritten und der vierten Übung (siehe Abb. 7-83b und Abb. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 291 202 Die Gazeplots befinden sich im Anhang A 4.2. 203 In der Übung erklären drei Figuren, warum sie Fahrrad fahren. Dazu geben sie unterschiedliche Meinungen an. Als Single-Choice-Fragen beziehen sich die Fragen in der Übung auf die Meinungen von drei Figuren. Die Namen der Figuren werden als Optionen zu den Fragen angeboten, und die Lernenden sollten nach der Meinung die entsprechende Figur auswählen. 204 Die Diskussion in dieser Hinsicht findet sich in Kapitel 7.4.4.1. 7-83c) ist die Fläche größer, die von der Farbe Hellgrün kenntlich gemacht wird. Mit anderen Worten haben die beiden bildlichen Darstellungen im Vergleich mit den Bildern in den anderen zwei Übungen mehr visuelle Aufmerksamkeit erregt. Nach dem retrospektiven Lauten Denken besteht der Grund nicht in der Anziehung der Bilder selbst, sondern darin, dass die Probandin durch die Bilder einige nonverbale Informationen erwartete, damit der Text besser und anschaulich verstanden werden konnte. Das bedeutet, dass die Lernenden durch das Betrachten der Bilder die nützlichen Informationen finden wollte, die ihr bei der Aufgabenbearbeitung helfen können. Dies kann durch die entsprechenden Gazeplots 202 bestätigt werden und sie zeigen, dass die Probandin erst im Prozess des Lesens ihr Augenmerk auf die Bilder gerichtet hat. In der vierten Übung bzw. der Hörübung ist ein ähnlicher Fall anzutreffen. In der Hörübung sollen die Lernenden (zuerst) die vorhandenen Audiodateien hören und basierend auf den akustisch aufgenommenen Informationen die unten stehenden Fragen 203 beantworten. Das Augenmerk auf das Bild in der Übung hat auch erst im Leseprozess begonnen, ebenso wie in der dritten Übung. Die Probandin hat auf die Bilder bzw. die Figuren und ihren jeweiligen Hintergrund geschaut, um sich an die gehörten Inhalte schneller zu erinnern. Daraus ist zu erkennen, dass die bildlichen Elemente trotz der unterschiedlichen Gründe aus dem gleichen Anlass betrachtet wurden, wie es sich beim obigen Verhalten in den bereits beschriebenen Übungen verhielt: Die bildlichen Elemente wurden (häufiger oder intensiver) betrachtet, wenn sie zum Aufgabenlösen der Probandin beitragen konnten. 204 Durch den Vergleich zwischen den Heatmaps lässt sich außerdem eine durchschnittlich betrachtete Stelle in der Navigationsleiste in der Heatmap zur dritten Übung (siehe Abb. 7-83b) sehen, was in anderen Heatmaps nicht deutlich auftritt. Ein Grund dafür könnte sein, dass dies die erste Begegnung mit dieser Online-Lernplattform war und die Navigationsleiste eine große Rolle bei der Orientierung für die Probandin spielte. Darüber hinaus ist es möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Übung und die davor stehende Übung einen langen Text enthalten und mit dieser Übung die Fertigkeit Lesen trainiert werden kann. Da die Probandin wegen der beiden hintereinanderstehenden Übungen, die inhaltlich in thematischer Hinsicht aufeinander aufbauen, zwei lange Texte gelesen hatte, verspürte sie nach dem Lesen des zweiten langen Texts möglicherweise eine gewisse Langeweile, aber wohl auch eine gewisse Neugier. Die Probandin schaute daher zum einen wegen der anzunehmenden Langeweile auf die Navigationsleiste und überprüfte damit, wie viele Übungen in diesem Übungsset noch zu bearbeiten waren. Zum anderen war sie auch interessiert an weiteren Übungen in diesem digitalen Lernangebot. In der Abbildung 7-83 lassen sich die besonders betrachteten Wörter feststellen: „Auszu‐ bildende“, „im Sommer“, „Laufräder“, „Paula“, „Fortbewegungsmittel“, „fahre“, „deswegen“, „(auf meine) Haare“, „Hochsaison“, „Fahrradladen“, „Ausbildung“, „Reparaturarbeiten“, „U-Bahn“, „Zweiradmechatronikerin“ (siehe Abb. 7-83a); „Fahrrad fahren“, „Fahrrad“, 292 7 Datenauswertung und -analyse 205 Die Übung, welche die Abbildung 7-83c zeigt, stellt eine Hörübung dar und entsprechend dieser Heatmap ist zu betrachten, dass die besonders intensive visuelle Aufmerksamkeit der Probandin grundsätzlich auf der Fortschrittsanzeige für Audioplayer mit Zeitschaltfläche gelegen ist. Daher kann hierbei auf der Basis der Heatmap nicht festgelegt werden, welche sprachlichen Zeichen von der Probandin wahrgenommen wurden. „Fortbewegungsmittel“, „Auszubildende“, „Stress“, „ruhig“, „montiert“, „Laufräder“, „Füh‐ rerschein“, „wählen“, „fünf Prozent weniger“ (siehe Abb. 7-83b); „darf man…“, „in den Zug nehmen“, „Fahrradkarte“, „erlaubt“, „Kindersitz“, „Gepäckträger“, „Bremsen“, „Klingel“, „Lichter“, „Kettenschutz“, „Bußgeld“ und „bestraft“ (siehe Abb. 7-83d). 205 In der ersten Hälfte des Selbstlernens in der zweiten Studie hat die Probandin das Übungsset „Deutschlandlabor: Wandern“ ausgewählt. Ebenso wie das Übungsset „Deutsch‐ landlabor Schule“ in der ersten Studie enthält das Übungsset bzw. die Folge des Deutsch‐ landlabors zum Thema „Wandern“ ein Video und verschiedene Arten von Übungen, die inhaltlich mit dem Video in Zusammenhang stehen. Außerdem gibt es noch einige offene Übungen, die sich auf das Wandern oder das eigene Hobby der Lernenden beziehen. Im Folgenden werden die Augenbewegungen der Probandin mit Hilfe von Gazeplots und Heatmaps einiger Übungen vorgestellt, die von der Probandin erledigt wurden. Abb. 7-84: Die erste Aufgabe der Übung "Deutschlandlabor: Wandern" In der Abbildung 7-84 geht es um die erste Übung der Folge des Übungssets von „Deutsch‐ landlabor: Wandern“. Als thematischer Einstieg stellt diese Übung keine geschlossene Auf‐ gabe dar. Die Lernenden werden aufgefordert, basierend auf den durch Bild übermittelten Informationen einzuschätzen, worüber Nina und David, die Moderatorin und der Mode‐ rator der Folgen von Deutschlandlabor auf der Online-Lernplattform, sprechen und was David so lange gemacht hat. Nach dem Öffnen des Übungssets hat die Probandin den Titel der ersten Übung in der Navigationsleiste für eine Weile fixiert und im Anschluss daran kam eine große Sakkade vor, wobei das Augenmerk auf das Bild bzw. den Moderator gerichtet wurde, anstatt dass der Text in der Navigationsleiste weitergelesen wurde. Nach zwei Fixationen auf das Bild wurde die visuelle Aufmerksamkeit auf den Text gelegt (siehe Abb. 7-84a). Entsprechend der Heatmap lässt sich feststellen, dass die Navigation im Leseprozess von der Probandin auffällig intensiv fixiert wurde. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich die Probandin auf die Navigation des Übungssets verlassen hat, um die Orientierung nicht zu verlieren. Ein ähnliches Verhalten ist in dem ersten Übungsset in Bezug auf das 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 293 Fahrradfahren in Deutschland erschienen. Das kann implizieren, dass die Navigationsleiste zwar nicht immer besonders intensiv betrachtet wird, jedoch neben der Orientierung hinsichtlich des Umgangs mit einem digitalen Lernangebot auch eine förderliche Rolle bei der nicht linearen Informationswahrnehmung (hierbei beim außerschulischen Selbstlernen auf der Online-Lernplattform) spielen kann. Durch einige bereits dargestellte Beispiele in Kapitel 7 lässt sich betrachten, dass die (visuell wahrgenommenen) Wörter in der Navigationsleiste als Knotenpunkt in den Plattform-Wörternetzen vorkommen, der mit den aus den untergeordneten Aufgaben des Übungssets stammenden sprachlichen Zeichen verbindet (die Diskussion vgl. Kapitel 7.4.4.3). Außerdem ist ersichtlich, dass eine besonders betrachtete Stelle auf dem Bild der Übung gelegen ist. Allerdings lässt sich zugleich auch erkennen, dass sich die rot markierte Stelle genauer gesagt auf dem Text in der Sprechblase des Fotos befindet. Außer den zwei Fixationen auf den Moderatoren liegen keine weiteren Fixationen im Bild vor. Beispielsweise wurde das Denkmal oder andere Elemente des Hintergrundes, die dort bildlich dargestellt sind, nicht fixiert. Man kann davon ausgehen, dass das Bild bzw. die bildlichen Elemente beim Leseprozess der Webpage die visuelle Aufmerksamkeit Probandin kaum erregt hat und die textlichen Reize bei der Informationswahrnehmung von der Probandin als der vorrangige Informationsträger im Lernmaterial angesehen werden. Dies kann vermutlich auf die Abhängigkeit (vgl. Kapitel 2.2.4) zurückgeführt werden, wobei die textlichen Elemente zur Erschließung der Zusammenhänge bzw. zur Bearbeitung der Aufgabe vorzugsweise fokussiert werden. Auf dieser Seite wurden die Wörter „(lange) gedauert“, „Hobby“, „Natur“ in der Navigationsleiste (und das Wort „aber“ in der Sprechblase) besonders intensiv betrachtet. Dieser Vorrang bezüglich des Betrachtens (der textlichen Elemente in den Materialien) lässt sich im Video auch erkennen, das im Übungsset zum Thema „Wandern“ vorhanden ist. Das Video stellt das Wandern in Deutschland vor und zeigt, was die passende Kleidung für das Wandern ist. Im Anschluss daran wird über breite und bequeme Wanderwege geredet und dazu wird ein kleines Experiment (oder Spiel) von den beiden Moderatoren durchgeführt, damit ersichtlich wird, wie wichtig ein guter Weg und eine Wanderkarte sind. 294 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-85: Gazeplots und Heatmaps zu drei Szenen des Videos zum Thema "Wandern" Bei der Abbildung 7-85 handelt es sich um drei Szenen des Videos. Die ersten beiden Szenen gehören zum thematischen Einstieg des Videos und die letzte Szene, die in der Abbildung gezeigt wird, bezieht sich auf die Beschreibung der passenden Kleidung für das Wandern. Basierend auf den Gazeplots zu den drei Szenen lässt sich zu erkennen, dass die Texte bzw. die textlichen Elemente ein vorrangiger Aufmerksamkeitserreger sind. Aus dem Schaubild 7-85a ist zu entnehmen, dass der erste Fixationspunkt in der Mitte des Videobildes gelegen ist und die Probandin im Anschluss daran ihr Augenmerk schnell auf den Namen der Folge bzw. auf die Wörter „Deutschlandlabor“ gerichtet hat. Ihre Blickfixationen haben sich dort für eine Weile aufgehalten. In der zweiten Szene bzw. dem Schaubild 7-85c ist dies auch der Fall. Entsprechend dem Gazeplot ist zu beobachten, dass das initiale Augenmerk auf dem Zeichen des letzten Hinweisschildes gelegen ist. Anschließend hat sich eine auffällige Sakkade ereignet, wobei das textliche Element des mittleren Hinweisschildes die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin erregt hat. Ihre Fixationen bewegten sich zwischen den textlichen Elementen des mittleren und des letzten Schildes und erst danach hat die 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 295 Probandin damit begonnen, das Zeichen des (mittleren) Hinweisschildes zu beobachten. In der dritten gezeigten Videoszene ist das oben erwähnte Blickverhalten auch anzutreffen. Hierbei sind die ersten fünf Fixationspunkte betroffen. Das ist eine dynamische Szene, wobei beide Moderatoren durch die Abteilung für die Outdoor-Kleidungen im Laden von links nach rechts laufen. Nach der initialen Blickfixation folgte das Augenmerk dem Durchlaufen der Moderatoren (Fixationspunkt 2). Anschließend wurde die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin auf das Wort „Laufen“ gerichtet (Fixationspunkte 3 und 4). Danach hat die Probandin mit dem Beobachten des Hintergrundes des Ladens begonnen. Durch die Beispiele lässt sich erkennen, dass die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin sowohl auf statischen Internetseiten als auch in einem Video vorrangig durch Texte erregt wurde. Abb. 7-86: Gazeplots zu vier Videoszenen des Videos zum Thema "Wandern" Jedoch gibt es auch einen Fall, in welchem textliche Stimuli in den Lernmaterialien kein vorrangiger Aufmerksamkeitserreger sein können. Das Augenmerk wurde nicht vorzugsweise auf die textlichen Elemente gerichtet, wenn Personen ein Gespräch oder eine Kommunikation im Video geführt haben. Durch die Abbildung 7-86 können einige Beispiele hierzu gezeigt werden. In der Abbildung geht es um drei Szenen, wo Personen vor dem Hintergrund mit textlichen Elementen sprechen oder ein Gespräch führen. In Anlehnung an die aufgeführten Gazeplots ist in Verbindung mit dem Video-Replay deutlich zu beobachten, dass die Abfolge der visuellen Aufmerksamkeit der Probandin beim Anschauen des Videos grundsätzlich durch die akustischen Reize beeinflusst wurde: Die visuelle Aufmerksamkeit wurde auf die Person (im Video) gerichtet, wenn sie sprach. Wenn die Personen im Video über einen gezeigten Gegenstand sprachen, richtete die Probandin ihre visuelle 296 7 Datenauswertung und -analyse Aufmerksamkeit schnell auf den angesprochenen Gegenstand (siehe Abb. 7-86b und Abb. 7-86c). Beim Anschauen der Szenen haben die textlichen Elemente, beispielsweise das Logo „Deutschlandlabor“ im Hintergrund des Schaubildes 7-86a oder das Wort „Outdoor“ im Hintergrund der Schaubilder 7-86b und 7-86c, keine vorrangige visuelle Aufmerksamkeit der Probandin erregt. In Schaubild 7-86a hat die Probandin zwar ihr Augenmerk auf das unter dem Videobild stehende Wort bzw. das Urheberrecht des Videos gerichtet, aber die Fixation hat sich erst in der späteren Phase des Anschauens vollzogen. Im gesamten Prozess des Anschauens des Videobildes gibt es insgesamt 14 Fixationen und das Augenmerk auf den Text findet sich im Fixationskreis 11. Es ist denkbar, dass dieses Blickverhalten darauf zurückzuführen ist, dass die wichtigen Informationen für das Verständnis der Videoszenen akustisch übermittelt werden (die Diskussion vgl. Kapitel 7.4.4). Abb. 7-87: Heatmaps zu drei Übungen des Übungssets "Deutschlandlabor: Wandern" Nach der Beschreibung der Auffälligkeit betreffend das Blickverhalten der Probandin bei ihrem Anschauen eines Videos sollte beobachtet werden, welche Bereiche in den kommenden Übungen auffällig fixiert und welche Wörter von der Probandin besonders intensiv betrachtet wurden. Die Abbildung 7-87 enthält drei Heatmaps zu drei Übungen und in den Übungen ist festzustellen, dass die Wörter „Natur“, „Sport“, „Wandern“ (siehe Abb. 7-87a); „ich möchte“, „sicher“, „(keine nassen) Füße bekommen“, „ich immer“, „brauche“, „Wanderstiefel“, „Outdoor-Kleidung“, „Wanderkarte“, „Essen und Trinken“, „Wanderweg“ (siehe Abb. 7-87b); „in der Natur“, „entspannen“, „das Wandern“, „im Wald“, „einkehren“ und „schöne Landschaften“ (siehe Abb. 7-87c) beim Lernen besonders lange betrachtet wurden. Es lässt sich erkennen, dass die meisten auffällig fixierten Stellen im Bereich der zu lernenden Wörter sind. Im Schaubild 7-87b sind außerdem einige Wörter im Fragenbereich besonders intensiv betrachtet worden. Genauer gesagt ist das Betrachten der ersten zwei Sätze überdurchschnittlich konzentriert. Ein möglicher Grund dafür besteht darin, dass die Formulierung bzw. die Struktur des ersten Satzes für die Probandin bei ihrer Aufgabenbearbeitung wegen ihrer Niveaustufe der Fremdsprache Deutsch nicht leicht verständlich war. Die Fixation auf dem zweiten Satz kann vermutlich daran liegen, dass die Probandin ein Problem mit dem Verstehen der Wortgruppe „keine nassen Füße bekommen“ 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 297 206 Die Diskussion in dieser Hinsicht findet sich in Kapitel 7.4.4.2. hatte. Die Bedeutung der Formulierung ließ sich nicht leicht sofort aus dem Zusammenhang erschließen. 206 Im Folgenden werden die Wörternetze gezeigt, die die Probandin in der zweiten Studie generiert hat. Es wird verfolgt, ob und welche besonders betrachteten Wörter nach den ersten zwei Lerneinheiten in die Wörternetze eingetragen worden sind. Abb. 7-88: Wörternetze der Probandin Nr.-1 (2. Studie) In Abbildung 7-88 ist zu beobachten, dass die Probandin zu Beginn der Studie im Hinblick auf die Stichwörter der Wörternetze bereits selbstständig viele Wörter in verschiedener Hinsicht (vgl. Kapitel 3) produziert hat. Hierbei sind beispielsweise die Wörter über die Sportarten und über Länder zu nennen. Darüber hinaus bezieht sich eine große Zahl der schwarzen Wörter auf Lebensmittel. Die Assoziation des Wortkreises, welcher die Wörter über Getränke enthält, wurde möglicherweise wegen des schwarzen Eintrags „trinken“ durch die lexikalisch-semantische Relation der syntagmatischen Netze (vgl. Kapitel 3.2) ausgelöst wurde. Nach den ersten zwei Lerneinheiten ist eine Menge von neuen Wörtern von der Probandin produziert worden. Es lässt sich ersehen, dass viele blaue Wörter davon auf die zweite bearbeitete Übung bzw. auf das Übungsset „Deutschlandlabor: Wandern“ zurückgehen, während die Anzahl der Wörter, die in Zusammenhang mit der ersten Übung stehen, gering ist. In den Wörternetzen kann eine Wortfolge über die erste Übung gefunden werden. Mit den Stichwörtern hat die Probandin zuerst an das Wort „Fahrrad fahren“ gedacht, welches das Thema des ganzen Übungssets darstellt und in der Navigationsleiste steht. Mit dem Wort hat die Probandin danach weitere Wörter assoziiert und sie sind die Wörter „Fahrradhelm“; „Laufrad“, „Klingel“ sowie „Laden“. Diese Wörter sind diejenigen, die beim Lernen im ersten Übungsset besonders intensiv betrachtet wurden. Hierbei lässt 298 7 Datenauswertung und -analyse sich der Zusammenhang zwischen der (visuellen) Aufmerksamkeit und dem Eintrag der Wörter ersehen. In der Übung wurden zwar die anderen Wörter im Optionsfeld auch fixiert (siehe Abb. 7-82), aber sie sind nachträglich nicht mit den Wörtern „Fahrradhelm“, „Klingel“ und „Laufrad“ in die Wörternetze eingetragen worden. In der Heatmap kann deutlich beobachtet werden, dass es rot markierte Stellen sowohl neben dem Bild eines Fahrradhelms als auch neben dem Bild des Laufrades gibt. In Anlehnung an die Abbildung bzw. die Heatmap ist auch ersichtlich, dass eine große markierte Stelle neben dem Bild einer Fahrradkette vorliegt. Allerdings ist das entsprechende Wort „Kette“ im Optionsfeld nicht zu ihren Wörternetzen hinzugefügt. Der mögliche Grund dafür besteht darin, dass die Probandin mit dem Gegenstand „Kette“ auf der konzeptuellen Ebene nicht so vertraut war wie mit anderen bildlich gezeigten Gegenständen. Es ist daher denkbar, dass die Überlegung bezüglich der Zuordnung zwischen dem Bild und dem entsprechenden Wort länger gedauert hat. Dies kann durch die Heatmap gestützt werden. Dort ist leicht zu ersehen, dass die rot markierte Stelle neben dem Bild einer Fahrradkette deutlich größer ist als die Stellen neben den Bildern von „Klingel“ und „Laufrad“. Auf der theoretischen Grundlage der Funktionsweise und des Aufbaus des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.1 und Kapitel 2.2.2) ist anzunehmen, dass der Bereich bezüglich „Kette“ im digitalen Lernmaterial zwar visuell besonders fixiert wurde, allerdings wurde die entsprechende lexikalische Einheit durch die visuelle Reize in diesem Bereich des Lernmaterials nicht aktiviert oder in das mentale Lexikon so integriert, sodass das entsprechende Wort nachträglich nicht mit den anderen aus der identischen Aufgabe kommenden Wörter in die Wörternetze eingetragen worden ist. Die Diskussion im Hinblick auf die Blickfixationen wird in Kapitel 7.4.4.2 geführt. Das Wort „Laden“ in der Wortfolge ist in den zwei Leseübungen im ersten Übungsset (siehe Abb. 7-82a und Abb. 7-82b) aufzuspüren. In beiden Leseübungen gibt es einen langen Text und es geht um die Figur der Zweiradmechatronikerin im Fahrradladen. Das Wort „Laden“ wurde beim Lesen des ersten langen Texts auffällig lange fixiert. Hierbei ist es zugleich auch auffällig, dass viele Wörter aus den beiden Übungen zwar besonders intensiv betrachtet, aber nicht von der Probandin zu ihren Wörternetzen hinzugefügt wurden. Der Grund könnte darin liegen, dass die Kapazität des Gedächtnisses der Probandin zum Zeitpunkt der Entwicklung ihrer Wörternetze bereits überlastet war. Da die Probandin erst nach den ersten zwei Lerneinheiten ihre Wörternetze entwickelte, ist es denkbar, dass die in der zweiten Lerneinheit wahrgenommen und gelernten sprachlichen Zeichen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit leichter abgerufen werden können als die in der ersten Lerneinheit wahrgenommenen Wörter. Ein weiterer möglicher Grund für die niedrige Anzahl der aus dem ersten Übungsset stammenden Wörter könnte in der Aufgabe bestehen. In dieser Übung liegt ein langer Text vor und es ist möglich, dass die sprachlichen Zeichen im Text, welche besonders intensiv betrachtet wurden, die für die Probandin schwer verständlichen Wörter waren. Es ist denkbar, dass eine Wahrnehmung der Wörter in diesem Fall zwar bei den Blickfixationen erfolgen könnte, jedoch könnte diese Konzentration eher lediglich für die Aufgabenbearbeitung dienen. Daher lässt sich fragen, ob diese wahrgenommenen Wörter hierbei für die eigene lexikalische Entwicklung in das vorhandene mentale Lexikon integriert werden kann. Es ist zu beobachten, dass viele 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 299 207 Die Diskussion in Hinblick auf die Blickfixationen findet sich in Kapitel 7.4.4.2. 208 Die Zusammenführung der Ergebnisse findet sich in Kapitel 7.4. 209 Siehe Manuskript zum Video „Das Deutschlandlabor: Wandern“ im Anhang. Wörter zwar besonders intensiv fixiert wurden, aber kaum als reproduzierte Items auf den Wörternetzen aufgeschrieben worden sind. 207 Im Vergleich dazu lässt sich ersehen, dass es viele Wörter in den Wörternetzen gibt, die in Zusammenhang mit dem Übungsset „Deutschlandlabor: Wandern“ stehen. Wie oben beschrieben, liegt diese höhere Anzahl an der zeitlichen Reihenfolge der Bearbeitung des zweiten Übungssets. Die Entfaltung der Wörternetze hat sich nach dem Auflösen des zweiten Übungssets vollzogen. Es ist denkbar, dass im Gedächtnis vorwiegend die im zweiten Übungsset besonders intensiv fixierten Wörter vorhanden waren. Außerdem liegt hierbei noch die Vermutung nahe, dass die Probandin mehr Spaß und Motivation daran hatte, da das zweite Übungsset nicht nur ein Video, sondern auch mehr interaktive Übungen enthält. Diese Vermutung wird in Verbindung mit der inneren Perspektive analysiert und diese Auseinandersetzung wird im nächsten Kapitel ausführlich dargestellt. Als Vertreter sind die Wortfolgen „Wandern - Wanderstiefel/ - richtige Kleidung/ - Weg - Karte“ und „Landschaft - Sehenswürdigkeit / - schön, hübsch/ - Wald - Natur - Berg“ sowie der Wortkreis zu nennen, der verschiedene Verben enthält und mittels des Wortes „besuchen“ mit dem Wort „Landschaft“ verbunden wird. Es ist leicht zu ersehen, dass die meisten erwähnten Einträge der Wörternetze die Wörter darstellen, die beim Lernen besonders intensiv fixiert worden sind. 208 Außerdem ist hierbei herauszufinden, dass der Inhalt der ersten Wortfolge im Grunde aus der zweiten gezeigten Übung (siehe Abb. 7-87b) stammt, während sich die zweite vorgestellte Wortfolge hauptsächlich auf die dritte beschriebene Übung (siehe Abb. 7-87c) bezieht. Außerdem hat die Probandin zu ihren Wörternetzen einen Wortkreis mit „Brot“ und „Käse“ hinzugefügt, wobei die Vermutung nahegelegt wird, dass die Assoziation der beiden Wörter von der Wortgruppe „Essen und Trinken“ aus der zweiten gezeigten Übung ausgelöst wurde und die Probandin sich nicht an die richtigen Lebensmittel erinnert hat. Als Grund für die Vermutung wird im Video zum Thema „Wandern“ erwähnt, dass der Interviewte nach dem Abschluss seiner Wanderung bei Kaffee und Kuchen einkehrt. 209 Darüber hinaus liegt hierbei noch die Vermutung nahe, dass diese Assoziation und auch die Einträge der von dem Wort „Wandern“ dominierten Folge unter Umständen auch auf das Video zurückgreifen kann. Wie die folgende Abbildung 7-89 zeigt, stimmen die Fixationen im Video mit den Einträgen der Wortfolge überein. Die eingetragenen Wörter bzw. die von den sprachlichen Zeichen repräsentierten Gegenstände wurden beim Anschauen des Videos von der Probandin besonders lange beobachtet. Aus der Abbildung ist zu entnehmen, dass die Probandin zwei Hinweisschilder, Outdoor-Klei‐ dung, Stiefel, Karte und Wald im Vergleich mit anderen Elementen oder Gegenständen in den jeweiligen Videobildern überdurchschnittlich lange fixiert hat. 300 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-89: Blickfixationen der Probandin in mehreren Szenen des Videos „Wandern“ Abb. 7-90: Blickfixationen der Probandin in mehreren Szenen des Videos „Urlaub“ Bei der Abbildung 7-90 handelt es sich um eine Szene des Videos, das aus dem Übungsset „Deutschlandlabor: Urlaub“ kommt. Diese Szene wird auf einem Flughafen gedreht und zum Thema „Urlaub“ führen die Moderatoren dort eine Umfrage bezüglich der beliebten Urlaubsziele unter den Deutschen durch (siehe Abb. 7-90a). Nach mehreren Gesprächen mit Reisenden auf dem Flughafen stellen die Moderatoren die statistischen Ergebnisse vor. Laut Statistik ist Italien auf dem dritten Platz bei den beliebtesten Urlaubsländern der Deutschen und das zweitbeliebteste Land als Urlaubsziel ist Spanien. Den ersten Platz im Ranking nimmt Deutschland ein. Nach der vorliegenden Abbildung bzw. der Heatmap lässt sich deutlich beobachten, dass sich die Probandin im ganzen Prozess des Anschauens auf die Figur konzentrierte, ohne viel Augenmerk auf andere Elemente in den Videobildern zu richten. In diesem Zusammenhang können die Fixationen in den Szenen des Videos das Eintragen der sprachlichen Zeichen „Spanien“ und „Italien“ in die Wörternetze erklären. Da das Wort „Deutschland“ bereits zu Beginn der Studie aufgeschrieben worden ist, ist das Wort „Deutschland“ nicht wiederholt in dem Wortkreis mit „Spanien“ und „Italien“ aufgeschrieben, was im Rahmen der Theorie über die Struktur (vgl. Kapitel 2.2.2) und die Entwicklung der lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.3) bedeuten kann, dass die Verbindung zwischen den beiden lexikalischen Einheiten und den Repräsentationen der schwarzen Einträge so stärker worden sind, dass das Eintragen der beiden Wörter erfolgen konnte. Durch dieses Beispiel und auch andere bereits beschriebene Beispiele ist zu erkennen, dass das Video bei der Entwicklung der Wörternetze auch eine 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 301 210 Die Einzelheiten lassen sich im Anhang beigefügten Video-Replay erkennen. 211 Im Anhang finden sich einige Heatmaps zu diesem Übungsset. Rolle spielte, was in Kapitel 7.4.4 diskutiert wird. Hinzu kommt die vom Wort „Hobby“ geleitete Wortfolge, die auf der rechten Seite der Wörternetze liegt. Diese Herstellung der Wortfolge ist möglicherweise auf eine andere Filmszene zurückzuführen. In der Szene geht es um eine Umfrage und dort nennen die Befragten drei Sachen, die sie im Urlaub gern machen. Das Thema der Umfrage in dieser Szene wird von der Probandin als „Hobby“ angesehen und zusammengefasst. Einige Antworten von den Befragten werden als untergeordnete Einträge aufgeschrieben. 210 Da sich die meisten Übungen auf den beliebten Urlaubsort Garmisch-Partenkirchen und auf Wintersport als Schwerpunkt beziehen, hat die Probandin nicht nur zu der oben erwähnten Wortfolge das Wort „Schnee“ hinzugefügt, sondern auch eine neue Verbindung mit den gegebenen Stichwörtern hergestellt. Diese Verbindung befindet sich auf der oben links liegenden Stelle der Wörternetze und ist von dem Eintrag „Urlaubsort“ geleitet. Wegen des Schwerpunkts der Übungen dieses Sets hat die Probandin mit dem Wort „Urlaubsort“ das Wort „Urlaubszeit“ assoziiert und darunter stehen die Wörter über die Jahreszeit und die Wörter, die die Merkmale der jeweiligen Jahreszeiten beschreiben. Unter Berücksichtigung von Platz und Inhalt ist zu sehen, dass die untergeordnete Wortfolge über „Winter“ zu einem großen Anteil einen Zusammenhang mit dem Video und den Übungen hat. Bemerkenswert ist, dass die Probandin in diesem Übungsset zwar viele Wörter fixiert hat 211 , aber grundsätzlich nur die Wörter, die nicht nur in den Übungen, sondern zugleich auch im Video vorkommen, in den Wörternetzen aufgeschrieben hat. Ein möglicher Grund besteht darin, dass die eingetragenen Wörter durch verschiedene Arten der Übermittlung der Informationen im Vergleich mit anderen Wörtern fester im Gedächtnis der Probandin verankert wurde. Mit anderen Worten nimmt das Gedächtnis der Probandin durch die Mitwirkung der bildlichen Darstellung im Video und der visuellen bzw. schriftlichen Darstellung von den Übungen die einschlägigen Wörter leichter auf als die Wörter, die lediglich in den Übungen fixiert werden. Abb. 7-91: Drei Aufgaben der vierten Übung und deren Heatmaps der Probandin Nr.-1 Ein ähnliches Beispiel zu dem oben beschriebenen Phänomen lässt sich in der Wortfolge über Verkehrsmittel finden, die an der unten links liegenden Stelle der Wörternetze ist. Diese Wortfolge kann inhaltlich im Grunde auf das vierte Übungsset zurückgreifen, das 302 7 Datenauswertung und -analyse in der letzten Lerneinheit von der Probandin ausgewählt wurde. Wenn diese Wortfolge weitergehend beobachtet wird, lässt sich erkennen, dass die Inhalte der Wortfolge in einer engen Beziehung zu den drei Übungen des vierten Übungssets stehen (siehe Abb. 7-91). Dort werden die Wörter „Reisezentrum“, „Bahncard“, „Fahrkartenautomat“ (siehe Abb. 7-91a); „Wagen“, „Intercity-Express“, „ICE“, „Anzeigetafel“, „Fahrplan“ (siehe Abb. 7-91b); „Durchsage“, „Gleis“, „Wagen“ und „Zug“ beim Lesen der Übungen besonders betrachtet. Es ist herauszufinden, dass die meisten eingetragenen Wörter im Übungsset sowohl schriftlich als auch bildlich präsentiert wurden. Daraus ist zu erkennen, dass die Informationen vermutlich leichter aufgenommen und fester im Gedächtnis verankert werden können, wenn sie (ständig) durch verschiedene Kodierungsarten übermittelt worden sind. Es sollte angemerkt werden, dass die Kodierungsarten hierbei nicht unbedingt mit Kanälen gleichzusetzen sind. Es ist möglich, dass zwei unterschiedliche Kodierungsarten von einem identischen Sinnesorgan auch positiv zusammenwirken bzw. sich ergänzen können, sodass sich die präsentierten Informationen mit weniger Anstrengung aufnehmen und leichter im Gedächtnis abspeichern lassen. Ausgehend von den oben aufgeführten Heatmaps kann beispielsweise die Mitwirkung bzw. der Zusammenhang von Texten und Bildern eine Rolle für eine bessere Informationsaufnahme spielen. Die bildliche Darstellung veranschaulicht das entsprechende Wort bzw. das sprachliche Zeichen, das schriftlich präsentiert wird, sodass sich das sprachliche Zeichen nicht als ein rein abstraktes Konzept wahrnehmen lässt. Es ist vorstellbar, dass die Wörter durch die Blickfixationen auf ihren entsprechenden Bildern lebensnah in das konzeptuelle System einbezogen werden können. Die ausführliche Diskussion wird in Kapitel 7.4.4 geführt. In Kombination mit dem Verhalten und dem Lernprodukt der Probandin in der ersten Studie lässt sich im Hinblick auf den Umgang mit Bildern sehen, dass die Probandin sowohl beim Lernen mit dem Buch als auch mit dem digitalen Lernangebot die Bilder erst dann besonders deutlich berücksichtigt, wenn das Betrachten der bildlichen Elemente für das Lösen der Aufgaben erforderlich ist. Da viele Übungen im digitalen Lernangebot vorliegen, ist es beim Lernen auf der Online-Plattform erkennbar häufiger zu beobachten, dass die Bilder in den Aufgaben bezüglich der Zuordnung von Bildern und Texten besonders intensiv fixiert worden sind. Im Vergleich dazu wird das Augenmerk kaum auf die Bilder gerichtet, wenn sie in den jeweiligen Übungen im Grunde nur eine ästhetische Funktion erfüllen oder den Kontext der Übung veranschaulichen. In Bezug auf die Wörternetze, die von der Probandin in den beiden Studien produziert werden, ist vor allem zu erkennen, dass die Einträge der Wörternetze in dieser Studie grundsätzlich je nach den Übungssets gruppiert platziert sind, was in der Analyse der Wörternetze einer weiteren Probandin ebenfalls anzutreffen ist. Der mögliche Grund besteht darin, dass die Übungssets als separate Module auf der Online-Lernplattform zur Verfügung stehen, obwohl die Inhalte der Übungssets nonlinear gelesen werden können. Das führt dazu, dass die Wörter im Gedächtnis bzw. im mentalen Lexikon auch nach einem ähnlichen Cluster aufgenommen und angeordnet werden. Außerdem lässt sich auch beobachten, dass eine bestimmte Anzahl der Einträge der im Rahmen dieser Studie produzierten Wörternetze in einem Zusammenhang mit den Fixationen steht. Darüber hinaus ist auch zu erkennen, dass die Plattform-Wörternetze viele Einträge enthalten, die selbstständig assoziiert worden sind, obwohl der diesbezügliche 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 303 212 Anmerkung: In dem Schaubild 7-92a lässt sich ein Fixationskreis (Fixationspunkt 14) auf dem Bild sehen. Dieser Punkt deutet nicht auf das Interesse der Probandin an dem Bild hin. Mit Hilfe des entsprechenden Abschnitts des Video-Replays ist leicht zu ersehen, dass sich diese (kurze) Fixation auf dem Bild wegen des Herunterscrollens der Webpage ereignet. Ihre visuelle Aufmerksamkeit war auf der Aufgabenstellung und zu diesem Zeitpunkt wurde die Webpage nach unten gescrollt. Das führte zu einer Positionsbewegung der Blickrichtung und daher besteht ein Fixationspunkt auf dem Gazeplot. Es lässt sich sehen, dass es im Anschluss eine Sakkade gab und die Probandin wieder auf die Aufgabenstellung geschaut hat. Anteil ein wenig niedriger ist als dieser Anteil in den Buch-Wörternetzen dieser Probandin. Die angesprochenen Aspekte werden nach der Zusammenführung der Ergebnisse in Kapitel 7.4.4 diskutiert. 7.2.2.2.2 Probandin Nr.-3 Nach der Darstellung über das Augenverhalten und das Lernprodukt der Probandin Nr. 1 wird in diesem Kapitel die Auffälligkeit der Augenbewegungen der Probandin Nr. 3 vorgestellt. Außerdem werden ihre Wörternetze in der zweiten Studie in Verbindung mit dem Blickverhalten analysiert. Abb. 7-92: Gazeplots zu drei Aufgaben der ersten Übung „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“ In der ersten Lerneinheit wurde das Übungsset „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“ ausgewählt. Die vorliegende Abbildung 7-92 liefert die Informationen über die Abfolge der visuellen Aufmerksamkeit der Probandin zu drei schriftlichen Übungen des ersten Übungs‐ sets. Als Gemeinsamkeit enthalten die Übungen ein Bild, das aus der didaktischen Perspek‐ tive den Kontext der jeweiligen Übungen veranschaulichen und die Übungen zugleich ästhetisch verbessern kann. In Anlehnung an die Gazeplots ist allerdings deutlich zu sehen, dass die Bilder aller aufgeführten Übungen durchaus keine visuelle Aufmerksamkeit der Probandin erregt haben, obwohl die Bilder aller gezeigten Übungen einen großen Platz der Webpage einnehmen. In allen Gazeplots sind ohne Schwierigkeit mehrere große Sakkaden zu finden, was mit anderen Worten heißt, dass die Probandin nach dem Lesen des Titels und des darunter stehenden Einleitungssatzes der Übung das Bild direkt übersprungen und den unter dem Bild stehenden Text weitergelesen hat. 212 Diese Nichtberücksichtigung der Bilder kann beispielsweise im Schaubild 7-92c erkennbar wahrgenommen werden. 304 7 Datenauswertung und -analyse 213 Die Diskussion in dieser Hinsicht findet sich in Kapitel 7.4.4.2. 214 Die entsprechenden Heatmaps befinden sich im Anhang. Dort befinden sich mehrere große Sakkaden, die im ganzen Leseprozess über das ganze Bild gesprungen sind, was bedeutet, dass das Bild der Übungen durchaus keinen Reiz auf die Probandin ausübte. In Kombination mit dem vorherigen Verhalten ist als Grund hierfür vorstellbar, dass die Bilder der gezeigten Übungen möglicherweise keine große Rolle bei der Bearbeitung der Aufgaben spielten oder das Betrachten der Bilder für die Aufgabenlösung (aus der Sicht der Probandin) nicht erforderlich war. 213 Es lässt sich klar ersehen, dass die Informationsaufnahme der Probandin hauptsächlich auf die textlichen Elemente angewiesen ist. Das stimmt auch mit den Heatmaps überein. In allen Heatmaps der Übungen des Übungssets sind die meisten Fixationen auf den Texten und dort wurden viele Wörter in Fließtexten fixiert. 214 Abb. 7-93: Wörternetze der Probandin Nr.-3 (2. Studie) Allerdings liegt eine große Zahl der in diesem Übungsset auffällig fixierten Wörter in den Wörternetzen (siehe Abb. 7-93) nicht vor. In den Wörternetzen sind lediglich zwei Einträge (das Wort „Fahrrad“ und seine Kollokation „Fahrrad fahren“) zu sehen, die offensichtlich auf das erste Übungsset zurückgehen. Es gibt noch einige Wörter, die der Probandin vermut‐ lich wegen dieses Übungssets durch verschiedene lexikalisch-semantische Sinnrelationen (vgl. Kapitel 3) eingefallen sind. Dazu gehören zum Beispiel die Wörter „Verkehr“ und „Auto“ sowie „Zug“. Der Anlass der Einträge bzw. ihre Beziehung zu den visualisierten Augenbewegungsdaten lässt sich basierend auf den Heatmaps oder Gazeplots feststellen. Es lässt sich sagen, dass die Probandin im Hinblick auf das erste Übungsset nur die Wörter aufgeschrieben hat, welche das Thema dieses Übungssets beinhalten. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 305 Abb. 7-94: Heatmaps zu drei Aufgaben der Übung „Das Deutschlandlabor: Wandern“ Neben dem Eintrag „Fahrrad fahren“ in den Wörternetzen findet sich eine Wortfolge, die mit dem schwarzen Wort „Sport“ verbunden ist und durch das Wort „Wandern“ geleitet wird. Es ist leicht zu erkennen, dass der Inhalt der Wortfolge auf das Übungsset „Wandern“ zurückgeht. Die genaue Quelle der Einträge lässt sich nicht feststellen, weil die eingetragenen Wörter in wenigstens drei Übungen (siehe Abb. 7-94) vorgekommen sind und die meisten von ihnen in den rot markierten Stellen der Übungen liegen. Laut den Heatmaps wurden die Wörter „richtige Kleidung“, „beim Wandern“, „Stiefel“, „schützen“, „Teutoburger Wald“, „Karte und Wanderwege“, „wandern“ (siehe Abb. 7-94a); „Wanderstiefel“, „Outdoor-Kleidung“, „Wanderkarte“, „Essen und Trinken“, „Wanderweg“ (siehe Abb. 7-94b); „in der Natur“, „Wandern im Wald“, „einkehren“, „schöne Landschaften“ und „kennenlernen“ (siehe Abb. 7-94c) auffällig lange fixiert. Daraus ist zum einen erkennbar, dass ein Zusammenhang zwischen der visuellen Aufmerksamkeit und dem Eintragen von Wörtern vorliegt. Zum anderen ist es trotz einer nicht exakt festzustellenden Quelle auffällig, dass die Übungen, aus denen die eingetragenen Wörter kommen, keinen langen Fließtext haben. Außerdem befinden sich die (zu lernenden) Wörter im Rahmen des Übungsdesigns separat in den interaktiven Optionsfeldern, sodass die Wörter in der Praxis durch diese Platzierung indirekt hervorgehoben werden. Ein Vergleich dazu ist die zweite Übung des identischen Übungssets (siehe Abb. 7-95). 306 7 Datenauswertung und -analyse 215 In dieser Übung werden die Lernenden aufgefordert, die oben vorhandenen Wörter in die Lücken des Fließtexts einzutragen. In diesem Zusammenhang ist es vorstellbar, dass diese Fixationen im Fließtext zu einem Teil durch die Eingabe beeinflusst werden, weil das manuelle Eingeben der Wörter Zeit kostet. Abb. 7-95: Die zweite Aufgabe der Übung „Das Deutschlandlabor: Wandern“ Entsprechend dieser Heatmap sind große rot markierte Stellen im Fließtext dieser Übung zu sehen, was bedeutet, dass die Probandin dort viele Wörter fixiert hat. 215 Allerdings lassen sich keine Wörter in den Wörternetzen identifizieren, die offensichtlich aus dieser Übung kommen. Das Phänomen ist auch beim Lernen bezüglich des ersten Übungssets anzutreffen, wobei zwar mehrere Fixationen in den Fließtexten der Übungen vorliegen, aber keine einschlägigen Wörter in die Wörternetze eingetragen wurden. Am Beispiel dieser vorliegenden Abbildung liegt die Vermutung nahe, dass dieser Probandin das Lösen dieser Aufgabe bzw. der in der Heatmap durch Markierungen gekennzeichneten Lücken des Texts schwergefallen ist. Diese Fixationen implizieren, dass die Probandin während des Betrachtens der betroffenen Lücken noch überlegte, wobei die Integration der wahrgenommenen sprachlichen Zeichen in das vorhandene mentale Lexikon durch dieses Nachdenken zur Bearbeitung der Aufgaben beeinträchtigt worden sein könnte. Dies ist vermutlich zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Probandin zwar über einige Erfahrungen über das Selbstlernen mit digitalen Medien verfügt hat, aber die Erfahrungen sich grundsätzlich nur auf das Deutschlernen mit Videos oder Filmen bezogen haben. In Kapitel 4.2 wurde beschrieben, dass das Lesen mit einem E-Book oder am Bildschirm in den vielen Fällen nicht leicht mit der haptischen Wahrnehmung verbunden ist. Zudem kann das Lesen mit einem digitalen Buch möglicherweise zu einer niedrigen Konzentration beim Lesen führen. In diesem Zusammenhang ist es vorzustellen, dass ein(e) Lernende(r) 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 307 216 Im Video wird gezeigt, wie Biathlon funktioniert. Zuerst muss man eine bestimmte Strecke Ski laufen, dann schießt man auf die Scheiben. Danach läuft man wieder weiter. Ziel ist es, so schnell wie möglich zu laufen und so konzentriert wie möglich zu schießen (siehe Anhang). ein anderes Gefühl beim Lesen auf der Online-Lernplattform haben kann und die beim Lernprozess wahrgenommenen sprachlichen Zeichen nicht so tiefergehend verarbeitet werden konnte, dass sich die entsprechenden Repräsentationen in das vorhandene mentale Lexikon integrieren ließen. Die Diskussion im Hinblick auf die Fixationen in Kombina‐ tion mit den anderen Ergebnissen für die Fremdsprachendidaktik findet sich in Kapitel 7.4.4. In den Plattform-Wörternetzen der Probandin sind noch einige Einträge auffällig. Sie sind diejenigen, die nicht nur im Video übermittelt und beim Anschauen von der Probandin besonders intensiv fixiert wurden, sondern auch in wichtigen Szenen des Videos vorkamen. In Kombination mit den angegebenen persönlichen Daten hinsichtlich der Lerngewohnheiten über die Nutzung der Medien für das außerschulische selbständige Deutschlernen (vgl. Kapitel 7.2.1.1.2) ist es anzunehmen, dass die im Video präsentierten Informationen von der Probandin wegen ihrer Vorerfahrungen mit dem Deutschlernen mit Videos und Filmen „stichwortartig“ zusammengefasst werden könnten, was durch die oben beschriebenen Einträge in den Wörternetzen reflektiert werden kann. Dieses Phänomen kann durch die Einträge, die nach den letzten beiden Lerneinheiten generiert wurden, auch wahrgenommen werden. Ein Beispiel dazu ist die Wortfolge „Flugzeug - Italien, Spanien“. Diese Wortfolge kann auf die Videoszene zurückgehen, wo die Moderatoren auf dem Flughafen das Ranking der beliebtesten Urlaubsländer darstellen (siehe Abb. 7-96). Abb. 7-96: Heatmaps zu einer Szene des Videos „Das Deutschlandlabor: Urlaub“ Da das Übungsset zum Thema „Urlaub“ (unter den Deutschen) hauptsächlich den Win‐ tersport fokussiert und das auch im Video präsentiert wird, hat die Probandin dem schwarzen Wortkreis „Sport“ die Wortfolge „Ski fahren - Schnee“ hinzugefügt. Des Weiteren ist noch eine inhaltlich ähnliche Wortfolge bzw. die Folge „Bergen - Skifahren“ in den Wörternetzen zu sehen und sie werden mit dem Wortkreis „Ort“ verbunden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Video (und auch die Übung über Wintersport in diesem Übungsset) im späteren Kapitel den beliebten Wintersport „Biathlon“ 216 in Garmisch-Partenkirchen mit mehreren Aufnahmen detailliert präsentiert. In dem Feld des Wortkreises „Ort“ in den Wörternetzen ist außerdem das Wort „Deutschland“ (und das auch daneben stehende Wort „Ausland“) aufgeschrieben, was vermutlich entweder auf den 308 7 Datenauswertung und -analyse 217 Die diesbezügliche Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4.1. Videoabschnitt über Wintersport in Deutschland oder auf die Szene über das Ranking der beliebtesten Urlaubsländer zurückgehen kann. In Kombination mit dem Blickverhalten der Probandin in der ersten Studie lässt sich insgesamt sehen, dass es eine Gemeinsamkeit bezüglich des Umgangs mit den Bildern gibt. Sowohl beim Selbstlernen mit dem Buch als auch mit den digitalen Medien wurden Bilder in den meisten Fällen von der Probandin initiativ nicht besonders berücksichtigt. Ein intensives Betrachten von Bildern vollzieht sich nur, wenn es für den Prozess zum Lösen einer Aufgabe erforderlich ist. 217 Durch den Vergleich zwischen den beiden Wörternetzen, die von der Probandin generiert wurden, ist ohne Schwierigkeit zu sehen, dass sich die Wörternetze der Probandin in der ersten Studie (nach dem Selbstlernen mit dem Buch) quantitativ mehr entfaltet haben. Hierbei kann vermutet werden, dass das Thema der Studien auch eine Rolle spielen könnte. Wegen der studentischen Identität der Probandin konnte sie an mehr themenbezogene Wörter denken, weil sich das Thema im Vergleich zu dem Thema der zweiten Studie (digitale Medien) ihrem Alltag nähert. Darüber hinaus ist der Unterschied zwischen den beiden Wörternetzen auch auf die Medien und die entspre‐ chenden Erfahrungen der Probandin zurückzuführen. Im Vergleich zum Selbstlernen mit digitalen Medien war die Probandin vertrauter mit dem Selbstlernen mit dem Buch. Es ist daher vorstellbar, dass die Probandin in der zweiten Studie möglicherweise einen Teil ihrer Energie und Aufmerksamkeit für den Umgang mit den digitalen Medien aufwenden musste. Das könnte dazu führen, dass sich die Probandin beim Rezeptionsprozess nicht so gut auf das Lernen konzentrieren konnte, wie sie mit dem Buch selbständig lernte. Infolgedessen war sie beim Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot nicht in der Lage, im „entspannten“ bzw. gewohnten Zustand die sprachlichen Zeichen aufzunehmen. Was die Inhalte der Wörternetze betrifft, lässt sich eine Herstellung der Verbindung von Einträgen aus zwei unterschiedlichen Übungen miteinander in den Wörternetzen der ersten Studie (Buch) sehen. Das kann vermutlich den entspannten Zustand beim Lernen mit dem Buch indirekt wiedergeben, denn die zu lernenden sprachlichen Kenntnisse aus den verschiedenen Übungen (in unterschiedlichen Lerneinheiten) werden mit geringerer Wahrscheinlichkeit nachträglich initiativ verbunden, wenn die Lernende beim Lernen kognitive Belastungen oder innere Unruhe empfindet. In den Wörternetzen der zweiten Studie (digitale Medien) liegt außerdem noch die Besonderheit vor, dass viele Einträge der Wörternetze in Zusammenhang mit den Videos stehen. Sie werden neben den Übungen noch in Videos aus den Übungssets entweder visuell oder auditiv dargestellt. In den Übungen mit (langen) Fließtexten werden auch viele Wörter besonders betrachtet, jedoch werden sie nachträglich nicht in die Wörternetze eingetragen. Wie oben erwähnt, liegt dies vermutlich teilweise an den Erfahrungen der Probandin. Zum Selbstlernen mit digitalen Medien hat sie mehr Erfahrungen mit dem Fremdsprachenlernen durch Videos als mit schriftlichen Übungen in einem digitalen Lernangebot. Die oben genannten Aspekte werden in Verbindung mit den theoretischen Grundlagen und den Ergebnissen in der schriftlichen Umfrage (vgl. Kapitel 7.3) sowie allen anderen ausgewerteten Ergebnissen der vorliegenden empirischen Untersuchung weiter analysiert (vgl. Kapitel 7.4). 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 309 7.2.2.2.3 Proband Nr.-14 In Kapitel 7.2.1.1.3 wurde das Blickverhalten des Probanden Nr. 14 in der ersten Studie beschrieben. Dort ist zu ersehen, dass der Proband die Bilder im Buch grundsätzlich nicht initiativ berücksichtigt hat, wenn die Fotos nicht relevant für das Aufgabenlösen waren. An den gezeigten Beispielen ist auch der Zusammenhang zwischen seinem Blickverhalten und den Einträgen seiner Wörternetze wahrzunehmen. Es lässt sich erkennen, dass eine große Zahl der Einträge der Wörternetze die Wörter darstellen, die beim Selbstlernen besonders intensiv fixiert wurden. Außerdem liegt auch die Auffälligkeit vor, dass die eingetragenen Wörter basierend auf seinen Gedanken oder seinen individuellen Erfahrungen mit selbst assoziierten Wörtern durch die Sinnrelationen der Sachnetze oder affektiven Netzen verbunden worden sind. Im Folgenden werden die Augenbewegungen des Probanden und auch seine Wörternetze in der zweiten Studie dargestellt, damit eine intrapersonale Analyse durchgeführt werden kann. Abb. 7-97: Gazeplots zu vier Aufgaben der Übung „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“ Bei der Abbildung 7-97 handelt es sich um Gazeplots zu vier Übungen des Übungssets, das vom Probanden in der ersten Hälfte seines Selbstlernens ausgewählt wurde. Aus der Abbildung ist zu entnehmen, dass die in der Abbildung aufgeführten Übungen unter‐ schiedliche Aufgaben darstellen. In der ersten Übung 7-97a geht es um die Zuordnung zwischen Bildern und Texten bzw. themenbezogenen Lernwörtern. In der folgenden Übung (siehe Abb. 7-97b) werden die Lernenden aufgefordert, nach dem Lesen eines langen Fließtexts Fragen zu beantworten. Während die dritte Übung 130c das Hörverstehen fördert, stellt die vierte bzw. letzte gezeigte Übung ein Quiz zur Landeskunde zum Thema „Fahrradfahren in Deutschland“ dar. Trotz unterschiedlicher Arten der Übungen ist entsprechend der vorliegenden Abbildung leicht zu beobachten, dass alle Bilder eine nicht geringe visuelle Aufmerksamkeit erhalten haben. Das ist beachtenswert, weil sich das Verhalten des Probanden in Bezug auf den Umgang mit Bildern beim Lernen mit digitalen Medien von allen anderen angesprochenen Studienteilnehmenden unterscheidet. Unabhängig von der Aufgabenstellung der Übungen hat der Proband sein Augenmerk während des Leseprozesses auf die Bilder gerichtet. Mit anderen Worten hat der Proband auch auf die Bilder geschaut, obwohl sie keine große Rolle für das Aufgabenlösen spielten. Ein möglicher Grund dafür besteht darin, dass der Proband über Erfahrungen mit dem 310 7 Datenauswertung und -analyse 218 Da die einschlägigen Daten nicht durch das retrospektive Laute Denken erfasst wurden, könnte hierbei nur eine Vermutung naheliegen. Die Forschungsmethoden werden basierend auf den ausgewerteten Ergebnissen in Kapitel 7.4.4 und auch in Kapitel 8 kritisch diskutiert. Selbstlernen mit digitalen Medien verfügt hat. Außerdem könnte sein Ziel bezüglich der Verwendung der digitalen Medien nicht die absichtliche Vertiefung eines bestimmten Aspektes seiner Fertigkeiten gewesen sein, sondern eine Suche nach weiteren Beispielen zu einem besseren Verständnis oder nach zusätzlichen digitalen Lehrmaterialien, die sein Interesse erweckt haben. In diesem Zusammenhang ist es vorstellbar, dass der Proband das digitale Lernangebot vermutlich nicht so aufgabenorientiert für sein Selbstlernen verwen‐ dete wie andere Probanden. Damit kann vermutlich erklärt werden, warum alle Bilder in den Übungen während des Leseprozesses Neugier bzw. ein mehrmaliges Augenmerk des Probanden erhalten haben, obwohl einige Fotos nicht relevant für die Aufgaben sind. 218 Im Folgenden werden die Wörternetze des Probanden in der zweiten Studie gezeigt, damit der Zusammenhang zwischen dem Blickverhalten des Probanden und seinen Wörternetzen analysiert werden kann. Abb. 7-98: Wörternetze des Probanden Nr.-14 (2. Studie) Die vorstehende Abbildung (siehe Abb. 7-98) zeigt die Wörternetze des Probanden Nr. 14. Daraus ist zu entnehmen, dass die eingetragenen Wörter grundsätzlich entsprechend den von ihm realisierten Übungssets in den Wörternetzen platziert sind. Dabei ist zu beobachten, dass die Anzahl der sich auf das erste Übungsset beziehenden Einträge trotz vieler Fixationen im Übungsset (siehe Abb. 7-99) gering ist. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 311 Abb. 7-99: Heatmaps zu vier Aufgaben der Übung „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“ Die einschlägige Wortfolge befindet sich an der unteren rechten Stelle der Wörternetze. Es ist auffällig, dass die dort aufgeschriebenen Wörter aus der ersten Übung des angespro‐ chenen Übungssets (siehe Abb. 7-97a und Abb. 7-99a) stammen. Die Tatsache, dass nur die Wörter aus der Übung in die Wörternetze eingetragen worden sind, ist vermutlich zum Teil auf die Bilder zurückzuführen. Eine Besonderheit bzw. der Unterschied zwischen der ersten Übung und den anderen Übungen besteht darin, dass die Fotos der ersten Übung eine wichtigere Rolle im Prozess der Lösung der Aufgabe spielen. Ausgehend von den Einträgen der Wörternetze liegt hierbei die Vermutung nahe, dass die Informationsaufnahme des Probanden bei seinem Selbstlernen mit digitalen Medien durch die Fixation auf nichttext‐ liche bzw. nichtbildliche Elemente offensichtlich beeinflusst wurde. In Anlehnung an das Gazeplot (siehe Abb. 7-97a) ist zu beobachten, dass die Bilder von der Klingel, dem Licht und der Kette im Vergleich zu anderen Bildern häufiger angeschaut wurden. Übereinstimmend werden die Wörter „klingeln“ und „Kette“ von dem Probanden in seine Wörternetze eingetragen. Entsprechend der Abbildung 7-99 lässt sich ohne Schwierigkeit ersehen, dass viele rot markierte Stellen in den Texten gelegen sind. Allerdings sind kaum Wörter, die auf die Texte zurückgehen, in den Wörternetzen zu finden. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass die bildlichen Elemente vermutlich einen förderlichen Einfluss auf die Informationsaufnahme des Probanden bzw. die Integration der wahrgenommenen Wörter in das vorhandene mentale Lexikon bei seinem selbständigen Wortschatzlernen mit dem digitalen Lernangebot ausüben können. Der Einfluss der bildlichen Elemente auf die Einträge der Wörter lässt sich an weiteren Stellen der Wörternetze des Probanden wahrnehmen. Wenn der Inhalt der Wörternetze des Probanden genauer beobachtet wird, lässt sich erkennen, dass die dort stehenden Wörter in einer engen Beziehung zu einigen Szenen des Videos stehen und einige Wörter zugleich auch in den (schriftlichen) Übungen vorkommen. Die dazugehörenden Einträge sind in dem Teilnetz, welches der Eintrag „Wandern“ leitet. Diese als Lernitems in die Wörternetze eingetragenen sprachlichen Zeichen wurden beim Anschauen des Videos beim Lernprozess besonders intensiv fixiert, wie die folgende Heatmap zeigt (siehe Abb. 7-100). Es ist auf der Basis der Theorie über die Funktionsweise des mentalen Lexikons und der Entwicklung der lexikalischen Einheiten im mentalen 312 7 Datenauswertung und -analyse 219 Damit wurde „passende Kleidung“ gemeint. Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.1 und Kapitel 2.2.3) anzunehmen, dass die Repräsentationen der dort wahrgenommenen bildlichen und akustischen Informationen als Schlüsselwörter zum Video in das mentale Lexikon integriert wurden und danach bei der Entwicklung der Wörternetze erfolgreich abgerufen worden sind. Abb. 7-100: Heatmaps zu drei Szenen des Videos „Wandern“ Bei der Abbildung 7-100 handelt es sich um Heatmaps zu drei Videobildern, die als Beispiele für den oben erwähnten Aspekt gelten können. Im Schaubild 7-100a bzw. im Videobild geht es um die Wichtigkeit der passenden Kleidung für ein Hobby in der Natur. Entsprechend der Heatmap ist erkennen, dass der Eintrag „passiert Kleidung“ 219 einen Zusammenhang mit den Fixationen auf dem Videobild steht. Das Schaubild 7-100b zeigt ein Interview mit dem Experten über das Wandergebiet. Seiner Meinung nach könne man sowohl im Flachland als auch in den Bergen oder am schönsten im Wald wandern. Anhand der Heatmap ist zu ersehen, dass der Proband in der Szene den Hintergrund bzw. den Berg auffällig lange angeschaut hat. Kombinierend mit den Wörternetzen lässt sich wahrnehmen, dass sich diese Szene sich auf die Einträge „spazieren - zu Fuß“ und auch „in Wald - Berg“ bezieht. Im dritten Schaubild 7-100c geht es um ein kleines Wettspiel zwischen beiden Moderatoren: Die Moderatorin Nina wandert mit einer Wanderkarte auf normalen Wanderwegen zum Ziel (Hermannsdenkmal), während David in direkter Linie quer durch den Wald geht. Der direkte Weg im Wald zum Ziel ist David schwergefallen. Im Video ist eine Aufnahme vorhanden, wo David auf dem letzten Abschnitt zum Ziel ins Schnaufen kam. Nach dem Wiedertreffen mit Nina sagt er, dass es trotzdem Spaß gemacht habe. Es ist denkbar, dass die Szene nicht nur mit den oben erwähnten Einträgen, sondern auch mit den Wörtern „Anstrend 累 (lèi)“ und „Spaß“ zusammenhängt. Hierbei fällt der Eintrag „Anstrend 累 (lèi)“ besonders auf und daraus ist zu erkennen, dass der Proband den Versuch unternommen hat, die Videoszene über Davids Wanderung im Wald mit eigenen Wörtern wiederzugeben. Da dem Probanden die vollständige orthographische Wiedergabe des Eintrags „anstrengend“ nicht eingefallen ist und er dem Verfasser zugleich auch einen Hinweis auf seine Absicht dieses Eintrags geben wollte, hat er neben dem deutschen Wort das entsprechende chinesische Äquivalent aufgeschrieben. Ein ähnliches Phänomen ist auch im Feld der Wörternetze wahrzunehmen, das sich auf das dritte Übungsset bezieht. Das dritte Übungsset, das der Proband in der zweiten und der dritten Lerneinheit bearbeitet hat, thematisiert den Urlaub der Deutschen, was in 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 313 220 Die Diskussion über die genannten Auffälligkeiten findet sich in Kapitel 7.4.4.3. 221 Anmerkung: Das Fragezeichen wird vom Probanden beim Entfalten seiner Wörternetze selbst aufgeschrieben. Es ist wohl darauf zurückzuführen, dass er nicht sicher war, ob er das Wort richtig geschrieben hat. Kapitel 7.2.2.2.2 bereits beschrieben wurde. In Kombination mit den Wörternetzen ist die Auffälligkeit ersichtlich, dass der Proband neben zwei deutsche themenbezogenen Wörter chinesische Schriftzeichen bzw. Äquivalente geschrieben hat. Wie der Eintrag „Anstrend 累 (lèi)“ aus dem zweiten Übungsset liegt diese chinesische Ergänzung zu Einträgen auch daran, dass der Proband versuchte, die Wörter wiederzugeben, aber die korrekte Orthografie der Einträge nicht von ihm sichergestellt werden konnte. 220 Ausgehend von seinen chinesischen Äquivalenten ist festzustellen, dass die beiden eingetragenen Wörter „schießen“ und „Seilbahn“ sind. Auf der rechten Seite der Wörternetze sind weitere Einträge zu finden, die auf dieses Übungsset zurückgehen können. Es sind die Wörter „Ski fahren“, „lang laufen“ und „rodeln? “. 221 Abb. 7-101: Die sechste Aufgabe der Übung „Das Deutschlandlabor: Urlaub“ Inhaltlich gesehen ist zu sagen, dass die Einträge aus der sechsten Übung des Übungssets stammen. In der Übung sollen die Lernenden die Definitionen zu verschiedenen Arten des Wintersports und das passende Wort dazu auswählen. Die zur Auswahl vorhandenen Wörter „Skifahren“, „langlaufen“, „rodeln“, „die Seilbahn“ und „wandern“ befinden sich in den interaktiven Optionsfeldern bzw. den Dropdown-Listen. Gemäß der Heatmap ist zu ersehen, dass die Fixationen auf den Wörtern in den Optionsfeldern gelegen sind (siehe Abb. 7-101). Die angesprochenen Einträge stehen in einem Zusammenhang mit diesen Fixationen. 314 7 Datenauswertung und -analyse 222 Die Diskussion bezüglich der Blickfixationen findet sich in Kapitel 7.4.2 und in Kapitel 7.4.4.1. 223 Die Diskussion über Wortschatzerwerb und Medienwahl ist in Kapitel 7.4.4.4. Was das dritte Übungsset betrifft, fällt auf, dass die in anderen Übungen fixierten Wörter beim Entfalten der Wörternetze nicht aufgeschrieben wurden 222 und die das Übungsset be‐ treffenden Wörter, die in die Wörternetze eingetragen worden sind, in Zusammenhang mit dem im Übungsset vorhandenen Video stehen. Dies entspricht der Situation betreffend die Einträge aus dem zweiten Übungsset. Die in die Wörternetze eingetragenen Wörter werden durch verschiedene Kodierungsarten im Video präsentiert. Das Video stellt hauptsächlich den Wintersport am Beispiel von Biathlon vor und dafür gibt es viele Aufnahmen, sodass die Lernenden den Wintersport Biathlon erfassen können. In den Aufnahmen werden „Skifahren“, „langlaufen“ und „schießen“ audiovisuell dargeboten. Der Proband hat in seinen Wörternetzen „Schifahren“ aufgeschrieben, was impliziert, dass er das Wort durch auditiv wahrgenommene Informationen wiedergegeben hat. In diesem Zusammenhang lässt sich vermuten, dass der Eintrag der Wörternetze eher auf den Inhalt des Videos zurückgeht. Der Eintrag „Schie“ kann vermutlich auch aus diesem Grund vorliegen, wobei die Aussprache des englischen Äquivalents „shoot“ das Buchstabieren des deutschen Worts „schießen“ beeinflusst. Der Zusammenhang zwischen der Informationsaufnahme über das Video und über die Einträge der Wörternetze kann auch durch den Wortkreis „Spanien, Italien“ erschlossen werden, weil die Länder bzw. die beiden Wörter wegen des Rankings bezüglich der Lieblingsurlaubsländer der Deutschen durch die Moderatoren im Video erwähnt werden. Das Ranking ist kein Schwerpunkt in den Übungen des Übungssets. Allerdings werden die beiden Wörter anstatt der in den Übungen besonders betrachteten Wörtern in die Wörternetze eingetragen, was als indirekter Nachweis für den Zusammen‐ hang zwischen dem Anschauen des Videos und den Einträgen der Wörternetze angesehen werden kann. Dies deckt sich auch mit der Beschreibung hinsichtlich des Einflusses der Darstellungsformen der digitalen Medien auf den Wissenserwerb (vgl. Kapitel 4.2), dass das Interesse an den Lerninhalten und die Anwendung von Wissen durch die multicodalen und multimodalen Darstellungen gefördert werden können. 223 Insgesamt gesehen liegen mehrere Besonderheiten in der zweiten Studie bzw. beim Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot bei dem Probanden vor. Vor allem sind die meisten Wörter, die in den Wörternetzen aufgeschrieben werden, auf die Videos von den ausgewählten Übungssets zurückzuführen. Dies kann daran liegen, dass sich der Proband beim Lernen mit den digitalen Medien für die Videos interessiert. Mit anderen Worten wird der Proband beim Anschauen der Videos mehr motiviert als bei der Bearbeitung der anderen Übungen, die sich auf Videos beziehen. Hinzu kommt noch, dass die meisten eingetragenen Wörter sowohl in den Videos audiovisuell als auch in den einschlägigen Übungen visuell bzw. schriftlich präsentiert werden. Da die Wörter beim Lernen durch verschiedene Kodierungsarten (mehrmals) übermittelt werden, ist es vorstellbar, dass die Wörter anschaulich und ohne weitere Anstrengung im mentalen Lexikon des Probanden behalten werden und nachträglich ohne große Schwierigkeit aus seinem mentalen Lexikon aufgerufen werden. Basierend auf diesen beiden Gründen kann vermutlich erklärt werden, warum die meisten eingetragenen Wörter in Beziehung zu den Videos stehen. Sollte das Blickverhalten in den beiden Studien verglichen werden, lässt sich ein Unterschied in Bezug 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 315 auf den Umgang mit den Bildern ersehen. Wie die Abbildung 7-97 zeigt, schaut der Proband unabhängig von der Aufgabenstellung die Bilder der Übungen an. Das unterscheidet sich von seinem Blickverhalten bzw. vom Umgang mit Bildern beim Lernen mit dem Buch. In der ersten Studie wird auf die Bilder erst dann Rücksicht genommen, wenn sie wichtig für das Aufgabenlösen sind. Durch die Beispiele aus der Abbildung 7-97 kann auch wahrgenommen werden, dass die Wörter mit höherer Wahrscheinlichkeit zu den Wörternetzen hinzugefügt werden, wenn die entsprechenden bildlichen Elemente mehr Fixationen erhalten. Daraus ist zu erkennen, dass die bildlichen Elemente eine große Rolle beim Eintragen der Wörter in die Wörternetze spielen. Dies kann daran liegen, dass die abstrakten Wörter durch die bildlichen Elemente anschaulicher präsentiert werden. Infolgedessen könnten die Wörter möglicherweise leichter in das mentale Lexikon des Probanden eingetragen werden als die Wörter, die lediglich schriftlich übermittelt werden. Im Hinblick auf die Wörternetze, die in den beiden Studien vom Probanden produziert werden, kann beobachtet werden, dass der Proband in der ersten Studie bzw. beim Selbstlernen mit dem Buch mehr Wörter in die Wörternetze eingetragen hat. Ein möglicher Grund dafür ist, dass der Proband wegen seiner studentischen Identität eher mit dem Thema der ersten Studie vertraut war. Außerdem können die Lernerfahrungen des Probanden dabei eine Rolle spielen. Obwohl er nicht wenige Erfahrungen mit dem Selbstlernen mit digitalen Medien hat, stellen Bücher die für ihn bevorzugten Medien für sein Deutschlernen dar. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass der Proband beim Selbstlernen mit einem Buch vermutlich ohne große Anstrengung mit der Informationswahrnehmung und -aufnahme zurechtkommen kann. Ein weiterer möglicher Grund besteht darin, dass sich die Absicht und die Zielstellungen in den beiden Studien unterscheiden. Basierend auf der Analyse zur Leistung des Probanden in der zweiten Studie liegt die Vermutung nahe, dass der Proband Videos von allen Übungssets in dem digitalen Lernangebot mehr beachtet und mehr Freude beim Lernen mit Videos empfindet als bei anderen (schriftlichen) Übungen. Diese Annahme wird in Verbindung mit den Antworten des Probanden in der schriftlichen Befragung (vgl. Kapitel 7.3) in Kapitel 7.4 weitergehend analysiert. 7.2.2.2.4 Gesamte Ergebnisse der Gruppe B Nach der Analyse des Blickverhaltens in Gruppe B und des Zusammenhangs zwischen den Augenbewegungen und den Wörternetzen an Beispielen von drei Gruppenmitgliedern werden die gesamte Ergebnisse durch die übereinandergelegten Daten der Gruppe in diesem Kapitel vorgestellt. Was den Umgang mit Bildern betrifft, lässt sich erkennen, dass es durch den Vergleich mit den Ergebnissen dieser Gruppe in der ersten Studie keinen großen Unterschied gibt: Im Allgemeinen ziehen die Bilder erst dann mehr Fixationen der Probanden auf sich, wenn die Bilder bzw. das Anschauen der bildlichen Elemente für das Aufgabenlösen erforderlich sind. Dieses Ergebnis ist spannend für die Diskussion im Hinblick auf den Einsatz der Bildmaterialien für die Konzeption der Lernmaterialien für das selbständige Fremdsprachenlernen im außerschulischen Kontext (vgl. Kapitel 7.4.4.1). 316 7 Datenauswertung und -analyse Abb. 7-102: Heatmaps zu fünf Übungen (gesamte Daten der Gruppe) Bei der Abbildung 7-102 handelt es sich um fünf Heatmaps, die die Intensität der Fixationen bei verschiedenen Übungen visualisieren, die von (fast) allen Mitgliedern der Gruppe B in der zweiten Studie ausgewählt und gelöst worden sind. Die Heatmaps basieren auf den übereinandergelegten Augenbewegungsdaten der gesamten Gruppe. In den Schaubildern 7-102a, 7-102c und 7-102e werden drei Aufgaben gezeigt, in denen die Lernenden den vorgegebenen Bildern entsprechende Texte bzw. Wörter zuordnen sollen. Wegen der Aufgabenstellung ist das Betrachten der Bilder für das Aufgabenlösen erforderlich. Es ist aus den aufgeführten Heatmaps dementsprechend zu beobachten, dass die dort stehenden Bilder erkennbar die visuelle Aufmerksamkeit der Probanden erregt haben. Im Vergleich dazu liefert das Bild in der Übung (siehe Abb. 7-102b), in der die Lernenden (für die Bearbeitung der Aufgaben im Wesentlichen) nur den Fließtext zu lesen brauchen, (fast) keine Informationen, die den Lernenden beim Aufgabenlösen direkt helfen können. In der Heatmap ist ersichtlich, dass dieses Bild von allen Probanden kaum berücksichtigt wurde. In einigen Übungen befinden sich Bilder, in denen textliche Elemente vorhanden sind. Exemplarisch dafür ist die Übung aus dem Übungsset zum Thema „Wandern“ (siehe Abb. 7-102d). In dieser Übung gibt es zwei offene Fragen und dazu noch ein Bild, in dem die Moderatoren reden. Die Lernenden sollten einschätzen, worüber die beiden Moderatoren reden und was der Moderator David davor gemacht hat. Da keine andere Quelle vorliegt, die weitere Informationen für die Einschätzung liefern konnte, ist es vorstellbar, dass das Bild bzw. die durch das Bild übermittelten Informationen für diese Aufgabe relevant sind. In der Heatmap befinden sich zwei große Flächen mit einer roten Markierung, die auf die hohe Intensität der Fixationen wiedergibt, womit wegen der Aufgabenstellung 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 317 gerechnet werden kann. Jedoch fällt hierbei auf, dass die visuelle Aufmerksamkeit von allen Lernenden im Wesentlichen auf die textlichen Elemente des Bildes gerichtet ist. Die Intensität der visuellen Aufmerksamkeit auf andere Elemente dieses Bildes ist im Vergleich dazu sehr niedrig. Beispielsweise wurde das Denkmal im Bild nicht auffällig intensiv fixiert, obwohl solche Elemente für die offenen Fragen der Aufgaben einige nonverbale Informationen oder Hinweise geben können. Daraus ist zu erkennen, dass Texte bzw. textliche Elemente bei der Informationsaufnahme der Probanden Priorität erhalten haben. Mit anderen Worten tendierten die Probanden bei der Informationswahrnehmung und -aufnahme dazu (möglicherweise wegen zeitlicher Einsparung), lediglich auf die vorhandenen textlichen Elemente zu achten. Generell gesehen haben die Probanden (unter den in den Lerninhalten vorhandenen Bildern) mehr Augenmerk auf Bilder gerichtet, wenn die Bilder über textliche Elemente verfügen. Das kann erklären, warum das erste Bild auf der linken Seite im Schaubild 7-102e im Vergleich zu den anderen Bildern intensiver fixiert wurde, weil es im Bild um eine Fahrkarte geht und mehrere Wörter auf der Fahrkarte stehen. Ein ähnliches Phänomen ist auch in der ersten Studie (vgl. Kapitel 7.2.1) anzutreffen. In der Lektion des Buchs gibt es zwei Grafiken oder Tabellen, die textliche Elemente enthalten. Nach den entsprechenden Heatmaps ist leicht herauszufinden, dass solche grafischen Darstellungen zum einen beim Selbstlernen von allen Lernenden kaum vernachlässigt wurden. Zum anderen lässt sich beobachten, dass die meisten Fixationen auf den dort stehenden Wörtern (siehe Abb. 7-9 und Abb. 7-11) gelegen sind, jedoch die anderen Elemente (Layout oder innerer Zusammenhang zwischen den Elementen der Grafiken) nicht besonders beachtet wurden. In Anlehnung an das Gazeplot hat beispielsweise die Probandin keine Rücksicht auf die Nummern auf der rechten Seite der grafischen Darstellung genommen (siehe Abb. 7-8). Dort findet sich nur eine kurze Fixation auf dem Wort „Klasse“ und die darunter stehenden Nummern haben keine Fixation erregt. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass die Probandin nicht beobachtete, welche Klasse zu welchem Schultyp bzw. zu welcher Klassenstufe gehört. Im Folgenden wird die Prozentangaben betreffend das Verhältnis zwischen den Ein‐ trägen der Wörternetze der Probanden und ihren jeweiligen Fixationen in den Blick genommen. Die Angaben lassen sich mit Hilfe der folgenden Tabelle zeigen. Probanden Anteil der fixierten Wörter Nr .1 60,81 % Nr.-3 72,50 % Nr.-4 93,10 % Nr.-6 63,04 % Nr.-8 68,09 % Nr.-10 75,00 % Nr.-12 65.52 % Nr.-14 78,78 % 318 7 Datenauswertung und -analyse 224 Anmerkung: Dazu gehören die Wörter, die zu den Wörternetzen hinzugefügt worden sind, aber nicht auf die bearbeiteten Übungen zurückgehen können. Probanden Anteil der fixierten Wörter Nr.-16 65,96 % Nr.-18 72,31 % Tab. 5: Anteil der fixierten Wörter in den Wörternetzen (Gruppe B in der zweiten Studie) Die vorliegende Tabelle liefert Informationen über das Verhältnis zwischen der Gesamt‐ zahl der Einträge (Lernitems) und den Einträgen, die im Zusammenhang mit den beim Selbstlernen besonders intensiv betrachteten sprachlichen Zeichen stehen. Vor allem ist aus der Tabelle zu entnehmen, dass die Prozentangaben bei der Gruppe B ebenfalls stark schwanken, was den Prozentangaben bei der Gruppe B in der ersten Studie ähnlich ist. Generell ist zu ersehen, dass die Anteile der einschlägigen Wörter bei allen Probanden der Gruppe über 60 % liegen. Auf der einen Seite kann das darauf hindeuten, dass eine bestimmte Beziehung zwischen den Einträgen der Wörternetze und den beim Selbstlernen vorgekommenen Fixationen besteht. Durch den Vergleich der Tabelle über die identische Gruppe in der ersten Studie (Tabelle 2) ist auf der anderen Seite leicht herauszufinden, dass die Anteile in der zweiten Studie bei den meisten Probanden höher sind als die Anteile in der ersten Studie. Wie im vorangegangenen Kapitel über die Darstellung der Ergebnisse beschrieben, ist die Prozentangabe in Bezug auf die Analyse der Wörternetze desto besser, je höher die Prozentzahl ist. Dies kann aber implizieren, dass der Anteil der Einträge, die von den Probanden frei assoziiert worden sind, oder der Anteil der Einträge, deren Repräsentationen nach der visuellen Aufmerksamkeit im mentalen Lexikon aktiviert worden sind, generell in den Buch-Wörternetzen höher sind. Nur bei Probandin Nr. 12 ist dies nicht der Fall. Während circa 72 Prozent der eingetragenen Wörter zu den beim Selbstlernen mit dem Buch besonders betrachteten Wörtern gehören, beläuft sich der Anteil der Wörter in den Wörternetzen, die in der zweiten Studie produziert worden sind, auf ungefähr 65 Prozent. Ein Grund besteht darin, dass die Probandin in der zweiten Studie nicht nur eine höhere Zahl der Wörter beim Entwickeln ihrer Wörternetze aufgeschrieben, sondern auch basierend auf den bereits eingetragenen Wörtern initiativ viele eigene Wörter 224 assoziiert hat. Dies hat ergeben, dass die Prozentzahl der Wörter, die beim Lernen besonders intensiv fixiert und nachträglich in die Wörternetze eingetragen wurden, geringer wird. Die ausführliche Diskussion findet sich in Kapitel 7.4.4. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 319 Abb. 7-103: Wörternetze der Probandin Nr.-12 Wenn die Wörternetze der Probandin, die sie in den beiden Studien produziert hat, inhaltlich verglichen werden, sind außerdem mehr Kollokationen in den Wörternetzen zu sehen, die in der zweiten Studie produziert werden. Dort hat die Probandin „Kultur kennenlernen“, „Spaß machen“, „Leute treffen“, „Ski fahren“ und „Fahrkarte kaufen“ aufgeschrieben, während lediglich die Wortverbindung „etwas Neues lernen“ zu ihren Wörternetzen hinzugefügt wurde. Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass der Unterschied auf die im digitalen Lernangebot zur Verfügung stehenden Videos zurückzuführen ist. Als Grund für die Vermutung beziehen sich manche eingetragenen Wortverbindungen, beispielsweise „Spaß machen“ und „Ski fahren“, auf die Videoszenen, die die Probanden angesehen haben. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Probandin mit den 320 7 Datenauswertung und -analyse 225 Die Wörternetze befinden sich im Anhang. Einträgen bzw. mit den Wortverbindungen die Filmszenen wiedergegeben hat. Daraus ergibt sich auf der Grundlage der Modelle über die Funktionsweise des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.1) und die Entwicklung der Repräsentationen im mentalen Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.3) die Möglichkeit, dass die Szenen der Videos möglicherweise andere themenbezogene dynamische Bildinhalte auf der gedanklichen Ebene bei der Probandin aktiviert haben. In diesem Zusammenhang ist der motivationale Grund des Eintragens der anderen Wortverbindungen vorstellbar (die Diskussion vgl. Kapitel 7.4.2 und Kapitel 7.4.4). Als anschauliche bildliche Ausdrücke werden die Einträge, wie „Kultur kennenlernen“ und „Leute treffen“, durch diese Aktivierung der bewegten Bildinhalte auf der gedanklichen Ebene begründet. Das kann vermutlich mit den anderen Einträgen, wie „im Wald“, „in Berg“ oder „in der Natur“, widergespiegelt werden. Anders als einige Probanden aus der identischen Gruppe hat die Probandin nicht nur Substantive, sondern auch Präpositionen als mehrere ganzheitliche Einträge in den Wörternetzen aufgeschrieben. Im Vergleich mit den einzelnen Substantiven (wie zum Beispiel die Einträge „Wald“ oder „Berg“) erweist sich die Konstruktion mit Substantiven in Verbindung mit Präpositionen (beispielsweise „im Wald“ oder „im Berg“) als bildhaft und anschaulich. Die Tatsache, dass die Probandin die Wörter mit dieser Konstruktion in die Wörternetze eingetragen hat, ist vermutlich auch auf Videos und ihren Einfluss auf die gedankliche Ebene zurückzuführen. Im Gegensatz dazu verfügt das Buch lediglich über statische visuelle Elemente und es ist daher vorstellbar, dass die Aktivierung der Assoziation zu bewegten Bildinhalten auf der gedanklichen Ebene möglicherweise nicht so beständig sein kann wie der Fall betreffend die Informationsaufnahme in dem digitale Lernangebot. In diesem Zusammenhang kann erklärt werden, warum mehr Kollokationen in den Wörternetzen, die nach dem Lernen mit dem digitalen Lernangebot generiert worden sind, zu sehen sind. Bei dem Probanden Nr. 6 ist dies auch der Fall. In seinen Wörternetzen 225 sind auch mehr Kollationen bzw. Verb-Ob‐ jekt-Konstruktionen in den Wörternetzen zu sehen, die auf die Übungssets, in denen Videos vorhanden sind, auf der Online-Lernplattform zurückgehen. Das kann auch die Annahme bekräftigen, dass die Aktivierung der bewegten Bildinhalte auf der gedanklichen Ebene nach der Informationswahrnehmung und -aufnahme von Videos möglicherweise leichter vorgenommen werden kann. Es ist somit nachvollziehbar, dass der Proband unter diesem Einfluss nicht nur Substantive, sondern auch Wortverbindungen, die die bewegten Bildinhalte wiedergeben, in den Wörternetzen aufgeschrieben hat. In den Wörternetzen von manchen Teilnehmenden ist zwar diese Besonderheit nicht leicht zu ersehen, jedoch ist eine andere Auffälligkeit herauszufinden, dass die Untersuchungsteilnehmenden in der zweiten Studie bzw. nach dem Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot mehr Verben in ihre Wörternetze eingetragen haben. Das ist vermutlich ebenfalls auf das Ansehen der Videos oder auf die Informationsverarbeitung im digitalen Lernangebot zurückzuführen, weil bewegte Elemente auf der internetgestützten digitalen Lernplattform im Gegensatz zu dem gedruckten Buch vorhanden sind. Dieser Aspekt wird in Kapitel 7.4.4.3 weiter diskutiert. 7.2 Augenbewegungen beim Lernen mit unterschiedlichen Medien 321 7.3 Schriftliche Befragung Wie in Kapitel 6 in Bezug auf das Forschungsdesign beschrieben, wurde eine schriftliche Umfrage nach der zweiten Studie bzw. nach der gesamten Untersuchung durchgeführt. Diese schriftliche Umfrage bezieht sich auf die persönlichen Gefühle und die Gedanken der Probanden als Nutzer der beiden unterschiedlichen Medien in verschiedener Hinsicht. Die Ergebnisse dieser schriftlichen Befragung können beispielsweise auch ergänzende Informationen über die visuelle Aufmerksamkeit der Probanden liefern, was die Interpre‐ tation im Hinblick auf ihre Augenbewegungen in der Untersuchung unterstützen kann. Die Befragung bezieht sich außerdem auf die Schwierigkeit beim Selbstlernen mit den beiden Medien. Die schriftlichen Antworten der Probanden über die Interaktion zwischen ihnen und den beiden Medien können dem Forschenden zu einem besseren Verständnis des Blickverhaltens und des Einflusses der Medienwahl auf das außerschulische selb‐ ständige Wortschatzlernen der Studienteilnehmenden verhelfen. Durch diese Befragung können die Daten gewonnen werden, welche beim retrospektiven Lauten Denken nicht erhoben werden können und das Vorkommen einiger unerwarteter Augenbewegungen der Probanden erklären können. Daher kann dies nicht nur als ergänzende Ergebnisse zur Diskussion der gestellten Forschungsfrage dieser Arbeit über die Augenbewegungen der Lernenden angesehen werden, sondern auch eine Unterstützung für die zukünftigen didaktischen Herangehensweisen leisten, in denen die (visuelle) Aufmerksamkeit der Lernenden beim Fremdsprachenlernen berücksichtigt wird. Diese schriftliche Befragung enthält auch die Fragen hinsichtlich der Nutzung der Medien für das außerschulische Selbstlernen. Dort werden die Lernenden aufgefordert, an das Selbstlernen in den zwei Studien zurückzudenken und dazu eine persönliche Beurteilung zu geben. Es geht bei‐ spielsweise darum, wie sie sich beim Lernen mit einem Buch oder mit einem digitalen Lernangebot fühlen. Die Ergebnisse können als zusätzliche Daten für die Diskussion über die Forschungsfrage über die Entwicklung der Wörternetze verwendet werden, indem ihre Beurteilung zum Selbstlernen und ihre Wörternetze zusammenhängend in Kapitel 7.4.3 betrachtet werden. Genauso wie bei der ersten schriftlichen Umfrage, welche vor Beginn der gesamten Untersuchung stattfand, konnten die Untersuchungsteilnehmenden in dieser schriftlichen Befragung alle dort gestellten Fragen auch auf Chinesisch beantworten. Diese Entscheidung beruht auf einigen kulturellen Aspekten und auf der differenziellen Persönlichkeit der Probanden sowie deren Sprachniveaustufe, wie in Kapitel 6.1.1 und Kapitel 6.2.1 dargestellt. Als Vorteil brauchten alle Probanden in der schriftlichen Umfrage sich nicht mit dem Verfasser zu konfrontieren, was möglicherweise die Antworten der Probanden auf die Fragen in der schriftlichen Befragung beeinflussen könnte. Im Vergleich zu mündlichen Befragungen (beispielweise Interviews mit Audioaufnahmen) können die Probanden in der schriftlichen Befragung mehr Zeit für die Überlegung zu den Fragen haben und zugleich die Zeit für jeweilige Fragen selbst organisieren. All dies kann weitgehend sicherstellen, dass die Probanden ihre Kritik entspannt äußern und auch ihre innere Perspektive in der Befragung ausdrücken konnten. Die erste Frage in der schriftlichen Befragung bezieht sich auf den Umgang mit den beiden in der Untersuchung verwendeten Medien, wenn die Lernenden mit den beiden 322 7 Datenauswertung und -analyse 226 Die Diskussion dazu vgl. Kapitel 7.4.4.3 und 7.4.4.4. 227 Der Aspekt über die Länge der Blickfixationen wird in Kapitel 7.4.4.2 diskutiert. 228 Die Diskussion im Hinblick auf das Selbstlernen chinesischer Deutschlernender findet sich in Kapitel 7.4.4.4. Medien die deutsche Sprache selbstständig lernten. Die Lernenden können hier Probleme oder Schwierigkeiten beschreiben, auf welche die Probanden in den beiden Studien gestoßen sind. Ausgehend von Antworten von allen Untersuchungsteilnehmenden lassen sich die Probleme in mehreren Aspekten unterteilen. Als Erstes können die gedruckten Medien wegen seiner Merkmale (vgl. Kapitel 4.3) schwer vielfältige Aufgaben für verschiedene Lerntypen bereitstellen. Die Lernenden können daher beim außerschulischen Selbstlernen mit den gedruckten Lernmaterialien nur einen eingeschränkten Handlungsspielraum haben, gemäß ihren jeweiligen persönlichen Interessen und Lernzielen die Entscheidung und auch die Zusammenstellung für die dort verfügbaren Lerninhalte vorzunehmen. Diese eingeschränkten Möglichkeiten können ein individualisiertes Lernen dementsprechend behindern (vgl. Kapitel 4.3). 226 Außerdem wird das Layout des Buchs von manchen Probanden auch kritisiert. Beispielweise halten die Lernenden Nr. 16 und Nr. 18 das Layout des Buchs für nicht positiv, weil sie nicht immer sofort die Aufgabenstellung identifizieren konnten. Aus der Sicht der Probandin Nr. 14 war es störend, wenn die Textpassagen eines langen Fließtexts wegen seiner Länge auf zwei Buchseiten verteilt waren (siehe beispielsweise Abb. 7-22 in Kapitel 7.2.1.1.3). Hinzu kommt noch eine ähnliche Situation, dass der Fließtext und seine entsprechenden Aufgaben auch aus dem oben erwähnten Grund nicht auf einer Buchseite standen. Daraus ist zu erkennen, dass die Schwäche der analogen Medien bzw. der beschränkte Raum einer Buchseite (vgl. Kapitel 4.3) einen Einfluss auf den Lesefluss (und möglicherweise auch das einschlägige Blickverhalten) der Probanden ausüben kann: In beiden Situationen müssen Lernende gegebenenfalls hin und her blättern, was dazu führen kann, dass der Lesefluss (bei einigen Probanden) beeinträchtigt wird. Eine ähnliche Rückmeldung ist auch bei der Probandin Nr. 7 anzutreffen. In der Umfrage meinte sie, dass das wiederholte Blättern und hinzu noch viele unbekannte Wörter in einem langen Fließtext zu einer großen kognitiven Belastung beim Selbstlernprozess führten. Zudem ist zu erklären, warum manche Wörter trotz der intensiven Blickfixationen nachträglich nicht in die Wörternetze eingetragen wurden. 227 Die Meinung zum Layout des Buchs wurde auch von der Probandin Nr. 9 geteilt und sie hat basierend auf dem Inhalt der Lektion selbst einen Vorschlag zu einem für sie vernünftigeren Layout des Buchs gemacht. 228 Trotz aller Kritiken war das Lösen der meisten Aufgaben beim Selbstlernen mit dem Buch für alle Probanden im Allgemeinen nicht problematisch, weil alle Probanden über viele Erfahrungen im Hinblick auf die Nutzung der gedruckten Lernmaterialien für das Fremd‐ sprachenlernen verfügt haben. Die Probandin Nr. 5 nimmt an, dass sie beim Selbstlernen mit dem Buch grundsätzlich ständig genau wisse, was der nächste Schritt (des Lernprozesses) sein sollte. Daher war der „Lernfluss“ schneller als das Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot. In der ersten Studie, in welcher die Probandin auf der Online-Plattform Deutsch eigenständig lernte, war sie oft ratlos. Da sie mit dem digitalen Lernangebot nicht vertraut war, wusste sie manchmal nicht, was zu tun sei. Aus diesem Grund hat sich die Probandin entschieden, die Navigationsleiste mehrmals anzuschauen, damit sie sich beim 7.3 Schriftliche Befragung 323 229 Dieser Aspekt wird in Kapitel 7.4.3 diskutiert. digitalen Lernen orientieren konnte. Diese Handlung ist durch Gazeplots und Heatmaps erkennbar (siehe Abb. 7-29b und Abb. 7-30c in Kapitel 7.2.1.2.1). Kombinierend mit dieser Antwort der Probandin lässt sich der Anlass des Augenmerks auf die Navigationsleiste feststellen. Die Fremdheit in Bezug auf das außerschulische Selbstlernen mit den digitalen Medien wurde von vielen Teilnehmenden der Untersuchung erwähnt und zu Beginn des Selbstlernens auf der Online-Lernplattform haben sie sich nicht auf die digitalen interak‐ tiven Aufgaben eingestellt, obwohl die Lernenden vor der vorliegenden Untersuchung über viele Erfahrungen bezüglich der allgemeinen Verwendungen der digitalen Medien verfügt haben. Darüber hinaus freundete sich die Probandin Nr. 11 nicht damit an, beim Lernprozess ihre Antworten zu den gegebenen Fragen mit Tastatur einzugeben, denn die Handlung war für sie generell nicht gewohnt. Eine ähnliche persönliche Ansicht ist bei der Probandin Nr. 4 anzutreffen. Sie fühlte, dass die Leistung in Bezug auf das Memorieren von Wörtern beim digitalen Selbstlernen nicht so gut war wie beim Selbstlernen mit dem Buch. Ein Grund besteht darin, dass sie in der ersten Studie (Buch) leichter mit einem Stift Notizen machen konnte, was ihr bei der Aneignung der sprachlichen Kenntnisse helfen konnte. Ferner haben manche Lernenden die Anstrengung ihrer Augen zum Ausdruck gebracht. Eine lange und intensive Beschäftigung vor dem Bildschirm haben die Augen von einigen Studienteilnehmenden belastet, was ihre Konzentrationsfähigkeit in der späteren Phase des Selbstlernens beeinträchtigt hat. Als eine weitere bemerkenswerte Rückmeldung nimmt die Probandin Nr. 3 trotz der vielfältigen Inhalte des digitalen Lernangebots an, dass sie bei ihrem digitalen Selbstlernen nicht wusste, die vorhandenen unterschiedlichen Lernressourcen im digitalen Lernangebot nutzbringend anwenden zu können. Mit anderen Worten lässt sich sagen, dass sie das „Know-how“ bzw. das anwendbare prozedurale Wissen für die Nutzung der digitalen Medien für das außerschulische Fremdsprachenlernen benötigt. 229 Bezüglich des Selbst‐ lernens auf der Online-Plattform ist die Antwort des Probanden Nr. 14 auch auffällig. In der Befragung nimmt der Proband an, dass die Videos auf der Lernplattform seine Lernmotivation erhöht haben, was der Darstellung in Kapitel 4.2 entspricht. Er konnte sich die Inhalte der Videos wegen seiner Sprachniveaustufe zwar nicht vollständig merken, aber es fiel ihm nicht schwer, die wesentlichen Bestandteile bzw. Aufnahmen des Videos zu memorieren. Das spiegelt sich in seinen Wörternetzen wider (siehe Abb. 7-98). Wie in Kapitel 7.2.2.2.3 beschrieben, stehen einige Einträge der Wörternetze in Zusammenhang mit den Hauptszenen der Videos und hierbei ist zugleich der Zusammenhang mit der visuellen Aufmerksamkeit des Probanden auch erkennbar: In seinen Wörternetzen lässt sich sehen, dass die Einträge sich nicht nur auf die Hauptszenen der Videos, sondern auch auf die anderen besonders fixierten Stellen auf den Videobildern beziehen. Dieser Aspekt wird in Kapitel 7.4.2 weiter behandelt. Da viele Probanden grundsätzlich nur wenige Vorerfahrungen mit dem Selbstlernen mit digitalen Medien oder Videos hatten, erweist sich die folgende offene Frage als spannend. In der Frage geht es darum, worauf sie sich beim Anschauen der Videos konzentrierten (oder konzentrieren wollten). Aus den Ergebnissen der schriftlichen Befragung lässt sich ent‐ 324 7 Datenauswertung und -analyse nehmen, dass die meisten Probanden die Figuren in den Videos erwähnt haben. Ihre visuelle Aufmerksamkeit wurde durch die Handlung und die Rede der Personen erregt. Mit anderen Worten haben die Probanden beim Anschauen der Videos grundsätzlich fokussiert, was die Personen machten und sagten. Zu den Personen gehören nicht nur die beiden Moderatoren und die Interviewten, sondern auch der Sprecher bzw. das Voiceover der Videos. Es lässt sich ohne Schwierigkeit ersehen, dass sowohl visuelle als auch auditive Sinneseindrücke beim Anschauen der Videos einen Beitrag zur Informationsaufnahme leisten. Basierend auf den Ergebnissen der schriftlichen Befragung und die grafischen Darstellungen bezüglich der Augenbewegungen sowie einschlägigen Video-Replays ist hierbei festzustellen, dass die auditiv empfangenen Informationen in den meisten Fällen überwiegen. Anders gesagt wurde die visuelle Aufmerksamkeit der Probanden dadurch gelenkt, was akustisch vorstellt oder beschreiben wird (siehe beispielsweise Abb. 7-46b, Abb. 7-47a, Abb. 7-86, Abb. 7-90 etc.). Außerdem nehmen mehr als die Hälfte der Probanden an, dass sie sich beim Anschauen auch auf die in den Videos aufgetretenen textlichen Elemente konzentriert hatten (siehe beispielsweise Abb. 7-60, Abb. 7-61c, 7-85c etc.). Ihre Äußerung kann durch die grafischen Darstellungen zu Augenbewegungen nachgeprüft und bestätigt werden. Wenn es deutlich lesbare textliche Elemente in Videobildern gibt, bewegt sich das Augenmerk der Probanden auf die textlichen Elemente und danach bleibt die visuelle Aufmerksamkeit dort für eine Weile stehen. Wenn die Probanden die Videos anschauten, wurde ihre visuelle Aufmerksamkeit auch durch dynamische Gegenstände in den Videos erregt. Exemplarisch dafür ist eine Hauptszene des Videos vom Übungsset „Das Deutschlandlabor: Schule“, wo es um das kleine Wettspiel über die Sammlung des Satzes „Ich liebe dich“ in verschiedenen Sprachen geht. Während die Figuren durch Interviews mit Schülern die Sätze ansammeln, werden die Namen der erwähnten bzw. zusammengetragenen Sprachen wie Untertitel nach oben rollend an der Ecke des Videobildes dynamisch angezeigt. In diesem Abschnitt des Videos wurden die bewegenden Schriften (die Namen der Sprachen) von den meisten Probanden fokussiert und ihr Augenmerk hat sich zugleich mit der Positionsbewegung der dynamischen Schriften bewegt (siehe beispielsweise Abb. 7-50). Dabei lagen nur einzelne Augenblicke auf dem Hintergrund bzw. auf den non-textliche Elementen vor. Daraus lässt sich die Priorität der textlichen Elemente bei den Probanden erkennen. Dies wird in Kombination mit anderen ausgewerteten Ergebnissen der Untersuchung in Kapitel 7.4 weiter diskutiert. In der schriftlichen Befragung wurden alle Probanden darüber hinaus noch gefragt, auf welche Weise sie die deutsche Sprache nach ihrem Gefühl besser selbst lernen können: mit dem Buch oder mit dem digitalen Angebot. Ein großer Teil der Studienteilnehmenden hat nach den zwei Studien mit den zwei unterschiedlichen Themen das außerschulische Selbstlernen mit dem Buch bevorzugt. Mehr als die Hälfte aller Probanden vertritt die Auffassung, dass das Selbstlernen mit Büchern im Vergleich zum digitalen Lernen als vor‐ teilhafter oder effektiver anzusehen ist. Die Anzahl der Probanden, welche das Selbstlernen mit den digitalen Medien für effektiver halten, ist jedoch auch nicht deutlich gering. Die Anzahl beläuft sich insgesamt auf sieben. Außerdem vertreten noch zwei Teilnehmende den Standpunkt, dass sowohl Buch als auch Computer ihr Selbstlernen hinsichtlich des Wortschatzes positiv beeinflussen könnten und dabei kein großer Unterschied vorliegen würden. 7.3 Schriftliche Befragung 325 In Verbindung mit der oben erwähnten Frage ergibt sich die Frage im Hinblick auf die Weiternutzung desjenigen Mediums, das in der letzten Frage als nicht sehr positiv bewertet worden ist. Es lässt sich erkennen, dass die meisten „Buch-Vertreter“ trotzdem für ihr Wortschatzlernen die digital codierten Lernmaterialien als inhaltliche Ergänzung für das außerschulische Deutschlernen einsetzen werden, während zwei Personen grundsätzlich auf die Nutzung der digitalen Lernmaterialien verzichten würden. Die beiden Personen halten aus ihrer Ansicht bzw. ihrer Einschätzung fest, dass sie beim Selbstlernen mögli‐ cherweise schwer mit den digitalen Medien effektiver lernen könnten. Im Gegensatz dazu wissen die anderen bereits genannten Buch-Vertreter die Potenziale digitaler Medien zu schätzen: Verschiedene interaktive Übungen können beispielsweise auf der Online-Lern‐ plattform angeboten werden, was die Lernmotivation erhöhen kann, wie in Kapitel 4.2 beschrieben. Ferner ist es auch auffällig, dass sämtliche „Computer-Vertreter“ keinesfalls ihr außer‐ schulisches Selbstlernen hundertprozentig digitalisieren würden. Ein Grund dafür besteht darin, dass die Lernenden nach ihrem außerschulischen Selbstlernen mit dem Buch ein positives Lernerlebnis leichter empfinden können, obwohl ihnen die digitalen Medien viele interessante multimediale Lernressourcen zur Verfügung stellen können. Außerdem nehmen einige Probanden an, dass sie sich beim Lernen mit Büchern gut beruhigen und zugleich besser auf das Lernen konzentrieren könnten. Des Weiteren kann man beim digi‐ talen Lernen auf einer Webpage nicht leicht sofort von allen angebotenen Lernmaterialien Notizen machen, obwohl diese technische Funktion in manchen digitalen Lernangeboten längst erfüllt werden können. Diese Ergebnisse im Hinblick auf die Nutzung der beiden Medien für das außerschulische selbständige Wortschatzlernen werden in Kapitel 7.4.3 weiter diskutiert. Um die Auffassungen der Probanden eingehend zu klären, wurde noch eine weitere Frage gestellt, die sich auf die Kriterien der Bewertung im Hinblick auf die Nutzung unterschied‐ licher Medien für das Selbstlernen bezieht. Diese Frage hängt zwar nicht mit ihren Augen‐ bewegung beim Selbstlernprozess eng zusammen, aber die Perspektiven der Probanden zu dieser Frage kann in Verbindung mit den ausgewerteten Augenbewegung dazu beitragen, fremdsprachendidaktische Herangehensweise im Hinblick auf das Selbstlernen mit den unterschiedlichen Medien oder die Gestaltung der Lernangeboten für das außerschulische Selbstlernen angemessen bzw. zielgruppenorientiert weiterzuentwickeln. Im Hinblick auf die am häufigsten erwähnten Parameter ist darauf zu verweisen, dass es von Relevanz ist: (1) ob die Themen der Lernmaterialien aktuell und alltagsnah sind; (2) ob vorher erworbene Sprachkenntnisse angewandt werden können und (3) ob man nach dem außerschulischen Selbstlernen ein Erfolgsgefühl erleben und Impulse erhalten kann. Hinzu kommt noch, dass die Lernmaterialien inhaltlich eng miteinander zusammenhängen und entsprechend einer adäquaten Progression in einem klaren Layout mit einer unkompliziert erfassbaren Aufgabenstellung komponiert werden sollten. Die oben genannten Beurteilungskriterien der Studienteilnehmenden basieren auf den Erwartungen der Probanden (vor dem Beginn der vorliegenden empirischen Untersuchung) und auch auf ihren (Vor)Erfahrungen sowie ihren Erkenntnissen bezüglich der Wahrnehmung der Informationen beim Prozess des Selbstlernens mit den beiden Medien im Rahmen dieses Dissertationsprojekts. Beruhend auf den jeweiligen Merkmalen der gedruckten und digitalen Medien (vgl. Kapitel 4.2 und 326 7 Datenauswertung und -analyse Kapitel 4.3) liegt nahe, dass die von den Probanden erwähnten Kriterien bei der Entwicklung eines digitalen Lernangebots für das außerschulische Selbstlernen im Vergleich zu einem analogen Lernangebot leichter erfüllt werden können. Auf der technischen Ebene kann beispielsweise ein internetgestütztes digitales Lernangebot den Lernenden vor allem un‐ begrenzte vielfältige Lernressourcen zur Verfügung stellen und beim Lernprozess können die Lernenden sich gemäß ihren Lernzielen in Verbindung mit ihrem persönlichen Interesse auf die dort vorhandenen Lerninhalte entscheiden und die Lerninhalten auf der Basis ihres eigenen erwünschten Stils flexibel zusammenstellen (die Diskussion hierzu vgl. Kapitel 7.4.3 und Kapitel 7.4.4.4). Ein solches außerschulisches Selbstlernen lässt sich schwer durch ein gedrucktes Medium realisieren. Beim außerschulischen Selbstlernen wurde auf mehrere Probleme aufmerksam gemacht, welche den Lernfluss der Probanden gestört haben. Beispielsweise verstanden viele Pro‐ banden beim Selbstlernen sowohl mit dem Buch als auch auf der Online-Lernplattform einige Aufgaben manchmal nicht vollständig und wussten nicht sehr genau, welche Schritte im nächsten Schritt durchgeführt werden sollten, wie in diesem Teilkapitel bereits erwähnt. Als weiterer Kritikpunkt ist darauf zu verweisen, dass einige Probanden der Ansicht waren, dass die Darstellungsmöglichkeiten der Inhalte in den Büchern als monoton zu klassifizieren sind. Im Buch werden die meisten Lerninhalte durch Texte präsentiert und mitunter werden Bilder oder Audiodaten hinzugefügt, was im Prozess des Selbstlernens zur Ermüdung und Demotivierung führen könnte. Was dies angeht, besitzen digitale Medien (Computer) den Vorteil, dass alle Inhalte dank der Digitalisierung räumlich nicht beschränkt werden und auf unterschiedliche Weise wiedergegeben werden können. Viele Texte stellen in digitalen Medien keine normalen Texte mehr dar. Vielmehr werden sie zu Hypertexten transformiert, die miteinander und mit anderen Darstellungsmodi der Lerninhalte gekoppelt werden können. Dennoch ist dieser Vorteil für manche Teil‐ nehmende eine „Unannehmlichkeit“. Sie fühlten sich gelegentlich ratlos, wenn sie beim digitalen Lernen mit vielen unterschiedlichen Darstellungsmodi konfrontiert wurden. Aufgrund eines Erfahrungsmangels wissen sie nicht, wie die auf verschiedene Weise dargestellten Lernressourcen effektiv genutzt werden können. Infolgedessen wurde ihr Selbstlernen durch diesen Vorteil in manchen Fällen nicht positiv beeinflusst, sondern eher beeinträchtigt. Aus didaktischer Perspektive lohnt es sich darüber nachzudenken, wie man diesbezüglich als Didaktiker*innen oder als Entwickler*innen von Lernangeboten oder Lernmaterialien für das selbständige Fremdsprachenlernen in dem außerschulischen Kontext eine angemessene Balance erreichen kann. Dies wird in Kapitel 7.4.3 und auch in Kapitel 7.4.4.3 diskutiert. 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse Nach der Auswertung der erhobenen Daten, die für die vorliegende Untersuchung wichtig sind, werden in diesem Kapitel die dargestellten Daten miteinander in Verbindung ge‐ bracht und zusammenhängend vorgestellt. Die kohärente Darstellung gliedert sich in die 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 327 230 In Kapitel 6 wurden die Instrumente vorgestellt, die für die Datenerhebung in der empirischen Un‐ tersuchung eingesetzt wurden. Dabei wurde beschrieben, dass Kameras während des Selbstlernens der Probanden verwendet, damit ihre Mimik aufgenommen werden konnten (vgl. Kapitel 6.1.2). Im Allgemein besteht kein große sichtbare Ausdrucksänderung aller Probanden, werden somit die erhobenen Daten in Bezug auf die Gesichtsausdrücke der Probanden nicht weitergehend ausgewertet und in der vorliegenden Arbeit gezeigt. Eine spürbare Änderung der Gesichtseindrücke kam nur kurz vor, wenn die Lernenden die Videos auf der Online-Lernplattform anschauten. Die Lernenden sahen erleichtert aus und dies ist bei vielen Probanden anzutreffen. folgenden Aspekte und am Ende dieses Kapitels werden die gestellten Forschungsfragen beantwortet. 230 7.4.1 Wörter in den Wörternetzen In Kapitel 7.1 (siehe Tab. 1) wurden der Durchschnittswert und auch der Median in Bezug auf die Anzahl der Einträge in den Wörternetzen der Untersuchungsteilnehmenden in den beiden Studien angegeben. Die durchschnittliche Zahl der Gruppe A in der ersten Studie mit dem Thema „Ausbildung und Karriere“ liegt bei 49 und der entsprechende Median beläuft sich auf 50,5, während der Wert der Gruppe B im Durchschnitt bei 54,4 liegt und der Median 57 ausmacht. In der zweiten Runde erreicht die durchschnittliche Zahl der Gruppe A 44 und der Median beträgt 37. Die entsprechende Durchschnittszahl der Gruppe B in der zweiten Studie beläuft sich auf 45 und ihr Median erreicht 43. Wenn die Werte zwischen den Gruppen verglichen werden, lässt sich ersehen, dass die Gruppe B sowohl in der ersten Studie als auch in der zweiten Studie mehr Wörter generiert hat. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Gruppe B beim selbständigen Wortschatzlernen auf der Makroebene besser abschneidet. Da die Lernmaterialien im Buch und auf der Online-Lernplattform inhaltlich nicht völlig übereinstimmend sind, können die Daten zwischen den Gruppen nicht direkt weitergehend verglichen werden. Wenn die Daten in der Tabelle in Bezug auf die Durchschnittswerte und Mediane der Probanden aus der gleichen Gruppe in den beiden Studien gegenübergestellt werden, ist zu beobachten, dass die Gruppe A in der ersten Studie mehr Wörter als sie (als Gruppe B) in der zweiten Studie produziert hat. Das heißt, dass die Gruppe insgesamt mehr Wörter eingetragen hat, wenn sie beim Lernen das Buch verwendet. Allerdings ist dies in der anderen Gruppe nicht der Fall. Im Allgemeinen haben die Probanden aus dieser Gruppe weniger Wörter eingetragen, wenn sie mit dem Buch den Wortschatz lernen. Jedoch fällt hierbei auf, dass die Differenz der Anzahlen der Gruppe in den beiden Studien groß ist. Der Durchschnittswert der Gruppe in der ersten Studie (Lernen auf der Online-Plattform) liegt bei 54,4, während ihr Wert in der zweiten Studie (Lernen mit dem Buch) lediglich 44 erreicht. Außerdem ist die Differenz der Gruppe im Hinblick auf den Median auch groß. Der Median in der ersten Studie beläuft sich auf 57, während er in der zweiten Studie nur 37 beiträgt. Daraus ist zu erkennen, dass die Gruppe beim Wortschatzlernen mit dem digitalen Lernangebot besser abschneidet. Auf der Grundlage der kontrastiven Gegenüberstellung lässt sich allerdings nicht feststellen, durch welche Medien die Gruppen einen offensichtlich größeren Vorteil für das Wortschatzlernen haben. Im Folgenden werden die jeweiligen Angaben der Einträge in den Wörternetzen aller Probanden aufgeführt. 328 7 Datenauswertung und -analyse 1. Studie (Ausbildung und Karriere) 2. Studie (Freizeit und Urlaub) Gruppe A Gruppe B Gruppe A Gruppe B Prob. Anz. Prob. Anz. Prob. Anz. Prob. Anz. Nr.-1 62 Nr.-2 51 Nr.-2 56 Nr.-1 74 Nr.-3 70 Nr.-5 30 Nr.-5 37 Nr.-3 40 Nr.-4 40 Nr.-7 74 Nr.-7 53 Nr.-4 29 Nr.-6 60 Nr.-9 64 Nr.-9 64 Nr.-6 46 Nr.-8 37 Nr.-11 22 Nr.-11 32 Nr.-8 47 Nr.-10 30 Nr.-13 35 Nr.-13 23 Nr.-10 40 Nr.-12 18 Nr.-15 83 Nr.-15 32 Nr.-12 29 Nr.-14 44 Nr.-17 57 Nr.-17 36 Nr.-14 33 Nr.-16 57 Nr.-20 74 Nr.-20 63 Nr.-16 47 Nr.-18 72 - - - - Nr.-18 65 Tab. 6: Übersichtstabelle über Anzahlen der Einträge in den Wörternetzen Die vorliegende Tabelle zeigt die Übersicht der Anzahl der Einträge in den Wörternetzen der jeweiligen Teilnehmenden in der Untersuchung. Wenn die Daten intrapersonal bzw. innerhalb einer Person in den beiden Studien gegenübergestellt werden, lässt sich ausge‐ hend von der Quantität der Einträge der Wörternetze sagen, dass die Probanden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung beim außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen mit den beiden Medien unterschiedlich abschneiden. Mit anderen Worten ist es nicht er‐ sichtlich, welches Medium mehr geeignet für das Selbstlernen in Bezug auf die lexikalische Aneignung (bei den chinesischen DaF-Lernenden) ist. Insgesamt neun Probanden haben nach dem Selbstlernen mit dem Buch mehr Wörter produziert und zugleich auch neun Probanden waren nach dem Lernen mit dem digitalen Lernangebot produktiver. Es gibt noch eine Person (Probandin Nr. 9), bei der die Anzahl ihrer Einträge in den Wörternetzen in der ersten Studie genauso ist wie die der Wörternetze, die nach dem Selbstlernen in der zweiten Studie generiert werden. Aus der Tabelle ist daher zu entnehmen, dass bei keinem der beiden Medien ein eindeutiger Lernvorteil für den außerschulischen selbständigen Wortschatzerwerb in der Fremdsprache Deutsch (im Rahmen der vorliegenden Untersu‐ chung) zu erkennen ist. Da alle Probanden mit den beiden in der Untersuchung verwendeten Medien nicht ver‐ traut waren, ist basierend auf den Ergebnissen der schriftlichen Befragung und auch auf der im Theorieteil dargestellten Lerngewohnheiten (vgl. Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3) vorstellbar, dass sich die Lernenden, die (wegen der Lerngewohnheiten des Fremdsprachlernens) gerne etwas in der Hand haben, beim außerschulischen Selbstlernen mit dem gedruckten Lernmaterial besser konzentrieren konnten. Dies kann ermöglichen, dass die Lernenden nach dem Selbstlernen mehr Wörter in die Buch-Wörternetze eingetragen haben. Bei den Lernenden, die mehr Einträge in ihren Plattform-Wörternetzen produziert haben, ist 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 329 231 Siehe die vorherige Fußnote in der vorliegenden Arbeit. die höhere Anzahl der Einträge auf die Merkmale der digitalen Medien zurückzuführen. Wie in der theoretischen Grundlage beschrieben, können die Lerninhalte durch das Zusammenspiel der verschiedenen Zeichensysteme als ein Merkmal der digitalen Medien veranschaulicht dargeboten werden. Ein komplexer Gegenstand lässt sich wegen des unbeschränkten Raums in einem digitalen Lernangebot durch mehrere Bilder, Animationen oder Ähnliches verständlich darstellen. Ein Sachverhalt kann ebenfalls ohne eine lange oder ausführliche sprachliche Erläuterung durch ein bewegtes Bild oder ein Video anschaulich präsentiert werden. Diese Multimedialität und Multimodalität des digitalen Lernangebots kann eine Umgebung zur Förderung der lexikalische Entwicklung der Lernenden bieten (vgl. Kapitel 4.2). Durch den quantitativen Vergleich der Einträge in den Wörternetzen der Probanden ist zwar nicht deutlich zu erkennen, welches Medium einen großen Lernvorteil beim außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen bei chinesischen DaF-Lernenden hat. Allerdings liegen einige Auffälligkeiten bei den Wörternetzen vor, welche die Probanden nach den beiden Studien entwickelt haben. Beispielsweise fällt es auf, dass alle Probanden nach dem Selbstlernen auf der internetgestützten elektronischen Lernplattform im We‐ sentlichen eine bestimmte Menge der Wörter, die in einem Zusammenhang mit den Inhalten der Videos im digitalen Lernangebot stehen, in ihre jeweiligen Wörternetze eingetragen haben. Außerdem ist auch zu beobachten, dass viele sprachliche Zeichen, die textlich in den Übungen des digitalen Lernangebots vorkommen, zwar besonders intensiv fixiert wurden, aber nach dem Selbstlernen nicht als reproduzierte Lernitems in die Wörternetze eingetragen worden sind. Basierend auf der im Theorieteil dargestellten Merkmale der digitalen Medien (vgl. Kapitel 4.2) besteht einer der möglichen Gründe darin, dass ein Gegenstand oder ein Sachverhalt multimedial, multicodal und multimodal in einem digitalen Lernangebot präsentiert werden kann. Das sinnvolle Zusammenspiel der semiotischen Ressourcen und Sinnesmodalitäten kann die Verarbeitung der Informationen in den digitalen Lernmaterialien intensivieren. Dies ermöglicht den Lernenden, das Wissen langfristig (oder längerfristig) im Gedächtnis zu halten. Darüber hinaus können das Inter‐ esse an Lerninhalten und auch die Verwendung der Kenntnisse gefördert werden, wenn die Lerninhalte durch Multicodierung und Multimodalität authentisch und realitätsnah präsentiert werden (vgl. Weidenmann 2011: 85). Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass sich die Probanden beim Anschauen der Videos entspannter fühlten und sie bei der Informationsverarbeitung eine positive Stimmung hatten. Diese Annahme kann durch die von der Kamera erfasste Änderung des Gesichtsausdrucks der Lernenden unterstützt werden. Alle Probanden sahen erleichtert und locker aus, wenn sie die Videos auf der Online-Lernplattform anschauten. 231 In diesem Zusammenhang befördert all dies, dass die gelernten Lerninhalte bzw. die in den Videos wahrgenommenen Inhalte nach dem Selbstlernen leichter wiedergegeben werden können als die Inhalte, die nicht durch Videos präsentiert worden sind. Dafür spricht die Tatsache, dass positive Gefühlsbetonungen nicht nur die Menge der Informationsverarbeitung beeinflussen, sondern auch die Beständigkeit der im Gehirn aufgenommenen Informationen erhöhen können (vgl. Kieweg 2003: 7). 330 7 Datenauswertung und -analyse Angesichts der Tatsache, dass manche Probanden (beispielsweise Studienteilnehmende Nr. 3, Nr. 7 und Nr. 15) unabhängig von der Gruppe in der ersten Studie deutlich mehr Einträge als in der zweiten Studie produziert haben, stellt sich hierbei die Frage, ob die Reihenfolge der Verwendung der Medien für das Selbstlernen in den beiden nacheinander durchgeführten Studien auch eine Rolle spielen kann. Es ist vorzustellen, dass die Probanden sich vor der zweiten Studie schon das in der ersten Studie benutzte Medium für das Selbstlernen eingewöhnt und ein spezifisches Wahrnehmungsmuster der Informationen gebildet haben. Allerdings ist das Muster möglicherweise nicht ge‐ eignet für die Informationsaufnahme mit dem Medium in der anschließenden bzw. der zweiten Studie der Untersuchung, weil sich die Merkmale der beiden Medien und ihre Darstellungsmöglichkeiten von Informationen voneinander unterscheiden (vgl. Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3). Das heißt, dass die Strategien oder (Vor)Erfahrungen, welche die Probanden mit dem in der ersten Studie eingesetzten Medium aufgebaut oder gesammelt haben, in der zweiten Studie nicht ohne weiteres angewandt werden können. Dies kann einen Einfluss auf das Output in der zweiten Studie ausüben. Im obigen Abschnitt des Kapitels wird beschrieben, dass die Differenz der Gruppe, die in der ersten Studie auf der Online-Lernplattform und danach mit dem Buch selbstgesteuert lernte, in Anlehnung an die Tabelle bezüglich der Durchschnittswerte und Mediane groß ist. Im Vergleich dazu ist der Unterschied zwischen den entsprechenden Werten der anderen Gruppe, die in der ersten Studie mit dem Buch lernte, nicht erheblich. Hierbei lässt sich auf der theoretischen Grundlage über die Auswirkung der digitalen Medien auf das Lernen (vgl. Kapitel 4.2) die Vermutung nahelegen, dass die Mitglieder der Gruppe, die in der ersten Studie das digitale Lernangebote Medien benutzten, in der zweiten Studie (beim Selbstlernen mit dem Buch) weniger motiviert waren, denn die Mitglieder der Gruppe mussten sich während des Selbstlernens in der zweiten Studie mit dem unbekannten Medium (Buch) erneut vertraut machen. Hinzu kommt, dass sich die Kodierungsformen des Buchs und des digitalen Lernangebots voneinander unterscheiden, wobei keine Videos oder interaktive Übungen im gedruckten Medium zur Verfügung stehen, was das Interesse der Lernenden an den Lerninhalten beim Selbstlernen reduzieren könnte. Beispielsweise hat die Probandin Nr. 15 nach dem Lernen auf der Online-Plattform in ihren Plattform-Wörternetze insgesamt 83 Wörter aufgeschrieben. Allerdings hat sie in der zweiten Studie bzw. nach dem Selbstlernen mit dem Buch lediglich 32 Wörter in ihre Wörternetze eingetragen. Für die Diskussion und die Identifikation bezüglich dieses Aspekts sollen mehr statistische Daten erforderlich sein, daher bedarf es weiterer Untersuchungen mit einer größeren Anzahl von Teilnehmenden. Die Unterscheidung der Anzahl der Einträge kann beispielsweise auch auf das Lernthema zurückgeführt werden. Durch die Tabelle über die Durchschnittswerte und Mediane lässt sich sagen, dass sowohl Gruppe A als auch Gruppe B zum Thema „Ausbildung und Karriere“ auf der Makroebene mehr Wörter produziert hat als in der zweiten Studie, obwohl die beiden Gruppe ihre Medien für das Selbstlernen in der zweiten Studie ausgetauscht haben. Darüber hinaus lässt sich beobachten, dass sich die meisten der von den Probanden aufgeschriebenen Wörter auf den Teil des Themas „Ausbildung“ beziehen. Hierzu liegt die Vermutung nahe, dass alle Probanden wegen ihrer studentischen Identität mehr vertraut mit dem Thema der ersten Studie sind. Im Vergleich zur zweiten Studie ist das Thema der ersten Studie enger mit ihrem Alltagsleben verbunden. Die themenbezogenen Wörter 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 331 lassen sich daher von den Probanden beim Selbstlernen leichter nachvollziehen und als Repräsentationen in das mentale Lexikon integrieren sowie mit den anderen vorhandenen lexikalischen Einheiten in ihrem mentalen Lexikon verbinden, was einen Beitrag zur produktiveren Entwicklung der Wörternetze in der ersten Studie leistet. In Kapitel 7.2 wurden nicht nur die Augenbewegungen an Beispielen von einigen Untersuchungsteilnehmenden durch Gazeplots und Heatmaps beschrieben, sondern auch die Prozentzahlen der Wörter, die in den jeweiligen Studien von Probanden nach den Heatmaps länger fixiert werden, in den Wörternetzen tabellarisch dargestellt. Ergänzend dazu werden im Folgenden die Anteile der Wörter in der folgenden Übersichtstabelle zusammengestellt. 1. Studie (Ausbildung und Karriere) 2. Studie (Freizeit und Urlaub) Gruppe A Gruppe B Gruppe A Gruppe B Prob. Ant. Prob. Ant. Prob. Ant. Prob. Ant. Nr.-1 51,61% Nr.-2 49,02% Nr.-2 64,29% Nr.-1 60,81% Nr.-3 50,00% Nr.-5 80,00% Nr.-5 62,16% Nr.-3 72,50% Nr.-4 55,00% Nr.-7 62,16% Nr.-7 66,04% Nr.-4 93,10% Nr.-6 51,67% Nr.-9 57,81% Nr.-9 53,73% Nr.-6 63,04% Nr.-8 67,56% Nr.-11 77,27% Nr.-11 62,50% Nr.-8 68,09% Nr.-10 70,00% Nr.-13 74,29% Nr.-13 60,87% Nr.-10 75,00% Nr.-12 72,22% Nr.-15 72,29% Nr.-15 50,00% Nr.-12 65,52% Nr.-14 59,09% Nr.-17 64,91% Nr.-17 52,78% Nr.-14 78,78% Nr.-16 63,15% Nr.-20 74,32% Nr.-20 55,56% Nr.-16 65,96% Nr.-18 51,39% - - - - Nr.-18 72,31% Tab. 7: Übersichtstabelle über Anteile der fixierten Wörter in den Wörternetzen In erster Linie lässt sich sagen, dass die reproduzierten Items bzw. die von den Probanden nach dem Selbstlernen in die Wörternetze eingetragenen Wörter in einem Zusammenhang mit der visuellen Aufmerksamkeit bzw. mit den längeren Fixationen der Probanden stehen. Aus der Tabelle ist zu entnehmen, dass die Mehrheit der reproduzierten Items zu den von den Probanden beim Lernen besonders intensiv fixierten Wörtern in den Lernmaterialien zählt. Die meisten restlichen Einträge in den Wörternetzen der Probanden gehören zu den Wörtern, die mit den gegebenen Stichwörtern oder ihren nachträglich hinzugefügten Einträgen selbstständig in verschiedenen wortspezifischen Sinnrelationen (vgl. Kapitel 3.2) assoziiert werden. Die Zahl der Wörter, die bei wenig intensiven Blickfixationen von den Probanden zu ihren Wörternetzen hinzugefügt worden sind, ist gering. Das Ergebnis deckt sich damit, dass sich die Wahrnehmung von Informationen während der Blickfixationen ereignet, wie in Kapitel 5 dargestellt. Die sprachlichen Zeichen, die sich auf einen bestimmten Bereich in den Materialien der beiden Medien befinden, haben die 332 7 Datenauswertung und -analyse visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden erregt. Im Anschluss daran werden die von den sprachlichen Zeichen gelieferten Informationen wahrgenommen, wenn die sprachlichen Zeichen von den Lernenden eine gewisse Zeit betrachtet und fixiert worden sind (vgl. Kapitel 5.1). Auf der theoretischen Grundlage im Hinblick auf die Funktionsweise des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.1) und die Entwicklung der lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.3) lässt sich vorstellen, dass die Repräsentationen der beim Selbstlernen wahrgenommenen Wörter durch die Blickfixationen auf den textlichen oder bildlichen Reizen (oder akustischen Stimuli im digitalen Lernangebot) in das vorhan‐ dene mentale Lexikon integriert oder im vorhandenen mentalen Lexikon aktiviert werden. Die eingehende Diskussion im Hinblick auf die Blickfixationen findet sich in Kapitel 7.4.4.2. Auf der Gruppen-Ebene ist vor allem zu merken, dass kein großer Unterschied im Hinblick auf den Anteil der fixierten Wörter in den Wörternetzen der (meisten) Probanden festzustellen ist, die nach ihrem Lernen mit dem Buch entfaltet wurden. Im Vergleich dazu liegen die Prozentzahlen der eingetragenen Wörter, die beim Selbstlernen mit dem Buch besonders intensiv fixiert wurden, in den beiden Studien grundsätzlich zwischen 50 % und 65 %. Nur bei zwei Probanden (Nr. 10 und Nr. 12 in der ersten Studie) überschreitet ihre Prozentangabe diesen Bereich. Es ist vorstellbar, dass sich alle Probanden wegen ihrer Vor‐ erfahrungen und Vertrautheit mit dem Printmedium für das Fremdsprachenlernen auf das Selbstlernen gut konzentrieren konnten, wenn sie als Mitglieder der Gruppe A im Rahmen der vorliegenden empirischen Untersuchung mit dem Buch die deutsche Sprache lernten. Dies hat eine tiefgehende kognitive Verarbeitung der wahrgenommenen Informationen für die Integration der neu aufgenommenen Repräsentationen in das vorhandene mentale Lexikon gefördert. So konnten die Lernenden beim Entwickeln ihrer Buch-Wörternetze sowohl die beim Lernprozess wahrgenommenen Repräsentationen als auch die damit verbundenen lexikalischen Einheiten, die zuvor bereits im mentalen Lexikon vorhanden waren, erfolgreich aus dem mentalen Lexikon abrufen und mit einer sinnvollen Anordnung in ihre eigenen Wörternetze eintragen. Diese Proportion ist bei (fast) allen Probanden bzw. bei ihren Buch-Wörternetzen nicht beträchtlich unterschiedlich. Wenn die Prozentangaben der Probanden (in der Tabelle 7) in der identischen Gruppe verglichen werden, fällt auf, dass die Anteile unter der Gruppe B sowohl in der ersten Studie als auch in der zweiten Studie stark schwanken. Beispielsweise ist der Anteil bei der Probandin Nr. 2 in der ersten Studie ca. 49 %, während der Anteil der Mitglieder aus derselben Gruppe, die Probandinnen Nr. 5 und Nr. 11, über 77 % liegen. Ein ähn‐ liches Ergebnis ist bei den Probanden, die in der zweiten Studie mit dem digitalen Lernangebot Deutsch selbst lernten, auch zu beobachten. Nach der Tabelle lässt sich erkennen, dass ca. 60 % der Einträge der Wörternetze der Probandin Nr. 1 zu den beim Lernprozess besonders intensiv betrachteten Wörter gehören, während der Anteil bei den Wörternetzen des Probanden Nr. 4 ungefähr 93 % erreicht. Beruhend auf den in der Tabelle gezeigten Anteilen lässt sich zwar nicht identifizieren, inwieweit ihre Leistung bezüglich des Wortschatzlernens mit den beiden Medien ist. Allerdings lässt sich aus dieser Tabelle in Verbindung mit der Tabelle über quantitative Angaben der Einträge sowie anderen Ergebnissen erkennen, dass die Entwicklung der Wörternetze bei den chinesischen Lernenden nach ihrem außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen mit einem digitalen Lernangebot deutlich individuell unterschiedlich sein kann, weil (im 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 333 Rahmen der vorliegenden Untersuchung) die auffälligen Werte sowohl in der ersten als auch in der zweiten Studie bei der Gruppe B vorliegen. Durch Beobachtung der Wörternetze der Probanden ist zu ersehen, dass die (basierend auf den nachträglichen Einträgen) frei assoziierten Items in den Wörternetzen die ermittelten Prozentzahlen bezüglich der Quote der besonders intensiv fixierten Wörter beeinflussen. Beispielweise hat die Probandin Nr. 5 in der ersten Studie bzw. nach dem Lernen mit dem digitalen Lernangebot insgesamt 30 Wörter zu ihren Wörternetzen hinzugefügt und davon betreffen 24 Einträge die Wörter, die beim Lernen besonders intensiv betrachtet wurden, wodurch die Quote in Höhe von 80 % ermittelt wird. Das kann im Rahmen der Theorie über die Funktionsweise des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.1) und über den Erwerb des L2-Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.3) bedeuten, dass nicht viele bereits im mentalen Lexikon vorhandenen lexikalischen Einheiten nach dem Eintragen der sprachlichen Zeichen, die beim Lernprozess durch intensive Blickfixationen aufgenommenen wurden, von der Probandin aktiviert worden sind. Im Vergleich dazu liegt die Gesamtzahl der Einträge in den Wörternetze der Probandin Nr. 2 bei 51 und davon gehören ca. die Hälfte der Einträge zu den Wörtern, welche die Probandin beim Entwickeln ihrer Wörternetze durch unterschiedliche konzeptuell-lexika‐ lische Verbindungen frei assoziiert hat. Ausgehend von der theoretischen Grundlage im Hinblick auf den Aufbau des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.2) und die Integration der Repräsentationen in das mentale Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.3) sowie auf die Beziehungen zwischen den Wörtern (vgl. Kapitel 3.1 und Kapitel 3.2) lässt sich sagen, dass die Probandin nach diesem Selbstlernen neben der Integration der neu wahrgenommenen sprachlichen Zeichen in das mentale Lexikon unterschiedliche gedanklich-semantischen Verbindungen zwischen ihnen und den bereits vorhandenen lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon hergestellt hat. Jedoch sind die entsprechenden Anteile bei den Buch-Wörternetzen von den beiden Probandinnen sehr ähnlich. Durch die Beispiele lässt sich erkennen, dass die Entwicklung der Wörternetze nach dem digitalen Selbstlernen individuell unterschiedlich ist. Basierend auf den Darstellungen über die Besonderheiten des Wortschatzlernens und die Lerngewohnheiten hinsichtlich des Fremdsprachenlernens bei den chinesischen Deutschlernenden (vgl. Kapitel 3.4 und Kapitel 4) und auch auf den Ergebnissen über die Mediennutzung in der ersten schriftlichen Befragung der Untersuchung (vgl. Kapitel 6.2.1 und Anhang A2) ist vorstellbar, dass manche Probanden vermutlich wegen des Mangels der Vertrautheit mit dem digitalen Lernangebot und auch wegen geringerer Erfahrungen mit dem digitalen Selbstlernen nicht so gelassen sein konnten, wie sie es mit dem Buch selbst lernen konnten. Sie mussten beim Lernprozess einen Teil ihrer Energie ausgeben, sich mit der Plattform vertraut zu machen. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die Online-Plattform den Probanden zahlreiche (interaktive) Ressourcen mit unter‐ schiedlichen Darbietungsformen für das Fremdsprachlernen zur Verfügung stellt. Daher können die Möglichkeiten bzw. der Handlungsspielraum im Hinblick auf die Verwendung der digitalen Medien für das Lernen mehr als das Fremdsprachenlernen mit einem Buch sein können. In diesem Zusammenhang ist es möglich, dass manche Lernenden wegen fehlender Erfahrungen und Kompetenzen bezüglich der Nutzung der digitalen Medien für das Fremdsprachenlernen beim außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen mit dem digitalen Lernangebot nicht immer in der Lage waren, die wahrgenommen Informationen tiefgehend zu verarbeiten. Als Folge lassen sich eine starke Verbindung oder eine stabile 334 7 Datenauswertung und -analyse Integration der beim Lernprozess aufgenommenen Wörter in das vorhandene mentale Lexikon schwer realisieren. Dies kann erklären, warum einige Studienteilnehmende nach dem digitalen Lernen beim Entwickeln der Plattform-Wörternetze wenige eigene Wörter aktiv assoziiert haben. Bezüglich der Strukturen der Teile der Wörternetze, die von den Probanden in den jewei‐ ligen Studien der Untersuchung generiert worden sind, ist erkennbar, dass ein Unterschied in dieser Hinsicht zwischen den Buch-Wörternetzen und den Plattform-Wörternetzen der Probanden besteht. In den Wörternetzen, die nach dem Selbstlernen auf der elektronischen Online-Plattform produziert worden sind, lässt sich erkennen, dass die auf die Übungen zurückgehenden Einträge je nach den dort vorhandenen Übungssets separat angeordnet (beispielsweise vgl. Kapitel 7.2.2.2.1) sind. Im Vergleich dazu sind die Einträge in den nach dem Selbstlernen mit dem Buch produzierten Wörternetzen nicht der gleiche Fall. Die Einträge stammen zwar aus verschiedenen Übungen im Buch, aber es ist in den Buch-Wörternetzen häufiger zu sehen, dass die Wörter von den Probanden miteinander verknüpft werden (exemplarisch vgl. Kapitel 7.2.2.1.2). Es kann damit begründet werden, dass die Inhalte vom Buch linear präsentiert werden. Außerdem ist nach den Video-Replays der Augenbewegungen der Probanden festzustellen, dass die Probanden im Grunde beim Lernen mit dem Buch die Übung nach der Reihenfolge der Seiten lösen. Hinzu kommt, dass alle Probanden viele Erfahrungen über das Lernen mit Printmedien haben. Daher ist es vorstellbar, dass die Probanden in der Lage sind, während des Lernens die wahrge‐ nommenen Informationen bzw. die gelernten lexikalischen Kenntnisse zugleich mit den vorhandenen Wissensbeständen in ihrem mentalen Lexikon strukturiert zu integrieren. Dabei kann zugleich auch eine Einbeziehung des vorhandenen semantisch-konzeptuellen Systems erfolgen, während sich eine intensive Fixation ereignet. Die genannten Aspekte werden in Kapitel 7.4.4 weiter diskutiert. Im Hinblick auf die erste gestellte Forschungsfrage dieser Arbeit über die Wörternetze lässt sich basierend auf den Outputs aller Probanden zusammenfassend sagen, dass eine Entwicklung der Wörternetze bei allen chinesischen Deutschlernenden nach dem außer‐ schulischen Selbstlernen mit den beiden Medien in der Untersuchung deutlich zu erkennen ist. Im Laufe des Selbstlernens sind den Wörternetzen aller Probanden immer neue Einträge hinzugefügt worden. Unter Berücksichtigung der quantitativen Aspekte liegt jedoch kein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Outputs und der Wahl eines Mediums für das außerschulische Wortschatzlernen vor, wie bereits beschrieben. Um einen Lernvorteil eines Mediums für das außerschulische selbständige Wortschatzlernen im DaF-Bereich eindeutig zu identifizieren, sollten noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden und dadurch mehr statistische Daten erhoben werden. Ausgehend von den Tabellen bezüglich der Outputs der Studienteilnehmenden sprechen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nicht eindeutig dafür, dass die Lernenden nach dem Lernen mit einem digitalen Lernangebot wegen seiner vielfältigen Vorteile (vgl. Kapitel 4) an mehr Wörter denken oder deutlich größere Wörternetze produzieren können. In Kombination mit den Ergebnissen der schriftlichen Befragungen ist vorzustellen, dass die chinesischen Lernenden wegen ihrer Lerngewohnheiten mit Printmedien weniger Pro‐ bleme mit der Nutzung des Buchs haben konnten, weil die vorhandenen Lerngewohnheiten und Vorerfahrungen mit den analogen Medien beim Umgang mit dem in der Untersuchung 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 335 verwendeten Lehrwerk helfen konnten. Im Vergleich zum digitalen Lernangebot ist das Buch außerdem physisch „anfassbar“. Die Probanden, besonders welche beim Lernen gerne mit einem Stift (spontan) etwas notieren oder auf die taktile Wahrnehmung bzw. den Tastsinn angewiesen sind, können den Vorteil der analogen Medien nutzen. Die Kombination mit der taktilen Wahrnehmung oder durch das sofortige Notieren mit einem Stift kann das Memorieren der zu lernenden sprachlichen Kenntnisse oder Inhalte bei den Probanden bei der Informationsaufnahme unterstützen und fördern, wie in Kapitel 4.2 dargestellt. Dieser Vorteil der gedruckten Medien kann den Probanden beim außerschuli‐ schen Selbstlernen ein „Sicherheitsgefühl“ vermitteln, welches ein Erfolgserlebnis beim Prozess der Sprachaneignung fördert. Das kann durch die Ergebnisse mancher Probanden in der schriftlichen Befragung bestätigt werden. Wie in Kapitel 4.1 beschrieben, ist dieses Erfolgserlebnis beim Selbstlernen bedeutsam, weil die Lernenden nach dem Selbstlernen mit einem solchen positiven Erlebnis immer motiviert bleiben können. Sie haben somit einen starken Antrieb für das weitere Selbstlernen. All dies trägt dazu bei, dass sie nach dem Lernen mit dem Buch mehr Wörter in die Wörternetze eingetragen haben, was des Weiteren basierend auf der Qualitätssicherung und der didaktischen Stützfunktion von Lehrwerken (vgl. Kapitel 4.2) leicht nachvollziehbar ist. Jedoch sollte hierbei auch berücksichtigt werden, dass das Output nach dem Selbstlernen mit den analogen Medium hinsichtlich der Entwicklung der Wörternetze bei den chinesischen Probanden dieser Untersuchung nicht deutlich überwiegt. Bei einer bestimmten Anzahl der Probanden sind aber mehr Einträge in ihren Plattform-Wörternetzen vorhanden, was darauf hindeuten kann, dass die Probanden (trotz weniger einschlägiger Erfahrungen) unabhängig von den Studien dieser Untersuchung beim Selbstlernen auf der Online-Lernplattform viele Informationen aufgenommen und im Gedächtnis behalten haben. Wie bereits in Kapitel 7.1 kurz dargestellt, liegt zudem ein spezifisches Phänomen bei den Plattform-Wörternetzen der Studienteilnehmenden vor. Dabei haben die Probanden trotz der Unsicherheit, die vom Monitor des mentalen Lexikons bestätigt wurde, die Wörter eingetragen, deren Lexem-Teil bei der Informationsaufnahme inhaltlich nicht vollständig gespeichert werden (vgl. Kapitel 2.2.3). Diese Wörter präsentieren sich als Fragmente mit ihren jeweiligen kontextgemäßen chinesischen Entsprechungen in den Wörternetzen (siehe Beispiele in Kapitel 7.1). Das Vorkommen solcher Einträge kann daran liegen, dass die Lerninhalte im digitalen Lernangebot mittels der Vorteile der digitalen Medien bzw. mithilfe des Zusammenspiels verschiedener Zeichensysteme anschaulicher präsentiert werden können und dieses Zusammenspiel unterschiedlicher semiotischer Ressourcen vor allem eine stärkere Aufnahme und Integration der semantischen Komponente der lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon fördern kann. Basierend auf den Modellen über Verbindungen zwischen dem semantisch-konzeptuellen System und das Lexikon von L1 und L2 (vgl. Kapitel 2.2.3) in Kombination mit den Augenbewegungen der Pro‐ banden lässt sich sagen, dass die semantische Komponente eines sprachlichen Zeichens bzw. einer deutschen lexikalischen Einheit beim Lernprozess häufig zuerst mithilfe der vorhandenen entsprechenden muttersprachlichen Repräsentation durch semantisch-kon‐ zeptuelle Verbindung aufgenommen wurde. Im Anschluss daran erfolgte die Aufnahme des Lexem-Teils. Dafür spricht die Tatsache, dass viele solche Einträge mit ihren chinesischen Entsprechungen in den Wörternetzen durch Bilder oder Videos (in Kombination mit 336 7 Datenauswertung und -analyse 232 Bei den Buch-Wörternetzen der Probanden ist nur ein solcher Eintrag vorhanden. der textlichen Darstellungsform in den Übungen) des digitalen Lerngebots übermittelt werden und sie beim Lernprozess von den Lernenden besonders intensiv fixiert wurden. Das Phänomen ist grundsätzlich nur bei Plattform-Wörternetzen zu betrachten. 232 Hierzu liegt die Vermutung nahe, dass die chinesischen Lernenden beim Selbstlernen mit dem Buch wegen weniger Darstellungsmöglichkeiten der Informationen und der visuellen Abhängigkeit der Lernenden (vgl. Kapitel 2.2.4) sowie der Lernangewohnheiten (vgl. Kapitel 3) unbewusst eher darauf geachtet haben, die Wortform der wahrgenommenen sprachlichen Zeichen in den Lerninhalten aufmerksam aufzunehmen. Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der ersten gestellten Forschungsfrage sagen, dass die Probanden dieser Untersuchung beim außerschulischen selbständigen Wortschatz‐ lernen sowohl mit dem Buch als auch mit einem digitalen Lernangebot ihre Wörternetze deutlich entwickelt haben. Jedoch liegt im Rahmen dieser Untersuchung kein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Outputs der Lernenden und der Auswahl eines Mediums für das außerschulische Selbstlernen vor. Im Hinblick auf die quantitativen Aspekte haben manche Probanden nach dem Lernen mit dem analogen Medium mehr Items in ihren Wör‐ ternetzen produziert als nach dem Lernen mit dem digitalen Lernangebot. Bei den anderen Probanden ist dies gerade umgekehrt. In Bezug auf den Anteil der reproduzierten Items, die sich auf die Blickfixationen beziehen, ist ersichtlich, dass ein großer Bestandteil der Einträge der von den Probanden generierten Wörternetze im Wesentlichen die Wörter darstellen, die beim Lernprozess entsprechend den Augenbewegungsdaten besonders intensiv fixiert worden sind. Dabei ist doch aufgefallen, dass in dieser Hinsicht eine große Schwankung bei den Plattform-Wörternetzen der Studienteilnehmenden vorliegt. Die Ergebnisse in den aufgezeigten Tabellen können die dritte Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit auch zum Teil beantworten, die sich auf den Zusammenhang zwischen den Outputs bzw. den Einträgen der Wörternetze und den Fixationen der Lernenden bezieht. Die ausgewerteten Ergebnisse werden in Kapitel 7.4.4 weiter diskutiert. 7.4.2 Augenbewegungen und ihr Verhältnis zu Einträgen der Wörternetze Im vorangegangenen Kapitel wurden die Ergebnisse über die Wörter in den Wörternetzen aller Probanden dieser Untersuchung diskutiert. Es lässt sich sagen, dass das Eintragen der Wörter in die Wörternetze bei den Probanden nicht beliebig erfolgt. Dabei geht es um die visuelle und kognitive Aufmerksamkeit. Die Einträge stehen in einem Zusammenhang mit den Blickfixationen der Lernenden. Aus den Forschungsergebnissen ergibt sich, dass ein bestimmter Anteil der Einträge in den jeweiligen Wörternetzen diejenigen Wörter darstellen, die beim Selbstlernen bzw. bei der Informationsaufnahme von den Probanden besonders intensiv fixiert wurden. In diesem Kapitel werden die Besonderheiten der Augenbewegungen der Teilnehmenden der Untersuchung mit Hilfe der durch die Eyetracker erhobenen Daten zusammenfassend dargestellt, um die Forschungsfragen im Hinblick auf die Informationsaufnahme zu beant‐ worten. Diese Frage bezieht sich darauf, wie die chinesischen Deutschlernenden im Rahmen dieser Untersuchung beim außerschulischen Selbstlernen mit zwei unterschiedlichen 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 337 233 In der vorliegenden Arbeit wird ein Schema oder eine Tabelle auch dazu gezählt. Medien die dort übermittelten Informationen wahrnehmen. Es handelt sich darum, was die Lernenden beim außerschulischen Selbstlernen mit den unterschiedlichen Medien in den beiden Studien anschauen und wohin die visuelle Aufmerksamkeit gerichtet wird. Es fällt vor allem bei fast allen Studienteilnehmenden auf, dass die Bilder beim außerschu‐ lischen Selbstlernen sowohl mit dem Buch als auch mit dem digitalen Lernangebot oft nicht berücksichtigt wurden. In Kapitel 7.2 wurden die Gazeplots und auch die Heatmaps von sechs ausgewählten Probanden gezeigt, welche ihre Augenbewegungen beim Lernprozess bzw. bei der Aufgabenbearbeitung mit den beiden Medien visualisieren. Mithilfe dieser grafischen Darstellungen ist zu erkennen, dass die bildlichen Elemente beim Selbstlernen mit den beiden Medien grundsätzlich erst dann in Betracht gezogen werden, wenn die bildlichen Elemente eine Rolle für das Lösen der entsprechenden Aufgaben spielen. Ein ty‐ pisches Beispiel stellen die Übungen dar, wobei die Lernenden jedem der vorhandenen Texte ein Bild zuordnen müssen. Im Falle des Selbstlernens mit dem Buch kann diese Besonderheit bezüglich des Umgangs mit den bildlichen Elementen beispielsweise durch die Abbildung 7-25 (vgl. Kapitel 7.2.1.1.4), die sich auf die übergelagerten Augenbewegungsdaten aller Probanden aus der Gruppe A in der ersten Studien bezieht, reflektiert werden. In der Abbildung geht es um drei Heatmaps zu den Übungen der verschiedenen Buchseiten, welche die Gruppe A in der ersten Studie bearbeitet hat. Die Heatmaps werden auf der Grundlage der Augenbewegungsdaten der gesamten Gruppe erstellt. Als Gemeinsamkeit verfügen alle angezeigten Buchseiten über bildliche oder grafische Elemente 233 , jedoch haben diese bildlichen Elemente aus der Perspektive der Problemlösung unterschiedliche Grade der Korrelation mit der Bearbeitung der jeweiligen Aufgaben. Beispielsweise stehen die grafische Darstellung und die Fotos auf der zweiten angezeigten Buchseite im Vergleich mit den anderen Fotos in einer engeren Beziehung mit dem Aufgabenlösen, denn die Lernenden werden in der Übung aufgefordert, die Fotos den danebenstehenden Aussagen zuzuordnen. Im Vergleich dazu liefert das Foto auf der dritten Buchseite (siehe Abb. 7-25c) (aus der Sicht der Lernenden) keine nützlichen Informationen, die beim Lösen der Übung helfen könnten. Dementsprechend wurde die visuelle Aufmerksamkeit auf das Foto kaum auf der dritten angezeigten Buchseite gerichtet, wie diese Abbildung Heatmap zeigt. Wie bereits beschrieben, ist die Berücksichtigung der bildlichen oder grafischen Ele‐ menten beim Selbstlernen auf der digitalen Lernplattform gleich. Dies kann auch durch die Augenbewegungen der Probanden der identischen Gruppe erkannt werden, welche in der zweiten Studie (als Gruppe B) mit dem digitalen Lernangebot selbst gelernt hat. Beispielsweise bestehen in Abbildung 7-102 (vgl. Kapitel 7.2.2.2.4) fünf Heatmaps, die basie‐ rend auf den übereinandergelegten Augenbewegungsdaten dieser Gruppe erstellt worden sind. Die Heatmaps beziehen sich auf unterschiedliche Aufgaben aus den verschiedenen Übungssets zum Thema „Freizeit und Urlaub“. In den Schaubildern 7-102a, 7-102c und 7-102e geht es um eine Text-Bild-Zuordnung und das Schaubild 7-102d bezieht sich auf die Übung, bei der die Lernenden mit den von dem Bild gelierten Informationen zwei dort stehende offene Fragen beantworten sollen. Bei dem Schaubild 7-102b handelt es sich um das Leseverstehen, wobei die Lernenden aus drei gegebenen Aussagen diejenige auswählen sollen, welche dem Fließtext in der Aufgabe entspricht. Wie bereits dargestellt, ob ein 338 7 Datenauswertung und -analyse 234 Zu den Funktionen und Einsatzmöglichkeiten der Bilder in dem Fremdsprachenunterricht vgl. bspw. Siever 2014.; Wittstruck 2020 und Hansen 2020. bildliches oder grafisches Element von den chinesischen Probanden dieser Untersuchung betrachtet wird, kann von der wechselseitigen Beziehung zwischen diesem Element und seiner Rolle bei der Aufgabenbearbeitung abhängen. Aus diesen fünf Heatmaps ist ersichtlich, dass die Intensität der visuellen Aufmerksamkeit auf dem Bild in der letzten beschriebenen Übung bzw. der Aufgabe im Schaubild 7-102b im Vergleich zu anderen grafischen Elementen in den bereits erwähnten Aufgaben sehr gering ist. Das kann dadurch begründet werden, dass das Bild im Schaubild (im Vergleich zu anderen grafischen Elementen) kaum eine direkte Beziehung zum Lösen der Aufgabe hat. Mit anderen Worten können die Probanden durch Lesen des Fließtexts diese Aufgabe problemlos erledigen, ohne das Bild zu berücksichtigen. Daher hat das Bild die visuelle Konzentration der Probanden offensichtlich nicht besonders intensiv erfasst. Angesichts der Tatsache, dass viele DaF-Lehrwerke bildreiche Medien sind und dort die Bilder häufig für die Anregung zum Lesen oder zu produktiven Aufgaben verwendet werden (vgl. Wittstruck 2020: 15), sollte die Verwendung der Bilder in den DaF-Lehrmaterialien basierend auf den oben beschriebenen Augenbewegungen der (chinesischen) Deutschlernenden weiter erörtert werden. In den Lehrwerken sind viele Aufgaben vorhanden, in denen unterschiedliche Bilder zu einem bestimmen didaktischen Zweck eingesetzt werden (vgl. ebd.: 16). In Bezug auf das Wortschatzlernen sind beispielsweise diejenigen Aufgaben zu sehen, die neue Wörter einführen, oder diejenigen, mit denen die Lernenden weitere themenbezogene Wörter lernen können. Es ist vorstellbar, dass die Bilder bzw. die bildlichen Elemente in den Lehrmaterialien bei einem institutionellen Fremdsprachlernen gut genutzt werden können, wobei die Lernenden mit der Anleitung ihrer Lehrenden die Bilder für die Visualisierung der textlich beschriebenen Informationen etc. verwenden und dadurch eine Veranschaulichung des Schrifttexts erreichen können. Allerdings werden die Lernenden bei ihrem außerschulischen Selbstlernen in den meisten Fällen nicht von Lehrenden begleitetet. Daher ist es möglich, dass die Bilder in den Lehrmaterialien trotz vieler Funktionen 234 nicht nutzbringend verwendet werden können oder im Allgemeinen nicht so gut berücksichtigt werden können, wie sie von den Probanden dieser Untersuchung beim Selbstlernen behandelt wurden. Obwohl die beschriebenen Informationen durch das Zusammenspiel zwischen Bildern und Schrifttexten in den Materialien besser wahrgenommen werden können, ergibt es wenig Sinn, darüber zu reden, wenn die Bilder von den Lernenden bei ihrem außerschulischen Selbstlernen nicht in Betracht gezogen werden. Dies betrifft besonders die Bilder bzw. die bildlichen Elemente, die einen Beitrag zur Verdeutlichung des Kontexts der Übungen leisten sollen, denn solche Bilder weisen aus der Sicht der Lernenden oft lediglich eine ornamentale Funktion auf. Manche bildlichen Stimuli sind allerdings zugleich auch funktional und sie könnten beispielsweise dazu beitragen, die Texte besser zu erschließen, weil sie zu den textlich präsentierten Inhalten ergänzende Informationen bezüglich des Texts oder der Übung auf der Makroebene übermitteln, obwohl diese Informationen nicht unbedingt für das Aufgabenlösen nützlich sind. Für die nutzbringende Verwendung der Bilder beim außerschulischen selbständigen Fremdsprachenlernen ist die einschlägige Kompetenz der Lernenden erforderlich. Somit ist das entsprechende 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 339 Training im fremdsprachendidaktischen Kontext erwünscht, sodass die Lernenden (durch die Vermittlung der Lehrenden) die Vorteile unterschiedlicher bildlicher Darstellungen auch beim außerschulischen Selbstlernen für die fremdsprachliche Aneignung operativ nutzen können. In Bezug auf die Aufmerksamkeit auf die Bilder oder die grafischen Elemente in den Übungen fällt noch auf, dass die textlichen Komponenten in einem Bild vorzugsweise fixiert werden, wenn das Bild textliche Elemente enthält. Ein typisches Beispiel stellen die Augenbewegungen auf der Aufgabe bzw. dem Schaubild 7-102d dar. Dem Schaubild ist zu entnehmen, dass die visuelle Aufmerksamkeit von allen Lernenden (aus der Gruppe B in der zweiten Studie) im Wesentlichen nur auf die Texte in dem Bild verbleibt. Obwohl die anderen Komponenten des Bildes beim Aufgabenlösen helfen könnten, werden diese Komponenten bei der Informationsaufnahme deutlich weniger von den Probanden in ihre Überlegungen miteinbezogen, was durch die Markierungen in den Heatmaps erkannt werden kann. Das Merkmal ist bei ihren Augenbewegungen in Bezug auf das Betrachten von Videos im digitalen Lernangebot ebenso anzutreffen. Die Aufmerksamkeit der Probanden wird in den meisten Fällen von den textlichen Elementen erregt, solange sie in den Videos zu sehen sind. Daraus ist zu erkennen, dass Texte bzw. textliche Elemente im Wahrnehmungsprozess der Informationen bei den chinesischen Probanden dieser Untersuchung Priorität genießen. Dies kann an der visuellen Abhängigkeit (vgl. Kapitel 2.2.4) der chinesischen Lernenden liegen. Es ist nachvollziehbar, dass die Probanden bei der Informationsaufnahme wegen dieser Charakteristik auf die vorhandenen verbalen Informationen in schriftlicher Form im Vergleich zu nonverbalen Informationen mehr angewiesen sind. Dies kann auch begründen, warum das erste Bild im Schaubild 7-102e grundsätzlich mehr visuelle Aufmerksamkeit bei den Probanden erregt hat. Auf diesem Bild gibt es eine Fahrkarte, auf der mehrere Wörter stehen. Weitere Beispiele werden durch die folgende Abbildung aufgeführt. Abb. 7-104: Weitere Beispiele über den Umgang mit den Bildern (1) Die Abbildung 7-104 enthält drei Heatmaps, die exemplarisch das Blickverhalten der verschiedenen Gruppen in unterschiedlichen Studien dieser Untersuchung zeigen. Das erste Schaubild ist aus der Gruppe B in der ersten Studie, während ihr Augenverhalten beim Erledigen einer Aufgabe vom Buch in der zweiten Studie durch das zweite Schaubild 340 7 Datenauswertung und -analyse gezeigt wird. Das letzte Schaubild bezieht sich auf eine Aufgabe der Gruppe B in der zweiten Studie. Generell ist ersichtlich, dass die Probanden in den beiden Studien kaum eine visuelle Aufmerksamkeit auf die Bilder gerichtet haben, wie in diesem Teilkapitel bereits dargestellt. In den Heatmaps befinden sich grundsätzlich fast keine hellgrünen Markierungen auf den Bildern, was bedeutet, dass die Bilder die Aufmerksamkeit der Probanden fast nicht erregt haben. Basierend auf dem retrospektiven Lauten Denken und der schriftlichen Befragung ist ein Grund dafür zu identifizieren, dass die Bilder nicht eng mit den Aufgabestellungen verbunden sind. Das bedeutet, dass die Lernenden in den Aufgaben nicht aufgefordert werden, die Bilder zu behandeln. Die Bilder leisten aus der Sicht der Probanden im Allgemeinen eher einen Beitrag zur ornamentalen Visualisierung des Kontexts der jeweiligen Übungen, was nach ihrer Meinung für das Aufgabenlösen nicht erforderlich oder notwendig ist. Aus den entsprechenden Gazeplots (siehe Anhang A 4) ist zu erkennen, dass die visuelle Aufmerksamkeit der Probanden beim Lösen der Aufgaben die Bilder im Grunde direkt überspringt. Das Überspringen kann aber wegen der Farbe der Bilder beeinflusst werden. Beispielweise können die Bilder wegen der warmen Farbe das Augenmerk der Probandin Nr. 9 anziehen (siehe Abb. 7-53 in Kapitel 7.2.1.2.2). Es ist darauf zurückzuführen, dass die Farbe Rot besonders leicht die Aufmerksamkeit von Menschen erregen kann (vgl. Schawelka 2008: 174) und im Visuellen fällt ein hellerer Gegenstand mehr auf als ein dunklerer (vgl. ebd.: 176). Jedoch kann dies als ein Einzelfall angesehen werden, weil es bei den anderen Probanden nicht deutlich zu beobachten ist. Darüber hinaus können die visuelle Aufmerksamkeit und die Intensität der Fixationen im Hinblick auf die Elemente, die textlich und zugleich auch grafisch präsentiert werden, ebenfalls durch den Typ der Aufgaben beeinflusst werden. In den ersten zwei Schaubildern der Abbildung 7-25 gibt es jeweils eine Tabelle. Wenn die Intensität der Blickfixationen auf die beiden Tabellen verglichen wird, ist ersichtlich, dass die erste Tabelle mehr visuelle Aufmerksamkeit erregt hat als die zweite Tabelle. Es liegt erstens an der Aufgabenstellung, weil die von der ersten Tabelle gelieferten Informationen relevant für das Lösen der entsprechenden Übung sind. Zudem könnte der Grund darin bestehen, dass die Übung, welche die zweite Tabelle enthält, keine geschlossene Übung darstellt. Aus diesem Grund wird diese Tabelle nicht in demselben Maße wie die erste Tabelle betrachtet, denn die offene Aufgabe hat keine fixierte Lösung und die Probanden wollen beim Selbstlernen im Vergleich dazu mehr Zeit für die geschlossenen Aufgaben investieren. Entsprechend den Gazeplots ist es erkennbar, dass die Tabelle von den Probanden im Allgemeinen nur grob gelesen worden ist. Trotzdem lässt sich mit Hilfe der Heatmaps beobachten, dass die Tabellen im Vergleich zu den Fotos eine höhere visuelle Konzentration von den Probanden erhalten. Das kann unter Berücksichtigung der Lerngewohnheiten der chinesischen Lernenden ver‐ mutlich darin begründet sein, dass die Tabellen mehr textlich übermittelte Informationen liefern, was die Probanden wegen visueller Abhängigkeit (vgl. Kapitel 2.2.4) bei ihrer Informationsaufnahme bevorzugen, wie oben bereits dargestellt. Diese Bevorzugung der textlich präsentierten Reize für die Informationsaufnahme ist generell beim Umgang mit den Bildern wahrzunehmen. Wenn ein Bild über textliche Elemente verfügt, wird das Bild von den Probanden generell nicht vernachlässigt. Allerdings werden im Allgemeinen nur die Bereiche des Bildes, in denen die Informationen textuell übermittelt werden, genauer betrachtet. Dementsprechend gewinnen die bildlichen Bereiche des Bildes eher wenig 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 341 Aufmerksamkeit, was mit dem oben beschrieben Umgang der Probanden mit den Bildern übereinstimmt (beispielsweise Schaubild 7-102d). Die Diskussion im Hinblick auf die Bilder im Kontext der Fremdsprachendidaktik wird in Kapitel 7.4.4.1 geführt. Überdies lässt sich die Bevorzugung der Probanden bei ihrem Anschauen von Videos auch erkennen. Das Hör-Seh-Verstehen ist zwar kein neuer Begriff, aber er wird meistens in Bezug auf das Anschauen eines Films oder auf das Fernsehen diskutiert. Dieser Begriff wird nicht häufig im Hinblick auf das reine Sehverstehen von Rede verwendet (vgl. Hansen 2020: 152). Es lässt sich sagen, dass sich das Hör-Seh-Verstehen auf das Verständnis eines Videos als Ganzes bzw. auf dessen Makroebene bezieht, während das Sehverstehen hauptsächlich die menschliche Wahrnehmung der visuell wahrnehmbaren Komponenten des Videos betrifft. Wenn der visuelle Teil eines Videos als eine Wiedergabe vieler bewegter Bilder angesehen wird, soll die Wahrnehmung der Bildinhalte beispielsweise in Bezug auf die Aufmerksamkeit auf die visuell wahrnehmbaren Komponenten in der Videoaufnahme betrachtet werden. Diese Beobachtung ist auch für die Untersuchung des Verständnisses der Lernenden im Hinblick auf die Inhalte von Videos sehr wichtig, weil viele Informationen, beispielsweise die räumlichen Informationen, in den Videomaterialien oder den Filmmate‐ rialien überwiegend durch den Sehsinn wahrgenommen werden (vgl. Kapitel 5.1). Dazu werden zwei Beispiele durch die folgende Abbildung 7-105 aufgeführt. Die Schaubilder in dieser Abbildung sind zwei Videoszenen aus den Videos in den jeweiligen Studien. Aus den Schaubildern ist zu entnehmen, dass sich die Probanden auf die Texte konzentrieren, solange textliche Elemente in einem Videobild vorkommen. Währenddessen werden der Hintergrund des Videobilds und andere bildliche Elemente im Grunde vernachlässigt. Dieses Blickverhalten kann das Merkmal der chinesischen Lernenden bzw. die visuelle Ab‐ hängigkeit reflektieren, wobei die textlichen Elemente mit einer hohen Wahrscheinlichkeit vorzugsweise (und überwiegend) betrachtet werden, solange diese Stimuli vorhanden sind. Abb. 7-105: Weitere Beispiele über den Umgang mit den Bildern (2) Basierend auf den Heatmaps und Gazeplots ist zu erkennen, dass die visuelle Aufmerksam‐ keit der Probanden bei ihrem Betrachten von Videos in vielen Fällen durch die Audios der Videos bzw. die akustische Wahrnehmung gelenkt wird. Den vorliegenden Grafiken kann entnommen werden, dass sich die Studienteilnehmenden während des Betrachtens der Videos auf die Gegenstände konzentrieren, wenn sie von den Moderatoren oder dem Voiceover zum Ausdruck gebracht werden. Neben den akustisch und visuell beschriebenen Gegenständen werden die Moderatoren oder die Personen in den Videos auch von den 342 7 Datenauswertung und -analyse Probanden besonders intensiv fixiert, wie die folgende Abbildung 7-106 exemplarisch darstellt. Abb. 7-106: Beispiele über die Blickfixationen bezüglich des Anschauens der Videos Abbildung 7-106 zeigt vier Schaubilder, in denen die Bildinhalte aus zwei Videos zu den unterschiedlichen Themen in den jeweiligen Studien dargestellt werden. Im Schaubild 7-106a führen die beiden Moderatoren das Thema der Folge des Videos ein, während sich das zweite Schaubild auf ein Interview über die Mensa für die Mittagspause im Gymnasium bezieht. Die letzten zwei Schaubilder stammen aus dem Video zum Thema „Wandern“ und sie sind die Videobilder der Szene in Bezug auf die Gespräche über passende Wanderausrüstungen und auf Wanderwege. Mit Hilfe der gezeigten Schaubilder ist es ohne Schwierigkeiten zu beobachten, dass die visuelle Konzentration der Probanden grundsätzlich auf den sprechenden Personen oder auf den von den Personen beschriebenen Gegenständen bleibt. Inzwischen werden die visuelle Aufmerksamkeit nicht deutlich auf andere Elemente der Bildinhalte gerichtet. Es lässt sich sagen, dass die akustische Wahrnehmung im Allgemeinen beim Anschauen eines Videos auf die visuelle Wahrneh‐ mung eingewirkt hat, wenn das entsprechende Videobild durch die gesprochene Sprache dargeboten wird. Die bereits dargestellten Augenbewegungen können Erkenntnisse für die Entwicklung zukünftiger digitaler Lehrmaterialien für das außerschulische selbständige Fremdsprach‐ lernen liefern, wobei die relevanten Lerninhalte in den Einzelbildern der Videoaufnahmen durch die begleitenden sprachlichen Signale hervorgehoben werden können, wenn diese Informationen in einem Video präsentiert werden. Im Vergleich zu anderen Elementen der Videos können sie dann die Aufmerksamkeit der Probanden leichter erregen, sodass die da‐ durch übermittelten Informationen (mit einer höheren Wahrscheinlichkeit) aufmerksamer verfolgt werden. Der Einsatz der Videos kann zwar nicht in einem gedruckten Buch bzw. einem Printmedium realisiert werden, jedoch ist den Ergebnissen dieser Untersuchung über die Augenbewegungen zu entnehmen, dass die visuelle Aufmerksamkeit auf die 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 343 235 Bei diesem Aspekt kann die Kultur bzw. der kulturelle Hintergrund der Lernenden eine Rolle spielen. Daher kann diese Annahme nicht weitgehend verallgemeinert werden. Dafür sind weitere quantitative und auch qualitative Untersuchungen notwendig. Bilder durch die Aufgabenstellungen beeinflusst werden kann. Beim Konzipieren der zukünftigen Printmaterialien für das außerschulische Selbstlernen können die Entwickler der Lernmaterialien durch die Art und Weise der Aufgabenstellung die Nutzer bzw. die Lernenden (indirekt) anleiten, die bildlichen Reize für die Aufnahme der relevanten Lerninhalte strategisch zu nutzen, besonders wenn die Kompetenz der Lernenden über die Verwendung der Bilder für das selbstständige Fremdsprachenlernen gering ist. Ergänzend dazu wäre es optimal, wenn diese didaktische Handlung in Verbindung mit geschlossenen Aufgaben vorgenommen würde. Der Grund dafür besteht darin, dass die Aufmerksamkeit auf die offenen Aufgaben auf der Basis der Ergebnisse dieser Untersu‐ chung sehr gering ist. Dies kann daran liegen, dass die (von den Lernenden geschriebenen) Lösungen zu den offenen Übungen von den Lernenden nach dem Selbstlernen sehr schwierig selbständig kontrolliert werden können und somit die Lernenden für solche Aufgaben ungern viel Zeit aufwenden. In diesem Zusammenhang lässt sich sagen, dass die geschlossenen (oder halboffenen) Aufgaben eher angemessen für das außerschulische Selbstlernen sind. 235 Basierend darauf kann die Aufgabe „Sammeln Sie die Informationen aus den Bildern und füllen Sie den Lückentext aus.“ angemessener sein als „Sehen Sie die Fotos an. Sagen Sie, welches Foto Ihnen besonders gefällt und begründen Sie, warum.“. Es ist denkbar, dass die erstgenannte Aufgabe (zumindest bei chinesischen DaF-Lernenden) mehr Aufmerksamkeit gewinnen könnte, außerdem auch die Bilder in dieser Aufgabe (durch eine angemessene Anleitung) operativ ergiebiger betrachtet werden könnten. Im Vergleich dazu ist es (basierend auf den Ergebnissen der vorliegenden Studie) sehr wahrscheinlich, dass die letztgenannte Aufgabe beim außerschulischen Selbstlernen (von den chinesischen Deutschlernenden) eher als Ganzes vernachlässigt wird. Beim Selbstlernen auf der Online-Lernplattform sind auch einige offene Aufgaben vorhanden, wobei die Lernenden dort aufgefordert werden, ihre Antwort als Kommentare unter der Aufgabe aufzuschreiben. Dort können sie auch die Antworten der anderen Ler‐ nenden (aus der ganzen Welt) lesen und dazu eine Rückmeldung geben (oder sogar mit den anderen Deutschlernenden interagieren). Die Kommentare der anderen Lernenden können als ein Referenzpunkt und eine Unterstützung für die Kontrolle der eigenen Antwort (zu den offenen Aufgaben) angesehen werden. Als ein Merkmal der internetgestützten elektroni‐ schen Lernangebote (vgl. Kapitel 4) kann dies mittels eines Buchs nicht realisiert werden. Die Aufgaben in diesem digitalen Lernangebot stellen zwar offene Übungen dar, aber sie wurden von den Probanden dieser Untersuchung meistens nicht vernachlässigt. Auf der Grundlage der Video-Replays ist zu beobachten, dass manche Lernende nach dem Lesen der offenen Aufgaben in diesem digitalen Lernangebot einige Minuten Zeit aufgewendet haben und die bereits vorhandenen Kommentare der anderen Deutschlernenden auf dieser Lernplattform global gelesen haben. Da die diesbezüglichen Augenbewegungsdaten (unter Berücksichtigung der Gesamtdatenmenge) sehr wenig erfasst worden sind, kann die visuelle Aufmerksamkeit auf die Kommentare in der vorliegenden Arbeit nicht ausführlich diskutiert werden. Die Antwort auf die Frage, ob und inwieweit die visuelle Aufmerk‐ 344 7 Datenauswertung und -analyse samkeit auf die Kommentare (der anderen Lernenden auf der Online-Lernplattform) die Outputs beim außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen beeinflussen kann, ist daher noch offen und dafür sollten weitere empirische Untersuchungen durchgeführt werden. In Kapitel 7.4.1 wird über Wörter diskutiert, die von den Probanden in den Studien dieser Untersuchung eingetragen sind. Nach der quantitativen Ermittlung ist zu erkennen, dass die Mehrheit der Einträge in den Wörternetzen aller Probanden im Zusammenhang mit ihren Augenbewegungen bzw. den Blickfixationen steht. Es besteht eine Besonderheit in den Wörternetzen, die nach dem digitalen Selbstlernen generiert worden sind. Dort sind mehr Verben und Kollokationen zu finden, wenn diese Wörternetze mit den Buch-Wörternetzen verglichen werden. Es kann beispielsweise an dem Lernthema (einer Studie), aber auch an den Videos bzw. an den Merkmalen der digitalen Medien liegen. Da die Videos dynamisch sind und sie viele bewegte Elemente oder Bildinhalte haben, können die Videos einen Einfluss darauf ausüben, dass die Assoziation über bewegte Dinge oder Gegenstände auf der gedanklichen Ebene leichter aktiviert wird (Beispiele vgl. Kapitel 7.2.2.2). Während der dynamische Zustand solcher bewegender Dinge oder Handlungen nur durch ein statisches Bild mit einer sprachlichen Beschreibung oder durch eine Serie von mehreren Bildern, die auch keine Bewegung aufzuweisen haben, in den analogen Medien präsentiert werden kann, lässt sich diese Dynamik der Handlungen leicht mithilfe der Vorteile der digitalen Medien auf der elektronischen Plattform darbieten. Es ist denkbar, dass beim Anschauen der Videos in dem digitalen Lernangebot die Bedeutung der sprachlichen Zeichen, die (in den Videos) visuell, auditiv oder audio-visuell übermittelt werden, und die Bedeutung der Bildinhalte der Videos in einem gemeinsamen konzeptuellen System repräsentiert und verarbeitet werden, obwohl die sprachlichen Zeichen und die Bildinhalte unterschied‐ liche Eingangssysteme zum konzeptuellen System aktivieren (vgl. Rummer & Engelkamp 2005: 1714 f.). Da die Bedeutung der Wörter und der Bilder (im konzeptuellen System) nicht separat präsentiert werden, werden die durch sprachliche Zeichen übermittelten Informationen mit den jeweiligen aufgenommenen Videobildern zusammen verarbeitet. Es lässt sich daher vorstellen, dass eine Handlung im Video als eine dynamische Videoszene anschaulich im konzeptuellen System gespeichert bzw. als bildliche lexikalische Einheit in das mentale Lexikon eingetragen wird. Wenn diese lexikalische Einheit abgerufen wird, wird damit gleichzeitig ihre entsprechende mentale bildliche Vorstellung im konzeptuellen System assoziiert. Diese Assoziationen im konzeptuellen System prägen sich in den Ein‐ trägen in Form von Verb-Objekt-Konstruktion bzw. den Kollokationen, welche inhaltlich auf die Videos enthaltenden Übungssets auf der Online-Lernplattform zurückgehen, in den Plattform-Wörternetzen aus. Darüber hinaus sind noch die Einträge häufig zu identifizieren, welche die Hauptszenen der Videos referieren und beim Anschauen besonders intensiv fixiert wurden. Die Einträge werden in den Wörternetzen vieler Probanden in der Reihenfolge angeordnet, die zu einem hohen Anteil mit der zeitlichen Ordnung der Videoszenen übereinstimmt (vgl. beispielsweise Kapitel 7.2.1.2 und 7.2.2.2). Daraus ist zu erkennen, dass die beim Anschauen der Videos visuell (und/ oder akustisch) aufgenommenen Informationen bei den Probanden in die schriftlichen Einträge der Wörternetze umgesetzt werden. In der schriftlichen Befragung nehmen viele Teilnehmende dieser Untersuchung an, dass sie beim Ansehen der 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 345 Videos auf die sprechenden Personen oder auf die sich bewegenden Elemente der Videos achten (siehe Anhang A 5). Diese Annahme kann die oben beschriebene Interpretation über die Besonderheiten im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den Augenbewegungen der Probanden und ihren Einträgen in den Wörternetzen unterstützen. Im Vergleich dazu sind die im Buch vorhandenen Reize statisch und das Eintragen der Verb-Objekt-Konstruktionen sind in den entsprechenden Wörternetzen ist nicht so häufig zu finden. Im Hinblick auf die Blickfixationen und die eingetragenen Wörter ist in der vorliegenden Untersuchung noch zu betrachten, dass manche Wörter zwar nicht besonders intensiv fixiert wurden, aber nach dem Selbstlernen in die Wörternetze eingetragen worden sind. Daraus ist zu erkennen, dass die Wahrscheinlichkeit der Aktivierung eines (themenbezo‐ genen) Wortes nach dem Lernen von den Lernenden zum Teil auch von anderen Faktoren beeinflusst wird. Ein möglicher Grund dafür besteht darin, dass die Repräsentationen dieser Wörter im mentalen Lexikon bereits vorhanden waren. Nach dem Modell der Sprachverarbeitung (vgl. Kapitel 2.2.1) wurden die lexikalischen Einheiten erst durch die beim Lernprozess visuell wahrgenommenen Stimuli aktiviert und sie sind danach in die Wörternetze eingetragen worden. Dies wird in Kapitel 7.4.4.2 weiter diskutiert. Die Inhalte auf der Online-Plattform lassen sich wegen der Hypertexte nonlinear und vernetzt lesen. Diese Nonlinearität und auch die Vernetztheit kann zwar den Hand‐ lungsraum der Nutzer der digitalen Medien weitgehend erhöhen, wobei die Lernenden als Nutzer entscheiden können, was sie beim Selbstlernen zu welchem Zeitpunkt in welcher Reihenfolge ansehen. Jedoch kann auch die potenzielle Gefahr bestehen, dass die Lernenden beim Selbstlernen gegenüber einer Vielzahl der vernetzten Informationen im digitalen Lernangebot desorientiert sein könnten. Das kann leicht auftreten, besonders wenn die Lernenden nicht viele Erfahrungen mit dem außerschulischen Selbstlernen mit digitalen Medien haben. Dies betrifft aber nicht die Probleme mit der Orientierung in den Hypertexten (vgl. Würffel 2006: 446), die durch eine Navigationsleiste gelöst werden können. Entsprechend den gezeigten Heatmaps in Kapitel 7.2 lässt sich beobachten, dass die Navigationsleiste der Webpages im Allgemeinen nicht viel visuelle Aufmerksamkeit der Probanden der Gruppe B in den beiden Studien auf sich gezogen hat. Dies kann darauf hindeuten, dass die Navigationsleiste von den Probanden bei ihrem Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot in vielen Fällen wenig in Anspruch genommen wurde, was bedeuten kann, dass die Probanden beim Selbstlernen auf der Online-Lernplattform grundsätzlich keine Orientierungsprobleme hatten. Jedoch ist es interessanterweise bei den Plattform-Wörternetzen einiger Probanden zu beobachten, dass die Wörter, die in der Navigationsleiste stehen und beim Lernprozess von den Probanden besonders intensiv fixiert wurden, als Knotenpunkt in den Wörternetzen angeordnet worden sind, welcher die aus dem jeweiligen Übungsset stammenden Wörter verbindet (siehe Beispiele in Kapitel 7.2.2.2.1). Die Diskussion im Hinblick auf die Länge der Blickfixationen wird in Kapitel 7.4.4.2 geführt. Als spannende Frage ist es dabei noch von Interesse, ob eine Beziehung zwischen der Struktur der Teilnetze (bzw. den Verbindungen der Wörter in den Wörternetzen) und der Reihenfolge des Betrachtens der Stimuli besteht. Hierfür bedarf es jedoch noch mehr Untersuchungen, damit dieser Aspekt ausführlich analysiert werden kann. 346 7 Datenauswertung und -analyse 7.4.3 Selbstevaluation zum Selbstlernen In Kapitel 7.3 wurde die schriftliche Befragung, die nach der zweiten Studie stattfand, inhaltlich dargestellt. Dabei geht es um das Blickverhalten der Probanden als Lernende bzw. Nutzer der beiden Medien, was Hilfe bei der Interpretation in Bezug auf die Augen‐ bewegungen bzw. die visuelle Aufmerksamkeit (in Kapitel 7.2) und auf das Lernerlebnis mit den beiden Medien leistet. Überdies bezieht sich die schriftliche Befragung auch auf ihre innere Perspektive sowie die auf den persönlichen Gefühlen beruhenden Bewertung zu ihrem Selbstlernen mit den beiden Medien in der Untersuchung. In der Umfrage äußert ein großer Anteil der Studienteilnehmenden, dass sie das Buch im Vergleich zu dem digitalen Lernangebot für das außerschulische Selbstlernen bevorzugen würden. Mit anderen Worten kann der Einsatz der Printmedien nach dem persönlichen Gefühl der Probanden ihre Entwicklung der lexikalischen Kompetenz in der Fremdsprache Deutsch offensichtlich begünstigen. Allerdings ist die Anzahl der Probanden ebenfalls nicht gering, die auf dem Standpunkt stehen, dass das Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot als vorteilhaft anzusehen ist. Trotzdem äußern die meisten von ihnen zugleich auch, dass die digitalen Medien grundsätzlich als Ergänzungsmittel zum Selbstlernen verwendet würden, wie es in Kapitel 7.3 beschrieben wurde. Bei ihrem (zukünftigen) Selbstlernen werden die Printmedien weiterhin eine größere Rolle spielen, denn die Lernenden sind vertraut mit der Verwendung von Büchern für das (selbständige) Fremdsprachenlernen. Mit den gedruckten Lernmaterialien haben sie nach dem Selbstlernen ein Erfolgserlebnis bzw. ein stärkeres Gefühl, einen Erfolg erlangt zu haben. Zum Gewinnen des Erfolgserlebnisses des Selbstlernens würden die Lernenden somit eher Bücher benutzen, obwohl das digitale Lernangebot bzw. die digitalen Medien von ihnen positiv bewertet wird. Die Probanden, welche in der Umfrage das Selbstlernen mit dem Buch für vorteilhaft halten, haben nach der Teilnahme an der Untersuchung die Potentiale der digitalen Medien für die Förderung ihrer sprachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten erkannt. Vor allem stehen vielfältige Lernressourcen auf der Online-Plattform zur Verfügung und alle Inhalte können dank der Digitalisierung räumlich unbeschränkt und durch unterschiedliche semiotische Ressourcen präsentiert werden. Auf der Online-Lernplattform können ver‐ schiedene Darstellungsmodi die Lerninhalte besser und anschaulicher zusammenstellen. Die Interaktivität der digitalen Medien sowie die multicodal und multimodal präsentierten Informationen können außerdem ihre Motivation beim Selbstlernen erhöhen, sodass sie sich im Lernprozess nicht langweilen, wie in Kapitel 4.2 angesprochen. Allerdings bringen viele von ihnen die Sorge zum Ausdruck, wie effektiv sich einige Funktionen sowie Res‐ sourcen nutzen lassen, damit ein Erfolgserlebnis nach der Nutzung gewährleistet werden kann. Diese Sorge von den Lernenden sollte beachtet werden, weil das Erfolgsgefühl für ihr ständiges außerschulisches Deutschlernen bedeutsam ist, was als eines der Bewertungskri‐ terien zur Bewertung eines Mediums für das Selbstlernen angesehen wird. Wegen Mangels an Erfahrungen bezüglich der Verwendung der digitalen Medien für das Selbstlernen fühlten sie (während der vorliegenden Untersuchung) sich gelegentlich ratlos, wenn sie beim außerschulischen digitalen Lernen die durch vielfältige Darstellungsformen präsen‐ tierten Informationen wahrnehmen, obwohl die Vielfalt der Darstellungsmöglichkeiten von Informationen als ein großer Vorteil der digitalen Medien für die Wissensvermittlung angesehen werden kann (vgl. Kapitel 4.2). Nach ihrer Vorstellung könnte es passieren, dass 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 347 das Selbstlernen mit den digitalen Medien durch diesen Vorteil stellenweise nicht positiv beeinflusst, sondern beeinträchtigt werden könnte. Vergleichend mit den Outputs der chinesischen Probanden dieser Untersuchung lässt sich aber erkennen, dass die Lernenden nach ihrem Selbstlernen auf der Online-Lernplatt‐ form ihre Wörternetze produktiv entwickelt haben. Wie durch viele Beispiele in Kapitel 7.2 in Verbindung mit der Zusammenführung der Ergebnisse in Kapitel 7.4.1 dargestellt, haben sich die Plattform-Wörternetze bei allen Studienteilnehmenden deutlich entwickelt. Die Plattform-Wörternetze bei einigen Probanden sind unter Berücksichtigung der quan‐ titativen Aspekte sogar besser als ihre Buch-Wörternetze. Viele Probanden haben beim Entwickeln ihrer Plattform-Wörternetze ebenfalls viele Wörter frei assoziiert, wie sie dies nach dem Selbstlernen mit dem Buch gemacht haben. Das bedeutet, dass viele Lernende den Eindruck hatten, dass sie mit dem Buch effektiver lernen würden. Jedoch ist die Leistung der Probanden im Hinblick auf das außerschulische selbständige Wortschatzlernen mit dem digitalen Lernangebot nicht so schlecht, wie es die Probanden sich vorgestellt haben. Diese subjektive Evaluation über die niedrigere Produktivität des außerschulischen selbständigen Wortschatzlernens mit den digitalen Medien ist auf das Erfolgsgefühl der Probanden zurückzuführen. Auf der Basis aller erfassten und ausgewerteten Daten der Untersuchung ist festzustellen, dass die Probanden das außerschulische selbständige Wortschatzlernen mit dem digitalen Lernangebot nicht so genau evaluiert haben. Die Evaluation über das außerschulische Selbstlernen mit den digitalen Medien ist zwar nachvollziehbar, da sie hauptsächlich auf dem erlebten Geschehen in der Studie basiert. Dies wird durch die Tatsache unterstützt, dass ca. die Hälfte der Studienteilnehmenden nach dem Selbstlernen mit dem Buch (intrapersonal) mehr Wörter in ihre Wörternetze eingetragen haben (vgl. Kapitel 7.4.1). Jedoch haben diese Probanden (oder viele Teilnehmende der Untersuchung) nicht berücksichtigt, dass eine ersichtliche Entwicklung ihrer Plattform-Wörternetze auch nach dem digitalen Lernen zu erkennen ist. Zudem ist es möglich, dass das Lernthema ebenfalls eine Rolle bei der Entwicklung der Wörternetze spielen könnte. Zusammenfas‐ send lässt sich erkennen, dass den Probanden die digitale Medienkompetenz für das außerschulische selbstgesteuerte Fremdsprachenlernen fehlt, obwohl sie im Alltag mit der Nutzung der digitalen Medien und des Internets vertraut sind, wie die persönlichen Daten der schriftlichen Befragung zeigen. Hierbei geht es nicht um die technischen Aspekte der digitalen Medien, sondern eher darum, die digitalen Medien für das selbständige Fremd‐ sprachenlernen initiativ und sinnvoll bzw. zielgerichtet zu nutzen. Dafür bedarf es vor allem des Muts der Lernenden, Neues auszuprobieren (vgl. Würffel 2010: 1240). Dies haben alle Studienteilnehmenden erfüllt, was durch ihre Teilnahme an der Untersuchung und ihre Lerntätigkeiten mit dem zuvor unbekannten digitalen Lernangebot belegt werden kann. Auf der Grundlage der Ergebnisse sollte allerdings behandelt werden, wie das schwache Erfolgserlebnis nach dem außerschulischen selbständigen Lernen mit den digitalen Medien bei den chinesischen DaF-Lernenden verbessert werden kann. Wie oben dargestellt, ist das schwache Erfolgsgefühl (zum Teil) auf die Schwierigkeiten mit der zielgerechten Wahrneh‐ mung der dort multimodal und multicodal präsentierten Informationen zurückzuführen. Daher sollten die Kompetenzen der Lernenden im Hinblick auf die sachkundige Nutzung der digitalen Medien für das außerschulische Selbstlernen trainiert werden. Dabei geht es beispielsweise um die Fähigkeit, durch Nutzung der Vorteile der digitalen Medien die 348 7 Datenauswertung und -analyse relevanten Informationen von den vorhandenen zahlreichen Lernressourcen im digitalen Lernangebot auszusuchen und nach der selektiven Informationswahrnehmung eine tiefer gehende kognitive Informationsverarbeitung vorzunehmen. Basierend auf den Ergebnissen ist zu erkennen, dass diese Kompetenzen bei den chinesischen DaF-Lernenden noch zu fördern sind. Im Folgenden werden die ausgewerteten Forschungsergebnisse im Kontext der Fremdsprachendidaktik eingehender diskutiert. 7.4.4 Diskussion der Forschungsergebnisse In den letzten drei Teilkapiteln sind die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung nach den gestellten Forschungsfragen dargestellt worden. Aus dieser empirischen Untersuchung ist ein hohes Einsatzpotenzial der Eyetracking-Technologie für die Forschung in der Fremdsprachendidaktik zu erkennen. Diese Technologie kann nicht nur für einen Usabi‐ lity-Test eines Lernangebots (für das Fremdsprachenlernen) verwendet werden, sondern auch für die Untersuchung im Hinblick auf die Informationswahrnehmung und das Output der Lernenden beim Fremdsprachenlernen. In der Arbeit ist untersucht worden, wie die (chinesischen) Lernenden beim außerschulischen Selbstlernen die Informationen in den analogen und digitalen Materialien wahrnehmen. Darüber hinaus ließ sich das Wortschatz‐ lernen der Lernenden in Verbindung mit ihrer visuellen Aufmerksamkeit analysieren. Die Analyse der Daten lieferte Ergebnisse, die für die Mediengestaltung für das außerschulische Selbstlernen von Interesse sein können. In diesem Teilkapitel wird noch eingehender diskutiert, was die Ergebnisse im Kontext der Fremdsprachendidaktik (hierbei Deutsch als Fremdsprache) bedeuten. - 7.4.4.1 Fokus: Funktion von Bildern In Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3 wurden einige Merkmale der gedruckten und digitalen Lernangebote beschrieben. Obwohl die beiden Medien über unterschiedliche Merkmale verfügen und dadurch entsprechende (spezifische) Lernvorteile für das Fremdsprachen‐ lernen (der chinesischen Lernenden) haben, ist es möglich, dass die bildlichen Stimuli bei der Konzeption der Lernmaterialien in den beiden Medien eingesetzt werden können. In Kapitel 7.2 wurden viele Beispiele bezüglich der Wörternetze und der Blickfixationen auf den Bildmaterialien bei den ausgewählten Probanden in den beiden Studien der vorliegenden empirischen Untersuchung aufgeführt. Die Datenanalyse hat vor allem gezeigt, dass die Bilder in den Lernmaterialien häufig kaum visuelle Aufmerksamkeit bei den Lernenden erregt haben. Dies betrifft die bildlichen Stimuli sowohl im Buch (siehe Abb. 7-6, Abb. 7-23, Abb. 7-67, Abb. 7-72 etc.) als auch im digitalen Lernangebot (siehe Abb. 7-30, Abb. 7-58, Abb. 7-63, Abb. 7-99b etc.). Allerdings wurden die Bildmaterialien in beiden Medien in den bestimmten Fällen von den Studienteilnehmenden besonders intensiv fixiert: Viele Lernende haben die Bilder nur dann besonders intensiv fixiert, (1) wenn sie bzw. die Bilder in den Lernmaterialien textliche Elemente enthalten (siehe beispielsweise Abb. 7-9, Abb. 7-21, Abb. 7-70b, Abb. 7-75a etc. in Kapitel 7.2); (2) oder wenn die Lernenden wegen der Aufgabenstellung aufgefordert werden, die Bilder zu betrachten (siehe beispielsweise Abb. 7-16, Abb. 7-37, Abb. 7-69, Abb. 7-75a, Abb. 7-82b, Abb. 7-94a, Abb. 7-99a etc. in Kapitel 7.2). Daran ist zu erkennen, dass eine Auseinandersetzung im Hinblick auf die Rolle von Bildern 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 349 bzw. deren Einsatz in Materialien oder Lernangeboten im fremdsprachendidaktischen Kontext geführt werden sollte. Es ist unumstritten, dass die Bilder, beispielsweise Fotos, Grafiken oder Comics etc., beim Fremdsprachenlernen verschiedene Funktionen leisten können. Was das Wortschatzlernen betrifft, kann ein Bild zum Beispiel die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens anschaulich vermitteln oder erschließen. Hierbei kann ein Bild zu einer lexikalisch-bildlichen Verbindung (Wort-Bild-Assoziation) beitragen, sodass sich das Behalten der lexikalischen Bedeutung des entsprechenden Wortes steigern kann (vgl. Rein‐ fried 2007: 418 f.). Außerdem kann ein Bild eine landeskundliche Funktion leisten, indem es Informationen oder Gegenstände der Zielkultur präsentieren kann (vgl. ebd.). Dieser Aspekt kann beispielsweise durch das Bild über das in der vorliegenden Arbeit erwähnte Beispiel „Salzkammergut“ (siehe Abb. 7-67 in Kapitel 7.2.2.1.1) angezeigt werden. Mit dem Bild kann dieser landschaftlich und historisch geprägte Kulturraum anschaulich präsentiert werden und die Lernenden können damit auch verstehen, was das Wort bedeutet. Im Hinblick auf den Einsatz von Bildern in den Lehrwerken hat Hallet (2015) die Funktionen von Bildern im Fremdsprachenunterricht in verschiedene Kategorien eingeordnet (vgl. Hallet 2015: 33-41). Einige der dort erwähnten Funktionen wie semantische, kognitive oder bildästhetische Funktionen (vgl. ebd.) können von den Bildern in den gedruckten Materialien, die in der vorliegenden empirischen Studie eingesetzt wurde, erkannt werden (siehe Abb. 7-21, Abb. 7-67, Abb. 7-69, Abb. 7-70, Abb. 7-75 etc. in Kapitel 7.2). Daraus lässt sich erkennen, dass die Bilder den Lernenden bei ihrem Fremdsprachenlernen je nach dem Zweck dienlich sind. Bei der Realisierung der Funktionen von Bildern wird allerdings vorausgesetzt, dass die Lernenden beim tatsächlichen Prozess bzw. bei der Nutzung eines Lernangebots die dort vorhandenen Bilder fixieren. Anders gesagt können die Bilder in einem Lernangebot zur Förderung des Fremdsprachenlernens grundsätzlich nur schwer beitragen, wenn die Bilder oder die grafischen Elemente des Lernangebots keine visuelle Aufmerksamkeit bei den Lernenden erregen. Im schulischen Kontext bzw. im Unterricht können die Bilder die angesprochenen bzw. die jeweils erwünschten didaktischen Funktionen leichter erreichen, weil die Bilder im Unterricht durch die Anleitung seitens der Lehrkraft die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden erhalten. Es ist denkbar, dass die Bilder im Rahmen von Unterrichtskonzepten von Lehrenden bei dem Fremdsprachenlernen mitwirken können, ohne dass die Lernenden mit allen didaktischen Funktionen von Bildern vertraut sein müssen. Dies kann allerdings im außerschulischen selbstständigen Fremdsprachenlernen nicht immer der Fall sein. In Kapitel 4 wurde beschrieben, dass die Lernenden in vielen Fällen des Selbstlernens die Materialien selbständig auswählen, ihre eigenen Lernfort‐ schritte organisieren und ihre eigenen Strategien für das Fremdsprachenlernen verwenden können, was als ein großer Handlungsspielraum angesehen wird. Daran sind die Lehrenden jedoch grundsätzlich nicht beteiligt. Aus diesem Grund ist es denkbar, dass die (visuelle) Aufmerksamkeit der Lernenden auf die Lerninhalte von Materialien mit einer niedrigen Wahrscheinlichkeit von Lehrenden beeinflusst wird und diese Aufmerksamkeit beim außerschulischen Selbstlernen im Allgemeinen schwer einzuschätzen ist. In Kapitel 7.2 werden hierzu einige Beispiele (siehe Abb. 7-9, Abb. 7-16, Abb. 7-21, Abb. 7-75a, Abb. 7-82b, Abb. 7-99a) angeführt und diese Beispiele haben auf der Basis der Heatmaps gezeigt, dass die Bilder im Grunde nur in bestimmten Situationen eine intensive visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden bzw. der Studienteilnehmenden erregt haben und die 350 7 Datenauswertung und -analyse 236 Die Diskussion dazu findet sich in Kapitel 7.4.4.2. Bilder ansonsten kaum betrachtet worden sind. Diese Augenbewegungen sind darauf zurückzuführen, dass viele Bilder sowohl im Buch als auch auf der Online-Lernplattform aus der Perspektive der Lernenden in der Studie lediglich dazu beigetragen haben, dass die Lerninhalte ansprechender aussehen können. Das bedeutet, dass diese Bilder aus ihrer Sicht außer der bildästhetischen Funktion keine weitere Rolle bei der Informationswahrnehmung gespielt haben. Es sollte hier auch hervorgehoben werden, dass das Potenzial der Bilder zum Fremdsprachenlernen nicht genutzt wird, wenn die Bilder ausschließlich für einen ästhetischen Genuss in Lernmaterialien verwendet werden (vgl. Zeyer 2018: 44). Manche oben erwähnten Bilder in den beiden eingesetzten Lernangeboten würden allerdings aus der fremdsprachendidaktischen Sicht neben der ästhetischen Funktion noch weitere Funk‐ tionen erfüllen. Ein Beispiel ist das Bild über das Salzkammergut (siehe Abb. 7-67 in Kapitel 7.2.2.1.1), wobei die Probandin beim Lernprozess nur den darunter stehenden textlichen Stimulus fixiert hat, ohne das Bild anzuschauen. Das Bild kann jedoch das sprachliche Zeichen „Salzkammergut“ bildlich darstellen, wodurch als ein bildlicher visueller Stimulus in Kombination mit dem Kontext des einschlägigen Fließtexts eine gedanklich-semantische Verknüpfung auf der Grundlage des Modells der Sprachverarbeitung von Roche (vgl. Kapitel 2.2.1) hergestellt oder verstärkt werden kann. Darüber hinaus lässt sich eine Integration der entsprechenden Repräsentation auch zugleich in das vorhandene mentale Lexikon fördern. In den Wörternetzen der Probandin ist zu beobachten, dass sie trotz der intensiven Blickfixationen 236 auf dem textlichen Reiz das Wort „Salzkammergut“ nicht als reproduzierte Item in die Wörternetze eingetragen hat. Daran schließt sich die Frage an: Müssten Bilder in den (gedruckten oder digitalen) Lernmaterialien nicht immer funktional und ästhetisch sein? Dies ist nicht zu verneinen. Das begründet sich vor allem damit, dass der Verzicht auf den Einsatz der Bildmaterialien (Fotos, Grafiken, Comics etc.) leicht zur Erhöhung der Langweile beim Fremdsprachen‐ lernen führen würde, was auch von den Teilnehmenden der vorliegenden Untersuchung in der schriftlichen Befragung angesprochen wurde. Schnotz & Horz (2011) zufolge können Bilder das Interesse der Lernenden bei der Nutzung eines digitalen Mediums wecken und beim Prozess der Informationswahrnehmung aufrechterhalten. Außerdem können die Bilder auch eine verbesserte Behaltensleistung und eine Verarbeitungstiefe von komplexen Inhalten fördern (vgl. Schnotz & Horz 2011: 92). Jedoch lässt sich durch die Ganzplots und Heatmaps der ausgewählten Probanden beobachten, dass einige Lernende beim Lernpro‐ zess (besonders in der frühen Phase des Selbstlernens) die Bilder in den Lernmaterialien angeschaut haben, obwohl die Blickfixationen nicht besonders intensiv waren. Im Laufe der Zeit des Selbstlernprozesses wurden die bildlichen Stimuli in den weiteren Übungen (außer den oben dargestellten Fällen) zunehmend weniger berücksichtigt (beispielsweise siehe Abb. 7-10 in Kapitel 7.2.1.1.2 und Abb. 7-55 in Kapitel 7.2.1.2.3). Es lässt sich aber nicht sagen, dass die (solchen) Bildmaterialien kein Interesse der chinesischen Lernenden bzw. der Studienteilnehmenden erwecken können. Der Punkt besteht eher darin, dass die Bilder bzw. die bildlichen Stimuli schnell die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden verlieren, wenn die Bilder (aus der Sicht der Lernenden) lediglich eine ornamentale Funktion anstatt der funktionalen Visualisierung erfüllen. Daher sollte seitens der Entwickler*innen bei der 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 351 237 In der Medienforschung hat beispielsweise die kulturvergleichende Rezeptionsstudie von Klebba (2012) im Hinblick auf das Blickverhalten von Zeitungslesern aus Deutschland, Spanien und Polen gezeigt, dass die Grafiken bei den Probanden aus den drei Ländern unterschiedliche Relevanz haben (vgl. Klebba 2012: 221) und sich die Akzeptanz von Typen der Grafik als länderspezifisch erweist (vgl. ebd.: 232). Konzeption der Lernmaterialien auf verschiedene Art und Weise die Funktionalität der Bildmaterialien sowohl in einem gedruckten als auch in einem digitalen Lernangebot erhöht werden. Das Blickverhalten bei der Betrachtung der Bilder kann zwar wegen kultureller Gründe 237 oder individueller Eigenschaften der Lernenden spezifisch sein. Zudem sind die Ergebnisse hinsichtlich der Augenbewegungen von chinesischen Deutschlernenden wegen der niedrigen Anzahl der Teilnehmenden an der vorliegenden Untersuchung nicht statistisch signifikant, sodass kein prototypisches bzw. universelles Blickverhalten von chi‐ nesischen DaF-Lernenden beim außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen aus den im Rahmen der vorliegenden Untersuchung gewonnenen Ergebnissen hergeleitet werden kann. Jedoch haben die Ergebnisse der Untersuchung gezeigt, dass es einen Lerntyp gibt, der beim außerschulischen Selbstlernen sowohl mit dem gedruckten als auch mit dem digitalen Lernangebot grundsätzlich die bildlichen Stimuli erst anschaut, wenn diese Stimuli zur Aufgabenbearbeitung beitragen (können). Mit anderen Worten können grundsätzlich nur die Bildmaterialien, welche die Lernenden bei der Lösung der Aufgaben unterstützen können, beim Lernprozess eine hohe visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden erregen. Dies betrifft besonders die Lernenden, die beim (außerschulischen) Selbstlernen „pragmatisch“ bzw. stark aufgabenorientiert sind. Beim außerschulischen Selbstlernen sind viele solche Lernende unbewusst der Ansicht, dass viele Bilder in den Materialien (bei der Konzeption der Lernangebote) lediglich zur ornamentalen Visualisierung verwendet werden. Das kann erklären, warum die Bilder (im Rahmen der vorliegenden empirischen Studie) oft nicht intensiv oder kaum fixiert werden. Dies deckt sich auch mit den Ergebnissen des retrospektiven Lauten Denkens in der Arbeit (beispielsweise vgl. Kapitel 7.2.1.2.3 und Kapitel 7.2.2.1.1). Weiterführend zeigt sich auch, dass die Bilddidaktik im Feld des Fremdsprachenlernens noch gefördert werden sollte. Die Lernenden sollten trainiert werden und damit vertraut gemacht werden können, wie Bilder für das Lernen einer Fremdsprache im außerschu‐ lischen Kontext effektiv genutzt werden können. Die in der vorliegenden Arbeit darge‐ stellten Augenbewegungen der Lernenden sind aufschlussreich für die Gestaltung eines zukünftigen Lernangebots. Wie sollte man die Bilder in den Materialien einsetzen, sodass diese Bilder beim außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen von den Lernenden (mit einer größeren Wahrscheinlichkeit) betrachtet und lange fixiert werden können? Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung haben gezeigt, dass ein zunehmendes Großformat von bildlichen Elementen nicht die beste Lösung darstellt. In Kapitel 7.2 wurde das Blickverhalten der Probanden durch Heatmaps und Gazeplots präsentiert (beispielsweise siehe Abb. 7-5, Abb. 7-27, Abb. 7-65, Abb. 7-92). Dort lässt sich erkennen, dass auf den Bilder im digitalen Lernangebot oft Sakkaden zu sehen sind und auch keine intensiven Blickfixationen, obwohl diese Bilder groß sind und in der Mitte der Webpage stehen. Ein typisches Beispiel ist Abbildung 7-92c in Kapitel 7.2.2.2.2. Der bildliche 352 7 Datenauswertung und -analyse Stimulus wird auf der Webpage genauso platziert, wie es oben beschrieben wird. Jedoch hat dieses große Bild die visuelle Aufmerksamkeit der Probandin kaum erregt. Dort sind viele große Sakkaden auf dem Bild zu beobachten. In Kombination mit den Ergebnissen der schriftlichen Befragung (siehe Anhang A 5) und auch des retrospektiven Lauten Denkens (siehe Anhang A 4.3) bezüglich einiger auffälliger Augenbewegungen könnte es eine alternative Lösung sein, dass die zukünftigen Materialien der Lernangebote so gestaltet werden könnten, dass die Bilder an der Aufgabenbewältigung einen höheren Stellenwert (besonders in einem digitalen Lernangebot) erhalten würden. „Enthalten Bilder […] für das Informationsangebot eines Online-Mediums relevante Information, kann der Informationsrezeptionsprozess substanziell durch Bilder unterstützt werden.“ (Schnotz & Horz 2011: 92). Zum Erreichen dieses Ziels können neben der Text/ Wort-Bild-Zuordnung noch die folgenden möglichen Aufgaben bei der Gestaltung der (zukünftigen) Materialien für das außerschulische selbständige Wortschatzlernen häufiger verwendet werden: (1) Die in den Lückentext einzugebenden Wörter werden durch die entsprechenden Bilder angezeigt und die Lernenden müssen in diesem Fall für das Bewältigen der Aufgabe die vorhandenen Bilder betrachten und sich aktiv überlegen, welches Wort von dem Bild impliziert wird und zugleich zum Kontext (der Aufgabe) passt; (2) Faktenwissen (z. B. landeskundliche Kenntnisse etc.) wird hauptsächlich durch Bilder mit einigen Stichwörtern oder kurzen Texten (statt langen Fließtexte) präsentiert. Aus den Bildern entnehmen die Lernenden die Informationen und dann ordnen sie die Bilder nach einer vorhandenen textlichen Beschreibung in einer richtigen Reihenfolge; (3) Im digitalen Lernangebot ist es technisch möglich, dass eine Audiodatei in Materialien eingefügt wird. Mit dieser Audiodatei können die Lernenden zielgerichtet angeleitet werden, die Bilder zu fixieren. Es ist vorstellbar, dass die Lernenden beim Bearbeiten solcher Aufgaben die Bilder sorgfältig betrachten, auch wenn sie beim Selbstlernen keine Anleitung (hinsichtlich der Nutzung von Bildern für die Erhöhung der Leistung vom Wortschatzlernen) haben. Neben der Erhöhung der Rolle der Bilder im Hinblick auf das Mitwirken an der Aufgabenbewältigung können weitere Zeichen verwendet werden, sodass sich die Bilder dadurch hervorheben lassen. Hierbei lässt sich das angesprochene Blickverhalten über „Salzkammergut“ (siehe Abb. 7-67) als ein gutes Beispiel ansehen. Die Abbildung in Kombination mit dem retrospektiven Lauten Denken hat gezeigt, dass die Lernende beim Selbstlernen trotz eines großen Interesses nur das Wort „Salzkammergut“ in der Aufgabe überdurchschnittlich fixiert hat, ohne das über diesem Wort positionierte Bild des Salzkammerguts betrachtet zu haben. Hierbei wäre es möglich, beispielsweise einen Pfeil zwischen dem Wort und dem Bild hinzuzufügen. Mit solchen Zeichen lassen sich die eingesetzten Bilder hervorheben, sodass die Lernenden möglicherweise indirekt beeinflusst werden können, die bildlichen Elemente in den Materialien zu betrachten. All dies kann die Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf das Betrachten bzw. das Fixieren auf die Bilder erhöhen, wenn die Lernenden selbst lernen. In diesem Fall können die Lernenden die in einem Lernangebot eingesetzten Bilder nicht in anderer Weise behandeln, als sich dies die Entwickler*innen der Angebote vorgestellt oder erwartet haben. Für die Konzeption und den Aufbau der Lernangebote für das außerschulische Selbstlernen sollte dies berücksichtigt werden, denn der Einsatz von Bildmaterialien ist erst sinnvoll, wenn die Lernenden beim Lernprozess die Bilder mit Aufmerksamkeit betrachten. 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 353 238 Dieser Aspekt wird in Kapitel 7.4.4.4 diskutiert. Zu diesem Aspekt sollte noch angemerkt werden, dass der effektive Einsatz von Bildmaterialien für die offenen Aufgaben in den Lernangeboten für das außerschulische Selbstlernen hierbei nicht erörtert wird, weil viele DaF-Lernende beim Selbstlernen (im Rahmen der vorliegenden empirischen Untersuchung) die offenen Aufgaben sowohl im analogen als auch im digitalen Lernangebot grundsätzlich nicht ausgewählt und bearbeitet haben. Ausgehend von dem Verhalten der Lernenden bzw. von der Aufgabenauswahl der Probanden und auch von den Ergebnissen der schriftlichen Befragung (siehe Anhang A5) liegt ein Hinweis für die Gestaltung der Materialien für das außerschulische Selbstlernen vor: Der Einsatz von offenen Aufgaben in den Lernmaterialien für das außerschulische Selbstlernen kann für angemessen gehalten werden, vorausgesetzt, dass sich die geschrie‐ bene Antwort kontrollieren lässt, oder dass eine Musterantwort zu dieser Aufgabe als Beispiel zur Kontrolle (der von Lernenden gegebenen Antwort) angeboten wird. Das kann auf der Basis des Verhaltens der Probanden ein Faktor über die Auswahl der Aufgaben beim außerschulischen Selbstlernen sein. Ein Beispiel ist der Knopf „Prüfen“ auf der Online-Lernplattform „Deutsch für dich“ (vgl. Kapitel 6.4.2). Dieser Knopf im digitalen Lernangebot (siehe Abb. 6-16) kann von Lernenden beim Selbstlernen benutzt werden, wenn die Lernenden nach der Eingabe ihre Antwort (in den geschlossenen Übungen) kontrollieren wollen. Diese Funktion wurde auf der Grundlage der Ergebnisse der schriftlichen Befragung bei vielen Probanden der vorliegenden Untersuchung (siehe Anhang A5) positiv bewertet, was implizieren kann, dass eine solche Möglichkeit des Prüfens von (individuellen) Antworten zu Aufgaben die Entscheidung für die Auswahl der Aufgaben im Kontext des außerschulischen Selbstlernens beeinflussen kann. Diese „Kontrollierbarkeit“ ermöglicht den Lernenden, beim Selbstlernen ihre Antwort sofort zu überprüfen, was für die Lernenden bzw. für ihr außerschulisches Selbstlernen wichtig ist. Im Hinblick auf die Gestaltung der künftigen Materialien können vielfältige Möglichkeiten in digitalen Lernangeboten durch verschiedene Techniken oder Technologien zur Verfügung stehen. Eine Möglichkeit, die zurzeit technisch nicht schwer realisiert werden kann, ist, dass den Lernenden durch Anklicken eines Knopfs im digitalen Lernangebot eine Musterantwort angezeigt wird und die Lernenden auf der Basis dieser Musterantwort ihre eigene Lösung (manuell) vergleichen können. Es ist zudem auch vorzustellen, dass die künstliche Intelligenz (KI) in einem zukünftigen Lernangebot für das Fremdsprachenlernen eingesetzt werden kann 238 . Dabei kann die KI bei den offenen Aufgaben wie ein virtueller Tutor entweder die individuellen Antworten von Lernenden kontrollieren oder bei Bedarf den Lernenden Tipps geben. So können die offenen Aufgaben in den Lernangeboten das Interesse der Lernenden im Hinblick auf die Aufgabenauswahl wecken. In diesem Zusammenhang ist anzunehmen, dass die Bildmaterialien, die sowohl funktional als auch ästhetisch sind, bei solchen offenen Aufgaben mit der „Kontrollierbarkeit“ auch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit beim Lernprozess von den Lernenden betrachtet und lange fixiert werden könnten. 354 7 Datenauswertung und -analyse 239 Damit werden die Wörternetze gemeint, die nach einer (bestimmten) langen Zeit nach der Selbst‐ lernphase von den Lernenden generiert werden. 7.4.4.2 Fokus: Länge der Blickfixationen In Kapitel 7.2 wurden die Wörternetze der ausgewählten Studienteilnehmenden in Verbin‐ dung mit ihren Blickfixationen analysiert, die beim außerschulischen Selbstlernprozess mit den beiden Medien in der Untersuchung bzw. in zwei Studien mit zwei unterschiedlichen Lernthemen erfolgten. Die Übersichtstabelle zeigt, wie hoch die Anteile der reproduzierten Items in den Wörternetzen sind, die sich auf die beim außerschulischen Selbstlernen mit den beiden Medien intensiv fixierten sprachlichen Zeichen beziehen (vgl. Kapitel 7.4.1). Die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Untersuchung haben gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen den Blickfixationen der Lernenden und dem Output des Selbstlernens (bzw. den Einträgen der Wörternetze) besteht. Die (im Rahmen der Untersu‐ chung produzierten) Wörternetze stellen zwar keine Langzeitwörternetze 239 dar, allerdings lässt sich beobachten, dass ein bestimmter Anteil der Einträge der Wörternetze in einem Zusammenhang mit den Wörtern in den Lernmaterialien steht, welche die Lernenden beim Lernprozess bzw. während der Informationswahrnehmung besonders intensiv fixiert haben. Wie in Kapitel 5.2.1 beschrieben, können die Blickfixationen auf der Grundlage der Eye-Mind-Hypothese (vgl. Just & Carpenter 1987) die Aufmerksamkeit bzw. die kognitive Verarbeitung reflektieren. Im theoretischen Rahmen über die Funktionsweise des mentalen Lexikons (vgl. Kapitel 2.2.1) und über die Entwicklung der Repräsentationen im mentalen Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.3) lässt sich sagen, dass viele lexikalische Einheiten beim Lernpro‐ zess durch die visuelle Wahrnehmung (und auch durch die akustischen Reize der Videos auf der Online-Lernplattform) in das mentale Lexikon integriert und im mentalen Lexikon aktiviert werden können, wenn die Repräsentationen zuvor bereits vorhanden waren. Das heißt, dass die einschlägigen Wörter durch (längere) Blickfixationen beim Lernprozess des selbständigen Wortschatzlernens im Gehirn tiefgehend verarbeitet wurden, was das Speichern der Informationen im Langzeitgedächtnis voraussetzt (vgl. Winkel et al. 2006: 36). Einer der Unterschiede zwischen dem Fremdsprachenlernen im Unterricht und dem fremdsprachlichen Selbstlernen im außerschulischen Kontext besteht darin, dass sich die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden (Kursteilnehmenden) bzw. ihre Blickfixationen auf einem bestimmten Inhalt (Reiz) im Lernangebot oder Material durch die Anleitung der Lehrenden im Fremdsprachenunterricht beeinflussen lässt. Im Vergleich dazu ist die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden beim Lernprozess des außerschulischen selbstän‐ digen Fremdsprachenlernens schwer einzuschätzen. In Kapitel 5.1 wurde beschrieben, dass die visuelle Wahrnehmung in den meisten Fällen die Hauptquelle der Informationen über die Außenwelt ist. Die visuell aufgenommenen Informationen werden im Gehirn weiterverarbeitet, was einen komplexen Prozess darstellt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die (visuelle) Aufmerksamkeit der Lernenden beim außerschulischen Selbstlernen zu erforschen. Für die Fremdsprachenforschung oder die Fremdsprachendidaktik sind die Augenbewegungen von Lernenden bei ihrem Sprachlernprozess von wesentlicher Bedeutung, weil die sprachlichen Zeichen bzw. die lexikalischen Kenntnisse in vielen 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 355 Fällen visuell wahrgenommen werden und diese Informationen nach der Wahrnehmung weiterverarbeitet werden. Dies kann das Eintragen der reproduzierten Items der Wörter‐ netze im Rahmen der vorliegenden Studie erklären, was sich auch mit dem Modell der Sprachverarbeitung von Roche bezüglich des mentalen Lexikons deckt (siehe Abb. 2-4). Für die Gestaltung der zukünftigen Lernangebote ist dies aufschlussreich: Erst mit dem Verständnis des Lernverhaltens der Lernenden (dabei Blickverhalten bzw. visuelle Auf‐ merksamkeit) kann erkannt werden, welche semiotischen Ressourcen in einem (digitalen) Lernangebot bei den Lernenden bzw. bei ihrem Wahrnehmungsprozess Relevanz haben. Die Relevanz „ist das entscheidende Kriterium für die Verteilung der Aufmerksamkeit“. (Bucher 2012: 260) So kann ein bereits konzipiertes Lernangebot optimiert oder ein zukünftiges Lernangebot (weiter)entwickelt werden, das durch seine Gestaltung die visuelle Aufmerk‐ samkeit der Lernenden beim außerschulischen Selbstlernen im positiven Sinne lenken oder beeinflussen kann. „Die Nutzung der elektronischen Medien ist […] stark von kulturell geprägten An‐ nahmen zur Informationsverarbeitung und zum Wissenserwerb abhängig.“ (Roche 2011: 400). So könnte die von Entwickler*innen oder Didaktiker*innen gesetzten Ziele leichter erreicht werden, wenn die Lernenden mit dem spezifisch für sie konzipierten (digitalen) Lernangebot die deutsche Sprache (oder eine andere Fremdsprache) im außerschulischen Kontext selbständig lernen. Mit dem auf der Grundlage des Blickverhaltens der bestimmten Gruppe entwickelten Lernangeboten kann auch weitgehend gewährleistet werden, dass die Lernenden beim außerschulischen Selbstlernen die für die Lernziele wichtigen Infor‐ mationen in den Lerninhalten bemerken, fixieren und kognitiv verarbeiten, wie dies sich die Entwickler*innen bei der Konzeption der Lernangebote vorgestellt oder wie sie erwünscht haben. Alle dort vorhandenen semiotischen Ressourcen könnten in diesem Fall auch effektiv genutzt werden, weil diese Ressourcen bei der Konzeption der Entwickler*innen unter Berücksichtigung des kulturell geprägten (Blick)Verhaltens der Lernenden gestaltet werden. Zudem kann sich die Benutzerfreundlichkeit der Lernangebote, die für einen kontinu‐ ierlichen Lernprozess des Selbstlernens von Lernenden wichtig ist (vgl. Zeyer 2018: 278), durch die Berücksichtigung des (Blick)Verhaltens der bestimmten Gruppe auch erhöhen. Die Entwickler*innen können auf der Basis der Augenbewegungsdaten von Lernenden die Gestaltung der Lernangebote an das Lernverhalten und das Blickverhalten der Ler‐ nenden anpassen, damit alle visuell wahrnehmbaren Elemente in den Materialien bzw. der Lerninhalte der Lernangebote durch ihre optimierte Funktionsweise den selbständigen Lernprozess fördern können. Aus den Blickfixationen kann entnommen werden, was bzw. welcher Interessenbereich (AOI) in den Lernmaterialien die visuelle Aufmerksamkeit von Lernenden bei ihrem außerschulischen Selbstlernen erregt. In Kapitel 7.2 wurden die Heatmaps vorgeführt, welche die Blickintensität zeigen. Basierend darauf kann erkannt werden, wie intensiv die Blickfixation bzw. die visuelle Aufmerksamkeit auf einem bestimmten AOI ist. Allerdings ist bei der Interpretation und der Analyse hinsichtlich der Augenbewegungen von Lernenden eine Schwachstelle zu erkennen: Es gibt keine Hinweise darauf, warum beispielsweise ein Wort beim außerschulischen Selbstlernen länger fixiert wird als ein anderes. Eine längere Blickfixation kann auf unterschiedliche Gründe zurückgeführt werden. Ein möglicher 356 7 Datenauswertung und -analyse 240 Die vermutenden Interpretationen der motivationalen Gründe zu einigen bestimmten Augenbewe‐ gungen in Kapitel 7.2 liegen auch daran, dass manche kleine, aber auffällige Augenbewegungen in der Phase der Datenerhebung bzw. vor der Durchführung des retrospektiven Lauten Denkens nicht vom Forschenden bzw. vom Verfasser in den Video-Replays bemerkt wurden, da die Datenmenge sehr groß ist. Daher wurden die Probanden während der Datenerhebung zum Blickverhalten nicht befragt. Diese auffälligen Augenbewegungen wurden erst bei der Datenanalyse bemerkt. In diesem Zusammenhang könnten die einschlägigen Augenbewegungen nur durch Vermutungen interpretiert oder analysiert werden. Grund ist beispielsweise das individuelle Interesse an diesem Wort. Es kann darüber hinaus auch sein, dass das Wort einem/ einer Lernenden Schwierigkeiten bereitet, oder dass der/ die Lernende beim Lernen bewusst bzw. gezielt das Wort analysieren möchte. All diese Gründe sind wichtig für die fremdsprachendidaktische Untersuchungen, die sich auf das Lernverhalten und -strategien von Lernenden als Schwerpunkt beziehen. Die diesbezügli‐ chen Informationen kann allerdings lediglich durch Heatmaps oder Gazeplots nicht direkt gewonnen werden. Bei der Konzeption der empirischen Untersuchung wurde dies berück‐ sichtigt, daher wurde bei der Durchführung der Untersuchung auch das retrospektive Laute Denken (RTA) verwendet, was den Mangel gewissermaßen kompensieren kann. Durch diese Forschungsmethode können die Daten erhoben werden, mit denen der motivationale Grund von Augenbewegungen erklärt oder interpretiert werden kann. Jedoch besteht hierbei ein Dilemma: Da das retrospektive Laute Denken erst nachträglich (bzw. nach dem Selbstlernprozess einer Lerneinheit im Rahmen der vorliegenden Untersuchung) stattfand, konnten sich die Lernenden möglicherweise wegen einer überlasteten kognitiven Kapazität wie „Overload“ bei der Nutzung eines multicodalen und multimodalen Lernangebots (vgl. Weidenmann 2011: 80) oder der vollen Kapazität des kurzeitigen Gedächtnisses nach dem Selbstlernen nicht immer gut daran erinnern, warum ein bestimmtes Wort oder ein bestimmter Interessenbereich (nicht) besonders intensiv fixiert worden ist. Dies hat dazu geführt, dass zur Interpretation mancher Augenbewegungen der Lernenden in den beiden Studien der vorliegenden empirischen Untersuchung in Kapitel 7.2 nur Vermutungen basierend auf anderen erfassten Ergebnissen und dem zuvor erkannten Blickverhalten der Lernenden nahegelegt werden können, anstatt dass das Blickverhalten eindeutig erklärt werden kann. 240 In diesem Zusammenhang sollte die Wahl der Forschungsmethoden bei der Konzeption der nachfolgenden fremdsprachendidaktischen Eyetracking-Untersuchungen bezüglich der Analyse der visuellen Wahrnehmung und des Lernoutputs der Lernenden beim Fremd‐ sprachenlernen berücksichtigt werden. In Kapitel 6.1.3 wurde beschrieben, dass eine andere Art des Lauten Denkens, das simultane Laute Denken (CTA), auch als Forschungsmethode verwendet werden kann. Das simultane Laute Denken findet während der Aufgabenbear‐ beitung der Lernenden statt, was ermöglicht, den Anlass bzw. den motivationalen Grund jeder Augenbewegungen der Lernenden sofort zu erkennen. Beim Einsatz des simultanen Lauten Denkens können das Lernverhalten oder der Selbstlernprozess der Lernenden beeinflusst oder gestört werden. Es ist denkbar, dass die Verweildauer und die Gesamt‐ betrachtungsdauer eines Wortes länger dauern kann oder die Fixationen auf dem Wort sich quantitativ erhöhen können, wenn die Lernenden beim Lernprozess schon befragt werden, warum sie das Wort auffällig länger betrachtet haben. Mit anderen Worten kann 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 357 241 Hierbei werden die Wörter nicht gezählt, die inhaltlich nicht eng mit den gegebenen Stichwörtern oder mit dem Thema der Studie verbunden sind. Es ist nachvollziehbar, dass solche Wörter zwar beim Selbstlernen die Aufmerksamkeit der Probanden erregt haben, jedoch werden die Wörter wegen des geringen thematischen Zusammenhangs nicht in die Wörternetze von den Probanden eingetragen. die Anwendung des CTA zu einem nicht realitätsnahen Lernprozess (des außerschulischen Selbstlernens) und damit auch zu nicht authentischen Augenbewegungen der Lernenden beim Lernprozess führen, was in Kapitel 6.1.3 auch angesprochen wurde. Sicher ist eines: Um die komplexen Zusammenhänge im Hinblick auf das Blickverhalten der Lernenden beim (Selbst)Lernprozess eindeutig interpretieren zu können, reichen ausschließlich die Augenbewegungsdaten für die Analyse nicht aus. Ob das RTA oder das CTA hierbei eingesetzt wird, ist abhängig davon, worauf sich die Forschungsziele und -fragen beziehen. Hinzu könnte allerdings noch weitere Forschungsmethoden eingesetzt werden, damit sich mehr Daten erfassen lassen, mit denen die komplexen Zusammenhänge zwischen dem Blickverhalten der Lernenden und ihrem jeweiligen Output eindeutig interpretiert werden können. Beruhend auf den Heatmaps lässt sich beispielsweise beobachten, dass es sprachliche Zeichen in den Lerninhalten der beiden Medien gibt, die beim Selbstlernen von den chinesischen Probanden zwar besonders intensiv fixiert wurden (vgl. beispielsweise Kapitel 7.2.1.1.1), aber nicht als reproduzierte Lernitems in die jeweiligen Wörternetze eingetragen worden sind. 241 Erstens ist dies durch die Blickfixationen zu erklären, „die nicht zu einer kognitiven Verarbeitung des Gesehenen führen.“ (Schumacher 2012: 115) Hinzu kommt, dass das Gedächtnis der Lernenden nach einer Lerneinheit des Selbstlernens überlastet worden sein könnte, weil die Lernenden innerhalb einer Lerneinheit viele Aufgaben (in einem zuvor unbekannten Lernangebot) bearbeitet haben. Es ist denkbar, dass nicht alle beim Lernprozess wahrgenommenen Informationen im Gedächtnis gehalten werden konnten, bis die Lernenden (im Rahmen der Studie) nach der Lerneinheit die Wörternetze entwickelt haben. Zudem liegt hierbei auch die Vermutung nahe, dass die Lernenden bei den betroffenen Stellen in den Lernmaterialien mit größerer Wahrscheinlichkeit Probleme oder Überforderungen mit der Aufnahme der Informationen hatten, sodass die dort stehenden Wörter nicht ausreichend lange im Gedächtnis behalten werden konnten. Die Schwierig‐ keiten der Informationsaufnahme kann beispielweise auch auf die unbekannten Wörter, die komplexe Satzstruktur oder die Bedeutungserschließung der Wörter etc. zurückgeführt werden. Mithilfe der Daten, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erhoben wurden, kann diese Korrelation nicht aussagekräftig erklärt werden. Hierfür bedarf es noch weiterer spezifischer Eyetracking-Forschungen, mit deren spezifischen detaillierten Daten dieser Aspekt behandelt und eingehend untersucht werden kann. Im Hinblick auf das Forschungsvorhaben der nachfolgenden Fremdsprachenforschung mit dem Eyet‐ racking-Verfahren wäre es somit ideal, noch weitere Forschungsmethoden für die Daten‐ erhebung einzusetzen. Auf diese Weise würden sich noch mehr Daten gewinnen lassen, die bei der Datenauswertung eine Korrelationsannahme zwischen dem Blickverhalten von Lernenden und dem motivationalen Grund der entsprechenden Augenbewegungen sowie dem Output des (außerschulischen selbstständigen) Fremdsprachenlernens der Lernenden stützen kann. 358 7 Datenauswertung und -analyse 242 Weitere Messgröße bezüglich der Blickfixationen vgl. Godfroid 2020: 215 f. In der vorliegenden Arbeit werden hauptsächlich Heatmaps und Gazeplots für die Visualisierung des Blickverhaltens verwendet. Die detaillierteren Daten bezüglich der Augenbewegungen der Lernenden, beispielsweise die Werte im Hinblick auf die Dauer von Blickfixationen und Sakkaden, auf die Rezeptionshäufigkeit, welche die Anzahl von Blick‐ fixationen in einem definierten AOI angibt, etc., sind durch das Programm Tobii Pro Lab (vgl. Kapitel 6.1.2) zwar auch ermittelt worden, jedoch werden sie wegen des Umfangs der em‐ pirischen Untersuchung nicht aufgezeigt. Durch die Analyse dieser quantitativen und qua‐ litativen Messgrößen 242 (in Verbindung mit anderen Ergebnissen) kann auf die Einzelheiten der Rezeptionsprozesse der Lernenden, beispielsweise die kognitive Integration von durch unterschiedliche Darstellungsformen übermittelten Informationen beim Lernprozess, noch näher eingegangen werden. Daher bedarf es noch weiterer empirischer Rezeptionsstudien im Hinblick auf die (DaF-)Lernenden beim Lernprozess mit unterschiedlichen Medien in der Fremdsprachenforschung, deren Ergebnisse die zukünftige Mediengestaltung der Lernmaterialien oder Lernangebote für das Fremdsprachenlernen weiter fördern können. - 7.4.4.3 Fokus: Wortschatzerwerb und Medienwahl In der vorliegenden empirischen Untersuchung werden die Wörternetze nicht als Prüfungs‐ methode für die Analyse des Wortschatzumfangs der jeweiligen Lernenden verwendet. Stattdessen werden die Wörternetze hierbei als Output des individuellen selbständigen Wortschatzlernens im außerschulischen Kontext angesehen. Auf der theoretischen Grund‐ lage im Hinblick auf die Entwicklung der Repräsentationen im mentalen Lexikon (vgl. Kapitel 2.2.3) und die Theorie über die Beziehungen zwischen den Wörtern (vgl. Kapitel 3.1 und Kapitel 3.2) ist zu erkennen, dass sich das mentale Lexikon aller Probanden beim außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen sowohl mit dem Buch als auch auf der Online-Lernplattform deutlich entwickelt hat, was die jeweiligen Wörternetze zeigen können. In den vorangegangenen Kapiteln (Kapitel 7.2 und 7.4.1) wurde als Analyseergebnisse hinsichtlich der Wörternetze dargestellt, dass die Einträge der Buch-Wörternetze häufig un‐ abhängig von den Aufgaben oder Lerneinheiten des Selbstlernens miteinander verbunden wurden (siehe beispielsweise Abb. 7-68 und Abb. 7-73), während die reproduzierten Items in den Plattform-Wörternetzen bei vielen Lernenden (nach der jeweiligen Übungssets oder Lerneinheiten) als separate Zweige angeordnet wurden (siehe beispielsweise Abb. 7-59 und Abb. 7-88). Hierbei bestehen auch Ausnahmen: Beispielsweise hat Probandin Nr. 9 nach dem digitalen Lernen die Plattform-Wörternetze produziert, wobei die Einträge auch häufig unabhängig von den Übungssets oder Lerneinheiten verbunden sind. Durch die Zusammenführung der Ergebnisse im Hinblick auf die reproduzierten Items in den Wörternetzen (vgl. Kapitel 7.4.1) lässt sich zwar erkennen, dass bei keinem der beiden Medien ein großer Lernvorteil für das außerschulische selbständige Wortschatzlernen bei chinesischen DaF-Lernenden beobachtet werden kann. Jedoch ist aus der Tabelle 7 zu entnehmen, dass die Entwicklung des mentalen Lexikons bei den chinesischen DaF-Lernenden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nach dem digitalen Lernen 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 359 individuell deutlich unterschiedlicher ist als nach dem außerschulischen Selbstlernen mit dem Buch. In Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3 wurden die Medien für das Fremdsprachenlernen und der Stellenwert der digitalen Medien für das Selbstlernen (bei chinesischen DaF-Lernenden) dargestellt. Die digitalen Medien mit dem Internet können viele Vorteile für das Fremd‐ sprachenlernen anbieten, über welche die traditionellen bzw. die gedruckten Lernangebote nicht verfügen können. Allerdings hat das Internet (bzw. das internetgestützte digitale Lernangebot) zugleich auch einige Auswirkungen, die das Lernen beeinträchtigen können. Zum Beispiel weist Kerres (2002) in der Mediendidaktik darauf hin, dass das Internet (im Rahmen von internetbasierten Lernangeboten) die Struktur und Kohärenz von Inhalten sowie die Aufmerksamkeit von Nutzenden zerstören kann (vgl. Kerres 2002: 190). Da die Lerninhalte auf den Webpages von Online-Lernangeboten nonlinear bzw. in einer beliebigen Reihenfolge zu lesen sind, kann die große Menge der dort übermittelten Informationen den Lernenden bei ihrer Informationswahrnehmung gleichrangig und gleichwertig erscheinen. Zudem kann auch die Aufmerksamkeit bzw. eine konzentrierte Informationswahrnehmung der Lernenden bei dem Bearbeiten von Aufgaben gestört werden, wenn die Lernenden beim Lernen sehr häufig von einer Webpage zu einem anderen wechseln (vgl. ebd.). Ähnlich deuten Arnold et al. (2018) auch darauf hin, dass eine riesige Menge und die Vielfalt der Informationen und die gleichzeitige Nutzung der unterschiedlichen verfügbaren Instrumente und Methoden im Internet durch Springen von Inhalt zu Inhalt in einem internetgestützten digitalen Lernangebot beispielsweise dazu führen können, dass sich die analytische Tiefe des Denken reduziert. Hinzu kann auch noch der Mangel der Konzentration oder die Schwierigkeit bei der Unterscheidung zwischen relevanten und irrelevanten Informationen kommen. Der Denkprozess kann in diesem Zusammenhang flüchtig und oberflächlich sein, sodass etwas Gelerntes schnell vergisst wird (vgl. Arnold 2018: 39). Basierend auf den oben angesprochenen Punkten besteht ein möglicher Nachteil bei der Bereitstellung einer großen Menge der vielfältigen Ressourcen in den digitalen Lern‐ angeboten: Die Lernenden könnten Schwierigkeiten mit der Rekonstruktion eines klaren mentalen „Konzepts“ über alle dort wahrgenommenen Informationen haben, nachdem die Lernenden mit der visuellen Reizüberflutung von einer Vielzahl der nonlinearen Hypertexte oder Webpages mit Videos, Audios, statischen oder bewegten Bildern etc. konfrontiert gewesen sind. Dabei ist möglich, dass das Konzentrationsvermögen der Lernenden beim außerschulischen Selbstlernen gestört werden könnte. Als Folge könnte dies zu einer oberflächlichen Informationsverarbeitung führen, sodass die beim Lernen mit einem internetbasierten digitalen Lernangebot wahrgenommenen Informationen nicht so leicht oder so eng miteinander im Kopf verbunden werden können, wie dies beim Selbstlernen mit dem Buch möglich ist. Wegen geringer Vorerfahrungen mit Umgang mit einer großen Menge von vielfältigen und vernetzten Lerninhalten ist es denkbar, dass eine kognitive Überforderung bei den Studienteilnehmenden bzw. den (chinesischen) Lernenden leicht auftreten kann. Dies ist insbesondere der Fall bei den Lernenden, welche die digitalen Medien für das (außerschulische) Fremdsprachenlernen nicht häufig verwenden (vgl. Kapitel 4.3). Dabei können die wahrgenommenen Informationen sowohl innerhalb eines Übungssets als auch auf eine inhaltliche Ganzheit im Gedächtnis nicht miteinander 360 7 Datenauswertung und -analyse 243 Damit werden die Einträge gemeint, welche die jeweiligen separaten Zweige in den Wörternetzen leiten verknüpft werden. Daher ist es vorstellbar, dass ein unabhängiger mentaler „Startpunkt“ 243 zu dem jeweiligen Übungsset bei den Studienteilnehmenden erzeugt werden könnte, wenn sie mit einem (neuen) Übungsset beginnen. Der inhaltliche Zusammenhang zwischen Übungssets lassen sich beim Wechseln eines anderen Übungssets schwer herstellen, obwohl sich die Übungssets auf ein identisches Lernthema bezieht. In Kapitel 6.4.2 wurden die Materialien des digitalen Lernangebots gezeigt und in einem Übungsset liegt ein Navigationsbereich vor, welcher die dort enthaltenen Übungen in einer Reihenfolge zeigt, was die Kohärenz zwischen diesen Übungen fördern kann. All dies kann erklären, warum die aus einem gleichen Übungsset stammenden Einträge nacheinander oder miteinander verbunden sind. Hierzu dienen die in der Navigationsleiste vorhandenen Wörter, die beim Selbstlernen besonders intensiv fixiert worden sind, oft als Knoten für die aus den untergeordneten Aufgaben des gleichen Übungssets stammenden Wörtern. Allerdings wurden die Einträge, welche in unterschiedlichen Übungssets vorkommen, trotz des identischen Lernthemas der Studie häufig weniger stark in die Wörternetze miteinander integriert wurden, sondern eher als separate Zweige angelegt wurden (vgl. beispielsweise Kapitel 7.2.1.2.3 und Kapitel 7.2.2.2.1). Für die zukünftige Mediengestaltung für das Fremdsprachenlernen wäre es daher sinnvoller, wenn die Reihenfolge der Übungssets bzw. der Lerninhalte in einem digitalen Online-Lernangebot von den Entwickler*innen vorgeschlagen werden könnte. In diesem Fall kann einerseits der Entscheidungsspielraum zur Auswahl von Lerninhalten beim außerschulischen Selbstlernen weiterhin nicht reduziert werden. Andererseits können die Lernenden nach dem von den Entwickler*innen vorgeschlagenen Reihenfolge die Lernin‐ halte im internetbasierten digitalen Lernangebot linear lesen, wobei ihre Erfahrungen mit der Nutzung von gedruckten Medien für das Fremdsprachenlernen helfen können. So könnte die Kohärenz der Inhalte aus verschiedenen Übungssets verstärkt werden. Es ist denkbar, dass dies besonders förderlich für die Lernenden sein kann, deren digitalen Medi‐ enkompetenzen noch zu trainieren sind (vgl. Kapitel 7.4.3). Seitens der Lernenden lässt sich hierbei wiederum erkennen, dass die Medienkompetenzen hinsichtlich der Nutzung der digitalen Medien für das außerschulische selbständige Wortschatzlernen relevant sind und diese Kompetenzen der (chinesischen) Deutschlernenden (im Rahmen des vorliegenden Projekts) noch zu verbessern sind. Die Entwicklung der digitalen Medienkompetenzen kann die Fähigkeit der Lernenden fördern, dass die Lernenden relevante Informationen von den zahlreich vorhandenen semiotischen Ressourcen im digitalen Lernangebot aussuchen und die Struktur und Kohärenz der dort übermittelten digitalen Lerninhalten durch eine tief‐ gehende kognitive Informationsverarbeitung mit Konzentration aufrechterhalten können. Dieser Aspekt wird nachfolgend in Kombination mit dem anderen Untersuchungsergebnis diskutiert. Nach dem genauen intrapersonalen Vergleich auf der Grundlage der Tabellen im Hinblick auf die ermittelten Durchschnittswerte und Zentralwerte (vgl. Kapitel 7.2 und Kapitel 7.4.1) liegt kein einheitliches Ergebnis im Hinblick auf das Verhältnis zwischen dem Output und der Medienwahl oder Mediennutzung für das außerschulische selbständige 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 361 Wortschatzlernen bei den chinesischen DaF-Lernenden vor. Dabei sollte jedoch angemerkt werden, dass eine kleine quantitative Differenz bezüglich der Anzahl der Einträge in den Buch- und Plattform-Wörternetzen einer identischen Person bei einigen Probanden zu erkennen ist. Diese Differenz kann vermutlich auf das Thema bzw. die gegebenen Stichwörter zurückgeführt werden. Es ist allerdings schwer vermeidbar, dass die Lernenden zu verschiedenen Themen die Wörter vom mentalen Lexikon quantitativ unterschiedlich abrufen können, auch wenn sich die Lernenden für die Themen in gleichem Maße interessieren. Daher wird dieser Faktor in der Datenanalyse der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt. Da die Anzahl der Beteiligten der vorliegenden Untersuchung nicht groß ist, ist es vorzustellen, dass das Ergebnis sich ändern kann. Hierbei sollte noch eine Untersuchung mit einer größeren Anzahl von Teilnehmenden im fremdsprachendidakti‐ schen Kontext durchgeführt werden, sodass statistisch signifikante Ergebnisse gewonnen werden können. Mit diesen Ergebnissen lässt sich weitgehend zeigen, ob und bei welchem Medium ein eindeutiger Lernvorteil für das außerschulische selbständige Wortschatzlernen bei chinesischen DaF-Lernenden tatsächlich zu erkennen ist. Obwohl ein eindeutiger Lernvorteil bei keinem der beiden Medien im Rahmen dieser Untersuchung zu erkennen ist, hatte die Mehrheit der Probanden nach ihrer Teilnahme an der Untersuchung den Eindruck, dass sie effektiver mit dem Buch lernen würden. Allerdings deckt sich diese Einschätzung nicht mit den Untersuchungsergebnissen bezüglich des Outputs nach dem digitalen Lernen. Einer der Gründe besteht darin, dass die Lernenden nach dem Selbstlernen mit dem digitalen Lernangebot ein schwächeres Erfolgserlebnis hatten, obwohl sie die Vorteile der digitalen Medien für das selbständige Deutschlernen wahrgenommen haben, wie in Kapitel 7.3 beschrieben. Dies ist zum Beispiel darauf zurückzuführen, dass sie nicht wussten, wie sie die im digitalen Lernangebot vorhandenen Ressourcen für die Aneignung sprachlicher Kenntnisse effektiv nutzen konnten. Daraus lässt sich erkennen, dass den Lernenden die digitalen Medienkompetenzen fehlen, welche im vorherigen Absatz dieses Unterkapitels erwähnt wurde. Obwohl die Lernenden über die Kenntnisse verfügen, (auch bei der ersten Begegnung) mit einem (unbekannten) digitalen Lernangebot für das Fremdsprachenlernen zurechtkommen zu können, sollten die Lernenden noch trainiert werden, sodass sie beim außerschulischen Selbstlernen bestimmte Vorteile der (internetgestützten) digitalen Medien zweckmäßig und angemessen nutzen können (vgl. Kapitel 7.4.3). Bei den Plattform-Wörternetzen der Probanden sind Verben und Wortverbindungen häufig zu beobachten (vgl. beispielsweise Kapitel 7.2.2.2.4), was darauf zurückgeführt werden kann, dass die Sachverhalte im digitalen Lernangebot beispielsweise durch Videos in Verbindung mit Bildern und Texten in interaktiven Formaten multimodal dargestellt werden (vgl. Kapitel 4.2). Da Videos oder bewegte Bilder dynamisch sind, können die Verben und die durch Kollokationen referierten Sachverhalte im Vergleich zu statischen Texten lebendig dargestellt werden. Es ist denkbar, dass diese dynamische Darstellung von Sachverhalten den kognitiven Aufwand für die chinesischen Deutschlernenden, die meist visuell stark abhängig sind (vgl. Kapitel 2.2.4), reduzieren könnte. In Kapitel 4.2 wurde dargestellt, dass die mentale Multicodierung eines Lerngegenstandes stimuliert werden kann, wenn die Lernenden multicodale und multimodale Informationen wahrnehmen. Dies kann die langfristige Verfügbarkeit des Wissens unterstützen. Dadurch kann erklärt werden, warum die Wortverbindungen oder die Einträge, die sich inhaltlich auf die Videos 362 7 Datenauswertung und -analyse beziehen, häufiger in den Plattform-Wörternetzen der Lernenden vorkommen. Diesen Aspekt haben die Probanden beim Selbstlernen und auch in der Selbstevaluation zum Selbstlernen mit den beiden Medien nicht bemerkt oder nicht bewusst berücksichtigt, obwohl sie die Wortverbindungen, die sich inhaltlich auf die Videos oder Bilder in den interaktiven Übungen beziehen, in ihre Plattform-Wörternetze eingetragen haben. Somit kann den chinesischen Deutschlernenden im Kontext des außerschulischen Selbstlernens vorgeschlagen werden, dass sie durch digitale Medien die deutschen Kollokationen und Objektinkorporationen lernen können, anstatt der früher eingesetzten Lernmethoden und Lerntechniken für das Wortschatzlernen, beispielsweise des Auswendiglernens der Vokabelliste in ihrem Lehrwerk (vgl. Kapitel 3.4). Bei den Plattform-Wörternetzen besteht noch eine Besonderheit: Dort sind chinesische Äquivalente zu finden. Als Beispiele sind die Einträge der Probandin Nr. 19 wie zum Beispiel „Hilm 头盔 “ (Helm) oder „S 座椅 “ (Sattel) (vgl. Kapitel 7.1) und hinzu kommen noch die von dem Probanden Nr. 14 reproduzierten Items wie „Settbahn 缆车 “ (Seilbahn) oder „Schiet 射击 “ (Schießen) in seinen Plattform-Wörternetzen (vgl. Kapitel 7.1 und Kapitel 7.2.2.2.3). All diese Einträge mit den chinesischen Äquivalenten beziehen sich inhaltlich entweder auf die Videos oder auf die Bilder in den interaktiven Übungen im digitalen Lernangebot. Im Rahmen dieses Projekts (vgl. Kapitel 6.3) hätten die Lernenden beim Produzieren ihrer Wörternetze die Wörter, bei denen sich die Lernenden nicht sicher waren, nicht eintragen müssen. Jedoch haben die Probanden auf Eigeninitiative diese Lernitems in die Wörternetze eingetragen, was sich davon unterscheidet, was unter Berücksichtigung von Lernkultur von chinesischen Lernenden (vgl. Kapitel 3.4) vorgestellt wurde. In diesem Zusammenhang können diese Einträge in den Plattform-Wörternetzen m. E. implizieren, dass die Videos und die Bilder die Herstellung der Verbindung zwischen den lexikalischen Einheiten im mentalen Lexikon und dem konzeptuellen System gefördert und verstärkt haben. Zudem liegt die Vermutung nahe, dass sich die Lernmotivation der Lernenden beim Lernprozess in der multimedialen Umgebung des digitalen Lernangebots erhöht hat. Diese erhöhte Lernmotivation und die durch die Bilder verstärke mentale Verbindung zum konzeptuellen System ermutigen die Lernenden, die Wörter als reproduzierte Lernitems auf die Wörternetze aufzuschreiben, obwohl die entsprechenden lexikalischen Einheiten beim Lernprozess nicht vollständig in das mentale Lexikon integriert werden. Darüber hinaus lässt sich durch diese Einträge das Merkmal der chinesischen Lernenden, die starke visuelle Abhängigkeit, wiedererkennen, was der Darstellung von Kleppin (1987) hinsichtlich des chinesischen Lernverhaltens (vgl. Kapitel 3.4) entspricht. Bei der Informationswahrneh‐ mung wird die orthographische Komponente der lexikalischen Einheit wegen dieser stärkeren visuellen Abhängigkeit häufig vorzugsweise (und überwiegend) wahrgenommen und nach der Verarbeitung in das vorhandene mentale Lexikon integriert. In diesem Prozess kann zugleich die Integration der semantischen Informationen der lexikalischen Einheit durch die Videos oder die Bilder gefördert werden. Währenddessen haben die Lernenden möglicherweise wegen einiger spezifischer Lerngewohnheiten hinsichtlich des Wortschatzlernens, wie zum Beispiel „regelmäßiges stummes Aufsagen“ (vgl. Kapitel 2.2.4) oder „Auswendiglernen mit den Vokabellisten im Lehrwerk“ (vgl. Kapitel 3.4), die phonologische Information (unbewusst) vernachlässigt. All dies kann erklären, warum die Lernenden beim Produzieren ihrer eigenen Wörternetze lediglich den ersten Buchstabe der 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 363 oben genannten Wörter oder diese Wörter nur teilweise wiedergeben können, während die semantischen Informationen der entsprechenden lexikalischen Einheiten vom mentalen Lexikon vollständig abgerufen werden können. Diese stärkere visuelle Abhängigkeit der (chinesischen) Lernenden bei ihrem Lern‐ prozess sollte nicht „korrigiert“ werden, weil diese Abhängigkeit im Hinblick auf die Integration einer neuen lexikalischen Einheit in das vorhandene mentale Lexikon und auch auf die Herstellung der Verbindung zum konzeptuellen System Vorteile bringt. Für die chinesischen Deutschlernenden bzw. diese Lernenden, die beim Lernen stärker visuell abhängig sind, sollte jedoch die akustische Wahrnehmung (beim selbständigen Fremdsprachlernen) mehr beachtet werden. Wie in Kapitel 2.2.3 beschrieben wurde, ist eine gute Informationsverarbeitung durch das phonologische Gedächtnis für das Wortschatz‐ lernen wichtig. Aus der fremdsprachendidaktischen Perspektive sollte deswegen diskutiert werden, wie die akustische Wahrnehmung bei diesen Lernenden gefördert werden kann, während die Lernenden mit einem großen Aufwand ihr etabliertes Lernverhalten nicht zu verändern brauchen. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass sich die audiovisuellen Aufgaben in das Wortschatzlernen bzw. in die Förderung der Entwicklung des mentalen Lexikons vorteilhafter einbringen könnten als die anderen Aufgaben, die lediglich eines Sinnesgebiets der Lernenden (nur Sehen oder Hören) bedienen. Die visuelle Darbietungs‐ form kann die Aufnahme der semantischen und orthografischen Teile bzw. des Schriftbildes eines sprachlichen Zeichens unterstützen und zugleich fördert der synchrone akustische Reiz die Aufnahme des phonologischen Teils des sprachlichen Zeichens. Dabei sollte die Lehrkraft beim Lernprozess in der Unterrichtspraxis die Lernenden anleiten, bewusst mehr auf die akustischen Reize bzw. die akustisch dargestellten Informationen zu achten, anstatt dass sich die Lernenden den akustischen Reizen verschließen. Diese Anleitung der Lehrkraft kann auch die Kompetenzen der Lernenden hinsichtlich der Nutzung der digitalen Medien für das fremdsprachliche Selbstlernen fördern. Durch die Anleitung und das Training der Lehrkraft sollte bei der Informationswahrnehmung grundsätzlich nicht darauf geachtet werden, wie ein Wort (schriftlich) buchstabiert wird, sondern eher darauf, wie das Wort ausgesprochen wird. So kann eine vollständige Integration der phonologischen Informationen von lexikalischen Einheiten ins vorhandene mentale Lexikon unterstützt werden. Um dies zu realisieren, können zum Beispiel mehr Videos ohne Untertitel in Kombination mit weiteren visuellen, auditiven oder audiovisuellen Zeichensystemen für die Wortschatzarbeit verwendet werden. Dadurch lässt sich der Fall vermeiden, dass die Lernenden mit der stärkeren visuellen Abhängigkeit beim Anschauen der Videos ständig auf den Untertitel fixieren. Hierzu sollte noch angemerkt werden, dass sich die oben erwähnten Einträge mit den chinesischen Äquivalenten auf die Bilder be‐ ziehen, die beispielsweise wegen der Aufgabenstellung von den Probanden fixiert wurden. Daraus ist der Wert der Nutzung der Bilder in Lernangeboten festzustellen, was jedoch die (längere) Blickfixation auf den Bildermaterialien voraussetzt, wie in Kapitel 7.4.4.1 dargestellt. Seitens der Entwickler*innen der digitalen Lernangebote kann den Lernenden mit der visuellen Abhängigkeit beispielsweise dadurch geholfen werden, dass ein Wort (automatisch) ausgesprochen wird, wenn die Lernenden das Wort oder das entsprechende Bild im Lernmaterial anklicken. Auf diese Weise kann auch zu einer verstärkten Aufnahme und Integration der phonologischen Komponente von lexikalischen Einheiten beigetragen 364 7 Datenauswertung und -analyse werden und zugleich das etablierte Lernverhalten bzw. diese stärkere visuelle Abhängigkeit für die Informationsaufnahme auch nicht gestört werden. Der Wortschatzerwerb und die Medienwahl für das Fremdsprachenlernen wird im nächsten Kapitel mit dem Fokus auf dem Selbstlernen chinesischer DaF-Lernender weiter diskutiert. - 7.4.4.4 Fokus: Selbstlernen chinesischer Deutschlernender In Kapitel 4.1 wurde der Begriff „Selbstlernen“ für die vorliegende Arbeit eingegrenzt. Hier ist das selbständige Lernen im außerschulischen Kontext gemeint, wobei die Lernenden sich für die Progression des Lernprozesses eigenständig entscheiden. Hinzu kommt der Fokus auf das individuelle Selbstlernen, weil die individuellen Lernwege der Lernenden in der vorliegenden empirischen Untersuchung berücksichtigt werden. Auf der Grundlage der aktuellen Situation des DaF-Unterrichts in China und der Besonderheiten der chinesischen DaF-Lernenden (vgl. Kapitel 3.4) ist es denkbar, dass ein außerschulisches Selbstlernen für die chinesischen Lernenden sehr wichtig ist, weil sie durch das Selbstlernen je nach dem Bedarf die Sprachkenntnisse wiederholen, erwei‐ tern oder vertiefen. Unter Berücksichtigung des chinesischen spezifischen Lernverhalten könnte das Selbstlernen eine angemessene Lernform für chinesische Deutschlernende sein, denn sie brauchen hierbei keine Rücksicht mehr auf das Gesichtsmanagement zu nehmen, das von der chinesischen Lernkultur geprägt ist. Ohne die Beeinträchtigung durch Angst vor Fehlern (vor den anderen Menschen) können sich die chinesischen Lernenden mehr auf die sprachliche Aneignung konzentrieren und sie können beim Lernprozess alles Mögliche versuchen. Da die Lernenden im Rahmen des Selbstlernens die Verantwortung für den Lernprozess selbst übernehmen, können sich die chinesischen Lernenden auch nach der jeweiligen Persönlichkeit für die Lernziele, -inhalte oder -wege entscheiden. Für die Lernenden, die als Erfolgssucher*innen zu charakterisieren sind, können beim außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen mehr oder schwierigere Lerninhalte für die Aneignung weiterer lexikalischer Kenntnisse suchen und auswählen. Hingegen können die Misserfolgsvermeider*innen beim Selbstlernen leichtere Aufgaben zu dem gleichen Lernthema bearbeiten, um die gelernten Sprachkenntnisse zu wiederholen. Hierbei können die beiden Gruppen der Lernenden durch diese individuellen Lernwege den Lernerfolg erhalten, was die internale Kontrollüberzeugung im positiven Sinne gefördert werden kann, die ein selbstmotiviertes Lernverhalten begünstigen kann. Der Lernerfolg im Hinblick auf das Wortschatzlernen liegt nicht erst vor, wenn ein(e) Lernende(r) nach dem Selbstlernen über eine große Menge von lexikalischen Kenntnissen verfügt. Der Erfolg ist m. E. schon erkennbar, wenn der/ die Lernende beim Selbstlernen die vorher gesetzten Lernziele erreicht und ein positives Lernerlebnis oder keine motivationale oder emotionale Defizite wahrnimmt. Für das außerschulische selbstständige Wortschatzlernen können die Lernenden heut‐ zutage nicht nur gedruckte Medien, sondern auch digitale Lernangebote verwenden. Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse ist zwar kein eindeutiger Lernvorteil bei den gedruckten und digitalen Medien für das selbständige Wortschatzlernen zu erkennen (vgl. Kapitel 7.4.1), jedoch ist es auf der theoretischen Grundlage hinsichtlich der Merkmale der gedruckten und digitalen Medien (vgl. Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3) vorzustellen, dass die digitalen Medien bzw. die internetgestützten digitalen Lernangebote basierend 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 365 244 Anmerkung: GPT steht für Generative Pre-trained Transformer (https: / / openai.com/ blog/ chatgpt, Stand: 20.01.2023). Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des ChatGPT sind in verschiedenen Fachbereichen denkbar. In der vorliegenden Arbeit werden die Einsatzpotentiale auf das Fremdspra‐ chenlernen bzw. das selbständige Wortschatzlernen im außerschulischen Kontext fokussiert und diskutiert. Eine Vorstellung im Hinblick auf ChatGPT vgl. beispielsweise Wenzlaff & Späth: 2022. 245 Die konkreten Inhalte der Dialoge mit ChatGPT finden sich im Anhang A 6. auf ihren technischen Charakteristika einen größeren Entwicklungsspielraum haben als die gedruckten Medien, welcher das außerschulische Selbstlernen bei den chinesischen DaF-Lernenden mehr unterstützen kann. Dafür spricht vor allem, dass der unbeschränkte Raum für die Lerninhalte in (internetbasierten) digitalen Lernangeboten den Lernenden die Bereitstellung vielfältiger Aufgaben für unterschiedliche Lerntypen ermöglicht (vgl. Zeyer 2020: 176). In Kapitel 4.2 wurde beschrieben, dass das sinnvolle Zusammenwirken bzw. das Zusammenspiel der vielfältigen Zeichensysteme die Lerngegenstände anschau‐ licher präsentieren und sich die komplexen Informationen durch die multicodalen und multimodalen Darstellungsformen leichter nachvollzieren lassen. In diesem Fall kann die Verarbeitung der Informationen in den Lernmaterialien intensiviert werden, was das Interesse an Lerninhalten erhöhen und auch die langfristige Verfügbarkeit des Wissens fördern kann (vgl. Weidenmann 2011: 85). Wie in Kapitel 4 beschrieben, kann ein individualisiertes Lernen dadurch ermöglicht werden, dass jede(r) Lernende(r) gemäß seinen persönlichen Lernzielen, Interessen etc. individuell die Entscheidung und die Zusammenstellung bezüglich der zu lernenden Inhalte aus der unbegrenzten Datenbank vornehmen kann. Hinzu kommt, dass die Wahrnehmung der dort übermittelten Informationen in einer beliebigen Reihenfolge erfolgen kann (vgl. Kapitel 4.3). In Kapitel 7.4.4.1 wurde angesprochen, dass die künstliche Intelligenz (KI) in ein zukünftiges (internetgestütztes) digitales Lernangebot ohne Schwierigkeit integriert werden kann. Die KI kann beim individuellen Selbstlernen im außerschulischen Kontext eine verschiedene Rolle spielen, welche bei Problemen den Lernenden helfen und das selbständige Wortschatzlernen unterstützen kann. Zum Beispiel kann die KI (basierend auf der Datenbank) den Lernenden dabei unterstützen, die individuelle Antwort der Lernenden auf eine offene Aufgabe zu kontrollieren. Hierzu kann die Individualisierung der Lernwege durch den Einsatz der weiteren Funktionen der KI weiter erhöht werden, was einen positiven Einfluss auf das (außerschulische) selbständige Deutschlernen ausüben kann (vgl. Kapitel 4.3). Ein Beispiel ist der Einsatz des auf dem maschinellen Lernen beruhenden Systems ChatGPT 244 , welches ein Prototyp eines dialogbasierten Chatbots ist. Als sprachbasierte Anwendung ist ChatGPT in der Lage, basierend auf einem zusammenhängenden Kontext kein steifes, sondern ein natürliches bzw. realitätsnahes Gespräch mit Menschen zu führen. Im Anhang werden drei Dialoge, welche der Verfasser geführt hat, als Beispiele aufgeführt. 245 Es geht um eine Simulation des Gesprächs bzw. der Interaktion zwischen einem Deutschlernenden (Niveaustufe: A2) und ChatGPT, wobei ein Deutschlernender beim Selbstlernprozess einige Fragen hat oder wegen seines persönlichen Interesses weitere detaillierte Informationen gewinnen möchten. Das erste Gespräch bezieht sich auf das Wort „Salzkammergut“ (siehe Anhang A 6.1), welches häufig als Beispiel in der vorliegenden Arbeit genannt worden ist (siehe Abb. 366 7 Datenauswertung und -analyse 246 Ein weiteres Beispiel ist die Erklärung des Wortes „malerisch“ beim Gespräch über das Salzkam‐ mergut. ChatGPT hat aktiv in Kombination mit dem Kontext des ganzen Gesprächs bezüglich des Salzkammerguts das Wort „malerisch“ erklärt: „Im Zusammenhang mit dem Salzkammergut würde es sich auf die Schönheit der Seen, Berge und Wälder beziehe, die die Region auszeichnet.“ (siehe Anhang A 6.1) 7-67 in Kapitel 7.2.2.1.1). Zur Verständnisfrage über Salzkammergut hat ChatGPT zuerst eine ausführliche Antwort gegeben und anschließend nach dem individuellen Bedarf des Lernenden den Inhalt der gegebenen Antwort kontinuierlich mit leicht verständlichen Wörtern gekürzt, bis der Lernende (gemäß seinem derzeitigen Niveau) das Wort nachvoll‐ ziehen konnte. Dies unterscheidet sich sehr stark davon, dass eine Internet-Suchmaschine in diesem Fall mehrere Texte oder Artikel anbietet und die Lernenden wegen dieser Ver‐ ständnisfrage viele angebotene Texte (möglicherweise mit vielen unbekannten Wörtern) heraussuchen und lesen müssen. Ein ähnliches Beispiel ist das Gespräch im Hinblick auf Biathlon (siehe Anhang A 6.2.), der in einem Video zum Thema „Wintersport“ auf der Online-Lernplattform in der zweiten Studie vorgestellt wurde (vgl. Kapitel 7.2.2.2.2 und Kapitel 7.2.2.2.3). Dort hat ChatGPT basierend auf dem Bedarf des Lernenden nach der Erklärung über das Genus des Wortes „Biathlon“ den semantischen Inhalt dieses sprachlichen Zeichens auch kontinuierlich gekürzt: „Biathlon ist ein Wintersport mit Skilaufen und Schießen“ (siehe Anhang A 6.2.). Zur Unterscheidung zwischen „Skilaufen“ und „Skifahren“, die wegen der Erklärung über Biathlon und auch wegen des Interesses des Lernenden gestellt worden ist, hat ChatGPT nach dem Bedarf seine Antwort so gekürzt, dass man trotz Deutschanfänger auch verstehen könnte: „Skilaufen = Langlauf, Fitnesssport, Skifahren = Alpinski, Freizeit“ (ebd.). 246 Vorteilhaft beim digitalen Lernen ist somit, dass die kognitive Kapazität der Lernenden beim außerschulischen digitalen Lernen bei Problemen oder Fragen nicht überlastet werden kann, weil die Lernenden für eine bestimmte Frage nicht mit einem großen Aufwand die relevanten Informationen aus einer großen Menge vorhandener Informationen heraussu‐ chen müssen, welche durch unterschiedliche semiotischen Ressourcen in den digitalen Medien übermittelt werden. Die Lernenden können zielgerichtet ein Gespräch mit der KI führen, um die bestimmten sprachlichen Kenntnisse oder landeskundlichen Kenntnisse zu verstehen. Bei der Interaktion mit ChatGPT können die Lernenden auch die Fragen stellen, die auf der eigenen Situation basieren, beispielsweise die Frage „Ich wohne jetzt in Frankfurt, wie kann ich dorthin fahren? “ (siehe Anhang A 6.1.). Die KI hat basierend auf dem Kontext des Gesprächs bezüglich des Salzkammerguts das Adverb „dorthin“ verstanden und neben der Bereitstellung der authentischen Informationen über verschiedene Verbindungsmög‐ lichkeiten hat der Chatbot auch wegen des Interesses des Lernenden die „Autobahn“ sowie die „A1“ in Verbindung mit dem Kontext des Gesprächs erklärt, wodurch man bei der Interaktion mit der KI auch landeskundliche Kenntnisse gewinnen kann. Daraus lässt sich schließen, dass sich das Potential der digitalen Medien für das indivi‐ dualisierte Lernen durch den Einsatz der KI zunehmend entfalten kann, denn die Lernenden können je nach dem Bedarf durch das Gespräch mit dem Chatbot mehr digital codierte authentische Informationen gewinnen (vgl. Kapitel 4.3). Zudem lässt sich beobachten, dass ChatGPT basierend auf dem Kontext des Dialogs eine Frage gut verstehen kann, auch 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 367 247 Zum Beispiel geht es bei dem dritten Beispielsgespräch mit ChatGPT um die Frage über das Verb „einladen“. Dabei werden nicht nur die lexikalischen Kenntnisse über die Konjugation und den Wortgebrauch des Verbs vermittelt, sondern während des Gesprächs werden die Kenntnisse über „Brieftasche, Geldbörse und Portemonnaie“ wegen der Rückfrage des Lernenden auch erwähnt. 248 Es ist zugleich auch denkbar, dass der Einsatz der KI einige Nachteile (zum Beispiel falsche Informationen) haben könnte. Da die KI keinen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit darstellt, wird ihr Einsatz und die Auswirkung auf das Wortschatzlernen nicht ausführlich diskutiert. Hierbei wird eher das Potential über den Einsatz der KI für das außerschulische selbständige Fremdsprachenlernen durch die genannten Beispiele aufgezeigt. Zur einschlägigen Diskussion (beispielsweise über den Einsatz der KI bzw. des ChatGPT für das Fremdsprachenlernen) bedarf es noch weiterer empirischer Untersuchungen. wenn die Frage lediglich durch einzelne Wörter formuliert wird. Das bedeutet, dass die Deutschanfänger dadurch auch eine Möglichkeit haben, die produktive Fertigkeit Schreiben (beispielsweise für die Förderung der kommunikativen Kompetenzen) in der Fremdsprache Deutsch mit ChatGPT zu trainieren. Des Weiteren können die Lernenden durch Rückfragen bei der Interaktion mit der KI (hierbei ChatGPT) eigeninitiativ die gelernten Kenntnisse oder die beim Lernprozess wahrgenommenen Informationen (hierbei sowohl sprachliche als auch landeskundliche Kenntnisse 247 ) mit Motivation (oder Präferenzen) vertiefen und noch weitere Kenntnisse mit Interesse gewinnen oder erweitern. Dies trifft nicht nur auf die Deutschanfänger zu. Auf der theoretischen Grundlage im Hinblick auf die Merkmale der digitalen Medien und die Auswirkung auf den Wissenserwerb (vgl. Kapitel 4.3) ist zusammenfassend denkbar, dass die Integration der KI in ein digitales Lernangebot die Gestaltung einer Umgebung unterstützen kann, die förderlich für das individualisierte Fremdsprachenlernen ist. 248 Die oben bereits erwähnten Funktionen können in einem außerschulischen Selbstlernen, das lediglich durch ein gedrucktes Medium begleitet wird, nur schwer realisiert werden. Die in den vorherigen Unterkapiteln vorgeschlagenen didaktischen Herangehensweisen lassen sich somit wegen der Merkmale der beiden Medien eher durch die digitalen Medien leichter implementieren. Im Vergleich zu gedruckten Medien können in den digitalen Medien einige Möglichkeiten für das außerschulische selbständige Fremdsprachenlernen technisch leichter realisiert werden, wobei der Prozess des Wissensaufbaus durch verschie‐ dene Interaktionen (vgl. Niegemann 2011: 127-133) unterstützt werden kann. Ein stärkeres Erfolgserlebnis ist auf der Grundlage der Ergebnisse der schriftlichen Befragung (vgl. Kapitel 7.3) zwar nach dem Selbstlernen mit dem Buch erkennbar, allerdings haben die Studienteilnehmenden auch die Vorteile der digitalen Medien für das außerschulische selbständige Wortschatzlernen wahrgenommen. Ihnen fehlt allerdings die Förderung ihrer Kompetenzen hinsichtlich der Nutzung der digitalen Medien für den Wortschatzerwerb im Kontext des außerschulischen Selbstlernens. Hierfür bedarf es der (nötigen) Unterstützung der Lehrkraft, wobei die Lernenden trainiert werden, beispielsweise je nach den Lernzielen die Lernressourcen eines digitalen Lernangebots angemessen verwenden zu können. Sie werden auch trainiert, die Wichtigkeitsstufe der dort übermittelten Informationen für den Lernprozess festlegen zu können oder bei der Informationswahrnehmung die Kohärenz von Lerninhalten im digitalen Lernangebot sowie die kognitive Aufmerksamkeit aufrechterhalten zu können, wie in Kapitel 7.3 und Kapitel 7.4.4.3 dargestellt. Zudem ist die Unterstützung der Entwickler*innen von (internetgestützten) digitalen Lernangeboten 368 7 Datenauswertung und -analyse für das selbständige Fremdsprachenlernen auch wichtig. Es ist denkbar, dass das individua‐ lisierte außerschulische selbständige Wortschatzlernen dadurch gefördert werden kann, dass die Lernressourcen in einem (digitalen) Lernangebot entsprechend dem spezifischen Lernverhalten einschließlich des Blickverhaltens von Lernenden nutzbringend gestaltet werden. Wie oben erwähnt, lässt sich das individuelle Lernen darüber hinaus auch durch Integration neuer Technologien, beispielsweise die KI, in ein digitales Lernangebot fördern. Dabei kann die KI als virtueller individueller Tutor oder Lernbuddy für die Lernenden beim Lernprozess des Selbstlernens im außerschulischen Kontext unterstützen. All dies gehört zu den Bedingungen, wobei medial vermittelte Informationen zum Wissenserwerb mit den digitalen Medien beitragen können (vgl. Brünken & Seufert 2011: 113). 7.4 Zusammenführung der Ergebnisse 369 249 Damit ist der Zeitpunkt der Fassung der vorliegenden Arbeit gemeint. 8 Kritische Rückschau auf die Untersuchung In den letzten Kapiteln wurden die erhobenen Daten ausgewertet, wobei die Wörter‐ netze und Augenbewegungen am Beispiel von sechs Probanden aufgewiesen werden. Darüber hinaus wurden die Einstellungen aller Probanden in der schriftlichen Befragung dargestellt. Die Ergebnisse in der Befragung tragen beispielsweise dazu bei, die von den Eyetracking-Geräten erfassten und durch das Computerprogramm verarbeiteten Augenbewegungen nachvollziehen zu können. Im Anschluss daran wurden die erhobenen Forschungsdaten auch miteinander in Verbindung gebracht und dadurch sind viele in‐ teressante Ergebnisse gewonnen worden. Obwohl viele nützliche Ergebnisse über das außerschulische selbstständige Wortschatzlernen mit Hilfe der Eyetracker und des dazu‐ gehörenden Programms gewonnen und dargestellt worden sind, lässt sich die vorliegende Untersuchung noch fortsetzen. In diesem Kapitel wird beschrieben, welche Aspekte sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung weiter optimieren lassen. Vor allem könnte diese Untersuchung unter dem technischen Aspekt besser gestaltet werden. Da in der empirischen Untersuchung nur zwei Eyetracking-Geräte, das Tobii Pro Glasses 2 für das Selbstlernen mit dem Buch und das Tobii Pro X3-120 für das Selbstlernen auf der Online-Plattform, zur Verfügung standen, konnte das Selbstlernen der beiden Gruppen bei der Durchführung der gleichen Studie zwar parallel erfolgen, aber das Wortschatzlernen der Probanden aus einer identischen Gruppe konnte nur nacheinander stattfinden. Daher ergab es sich, dass die Probanden aus der gleichen Gruppe zu unterschiedlichen Zeiten die deutsche Sprache selbst lernten. Es ist vorstellbar, dass die Forschungsdaten als noch überzeugender anzusehen wären, wenn das Selbstlernen der Probanden aus der identischen Gruppe gleichzeitig hätte erfolgen können und ihre Daten zur gleichen Zeit mit weiteren Eyetracking-Geräten hätten erfasst werden könnten. Auf diese Weise hätte der Einfluss des Zeitfaktors reduziert werden können. Mit der Reduktion des Zeitfaktors könnten noch weitere überzeugende Forschungsdaten über die Probanden aus der gleichen Gruppe gewonnen werden, obwohl der Vergleich der Daten innerhalb einer Gruppe keinen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit darstellt. Unter dem technischen Aspekt ist außerdem erwähnenswert, dass die Augenbewegungen der Probanden beim Anschauen von Videos als dynamische Stimuli mit der derzeitigen 249 Technik nicht direkt verarbeitet werden können. In der Datenauswertung der vorliegenden Arbeit wird ein Video nach seinen Szenen in verschiedene Videoabschnitte sequenziert. Die Augenbewegungen zu jeder Sequenz bzw. jeder Szene werden mit einem statischen Stimulus, der einen statischen Datenframe des Videobildes zu jeweiligen Szenen darstellt (beispielweise siehe Abb. 7-46), durch das Computerprogramm analysiert. Mit dieser Methode wird ermöglicht, die Daten der Augenbewegung eines Videos bzw. eines dynami‐ schen Stimulus zu verarbeiten. Allerdings kann dies auch zu einer kleinen Abweichung von der tatsächlichen Situation führen. Da die Videos über viele bewegliche Elemente verfügen, ist die Positionsbewegung der beweglichen Elemente in den statischen Videobildern der 250 Neben den Lehrveranstaltungen ihres Germanistik-Studiums haben die meisten Probanden inzwi‐ schen noch wahlpflichtige Seminare, was die meisten Zeit von ihnen in Anspruch nahm. Daher hatten sie inzwischen nicht viel freie Zeit. In diesem Zusammenhang wurde eine verkürzte Zeit‐ spanne von den Lerneinheiten einer Studie bei ihnen vereinbart, damit die empirische Untersuchung nicht aus diesem Grund stagniert werden konnte. jeweiligen Szene nur schwer exakt darstellbar. Das Augenmerk zu dieser Positionsbewe‐ gung kann mit einem statischen Datenframe der Szene nicht genau festgestellt werden, wobei die visuelle Konzentration auf die dynamischen Elemente allerdings mit Hilfe eines entsprechenden Gazeplot zum Teil identifiziert werden kann. Darüber hinaus gab es noch eine zeitliche Einschränkung. Da die empirische Forschung der vorliegenden Arbeit während der Vorlesungszeit der Probanden erfolgte, war es den Probanden unmöglich, an der Untersuchung mit einer langen Zeitspanne bzw. einem genügend langen zeitlichen Intervall teilnehmen zu können. 250 Daher war die tatsächlich aufgewendete Zeit für die Durchführung der Untersuchung (Datenerhebungsphase) kürzer als geplant. Es ist vorstellbar, dass manche Probanden wegen der kurzen Zeitspanne das Selbstlernen sowohl mit dem Buch als auch mit dem digitalen Lernangebot als anstrengend empfinden könnten, oder dass sie während einer Lerneinheit leicht ermüden könnten. Dies kann einen Einfluss auf die erhobenen Daten für die Untersuchung ausüben. Wie in Kapitel 6 beschrieben, handelt es sich in der vorliegenden Untersuchung um eine Simulation in einer möglichst realitätsnahen Umgebung des außerschulischen Selbst‐ lernens. Alle Probanden haben in den beiden Studien kaum Einschränkungen hinsichtlich der Organisation des Selbstlernens. Sie können während der Untersuchung ihr Wortschatz‐ lernen frei gestalten, was einerseits zu einer riesigen Datenbank für die Auswertung und Auseinandersetzung geführt hat. Andererseits hat dies auch verursacht, dass die von sämtlichen Probanden einer identischen Gruppe gelesenen Buchseiten oder Webpages der Online-Plattform individuell unterschiedlich sind. Einige Buchseiten oder Webpages wurden nicht von allen Probanden gelesen, denn einige Probanden haben wegen eines geringen Interesses manche Seiten übersprungen. Für die Datenauswertung bedeutet dies, dass die Heatmaps zu diesen Buchseiten nicht auf den Augenbewegungen sämtlicher Mitglieder einer gleichen Gruppe erstellt werden können. Solche Heatmaps können somit die Lage der gesamten Gruppe nicht vollständig darstellen. Die Buchseiten und Webpages, die alle Probanden einer Gruppe beim Selbstlernen betrachteten, werden vorrangig analy‐ siert. Die Analyse der Seiten, die nur von manchen Untersuchungsteilnehmenden gelesen wurden, werden in der Arbeit nicht ausführlich behandelt. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, den Umfang der Lerninhalte trotz der Simulation eines realitätsnahen Selbst‐ lernens festzustellen. Auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass alle Buchseiten und Webpages beim Selbstlernen von allen Probanden betrachtet werden, sodass alle erhobenen Augenbewegungsdaten komplett herangezogen werden können. Die beruhend auf den Daten erstellten Grafiken können die Lage der gesamten Gruppe reflektieren. Was das Forschungsdesign und die Datenauswertung betrifft, ist es auch erwähnenswert, dass die Produktion der Wörternetze vor Ort als Video hätte aufgenommen werden sollen. Hinzu kommt, im Rahmen des Forschungsdesign noch die Zeit für das Nachfragen über die Begründung der Einträge der Wörternetze einzuplanen. Auf diese Weise können die Gedanken der Probanden über die Einträge und deren Verbindungen in den Wörternetzen 372 8 Kritische Rückschau auf die Untersuchung 251 Die Teste der jeweiligen Studien wurden nach ca. eine Woche organisiert, nachdem eine komplette Studie der Untersuchung beendet wurde. genauer verstanden werden. Das trägt insbesondere dazu bei, die mit mehreren Wörtern zugleich verbundenen Einträge aus dem emischen Blickwinkel präzise analysieren zu können. Beispielsweise können die mit roter Farbe markierten Stellen der Wörternetze des Probanden Nr. 14 (siehe Abb. 7-19) noch weiter analysiert werden, wenn der Prozess des Entwickelns der Wörternetze mit einer Kamera als Video aufgenommen wird. Mit Hilfe der Aufzeichnung kann beispielweise die Reihenfolge der eingetragenen Wörter identifiziert werden. Dies kann dabei helfen, die entsprechenden Denkabläufe in Verbindung mit den Augenbewegungsdaten eingehend erkennen zu können. Die vorliegende Untersuchung stellt eine explorative Arbeit dar. Es wird versucht, das Potenzial über den Einsatz der Eyetracking-Geräte als Forschungsinstrument bezüglich des außerschulischen selbstständigen Wortschatzlernens im DaF-Bereich zu erkennen. Viele Möglichkeiten der Eyetracking-Technologie werden in der Datenauswertung der vorliegenden Untersuchung noch nicht erschöpfend verwendet. Mit Hilfe der Eyetra‐ cking-Technologie kann beispielweise noch ermittelt werden, wie lange und wie intensiv verschiedene (benutzerdefinierte) Stimuli auf einer Buchseite oder einer Webpage von jeder Person oder von allen Probanden betrachtet werden. Mit diesen Funktionen der Eyetracking-Technologie lassen sich weitere detaillierte Forschungsergebnisse gewinnen. Abschließend ist im Hinblick auf die vorliegende empirische Forschung noch zu er‐ wähnen, dass ein kleiner Wortschatztest nach der jeweiligen Studie in der Phase der Durchführung der empirischen Untersuchung vorgenommen wurde. 251 Dabei wurde ge‐ testet, wie viele Wörter die Lernenden nach dem Selbstlernen mit den jeweiligen Medien erkennen konnten. Die im Test ausgewählten Wörter waren individuell unterschiedlich und sie wurden jeweils aus den Lernenden generierten Wörternetzen ausgewählt. Im Test wurden den Lernenden die Wörter schriftlich oder in Form ihrer entsprechenden bildlichen Darstellung gezeigt. Die Lernenden wurden im Test aufgefordert, die Bedeutung der gezeigten Wörter zu beschreiben oder mit den betreffenden Wörtern einen Satz zu bilden. Da die meisten Lernenden nach Abschluss der zweiten Studie bzw. der Wiederho‐ lungsuntersuchung aus externen Gründen nicht sehr viel Zeit hatten, konnten die Tests zu den beiden Studien nur einmal durchgeführt werden. Daher ließen sich die Daten bzw. die Ergebnisse von weiteren Tests nicht erheben, mit denen die mittelfristige und die langfristige Lernleistung über die Worterkennung oder die Wortproduktion gemessen werden können. 8 Kritische Rückschau auf die Untersuchung 373 9 Schluss und Ausblick Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Untersuchung betreffend das selbst‐ ständige Wortschatzlernen mit einem analogen Medium (Buch) und mit einem digitalen Lernangebot (Online-Lernplattform) bei chinesischen Deutschlernenden im außerschuli‐ schen Kontext. Dabei liegt ein Fokus auf der Entwicklung der Wörternetze der Probanden, nachdem sie mit den beiden unterschiedlichen Medien die deutsche Sprache selbständig gelernt haben. Als ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung werden die Informationswahrnehmung bzw. die Augenbewegungen der Lernenden bei ihrem außerschulischen Selbstlernen erfasst und analysiert, indem Eyetracker eingesetzt werden. Zudem werden diese Augenbewegungsdaten auch in Verbindung mit den Wörternetzen der Probanden analysiert, um das Verhältnis zwischen den Augenbewegungen und den Ein‐ trägen in den Wörternetzen zu betrachten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung können die späteren didaktischen Vorschläge für das außerschulischen Selbstlernen (im DaF-Bereich) und auch die nachfolgenden Untersuchungen mit dem Einsatz der Eyetracking-Technologie im fremdsprachendidaktischen Kontext untermauern. Die erste Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit bezieht sich auf die Wörternetze, die von den chinesischen Probanden nach ihrem außerschulischen Selbstlernen mit einem gedruckten Lehrwerk und (oder) auf einer internetgestützten Lernplattform produziert werden. Im Hinblick auf die Quantität der eingetragenen Wörter liegt im Allgemeinen bei den meisten Probanden kein deutlicher Unterschied zwischen den Buch-Wörternetzen und den Plattform-Wörternetzen vor, obwohl die meisten Lernenden (vor der Untersuchung) bereits Erfahrungen mit dem Selbstlernen mit digitalen Medien haben. Manche Probanden haben nach dem Lernen mit dem Buch deutlich mehr Wörter aktiviert als mit dem digitalen Lernangebot, aber dies ist bei einigen Probanden anders gelagert. Dabei können zwar einige Faktoren (beispielsweise Lernthema, damalige Lernmotivation oder ausgewählte Übungen in ihren individuellen Lernwegen etc.) diese Ergebnisse beeinflussen, jedoch lässt sich daraus erkennen, dass ein eindeutiger Lernvorteil bei keinem der beiden Medien für das außerschulische selbständige Wortschatzlernen bei den chinesischen DaF-Lernenden offensichtlich ist. Im Hinblick auf die eingetragenen Wörter ist durch den intrapersonalen Vergleich zu beobachten, dass nach dem digitalen Lernen häufiger Kollokationen und Objektinkorporationen reproduziert wurden, was darauf zurückgeführt werden kann, dass die Wahrnehmung der (dynamischen) Informationen durch das Zusammenspiel der vielfältigen Zeichensysteme im digitalen Lernangebot beeinflusst worden ist. Dieser Einfluss bezieht sich auf die Aktivierung der vorhandenen Wissensbestände des mentalen Lexikons und die Integration der neu wahrgenommenen sprachlichen Zeichen in das vorhandene mentale Lexikon (vgl. Kapitel 7.4.2). In Bezug auf die Augenbewegungen der Lernenden fällt es beruhend auf den Gazeplots und Heatmaps vor allem auf, dass die Bilder oft von den Probanden beim Selbstlernen vernachlässigt wurden. Zur zweiten Forschungsfrage lässt sich somit sagen, dass die Bilder nur in den bestimmten Fällen die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden erregt haben. Sie werden beispielsweise nur dann betrachtet, wenn die Lernenden beispielsweise wegen der Aufgabenstellung aufgefordert werden. Ein Grund dafür ist, dass solche Bilder keine direkt erfassbaren Informationen für das Erledigen der Aufgaben liefern können. Dafür spricht die Tatsache, dass die Bilder oft von den chinesischen Lernenden betrachtet werden, wenn die Bilder beispielsweise Hilfeleistung für die Aufgabenbearbeitung anbieten. Hinzu kommen die Ergebnisse der schriftlichen Befragung, dass die Bilder aus der pragmatischen Perspektive gesehen nicht so viele direkte Informationen (für das Erledigen der Aufgaben) vermitteln wie die Texte. Daher wollten manche Lernende keine oder nicht viel Zeit dafür investieren, um die Bilder sorgfältig zu betrachten. Das Blickverhalten kann zwar wegen der Kultur oder wegen verschiedener Faktoren spezifisch sein, jedoch ist dies aufschlussreich für die zukünftige Mediengestaltung im Hinblick auf den Einsatz von Bildmaterialien für das außerschulische Selbstlernen. Bilder können erst unter einer sinnvollen Text-Bild-Kombination einen großen Beitrag zum Verstehen und auch zum Behalten von Texten leisten (vgl. Weidenmann 1997: 201). Der Verzicht auf den Einsatz von Bildmaterialien (Fotos, Grafiken, Comics etc.) ist somit zu verneinen, weil ein Lern‐ material ohne bildliche/ grafische Darstellungen leicht zur Erhöhung der Langeweile beim Fremdsprachenlernen führen kann. Die Verwendung von Bildern kann zudem noch weitere Vorteile für den Wissenserwerb bringen (vgl. Schnotz & Horz 2011: 103). Betreffend den Umgang mit den Videos, die nur im digitalen Lernangebot vorhanden sind, ist auf der Grundlage der von den Eyetrackern erfassten Daten in Verbindung mit der schriftlichen Befragung festzustellen, dass die dynamischen Elemente bzw. bewegten Gegenstände in den Videos die visuelle Konzentration der Probanden besser erhalten können. Dies kann die bereits erwähnte Vermutung komplementieren, dass viele Pro‐ banden nach dem Lernen auf der Online-Plattform beim Entwickeln der Wörternetze mehr Kollokationen bzw. Verb-Objekt-Konstruktionen generiert haben. Neben den dynamischen Objekten kann die visuelle Aufmerksamkeit auch durch die auditiven Reize beeinflusst werden. Wenn eine Person redet und im Voiceover vorkommt, wird die sprechende Person oder der in der Form des Gesprächs beschriebene Gegenstand intensiv fixiert. Interessanterweise ist auch zu erkennen, dass die Lernenden beim Anschauen von Videos ihre Aufmerksamkeit häufig auch auf Texte richten, wenn sie in einem Video zu sehen sind, was dem Fall betreffend den Umgang mit den Bildern in den Lernmaterialien der beiden Medien ähnelt. Daraus ist zu erkennen, dass die chinesischen Deutschlernenden bei der Informationsaufnahme wegen der visuellen Abhängigkeit oft auf die Quellen, in denen die Informationen textlich dargestellt werden, angewiesen sind. Diese starke visuelle Abhängigkeit kann beim Fremdsprachenlernen zwar Vorteile bringen, beispiels‐ weise die Aufnahme des Schriftbildes der sprachlichen Zeichen. Allerdings sollten diese Lernenden auch bewusst die akustische Wahrnehmung mehr zur Anwendung für das Fremdsprachenlernen bringen. Auf diese Weise können die phonologischen Informationen der sprachlichen Zeichen beim Lernprozess (möglichst) vollständig aufgenommen und in die vorhandenen Wissensbestände eingeordnet werden. In Kombination der Wörternetze der Probanden mit ihren jeweiligen Augenbewegungen lässt sich erkennen, dass ein Zusammenhang zwischen den Einträgen in den Wörternetzen und den (längeren) Fixationen vorliegt. Die Blickfixationen wirken sich auf die Entwicklung der Wörternetze aus. Wie die Forschungsergebnisse zeigen, gehen wenigstens ungefähr 50 % der Einträge in den Wörternetzen der meisten Probanden dieser Untersuchung auf 376 9 Schluss und Ausblick 252 Dabei werden die Wörter ausgeschlossen, die von den Probanden besonders intensiv betrachtet wurden, aber keine Beziehung auf der Basis der wortspezifischen Sinnrelationen zu den Stichwörtern oder zu allen anderen Einträgen der Wörternetze stehen. die besonders intensiv fixierten Stellen in den Lernmaterialien zurück, unabhängig von dem für das Wortschatzlernen verwendeten Medium (vgl. Kapitel 7.4.1). Die restlichen Einträge stellen im Wesentlichen diejenigen dar, die von den Probanden frei assoziiert worden sind oder diejenigen, deren Repräsentationen beim Selbstlernen nach der visuellen Aufmerksamkeit im mentalen Lexikon aktiviert worden sind. Durch die Beispiele der verschiedenen Probanden dieser Untersuchung (vgl. Kapitel 7.2) lässt sich außerdem er‐ kennen, dass nicht alle bei der Informationswahrnehmung besonders intensiv betrachteten Wörter 252 in die Wörternetze eingetragen worden sind. Dies wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst, z. B. kognitives Leistungsvermögen, Konzentrationsfähigkeit, Häu‐ figkeit des Vorkommens der Wörter und ihre Darstellungsform in Materialien, Dauer der Fixationen etc. Wie in Kapitel 7.4.4 beschrieben, gibt es außerdem Blickfixationen, wobei die Informationen von den fixierten Stellen nicht kognitiv verarbeitet werden. Daher bleibt die Frage noch offen, wie intensiv bzw. wie lange oder wie oft die Fixationen erfolgen müssen, bis die Wörter bzw. die sprachlichen Zeichen, die beim außerschulischen Selbstlernen (mit den beiden unterschiedlichen Medien) durch die intensive visuelle Aufmerksamkeit wahrgenommen werden, in das vorhandene mentale Lexikon integriert werden können und nachfolgend als Output bzw. Einträge in den Wörternetzen erscheinen. Aufgrund des Umfangs und des Forschungsdesigns der vorliegenden empirischen Untersuchung lässt sich diese Frage schwer behandeln. Somit bedarf es weiterer spezifischer Forschungen, um diese Fragen ausführlich zu untersuchen. Bei den Plattform-Wörternetzen liegen einige Extremwerte vor und diese Extremwerte sind entweder auf eine geringe Anzahl der Einträge oder auf eine sehr produktive freie lexikalische Assoziation zurückzuführen. Mit diesem Prozentwert kann man zwar die jeweiligen Wörternetze der Lernenden nicht direkt qualitativ bewerten, aber wenn man die Prozentangabe bei den Buch-Wörternetzen als Referenzpunkt ansieht und intrapersonal vergleicht, ist zu erkennen, dass das Ergebnis der Nutzung der digitalen Medien im Hinblick auf die Entwicklung des mentalen Lexikons oder auf die Integration der wahrgenommenen sprachlichen Zeichen in das vorhandene mentale Lexikon individuell unterschiedlich ist. Dies kann an dem Mangel an Erfahrungen mit der Nutzung der digitalen Medien für das Selbstlernen liegen, was durch die Ergebnisse der schriftlichen Befragung geprüft werden kann. Trotz einer Vielzahl an Lerninhalten und einer Vielfalt der Darbietungsformen im di‐ gitalen Lernangebot hatten viele Lernenden verschiedene Herausforderungen. Dabei waren sie nicht immer in der Lage, passende Informationen aus den vielfältigen Lernressourcen im digitalen Lernangebot auszusuchen und dadurch ein Erfolgserlebnis zu gewinnen. Daraus ist erkennbar, dass die Entwicklung der digitalen Medienkompetenzen der Lernenden für das Fremdsprachenlernen (im Kontext des außerschulischen Selbstlernens) noch gefördert werden sollte. Aus der fremdsprachendidaktischen Perspektive sollten die Lernenden so trainiert werden, dass sie gemäß eigenen individuellen Lernzielen und Bedürfnissen beim außerschulischen selbständigen Fremdsprachlernen die digitalen Medien sachkundig und effektiv verwenden können, und dass sie die von Kerres (2002) erwähnten die 9 Schluss und Ausblick 377 Schwierigkeiten überwinden können, welche das Internet einer Rezipientin oder einem Rezipienten bringen kann (vgl. Kapitel 7.4.4). Es ist denkbar, dass die Lernenden ein positives und motivierendes Gefühl der Selbstbestätigung beim Gelingen zum Selbstlernen mit digitalen Medien haben können, wenn die Lernenden beispielsweise in der Lage sind, die Aufmerksamkeit bzw. eine konzentrierte systematische Informationswahrnehmung beim Fremdsprachenlernen mit dem internetgestützten digitalen Lernangebot aufrechtzu‐ erhalten. Als explorative Arbeit wird die Eyetracking-Technologie in dieser Untersuchung ein‐ gesetzt, damit die Augenbewegungen der chinesischen DaF-Lernenden bei ihrem au‐ ßerschulischen selbständigen Wortschatzlernen in der Fremdsprache Deutsch mit zwei unterschiedlichen Medien visualisiert und im Anschluss daran analysiert werden kann. Das Einsatzpotenzial der Eyetracking-Technologie für die fremdsprachendidaktische For‐ schung wird durch die vorliegende Untersuchung gestützt, die sich auf die Erkenntnisse hinsichtlich der Augenbewegungen bzw. der visuellen Aufmerksamkeit der chinesischen Lernenden beim außerschulischen selbständigen Wortschatzlernen in der Fremdsprache Deutsch bezieht. Neben für einen Usability-Test über die (analogen und digitalen) Lern‐ angebote in der Fremdsprachendidaktik lässt sich die Eyetracking-Technologie auch für die Untersuchung der Informationswahrnehmung seitens der Lernenden beim Fremdspra‐ chenlernen einsetzen. Da eine Augenbewegung eine aktive und passive Zuweisung der menschlichen Aufmerksamkeit auf Objekte erkennen darstellt (vgl. Kapitel 5.2.2), lässt sich durch den Einsatz dieser Technologie erkennen, welche AOIs (Areas of Interest) und inwieweit die verschiedenen Elemente auf einer Buchseite oder auf einer Webpage die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden hervorrufen oder erregen. In Kombination mit anderen Forschungsmethoden, welche das Eyetracking-Verfahren komplettieren können, können mehr Erkenntnisse über die Lernprozesse der Lernenden gewonnen werden. Auf der Basis der gewonnen Daten kann beispielsweise untersucht werden, ob die Dauer der Fixation auf ein AOI oder auf einen bestimmten Stimulus die lexikalische Entwicklung der Lernenden beeinflussen kann. Hinzu kommt zum Beispiel auch noch die Frage im Hinblick auf den Einfluss der Reihenfolge des Betrachtens der unterschiedlichen Stimuli auf das Output der Lernenden. Diese Daten können auch für die Mediengestaltung und die Entwicklung von Lernmaterialien oder Herangehensweisen für das (außerschulische selbständige) Fremdsprachenlernen von großer Bedeutung sein. Beruhend auf diesen Daten lassen sich die Lernangebote noch effektiver gestalten und verbessern, damit garantiert werden kann, dass die Lernenden auf die relevanten Lerninhalte beim Lernprozess so aufmerksam gemacht werden, wie es sich die Entwickler*innen bei der Konzeption und dem Aufbau der Lernangebote vorstellen. Es ist denkbar, dass die Eyetracking-Technologie in der Forschung auch im Hinblick auf die landeskundliche Vermittlung verwendbar ist. Mit Hilfe dieser Technologie können die Lehrenden leichter erfassen, welcher Inhalt oder welches Thema die Aufmerksamkeit der Lernenden eher auf sich zieht. Dazu kann beispielsweise untersucht werden, inwieweit die Aufmerksamkeit den Zuwachs betreffend die landes‐ kundlichen Kenntnisse beeinflussen könnte. In Bezug auf das Leseverstehen können die Stellen in einem Lernmaterial, die für Lernende in der Praxis nicht leicht verständlich sind, mit Hilfe eines Eyetrackers in Kombination mit anderen Methoden identifiziert werden. Dies kann der Lehrkraft eine objektive Rückmeldung geben und die Lehrenden können 378 9 Schluss und Ausblick basierend darauf die Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts für die Zielgruppe didak‐ tisch und methodisch anpassen und optimieren. Darüber hinaus kann diese Technologie weitere Erkenntnisse im Lernverhalten (nicht nur bezogen auf das Leseverstehen) geben. Als ein unauffälliges Diagnosewerkzeug können die Eyetracker einschlägige Ergebnisse bieten und diese Ergebnisse können einen Beitrag dazu leisten, mögliche Quellen von Lernschwierigkeiten zu ermitteln. All dies zeigt das vielversprechende Einsatzpotenzial der Eyetracking-Technologie für die fremdsprachendidaktische Forschung. Zusammenfassend ist erkennbar, dass sich die Möglichkeiten der Anwendung der Eyetracking-Technologie für die fremdsprachendidaktischen Forschungen als vielfältig erweisen können. Was die vorliegende empirische Untersuchung betrifft, können die Ergebnisse der Untersuchung die spätere didaktische Herangehensweise für das außerschulische Selbstlernen und auch die nachfolgenden Untersuchungen mit dem Einsatz der Eyetracking-Technologie im fremdsprachendidaktischen Kontext untermauern. Beruhend auf den durch die Eyetra‐ cking-Technologie erfassten Augenbewegungsdaten in Verbindung mit den von weiteren Forschungsmethoden gewonnen Daten lassen sich verschiedene didaktische Konzepte für das Fremdsprachenlernen validieren und somit können weitere lernförderliche Lernmate‐ rialien, Herangehensweisen und Lernangebote in der Fremdsprachendidaktik entwickelt werden. 9 Schluss und Ausblick 379 10 Literaturverzeichnis Aguado, Karin (2016). Lernstile. 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Im Rahmen meiner empirischen Untersuchung wird erforscht, wie die chinesischen DaF-Lernenden beim außerschulischen Selbstlernen mit verschiedenen Medien umgehen und inwieweit der deutsche Wortschatz mit Erfolg gelernt wird. Dabei wird noch ein Fokus auf die Augenbewegungen beim Selbstlernen gelegt. Die Dissertation wird von Herrn Prof. Dr. Dietmar Rösler an der Justus-Liebig-Universität Gießen betreut. In unserem persönlichen Vorgespräch sind die wichtigen Informationen über die vor‐ liegende empirische Untersuchung bereits beschrieben worden. Die Teilnahme an dem Projekt ist freiwillig. Wenn Sie aber noch weitere Fragen haben, werde ich Ihnen diese gerne jederzeit mündlich oder schriftlich beantworten. Da die Augenbewegungsdaten in einigen bestimmten Situationen zu hochsensiblen Daten zählen können, werden alle erhobenen Daten streng vertraulich behandelt. Damit Ihre Daten bestmöglich geschützt werden können, erhalten Sie zu Beginn der Untersuchung nach Zufallsprinzip eine Nummer. Wäh‐ rend der Durchführung der gesamten Untersuchung sowie in den späteren Phasen bei der Aufbereitung und der Auswertung werden Ihre Daten anonymisiert, indem die Nummer als Ersatz Ihres Namens benutzt wird. Ihre Daten werden beispielweise als „Proband(in) Nr. X“ in der Publikation bezeichnet. Mit anderen Worten wird die Auswertung der Daten in nicht personenbezogener Form vorgenommen. Außerdem werden alle Daten nicht an dritte Personen weitergegeben und in der anonymisierten Form nur zu Untersuchungszwecken (Untersuchungen und Vorträge sowie Publikationen) verwendet. Sie werden spätestens fünf Jahre nach der Auswertung komplett gelöscht. Ich bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen für Ihre Teilnahme. Abschließend möchte ich Sie noch bitten, mir durch Ihre Unterschrift Ihre Bereitschaft zur Teilnahme an dem Dissertationsprojekt zu erteilen und Ihre Kenntnisnahme der gegebenen Informationen zu bestätigen. Sie können Ihre Einverständniserklärung innerhalb von 14 Tagen ganz oder teilweise widerrufen. [Unterschrift (Forscher)] Einverständniserklärung Ich wurde ausführlich über das Dissertationsprojekt von Herrn Y. Min informiert. Hiermit bestätige ich, dass ich an dem Forschungsprojekt teilnehmen möchte. Ich habe die obigen Informationen verstanden und erkläre mich mit den genannten Bedingungen ein‐ verstanden. Im Rahmen des Projektes können meine Daten anonymisiert für Forschungs‐ zwecke verwendet werden. [Unterschrift (Teilnehmer/ Teilnehmerin)] [Ort, Datum] A 2: Persönliche Daten der Teilnehmenden Zu Beginn möchte ich Ihnen für Ihre Teilnahme an meiner Eye-Tracking-Untersuchung nochmals herzlich danken. Bevor mein Dissertationsprojekt beginnt, möchte ich Ihnen noch einige Fragen stellen, damit ich mich über Ihren Hintergrund bezüglich Ihres Deutschlernens, Mediennutzung sowie Lernerfahrung informieren kann. Dabei gibt es insgesamt sechs Fragen und Sie können auf Chinesisch die Fragen beantworten. 1. Wie lange haben Sie schon Deutsch gelernt? 2. Welche Schwierigkeiten haben Sie beim Deutschlernen? 3. Beschreiben Sie bitte, ob und inwieweit Sie das Internet für das (Fremdspra‐ chen-)Lernen verwenden. 4. Haben Sie Erfahrung mit dem Selbstlernen der deutschen Sprache? Wenn ja, wie oft und wie lernen Sie selbst die deutsche Sprache? 5. Haben Sie Erfahrung mit der Verwendung digitaler Medien für Ihr Selbstler-nen? Wenn ja, können Sie dies konkret beschreiben? 6. Inwieweit werden digitale Medien (außer Power-Point-Präsentationen oder Filmen) in Ihrem Deutschunterricht verwendet (Power-Point-Präsentationen nur mit Texten ausgenommen)? Probandin Nr.-1: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Wortgebrauch (bspw. das erworbene Wissen flexibel anzuwenden) und das betrifft besonders den mündlichen Ausdruck. Internetnutzung: ca. 30-% für das Lernen. Erfahrungen im Selbstlernen: einige Versuche vorgenommen, aber sehr kurz. Wörter auswendig lernen, Grammatik wiederholen, Lektionen präparieren, Hörverstehen. Dazu keine vorgeschla‐ genen Lernstoffe oder Arbeitsbücher. Selbstlernen mit digitalen Medien: Keine Erfahrung. Digitale Medien im Unterricht: Manchmal Videos als inhaltliche Ergänzung. 396 Anhänge Probandin Nr.-2: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Grammatik (bspw. Kasus, Deklination), Wortschatzgebrauch. Internetnutzung: Kaum für das Lernen. Erfahrung im Selbstlernen: Manchmal. Arbeitsbuch vom Lehrwerk und Diktat alle zwei bis drei Tage machen sowie Nachbereitung für den Unterricht. Selbstlernen mit digitalen Medien: Keine Erfahrung. Digitale Medien im Unterricht: Manchmal Videos. Probandin Nr.-3: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Im Allgemeinen ist das Deutschlernen nicht so schwer, nur einige grammatische Einzelheiten sind große Hürde. Internetnutzung: Recherchieren der Literatur für Hausarbeit. Erfahrung im Selbstlernen: Ungefähr fünf bis sechs Mal pro Woche. Inhaltliche Wiederholung zum Unterricht, Auswendiglernen mit der Vokabelliste und grammatische Übungen machen. Selbstlernen mit digitalen Medien: Gelegentlich mit Videos. Digitale Medien im Unterricht: Kaum. Proband Nr.-4: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Wortschatz und Hörverstehen. Internetnutzung: Manchmal für das Lernen. Erfahrung im Selbstlernen: Fünf bis sechs Mal pro Woche. Lehrbuch als Hauptlernstoff zum Nachbereiten, wird aber nicht als effektiv bewertet. Selbstlernen mit digitalen Medien: Ungefähr einmal pro Woche für die Entwicklung des Sprachgefühls. Digitale Medien im Unterricht: Kaum. A 2: Persönliche Daten der Teilnehmenden 397 Probandin Nr.-5: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Wortschatz. Wörter sind schwer im Kopf zu behalten. Außerdem sind manche grammatischen Kenntnisse nicht leicht verständlich. Internetnutzung: Manchmal für das Lernen. Erfahrung im Selbstlernen: Fünf Mal pro Woche. Hörübungen, Vokabel auswendig lernen und Leseverstehen. Selbstlernen mit digitalen Medien: Oft. Nachrichten (Tagesschau) hören oder Filme anschauen für die Förderung der Fertigkeit Hören. Dabei wird auch das Verhalten der Schauspieler in den Filmen beobachtet. Digitale Medien im Unterricht: Selten. Probandin Nr.-6: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: mündlicher Ausdruck und fließendes Sprechen. Internetnutzung: Manchmal für das Lernen. Erfahrung im Selbstlernen: Fast täglich. Ein anderes Lehrbuch benutzen. Selbstlernen mit digitalen Medien: Tagesschau schauen, aber die Konzentration ist gering. Außerdem noch Videos online anschauen. Digitale Medien im Unterricht: Kaum. Probandin Nr.-7: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Besonders die deutsche Grammatik, beispielweise Genus und Pluralformen von Wörtern sind schwer zu memorieren. Internetnutzung: 30-% für das Lernen und 20-% für das Recherchieren. Erfahrung im Selbstlernen: Fast täglich. Nachbereitung für die Sprachkurse, Vokabeln aus‐ wendig lernen, Hörverstehen und grammatische Übungen, manchmal mit Studienkollegen Dialoge machen. Selbstlernen mit digitalen Medien: Einmal innerhalb von einer bis zwei Wochen. Filme anschauen und Untertitel lesen, um Wörter bzw. Ausdrücke im Kontext zu lernen. Auch Erfahrung mit Online-Kursen für die Vertiefung der sprachlichen Kenntnisse. Digitale Medien im Unterricht: Selten. 398 Anhänge Probandin Nr.-8 Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Hören. Wenn zu schnell gesprochen wird, ist es schwer zu folgen. Internetnutzung: Für das Recherchieren der Literatur und manchmal auch Online-Kurse. Erfahrung im Selbstlernen: ca. sechs Mal pro Woche. Vokabeln auswendig lernen, Hörübungen und zusätzliche grammatische Übungen. Der Lernerfolg beim Selbstlernen ist aber schwer zu garantieren. Selbstlernen mit digitalen Medien: Einmal im Monat. (Gute) Online-Kurse für inhaltliche Ergänzung. Andere Methode werden wegen eigener eingeschränkter Kompetenz ungern probiert. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. Probandin Nr.-9: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Grammatik ist wegen vieler Ausnahmen nicht leicht zu beherrschen. Internetnutzung: Für das Recherchieren der Literatur. Erfahrung im Selbstlernen: Vier bis fünf Mal pro Woche. Fokus auf die Grammatik, die im Unterricht nicht gut verstanden wird. Manchmal kommt es auch auf die Themen an. Arbeitsbuch benutzen und Märchen lesen. Das Selbstlernen im Allgemeinen für gut bewertet, aber der Lernerfolg ist manchmal ohne Hilfe von Lehrenden schwer zu garantieren. Selbstlernen mit digitalen Medien: Zwei bis drei Mal im Monat. Anschauliche Erklärungen und viele inhaltliche Ergänzung zum Lehrwerk suchen. Es gefällt sehr. Das kann aber wegen Zeitmangel nicht oft gemacht werden. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. Probandin Nr.-10: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Grammatik und Wortschatz (beispielsweise die Nutzung von Präpositionen) sowie mündlicher Ausdruck. Internetnutzung: Für Deutschlernen Film suchen und anschauen, aber selten. Erfahrung im Selbstlernen: Maximal zwei bis drei Mal pro Woche. Leseverstehen mit dem Nachlagen von Wörtern in einem Wörterbuch, aber das ist nicht effektiv. Selbstlernen mit digitalen Medien: Notizen machen und deutsche Filme online anschauen. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. A 2: Persönliche Daten der Teilnehmenden 399 Probandin Nr.-11: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Grammatik und Wortgebrauch. Internetnutzung: Für das Recherchieren. Erfahrung über Selbstlernen: Täglich. Buch (Lehrbuch) lesen, Wörter nachschlagen. Das Selbstlernen hilft aber nicht viel. Selbstlernen mit digitalen Medien: Manchmal oder eher selten. Videos und auch Filme an‐ schauen, denn sie sind eher alltagsnah und aktuell. Das Lernen wird gefördert, nur wenn die Filme interessant und faszinierend sind. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. Probandin Nr.-12: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Grammatik. Internetnutzung: Für das Recherchieren. Erfahrung im Selbstlernen: Vier Mal pro Woche. Lehrbuch lesen und zusätzliche grammatische Übungen machen. Es hilft bei der Vertiefung des sprachlichen Wissens, aber manchmal ist es sehr trocken, anstrengend und langweilig. Selbstlernen mit digitalen Medien: Nicht so viel. Manchmal Comics/ Animationen, die ins Deutsche synchronisiert sind. Es hilft beim Hörverstehen. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. Probandin Nr.-13: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Wörter sind schwer im Kopf zu behalten, Genus und auch Kollokation. Internetnutzung: Manchmal für das Lernen. Erfahrung im Selbstlernen: Zwei bis drei Mal pro Woche. Wiederholen, Notizen machen und grammatische Übungen machen. Es hilft aber nicht viel. Selbstlernen mit digitalen Medien: Nicht viel. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. 400 Anhänge Proband Nr.-14: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Besonders Hörverstehen. Internetnutzung: Für das Recherchieren. Erfahrung im Selbstlernen: Drei bis vier Mal pro Woche. Lehrbuch und Arbeitsbuch. Selbstlernen mit digitalen Medien: Zu einem besseren Verständnis weitere Beispiele online suchen und zusätzliche Lerninhalte suchen, die interessant sind. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. Probandin Nr.-15: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Genus von Substantiven und Wörter sind schwer im Kopf zu behalten. Die grammatischen Einzelheiten werden oft verwechselt. Außerdem lässt sich die Aussprache beim Hören nicht immer ohne Schwierigkeit unterscheiden. Internetnutzung: Für das Recherchieren und Nachrichten lesen. Erfahrung im Selbstlernen: Fast täglich. Vorbereitung und auch Nachbereitung der Sprachkurse. Wörter auswendig lernen und Grammatik wiederholen. Das Selbstlernen ist hilfreich, besonders für die Selbstkontrolle über die Lernleistung. Die Konzentrationsfähigkeit wird auch trainiert. Selbstlernen mit digitalen Medien: Mit Apps unbekannte Wörter nachschlagen. Manchmal auch Apps für Hörübungen und Wortschatzlernen benutzen. Sie haben beim Lernen viel geholfen. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. Proband Nr.-16: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Wortschatz, besonders Genus, Hörverstehen und schriftlicher Ausdruck. Internetnutzung: Kaum für das Fremdsprachenlernen. Erfahrung im Selbstlernen: Vier Mal pro Woche. Arbeitsbuch benutzen, Hausaufgaben von Lehrenden wiederholen und zusätzliche Texte lesen. Es hilft bei der Erweiterung des Wortschat‐ zumfangs. Selbstlernen mit digitalen Medien: Bei Bedarf. Apps für Informationssuche benutzen und Videos anschauen. Sie haben aber nicht viel geholfen. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. A 2: Persönliche Daten der Teilnehmenden 401 Probandin Nr.-17: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Grammatik, Wortschatz und besonders Hörverstehen. Internetnutzung: Meinstens für das Recherchieren. Erfahrung im Selbstlernen: Fünf Mal pro Woche. Übungen im Arbeitsbuch machen, Hörübungen und Nachsprechen für die Förderung von Hören und Sprechen. Im Allgemeinen hat es nicht sehr viel geholfen. Selbstlernen mit digitalen Medien: Videos online anschauen als Hörübung. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. Probandin Nr.-18: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Grammatik kompliziert, denn es gibt viele Ausnahmen. Außerdem liegen große Unterschiede über die Satzstellung zwischen Chinesisch und Deutsch vor. Internetnutzung: Hauptsächlich für das Recherchieren. Erfahrung im Selbstlernen: Fast täglich. Vor- und Nachbereitung der Sprachkurse (bspw. Text im Lehrbuch und Vokabeln), zusätzliche grammatische Übungen. Es hat bei der Vertiefung von Wissen geholfen. Selbstlernen mit digitalen Medien: Apps für das Nachschlagen, die Übersetzung oder die Informationssuche benutzen. Sie sind sehr praktisch und damit kann man schnell Informationen abrufen. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. Probandin Nr.-20: Deutschlernen: 1 Jahr. Schwierigkeit: Wortschatz und Kollokation. Außerdem fällt das Hörverstehen schwer, wenn schnell gesprochen wird. Internetnutzung: Ungefähr 20-% für das Lernen und das Recherchieren. Erfahrung über Selbstlernen: Zweimal pro Woche. Vokabeln auswendig lernen und wieder‐ holen. Es hat geholfen, aber nicht viel. Ein gutes Zeitmanagement ist für das Selbstlernen sehr erforderlich. Selbstlernen mit digitalen Medien: Zwei bis drei Mal pro Woche. Apps für das Wortschatzlernen. Dabei werden die Vokabeln durch Apps nachgeschlagen und auswendig gelernt. Es hat oft nicht sehr geholfen, weil die Wörter nachher leicht vergessen werden. Digitale Medien im Unterricht: Fast keine. 402 Anhänge A 3: Wörternetze der Teilnehmenden A 3.1 Probandin Nr.-1 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) A 3: Wörternetze der Teilnehmenden 403 A 3.2. Probandin Nr.-2 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) 404 Anhänge A 3.3. Probandin Nr.-3 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) A 3: Wörternetze der Teilnehmenden 405 A 3.4. Proband Nr.-4 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) 406 Anhänge A 3.5. Probandin Nr.-5 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) A 3: Wörternetze der Teilnehmenden 407 A 3.6. Probandin Nr.-6 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) 408 Anhänge A 3.7. Probandin Nr.-7 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) A 3: Wörternetze der Teilnehmenden 409 A 3.8. Probandin Nr.-8 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) 410 Anhänge A 3.9 Probandin Nr.-9 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) A 3: Wörternetze der Teilnehmenden 411 A 3.10 Probandin Nr.-10 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) 412 Anhänge A 3.11 Probandin Nr.-11 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) A 3: Wörternetze der Teilnehmenden 413 A 3.12 Probandin Nr.-12 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) 414 Anhänge A 3.13 Probandin Nr.-13 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) A 3: Wörternetze der Teilnehmenden 415 A 3.14 Proband Nr.-14 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) 416 Anhänge A 3.15 Probandin Nr.-15 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) A 3: Wörternetze der Teilnehmenden 417 A 3.16 Proband Nr.-16 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) 418 Anhänge A 3.17 Probandin Nr.-17 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) A 3: Wörternetze der Teilnehmenden 419 A 3.18 Probandin Nr.-18 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) 420 Anhänge A 3.19 Probandin Nr.-19 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) A 3: Wörternetze der Teilnehmenden 421 A 3.20 Probandin Nr.-20 (in der ersten Studie) (in der zweiten Studie) 422 Anhänge A 4: Video-Replays und ergänzende Materialien A 4.1 Videos Durch den folgenden Link lassen sich die Videodateien bzw. die Rohdaten bezüglich der Augenbewegungen der ausgewählten Studienteilnehmenden beim Anschauen der erwähnten Videos auf der Online-Lernplattform öffnen. URL: https: / / files.narr.digital/ 9783381103515/ Zusatzmaterial_Videos.zip A 4.2 Abbildungen Die zusätzlichen bzw. ergänzenden Gazeplots und Heatmaps sind durch den folgenden Link verfügbar. URL: https: / / files.narr.digital/ 9783381103515/ Zusatzmaterial_Abbildungen.zip A 4.3 Retrospektives Lautes Denken URL: https: / / files.narr.digital/ 9783381103515/ Zusatzmaterial_Transkripte.zip A 5: Schriftliche Befragung und Ergebnisse (ins Deutsche zusammenfassend übersetzt) Liebe Teilnehmerin und lieber Teilnehmer, zuerst möchte ich Ihnen herzlich danken, dass Sie an allen Lerneinheiten der beiden Studien meiner empirischen Untersuchung aktiv teilgenommen haben. Bevor die Untersuchung beendet wird, möchte ich noch eine schriftliche Befragung durchführen. Dabei werde ich Ihnen einige Fragen bezüglich Ihrer Einstellung zu dem Selbstlernen mit den beiden Medien stellen. Damit ich ein genaues Bild Ihrer Standpunkte gewinnen kann, können Sie alle Fragen in der Umfrage auf Chinesisch beantworten. Außerdem liegt keine zeitliche Ein‐ schränkung für die Befragung vor. Sie können daher in Ruhe an Ihr gesamtes Selbstlernen in den beiden Studien der Untersuchung zurückdenken. Wie die anderen erhobenen Daten werden Ihre Antworten in der Umfrage auch anonymisiert. A 4: Video-Replays und ergänzende Materialien 423 ● Frage 1: Sind Sie beim Lernen mit dem Buch/ auf der Online-Plattform auf Probleme oder Schwierigkeiten gestoßen? Probandin Nr.-1: (Buch) Manchmal war ich ratlos und wusste nicht die weiteren Arbeitsschritte für die Aufgaben‐ lösung, weil die Aufgabenstellung meiner Meinung nach nicht sehr klar war. (PC) Es gab keine technischen Probleme, aber es wäre besser, wenn die Aufgaben einiger Hörübungen beim Hören gleichzeitig gelöst werden könnten. Probandin Nr.-2: (Buch) Der Zusammenhang zwischen Bild und Text in manchen Übungen ist schwer zu er‐ schließen. Es ergibt aus meiner Sicht im Allgemeinen keinen Sinn. (PC) In einigen Leseübungen sind die zuzuordnenden Verben bereits konjugiert, was meiner Meinung nach nicht gut für meinen Lernerfolg ist. Außerdem ist das Lesegefühl auf der On‐ line-Plattform anders als mit dem Buch, daher habe ich die vorher gelesenen Inhalte häufiger vergessen. Probandin Nr.-3: (Buch) Das Lernen mit dem Buch war manchmal langweilig, daher konnte ich mich nicht stets auf das Lernen konzentrieren. Dabei ist auch Müdigkeit aufgetreten. (PC) Die Schrift der Aufgabenstellung ist klein. Außerdem wusste ich nicht, wie ich die Bilder und andere Ressourcen in den Übungen für mein Selbstlernen effektiv ausnutzen konnte. Proband Nr.-4: (Buch) Da keine Lösung vorgegeben ist, wusste ich nicht, ob ich alle Aufgaben richtig gemacht habe. Die Inhalte des Buchs sind meiner Meinung nach auch etwas eintönig, wobei die Infor‐ mationen in den meisten Fällen nur textlich präsentiert werden. Das hat mich gelangweilt. Außerdem fehlt es noch an Erklärungen von unbekannten Wörtern, die eventuell wichtig für das Leseverstehen sind. Die Bilder haben dabei nicht geholfen. (PC) Ich hatte beim Lernen auf der Online-Plattform leichter Augenmüdigkeit als beim Lernen mit dem Buch. Probandin Nr.-5: (Buch) Im Allgemeinen gab es keine konkreten Probleme oder Schwierigkeiten. Es kann daran liegen, dass ich immer mit dem Buch die deutsche Sprache lerne. Vermutlich habe ich einige mögliche Probleme nicht wahrgenommen. (PC) Wegen der ersten Begegnung mit dem digitalen Lernangebot war ich zu Beginn nicht vertraut mit dem Umgang mit der Plattform. Daher habe ich beim Lernen mein Augenmerk oft lange auf die Navigationsleiste gerichtet. In diesem Prozess habe ich aber zugleich an die Wörter in den vorherigen Übungen zurückgedacht. Darüber hinaus konnte ich nicht so leicht Notizen machen wie beim Lernen mit einem Buch. Probandin Nr.-6: (Buch) Unbekannte Wörter und einige Grammatik haben das Lernen gestört. (PC) Es gab viele unbekannte Wörter. In einigen Szenen der Videos wird etwas schnell gesprochen. Außerdem gab es keinen Untertitel, deswegen konnte ich es mit Schwierigkeiten folgen. Probandin Nr.-7: (Buch) In einigen Leseübungen musste man sehr lange Texte lesen und wegen ihrer Länge lassen sie sich nicht auf einer Seite platzieren. Beim Lesen musste ich daher die Buchseite oft hin und her blättern. In diesem Fall konnte ich mich schwer konzentrieren, besonders wenn der Text zugleich schwer verständlich war. Außerdem haben die vorhandenen Bilder beim Verstehen der langen Texte nicht viel geholfen, was in einem unklaren Kontext das Leseverstehen erschwert hat. Ein Grund dafür ist, dass die Bedeutung von unbekannten Wörtern nicht durch den Kontext erschlossen werden kann. (PC) Aus meiner Sicht war das Memorieren der Wörter beim Lernen auf der Online-Plattform nicht so gut wie beim Lernen mit dem Buch. Darüber hinaus waren die Übungen auf der Online-Plattform im Hinblick auf die Grammatik nicht immer so anspruchsvoll wie im Buch. 424 Anhänge Probandin Nr.-8: (Buch) Die Anzahl der unbekannten Wörter war nicht gering, was mein Selbstlernen gestört hat. Die Aufgabenstellung einiger Aufgaben war nicht sehr leicht verständlich. (PC) Ich war nicht sehr vertraut mit dem Umgang mit dem digitalen Lernangebot, deswegen hatte ich inzwischen einige kleine Probleme. Probandin Nr.-9: (Buch) Das Layout des Buchs lässt sich meiner Meinung nach noch besser gestalten. Beispielsweise zu dem Thema „Urlaub“ kann es auf die untergeordneten Themen „was macht man im Urlaub“, „Reiseziele“ und „Zimmer buchen“ aufgeteilt werden. Auf diese Weise wäre das Layout aus meiner Sicht leichter verständlich. Vermutlich habe ich mich wegen der ersten Begegnung mit diesem Buch noch nicht an der Gestaltung dieses Buch gewöhnt. Die Inhalte von Übungen sind jedoch sehr interessant. (PC) Die interaktiven Übungen könnten aus meiner Sicht noch vielfältiger werden. Auf eine größere Vielfalt würde ich mich freuen. Beim langen Lernen auf der Online-Plattform bzw. nach dem langen Sitzen vor dem Computer, hatte ich leicht Augenmüdigkeit. Das hat meine Konzentration verringert. Probandin Nr.-10: (Buch) Unbekannte Wörter konnten manchmal schwer verstanden werden. (PC) Die Anzahl der unbekannten Wörter war nicht gering und ich musste sie in einem Wörterbuch nachschlagen. Probandin Nr.-11: (Buch) Manchmal wusste ich nicht, was ich als nächsten Schritt machen sollte. (PC) An das Selbstlernen mit einem digitalen Lernangebot habe ich mich noch nicht gewöhnt. Das unvertraute Gefühl war eine Ablenkung für mein Selbstlernen. Probandin Nr.-12: (Buch) Es liegt kein Problem oder keine Schwierigkeit über das Selbstlernen mit dem Buch vor. (PC) Es gab nur ein Problem in einer Hörübung. Während das Audio abgespielt wurde, konnte ich keine anderen Aktionen machen, beispielweise eine entsprechende Lücke füllen. Das heißt, dass ich das Audio komplett hören musste. Das hat mir nicht gut gefallen. Probandin Nr.-13: (Buch) In manchen Übungen habe ich die Aufgabenstellung nicht gut verstanden und in diesem Fall wollte ich die Übung direkt überspringen. (PC) Ich hatte beim Lernen auf der Online-Plattform Augenmüdigkeit. Proband Nr.-14: (Buch) Das Layout einiger Stellen im Buch hat mir nicht gut gefallen. Beispielweise wegen der Länge eines Texts können die entsprechenden Aufgaben nicht auf derselben Buchseite angezeigt werden, was den Lesefluss beeinträchtigt hat. (PC) Ich konnte nicht alle Inhalte von Videos verstehen, aber konnte mir einige Schwerpunkte bzw. Hauptszene der Videos merken. Beim Generieren meiner Wörternetze habe ich mich an die Schwerpunkte erinnert und die entsprechenden Stichwörter dazu aufgeschrieben. Die Bilder in einigen Übungen sind auch der ähnliche Fall. Probandin Nr.-15: (Buch) Die Konzentration hat aus Langweile abgenommen. Die Anzahl der unbekannten Wörter war nicht gering, daher waren einige Aufgaben mit Lückentexten nicht leicht zu bewältigen. (PC) Das Lernen auf der Online-Plattform war sehr interessant. Aber es war die erste Begegnung mit dem digitalen Lernangebot, deswegen war ich nicht vertraut mit dem Umgang mit der Plattform. Technische Probleme gab es aber nicht. Mit der Zeit konnte ich mich langsam gewöhnen. In den Übungen gab es viele unbekannte Wörter und das hat mein Lernen etwas gestört, wenn ich sie nicht in einem Wörterbuch nachschlagen konnte. Proband Nr.-16: (Buch) Die Aufgabenstellung einiger Übung war für mich nicht klar. Besonders nach dem Lesen eines sehr langen Texts wusste ich nicht, was ich danach machen sollte. A 5: Schriftliche Befragung und Ergebnisse 425 (PC) Anders als im Buch sind viele Bilder und besonders auch Videos auf der Online-Plattform vorhanden. Die Inhalte der Videos sind zwar interessant, aber ich konnte beim Anschauen nur mit Schwierigkeiten folgen. Als Folge konnte ich die Schwerpunkte der Videos nicht leicht erfassen und daher hatte ich Schwierigkeiten beim Lösen der entsprechenden Aufgaben. Probandin Nr.-17: (Buch) Für die Hörübung musste ich noch entsprechende Audios auf dem Computer abspielen, was anders als beim Lernen auf der Online-Plattform ist. (PC) Beim Lernen auf der Online-Plattform konnte ich nicht direkt neben der Übung Notizen machen. Außerdem konnte ich auch die Inhalte, die ich wichtig fand, nicht unterstreichen. Das hat mein Lernen gestört. Probandin Nr.-18: (Buch) Im Buch stehen die Texte in den meisten Fällen zu dicht beieinander, was zur Angst vor der Überforderung geführt hat. Diese Angst hat sich verstärkt, besonders wenn die Schriftgröße des Texts und der dazugehörenden Fragen sowie Aufgabenstellungen gleich ist. (PC) Es wäre besser, wenn mehr verschiedene interaktive Übungen vorhanden wären. Der Typ vieler Übungen ist gleich. Darüber hinaus gab es ein Problem mit einer Hörübung. Die Lücken konnten nicht gefüllt werden, während das Audio noch abgespielt wurde. Ansonsten würde das Abspielen des Audios automatisch aufgehört, wenn ich inzwischen die Lücke füllte. Probandin Nr.-20: (Buch) Die Aufgabenstellung war für mich nicht sehr klar, da alle Inhalte auf Deutsch angezeigt werden. Es gibt zu viele Texte und die Anzahl der Bilder ist gering. Die vorhandenen Bilder haben beim Lösen der entsprechenden Aufgaben nicht viel geholfen. (PC) Ich hatte beim Lernen leicht Augenmüdigkeit, wenn ich lange vor dem Computer saß. Die Funktion „prüfen“ der Online-Plattform hat mir gut gefallen, denn ich konnte damit wissen, ob meine Antworten richtig waren. Es wäre besser, wenn eine Erklärung zur Lösung jeder Frage angeboten werden könnte. ● Frage 2: Können Sie sich erinnern, worauf Sie Ihr Augenmerk beim Anschauen der Videos gerichtet haben? Probandin Nr.-1: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe Probandin Nr.-2: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe Probandin Nr.-3: Die Rede und das Verhalten von Personen; Schrift (textliche Elemente) in den Videos; das Voiceover der Videos Proband Nr.-4: Die Rede und das Verhalten von Personen; Schrift (textliche Elemente) in den Videos Probandin Nr.-5: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe Probandin Nr.-6: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe; Schrift (textliche Elemente) in den Videos Probandin Nr.-7: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe; vertraute (vorher gesehene) Sachen oder Gegenstände 426 Anhänge Probandin Nr.-8: Personen und schöne Gegenstände sowie Hintergründe; interessante Sachen oder Gegenstände Probandin Nr.-9: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe; das Voiceover der Videos; bewegende Objekte Probandin Nr.-10: Die Rede und das Verhalten von Personen; interessante Sachen oder Gegenstände Probandin Nr.-11: Personen und schöne Gegenstände oder Hintergründe; das Voiceover der Videos; Schrift (textliche Elemente) in den Videos Probandin Nr.-12: Die Rede und das Verhalten von Personen, Personen und schöne Gegenstände sowie Hintergründe Probandin Nr.-13: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe; Schrift (textliche Elemente) in den Videos; interessante Sachen oder Gegenstände Proband Nr.-14: Schrift (textliche Elemente) in den Videos Probandin Nr.-15: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe; Schrift (textliche Elemente) in den Videos; interessante Sachen oder Gegenstände. Proband Nr.-16: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe Probandin Nr.-17: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe; das Voiceover der Videos; interessante Sachen oder Gegenstände. Probandin Nr.-18: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe Probandin Nr.-20: Die Rede und das Verhalten von Personen; schöne Gegenstände oder Hintergründe; das Voiceover der Videos; Schrift (textliche Elemente) in den Videos; interessante Sachen oder Gegenstände. ● Frage 3: (1) Mit welchem Medium können Sie aus Ihrer Sicht mit einem größeren Erfolg die deutsche Sprache selbst lernen, nachdem Sie in den beiden Studien zwei verschiedenen Medien verwendet/ probiert haben? (2) Werden Sie mit dem zweiten Medium für das Selbstlernen weiter benutzen? Probandin Nr.-1: (1) Buch (2) eventuell ungern mit digitalen Medien Probandin Nr.-2: (1) Buch (2) Ja Probandin Nr.-3: (1) Buch (2) Ja Proband Nr.-4: (1) gleich (2) Ja A 5: Schriftliche Befragung und Ergebnisse 427 Probandin Nr.-5: (1) Buch (2) Ja Probandin Nr.-6: (1) Buch (2) Ja Probandin Nr.-7: (1) Buch (2) Ja Probandin Nr.-8: (1) Online-Plattform (2) Ja Probandin Nr.-9: (1) Online-Plattform (2) Ja Probandin Nr.-10: (1) Buch (2) eventuell nicht mit digitalen Medien Probandin Nr.-11: (1) gleich (2) Ja Probandin Nr.-12: (1) Online-Plattform (2) Ja Probandin Nr.-13: (1) Online-Plattform (2) Ja Proband Nr.-14: (1) Online-Plattform (2) Ja Probandin Nr.-15: (1) Online-Plattform (2) Ja Proband Nr.-16: (1) Online-Plattform (2) Ja Probandin Nr.-17: (1) Buch (2) Ja Probandin Nr.-18: (1) Buch (2) Ja Probandin Nr.-20: (1) Online-Plattform (2) Ja - ● Frage 4: Nach welchen Kriterien bewerten Sie, ob ein Medium bei Ihrem Selbstlernen helfen kann? 1. Ob die gelernten sprachlichen Kenntnisse angewendet werden können. 2. Ob die Themen der Lernstoffe aktuell und alltagsnah sind. 3. Ob ich nach der Verwendung des Mediums für das Selbstlernen ein Erfolgsgefühl erhalten kann. 4. Ob die Inhalte der Lernstoffe interessant sind. 5. Ob das Layout gut ist. 6. Ob die Progression der Schwierigkeit der Aufgaben angepasst ist. 7. Ob die Lernstoffe des Mediums inhaltlich vielfältig sind und die Inhalte miteinander sehr eng verbunden sind. 8. Ob es Erklärung zur Lösung jeweiliger Aufgaben gibt. 9. Ob die Lernstoffe inhaltlich aufschlussreich sind. 428 Anhänge A 6: Beispiele von Dialogen mit ChatGPT (Screenshots) A 6.1 Gespräch über „Salzkammergut“ A 6: Beispiele von Dialogen mit ChatGPT (Screenshots) 429 430 Anhänge A 6: Beispiele von Dialogen mit ChatGPT (Screenshots) 431 A 6.2 Gespräch über „Biathlon“ 432 Anhänge A 6: Beispiele von Dialogen mit ChatGPT (Screenshots) 433 A 6.3 Gespräch über das Verb „einladen“ 434 Anhänge A 6: Beispiele von Dialogen mit ChatGPT (Screenshots) 435 436 Anhänge 253 URL: https: / / learngerman.dw.com/ de/ 1-schule/ l-18722328/ lm. (Stand: 20.09.2021) A 7: Manuskript zum Video (Das Deutschlandlabor: Schule) 253 SPRECHER: Wie leben die Deutschen, und wie sind sie wirklich? - Deutschlandlabor. NINA: Hallo! Wir sind Nina … DAVID: … und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen. NINA: Heute geht es um das Thema „Schule“! DAVID: Schule - mein Lieblingsthema! Du warst doch sicher gut in der Schule, oder? NINA: Ja! SPRECHER: Schulen sind in jedem deutschen Bundesland ein bisschen anders. Alle Kinder gehen in die Grundschule, bis zur vierten oder sechsten Klasse. Danach gehen die Schüler auf verschiedene Schulen - das hängt von ihren Noten ab - und machen unterschiedliche Schul abschlüsse . Der höchste Schulabschluss ist das Abitur. Damit kann man an einer Universität studieren. (Nina und David gehen wieder in die Schule.) Morgens um acht treffen sie sich mit zwei Schülern des Aggertal-Gymnasiums in Engels‐ kirchen. Pia und Johannes zeigen Nina und David ihre Schule. NINA: Welches ist dein Lieblingsfach? SCHÜLER: Mein Lieblingsfach ist Englisch. Kunst. Sport. Auch Sport. Physik. Englisch. Sport und Englisch. Politik. Mathe, Englisch und Sport. Sport und auch Kunst sehr gerne. Spanisch zusammen mit Englisch. Geschichte. Deutsch. A 7: Manuskript zum Video (Das Deutschlandlabor: Schule) 437 SPRECHER: Sportunterricht ist eins der beliebtesten Fächer an der Schule. In manchen deutschen Schulen, so wie hier, haben Jungen und Mädchen gemeinsam Sport. Nina und David üben heute Basketball. NINA: Welche Sportarten unterrichten Sie hier an der Schule? SPORTLEHRER HAUKE BACH: Wir unterrichten Leichtathletik , Turnen , Ballsportarten , und mit den 6er-Klassen fahren wir noch zum Schwimmen … SPRECHER: Deutschunterricht. Heute geht es um das Thema „Globalisierung “. Während vorne diskut iert wird, müssen die anderen leise sein. DAVID: Und was ist das jetzt hier? PIA DÖPPER: Das ist eine Podiumsdiskussion . NINA: Also, die vier Schüler, die vorne sitzen, diskutieren miteinander … JOHANNES PÜTZ: Ja, genau. Die kriegen ein bestimmtes Thema und müssen sich dann darüber unterhalten. PIA: Also, zwei Leute sind pro und zwei sind kontra . SPRECHER: In der Schule gibt es auch eine Mensa. Hier essen die Schüler in der Mittagspause. DAVID: Und wie funktioniert das hier in der Mensa? JOHANNES: Man kann sich in jeder Pause Brötchen oder Joghurt oder kaufen, was man halt möchte, und zur großen Mittagspause kann man dann auch warme Speisen holen, aber die muss man vorher bestellen … NINA: Schmeckt's denn immer gut hier? PIA: Also, ich finde, es ist immer sehr, sehr lecker. Das sind auch alles ehrenamtliche Mütter, die das hier machen. DAVID: Gibt es hier nur typisch deutsches Essen oder ist das auch 'ne internationale Küche? JOHANNES: Das ist ganz, ganz unterschiedlich. Das geht von 'nem typischen Schnitzel oder Haxen bis zu Curry oder Pizza und Lasagne … 438 Anhänge 254 URL: https: / / www.dw.com/ de/ 5-wandern/ l-18722948. (Stand: 20.09.2021) SPRECHER: In der Pause können die Kinder draußen spielen. Informatik -Unterricht: Nicht der Lehrer steht an der Tafel, sondern Pia. Sie hält heute ein Referat für ihre Mitschüler. So lernen die Schüler von Schülern … eine gute Vorbereitung auf die Universität oder den Beruf, wo man oft Referate oder Präsentationen halten muss. In dieser Schule gibt es viele Schüler, deren Familien aus anderen Ländern kommen. Wie viele Sprachen werden hier gesprochen? Der Satz „Ich liebe dich.“ soll in möglichst viele Sprachen übersetzt werden. Welches Team sammelt mehr Sprachen? SCHÜLERIN: … Polnisch. NINA: … das ist Ukrainisch … LEHRERIN: Ich kann euch Persisch sagen … SCHÜLER: … Türkisch. SPRECHER: Jetzt wird gezählt. Nina und Pia haben den Satz „Ich liebe dich.“ in 22 Sprachen gesammelt, Johannes und David haben sogar 23. DAVID: Wir haben gewonnen! Faust! NINA: Es ist toll, wie modern und flexibel der Unterricht in der Schule ist. Die Schüler können den Unterricht aktiv mitgestalten . DAVID: Ja, die Mensa ist auch gut. Die Schülerinnen und Schüler haben an einigen Nachmittagen Unterricht … und dann ist es gut, zwischendurch was Gutes zu essen. NINA: Und wir haben viele Sprachtalente getroffen … DAVID: Ja, ich werde jetzt auch wieder Sprachen lernen: Arrividerci und à bientôt! NINA: ¡Hasta luego! A 8: Manuskript zum Video (Das Deutschlandlabor: Wandern) 254 SPRECHER: Wie leben die Deutschen, und wie sind sie wirklich? NINA: Hallo! Wir sind Nina … A 8: Manuskript zum Video (Das Deutschlandlabor: Wandern) 439 DAVID: … und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen. NINA: Heute geht es um das Thema „Wandern“. Viele Menschen in Deutschland sind gerne in der Natur und wandern dort. DAVID: Wir wollen wissen, warum die Deutschen gerne wandern und was ihnen dabei wichtig ist. SPRECHER: In Deutschland gibt es viele Wanderwege. Insgesamt ungefähr 200.000 Kilometer. Die Deutschen wandern gerne und geben viel Geld dafür aus: durchschnittlich 7,4 Milliarden Euro im Jahr. Hauptreiseziel für den Wanderurlaub ist Deutschland. DAVID: Wandern Sie gerne? PERSONEN AUF DER STRASSE: Ab und zu, ja. Nein. Nein. Ja, wir versuchen es. Also, ich mag es sehr gerne. Das Schöne am Wandern ist, dass man sich durch unbekannte Landschaften bewegt und öfter mal an neuen Orten vorbeikommt. Die Entspannung. Frische Luft, viel Bewegung, auspowern und danach gutes Essen. DAVID: Tatsächlich gehen viele Menschen in ihrer Freizeit gerne wandern. NINA: Sie möchten gerne in der Natur sein und sich entspannen. SPRECHER: Für ein Hobby in der Natur ist die passende Kleidung sehr wichtig. Bei schlechtem Wetter braucht man eine gute Regenjacke. Feste Stiefel schützen bei langen Wanderungen vor Verletzungen und man bekommt keine nassen Füße. Outdoor-Kleidung ist in Deutschland sehr beliebt und wird von vielen Leuten auch in der Freizeit getragen, sogar schon von kleinen Kindern. Jetzt brauchen Nina und David nur noch ein gutes Wandergebiet. Die Externsteine liegen im Teutoburger Wald, einem Mittelgebirge in Nordrhein-Westfalen. NINA: Wir sind jetzt ausgestattet und fertig zum Wandern, aber wo wandert man eigentlich am besten? DAVID: Das fragen wir jetzt einen Experten. SPRECHER: Hier an den Externsteinen gibt es viele sehr breite und bequeme Wanderwege. Herr Petersen ist Vorsitzender eines Wandervereins. 440 Anhänge NINA: Herr Petersen, wo kann man in Deutschland gut wandern? UWE PETERSEN: Im Prinzip können Sie überall gut wandern. Ob es im Flachland ist oder ob es in den Bergen ist oder wie hier bei uns im Mittelgebirge, wandern kann man überall, am schönsten ist es natürlich im Wald. NINA: Und warum macht Wandern Spaß? UWE PETERSEN: Wandern macht Spaß, weil Sie einfach in der freien Natur unterwegs sind, die Natur genießen können und es eben im Wald sehr schön ist. DAVID: Und wenn Sie nach Hause kommen, dann gibt's Kaffee und Kuchen … UWE PETERSEN: Nein, nicht wenn wir nach Hause kommen, sondern nach Abschluss der Wanderung kehren wir grundsätzlich ein bei Kaffee und Kuchen. Und vielleicht der eine oder andere auch ein anderes Getränk. SPRECHER: Wie wichtig ein guter Weg und eine Wanderkarte sind, sehen wir in einem kleinen Experiment: Nina wandert mit einer Wanderkarte auf normalen Wanderwegen zum Hermannsdenkmal. David geht in direkter Linie quer durch den Wald. Die 15 Kilometer lange Wanderung ist für Nina kein Problem. Sie genießt auf bequemen Wanderwegen die Landschaft. David hat es im Wald schwerer. Nina ist endlich am Hermannsdenkmal angekommen … und wartet auf David. NINA: Das hat aber lange gedauert. Tja, ich hab gewonnen! DAVID: Hat aber trotzdem Spaß gemacht. NINA: Die meisten Deutschen wandern gerne, und dabei ist ihnen funktionelle Kleidung wichtig. DAVID: Aber das Wandern war echt anstrengend! Mir tun die Beine immer noch weh. NINA: Ach komm! Dafür warst du mal an der frischen Luft und hast dich bewegt. DAVID: Dann schlage ich vor, ich gehe jetzt an die frische Luft, und du bleibst hier. NINA: Nee! Wir sind noch nicht fertig. A 8: Manuskript zum Video (Das Deutschlandlabor: Wandern) 441 255 URL: https: / / www.dw.com/ de/ 13-urlaub/ l-18877249. (Stand: 20.09.2021) A 9: Manuskript zum Video (Das Deutschlandlabor: Urlaub) 255 SPRECHER: Wie leben die Deutschen, und wie sind sie wirklich? NINA: Hallo! Wir sind Nina … DAVID: … und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen. NINA: Heute geht es um das Thema „Urlaub“. Wir wollen wissen: Wo und wie machen die Deutschen Urlaub? DAVID: Urlaub würde ich auch mal gern wieder machen. Komm, wir machen das Labor ein paar Tage zu… NINA: Okay! SPRECHER: Im Durchschnitt haben Arbeitnehmer sechs Wochen im Jahr Urlaub. Die meisten machen im Sommer zwei bis drei Wochen Urlaub, weil die Schulkinder in dieser Zeit die längsten Ferien haben: sechs Wochen! Es gibt aber auch noch weitere Ferien im Frühjahr, Herbst und Winter. Die Hälfte der Deutschen macht einmal pro Jahr eine Urlaubsreise. Jeder fünfte Deutsche ist sogar zweimal im Jahr unterwegs, mit dem Auto, mit der Bahn oder - wie hier - mit dem Flugzeug. NINA: Hier am Flughafen verreisen die Menschen am liebsten in Länder, in denen es warm ist. DAVID: Ja, sie wollen sich erholen… NINA: … und auch was erleben. DAVID: Neue Städte entdecken, neue Kulturen entdecken … NINA: … und Sport machen. Wohin ging denn bisher Ihr schönster Urlaub? PERSONEN AM FLUGHAFEN: Nach Portugal. Jamaika. DAVID: Und was meinen Sie, wo machen die Deutschen generell am liebsten Urlaub? 442 Anhänge PERSONEN AM FLUGHAFEN: Spanien. Mallorca. Spanien. DAVID: Laut Statistik sind die beliebtesten Urlaubsländer der Deutschen auf Platz 3 Italien, … NINA: … auf Platz 2 Spanien … DAVID: … und die absolute Nummer-1: Deutschland! SPRECHER: Wo kann man in Deutschland gut Urlaub machen? Da gibt es viele Möglichkeiten. Nina und David haben sich für Urlaub in den Bergen entschieden. Garmisch-Partenkirchen liegt in den Alpen und ist ideal für einen Aktivurlaub. Man kann sich hier aber auch gut ohne Sport erholen. NINA: Wie viele Leute kommen denn hier nach Garmisch-Partenkirchen zum Urlaubmachen? PETER RIES: Zu uns kommen jedes Jahr ungefähr 420.000 Menschen, die bei uns übernachten. Und ungefähr 4,2 Millionen Tagesbesucher. DAVID: Und wie viele Deutsche sind das? PETER RIES: Also, wir haben 70-Prozent Gäste aus Deutschland. NINA: Was glauben Sie, warum kommen die Menschen so gerne hierher? PETER RIES: Ja, Garmisch-Partenkirchen ist ein Ort, der so viel zu bieten hat: Kultur, Natur, Deutschlands höchsten Berg. SPRECHER: Und wo Berge sind, kann man im Winter sehr gut Sport machen. NINA: Können Sie uns drei Sachen nennen, die Sie gern im Urlaub machen? PERSONEN AUF DER STRASSE: Ski fahren. Relaxen. Ausschlafen. Draußen an der Natur sein, lange schlafen und viel essen. Das Wetter genießen, entspannen. Ski fahren, Schlitten fahren, wandern im Sonnenschein. SPRECHER: Genau das Gleiche machen Nina und David jetzt auch: Wandern in einer schönen Bergum‐ gebung. Doch es gibt noch mehr Möglichkeiten für einen Aktivurlaub. A 9: Manuskript zum Video (Das Deutschlandlabor: Urlaub) 443 NINA: Hier kann man Ski fahren, rodeln, Schlittschuh laufen, langlaufen, schwimmen, wandern oder, oder, oder … SPRECHER: Im Fernsehen ist Biathlon in Deutschland seit einigen Jahren der populärste Wintersport. Das probieren die beiden jetzt einmal aus. NINA: Bernhard, wie funktioniert denn Biathlon? BERNHARD KRÖLL: Biathlon besteht ganz einfach aus Langlaufen und Schießen. Diese zwei Sportarten, die kombinieren wir. SPRECHER: Zuerst muss man mit dem Ski eine Strecke laufen, dann schießt man auf Scheiben und läuft wieder weiter. Das Ziel: so schnell wie möglich laufen und so konzentriert wie möglich schießen. BERNHARD KRÖLL: Super, Treffer! SPRECHER: Wer danebenschießt, muss pro Fehler eine Extrarunde laufen. BERNHARD KRÖLL: Ja, Nina, letzter Schuss leider ein Fehler. Eine Strafrunde. DAVID: Ja, laufen, ne. SPRECHER: So viel Sport macht hungrig. Nina und David setzen sich in die Sonne und essen eine Kleinigkeit. DAVID: Danke schön! Laugenstange, … NINA: Weißwurst, … DAVID: Käse und Wurst, … NINA: … es ist alles da! Das war ein schöner Kurzurlaub. Die Natur und das Essen fand ich super, und Biathlon hat wirklich Spaß gemacht. DAVID: Auf jeden Fall, aber nächstes Mal fahr ich an die Ostsee und entspanne ein paar Tage. NINA: Mir ist das zu langweilig. Ich fahr wieder in die Berge. Mountainbikefahren und Klettern find ich cooler. 444 Anhänge Abbildungsverzeichnis Abb. 2-1: Bilaterales Zeichenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Abb. 2-2: Semiotisches Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Abb. 2-3: Levelts Modell zur Sprachproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Abb. 2-4: Das Modell der Sprachverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Abb. 2-5: Darstellung der vertikalen Gliederung einer lexikalischen Einheit im mentalen Lexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Abb. 2-6: Interne Struktur eines fremdsprachlichen Lexikoneintrags . . . . . . . . . . 36 Abb. 2-7: Entwicklung des L2-Eintrags im Prozess des Fremdsprachenlernens . . 36 Abb. 2-8: Drei Modelle zu den Verbindungen zwischen dem semantisch-konzeptuellen System und den Wortformen von L1 und L2 38 Abb. 2-9: The Shared (Distributed) Asymmetrical Model . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Abb. 2-10: The Modified Hierarchical Model . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Abb. 2-11: Interne Struktur eines fremdsprachlichen Lexikoneintrags . . . . . . . . . . 45 Abb. 2-12: Lexikalische Entwicklung in der Fremdsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Abb. 3-1: Sieben kognitive Teilnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Abb. 3-2: Assoziogramme zum Oberbegriff „Wald“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Abb. 5-1: Die wichtigsten Bestandteile des menschlichen Auges . . . . . . . . . . . . . 92 Abb. 6-1: Head-Unit von Tobii Glasses 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Abb. 6-2: Spezifische Bauelemente der Head-Unit von Tobii Pro Glasses 2 . . . . . 106 Abb. 6-3: Tobii Pro X3-120 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Abb. 6-4: Heatmap (ein Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Abb. 6-5: Gazeplot (ein Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Abb. 6-6: „Live-View“-Funktion auf dem Monitor des Verfassers (Ein Beispiel) . 113 Abb. 6-7: Die erste Seite aus der Lektion 6 (Ausbildung und Karriere) im Lehrwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Abb. 6-8: Die erste Übung von Teil C in der Lektion „Ausbildung und Karriere“ 117 Abb. 6-9: Die zweite Übung von Teil C in der Lektion „Ausbildung und Karriere“ 117 Abb. 6-10: Die erste Übung von Teil D in der Lektion „Ausbildung und Karriere“ 118 Abb. 6-11: Erste Übung von Teil E in der Lektion „Ausbildung und Karriere“ (links) 119 Abb. 6-12: Übung „Fokus Beruf “ in der Lektion „Ausbildung und Karriere“ (rechts) 119 Abb. 6-13: Die erste Übung im Modul „Menschen in Deutschland: Studentenleben“ 120 Abb. 6-14: Zwei Übungen im Modul „Menschen in Deutschland: Studentenleben“ 121 Abb. 6-15: Szenen aus dem Video „Das Deutschlandlabor: Schule“ . . . . . . . . . . . . . 122 Abb. 6-16: Zwei Übungen nach dem Video . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Abb. 7-1: Wörternetze der Probandin Nr.-17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Abb. 7-2: Wörternetze der Probandin Nr.-12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Abb. 7-3: Wörternetze des Probanden Nr.-14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Abb. 7-4: Wörternetze der Probandin Nr.-19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Abb. 7-5: Gazeplot der Probandin Nr.-1 (die erste Seite der Materialien) . . . . . . . 145 Abb. 7-6: Heatmap der Probandin Nr.-1 (die erste Seite der Materialien) . . . . . . . 146 Abb. 7-7: Wörternetze der Probandin Nr.-1 (1. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Abb. 7-8: Gazeplot der Probandin Nr.-1 (Teil C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Abb. 7-9: Heatmap der Probandin Nr.-1 (Teil C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Abb. 7-10: Gazeplot der Probandin Nr.-3 (die erste Seite der Materialien) . . . . . . . 153 Abb. 7-11: Heatmap der Probandin Nr.-3 (die erste Seite der Materialien) . . . . . . . 154 Abb. 7-12: Wörternetze der Probandin Nr.-3 (1. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Abb. 7-13: Gazeplot der Probandin Nr.-3 (Übung „Fokus Beruf “) . . . . . . . . . . . . . . . 158 Abb. 7-14: Heatmap der Probandin Nr.-3 (Übung „Fokus Beruf “) . . . . . . . . . . . . . . 159 Abb. 7-15: Gazeplot der Probandin Nr.-3 (Übungen zum Teil C) . . . . . . . . . . . . . . . 160 Abb. 7-16: Heatmap der Probandin Nr.-3 (Übungen zum Teil C) . . . . . . . . . . . . . . . 161 Abb. 7-17: Gazeplot des Probanden Nr.-14 (die erste Seite der Materialien) . . . . . . 165 Abb. 7-18: Heatmap des Probanden Nr.-14 (die erste Seite der Materialien) . . . . . . 166 Abb. 7-19: Wörternetze des Probanden Nr.-14 (1. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Abb. 7-20: Gazeplot des Probanden Nr.-14 (Teil C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Abb. 7-21: Heatmap des Probanden Nr.-14 (Teil C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Abb. 7-22: Gazeplot des Probanden Nr.-14 (Teil E des Buchs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Abb. 7-23: Heatmap des Probanden Nr.-14 (Teil E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Abb. 7-24: Gazeplot von mehreren Probanden (Teil E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Abb. 7-25: Beispielhafte Heatmaps über die gesamten Augenbewegungsdaten der Gruppe A (1. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Abb. 7-26: Übung zum Thema Arbeitswelten: Arbeitsklima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Abb. 7-27: Gazeplot der Probandin Nr.-5 (die zweite Aufgabe der Übung „Arbeitswelten“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Abb. 7-28: Einige Fixationen der Probandin Nr.-5 bezüglich der zweiten Aufgabe der Übung „Arbeitswelten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Abb. 7-29: Gazeplots der Probandin Nr. 5 (die dritte und vierte Aufgabe der Übung „Arbeitswelten“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Abb. 7-30: Heatmaps der Probandin Nr.-5 (drei Aufgaben der Übung „Arbeitswelten“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Abb. 7-31: Wörternetze der Probandin Nr.-5 (1. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Abb. 7-32: Blickverlauf (Rohdaten) der Probandin Nr.-5 (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . 196 Abb. 7-33: Gazeplot der Probandin Nr.-5 (die erste Aufgabe der Übung „Schule“) 197 Abb. 7-34: Heatmap der Probandin Nr.-5 (die erste Aufgabe der Übung „Schule“) 198 Abb. 7-35: Gazeplot der Probandin Nr. 5 (die zweite Aufgabe der Übung „Schule“) 199 Abb. 7-36: Ein exemplarischer Auswahlprozess der Probandin Nr.-5 (die zweite Aufgabe der Übung „Schule“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Abb. 7-37: Heatmap der Probandin Nr. 5 (die zweite Aufgabe der Übung „Schule“) 201 Abb. 7-38: Heatmaps der Probandin Nr.-5 (vier Aufgaben der Übung „Schule“) . . 203 Abb. 7-39: Gazeplot der Probandin Nr. 9 (die erste Aufgabe der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Abb. 7-40: Gazeplot der Probandin Nr.-9 (die zweite Aufgabe der Übung „Menschen in Deutsch-land: Studentenleben“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Abb. 7-41: Exemplarischer Übersprung (zweite Aufgabe der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 446 Abbildungsverzeichnis Abb. 7-42: Prozess der Aufgabenlösung (zweite Aufgabe der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Abb. 7-43: Heatmap der Probandin Nr.-9 (zweite Aufgabe der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Abb. 7-44: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (drei Aufgaben der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Abb. 7-45: Wörternetze der Probandin Nr.-9 (1. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Abb. 7-46: Gazeplots der Probandin Nr.-9 (Video: Schule) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Abb. 7-47: Gazeplots der Probandin Nr.-9 (Zwei Szenen: Umfrage und Informatikuntericht, Video: Schule) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Abb. 7-48: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (Zwei Szenen: Umfrage und Informatikuntericht, Video: Schule) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Abb. 7-49: Gazeplots der Probandin Nr.-9 (Szene: Wettspiel, Video: Schule) . . . . . 224 Abb. 7-50: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (Szene: Wettspiel, Video: Schule) . . . . . 224 Abb. 7-51: Gazeplots der Probandin Nr.-9 (die sechste und siebte Aufgabe der Übung „Schule“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Abb. 7-52: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (die sechste und siebte Aufgabe der Übung „Schule“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Abb. 7-53: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (die ersten vier Aufgaben der Übung „Ausbildung“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Abb. 7-54: Gazeplots der Probandin Nr. 9 (die dritte und vierte Aufgabe der Übung „Ausbil-dung“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Abb. 7-55: Gazeplot der Probandin Nr. 20 (die erste Aufgabe der Übung „Menschen in Deutsch-land: Studentenleben“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Abb. 7-56: Gazeplot der Probandin Nr.-20 (die zweite Aufgabe der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Abb. 7-57: Gazeplots der Probandin Nr.-20 (drei Aufgaben der Übung „Menschen in Deutsch-land: Studentenleben“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Abb. 7-58: Heatmaps der Probandin Nr.-20 (drei Aufgaben der Übung „Menschen in Deutschland: Studentenleben“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Abb. 7-59: Wörternetze der Probandin Nr.-20 (1. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Abb. 7-60: Gazeplots der Probandin Nr.-20 (Video: Schule) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Abb. 7-61: Gazeplots der Probandin Nr.-20 (Zwei Szenen: Umfrage und Informatikunterricht, Video: Schule) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Abb. 7-62: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (fünf Aufgaben der Übung „Schule“) . . 245 Abb. 7-63: Heatmaps der Probandin Nr.-20 (fünf Aufgaben der Übung „Ausbildung“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Abb. 7-64: Wörternetze der Probandin Nr.-2 (oben) und Probandin Nr.-5 (unten) (1. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Abb. 7-65: Gazeplot der Probandin Nr.-5 (die erste Seite der Materialien) . . . . . . . 255 Abb. 7-66: Heatmap der Probandin Nr.-5 (die erste Seite der Materialien) . . . . . . . 256 Abb. 7-67: Gazeplot und Heatmap der Probandin Nr.-5 (Teil B) . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Abb. 7-68: Wörternetze der Probandin Nr.-5 (2. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Abb. 7-69: Heatmap der Probandin Nr.-5 (Übungen zum Teil A) . . . . . . . . . . . . . . . 261 Abbildungsverzeichnis 447 Abb. 7-70: Heatmaps der Probandin Nr.-5 (zwei Übungen im Kursbuch) . . . . . . . . 263 Abb. 7-71: Gazeplot und Heatmap der Probandin Nr.-9 (die erste Seite der Materialien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Abb. 7-72: Heatmaps der Probandin Nr.-9 (drei Übungen im Kursbuch) . . . . . . . . . 266 Abb. 7-73: Wörternetze der Probandin Nr.-9 (2. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Abb. 7-74: Aufgabe A4 und deren Heatmap der Probandin Nr.-9 . . . . . . . . . . . . . . . 269 Abb. 7-75: Vier Übungen und deren Heatmaps der Probandin Nr.-9 . . . . . . . . . . . . 271 Abb. 7-76: Gazeplot und Heatmap der Probandin Nr.-20 (die erste Seite der Materialien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Abb. 7-77: Drei Übungen und deren Heatmaps der Probandin Nr.-20 . . . . . . . . . . . 277 Abb. 7-78: Wörternetze der Probandin Nr.-20 (2. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Abb. 7-79: Drei Übungen und deren Heatmaps der Probandin Nr.-20 . . . . . . . . . . . 281 Abb. 7-80: Wörternetze der Probandin Nr.-2 (2. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Abb. 7-81: Die Wörternetze der Probandin Nr.-13 (2. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Abb. 7-82: Gazeplot und Heatmap der Probandin Nr.-1 (die erste Aufgabe der Übung „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“) . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Abb. 7-83: Vier Aufgaben und deren Heatmaps der Probandin Nr.-1 . . . . . . . . . . . 291 Abb. 7-84: Die erste Aufgabe der Übung "Deutschlandlabor: Wandern" . . . . . . . . . 293 Abb. 7-85: Gazeplots und Heatmaps zu drei Szenen des Videos zum Thema "Wandern" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Abb. 7-86: Gazeplots zu vier Videoszenen des Videos zum Thema "Wandern" . . . 296 Abb. 7-87: Heatmaps zu drei Übungen des Übungssets "Deutschlandlabor: Wandern" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Abb. 7-88: Wörternetze der Probandin Nr.-1 (2. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Abb. 7-89: Blickfixationen der Probandin in mehreren Szenen des Videos „Wandern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Abb. 7-90: Blickfixationen der Probandin in mehreren Szenen des Videos „Urlaub“ 301 Abb. 7-91: Drei Aufgaben der vierten Übung und deren Heatmaps der Probandin Nr.-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Abb. 7-92: Gazeplots zu drei Aufgaben der ersten Übung „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Abb. 7-93: Wörternetze der Probandin Nr.-3 (2. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Abb. 7-94: Heatmaps zu drei Aufgaben der Übung „Das Deutschlandlabor: Wandern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Abb. 7-95: Die zweite Aufgabe der Übung „Das Deutschlandlabor: Wandern“ . . . 307 Abb. 7-96: Heatmaps zu einer Szene des Videos „Das Deutschlandlabor: Urlaub“ 308 Abb. 7-97: Gazeplots zu vier Aufgaben der Übung „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Abb. 7-98: Wörternetze des Probanden Nr.-14 (2. Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Abb. 7-99: Heatmaps zu vier Aufgaben der Übung „Sommer in Deutschland: Fahrrad fahren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Abb. 7-100: Heatmaps zu drei Szenen des Videos „Wandern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Abb. 7-101: Die sechste Aufgabe der Übung „Das Deutschlandlabor: Urlaub“ . . . . . 314 Abb. 7-102: Heatmaps zu fünf Übungen (gesamte Daten der Gruppe) . . . . . . . . . . . 317 448 Abbildungsverzeichnis Abb. 7-103: Wörternetze der Probandin Nr.-12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Abb. 7-104: Weitere Beispiele über den Umgang mit den Bildern (1) . . . . . . . . . . . . 340 Abb. 7-105: Weitere Beispiele über den Umgang mit den Bildern (2) . . . . . . . . . . . . 342 Abb. 7-106: Beispiele über die Blickfixationen bezüglich des Anschauens der Videos 343 Abbildungsverzeichnis 449 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Durchschnittswert und Zentralwert der Einträge in den jeweiligen Wörternetzen beider Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Tab. 2: Anteil der fixierten Wörter in den Wörternetzen (Gruppe A in der ersten Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Tab. 3: Anteil der fixierten Wörter in den Wörternetzen (Gruppe B in der ersten Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Tab. 4: Anteil der fixierten Wörter in den Wörternetzen (Gruppe A in der zweiten Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Tab. 5: Anteil der fixierten Wörter in den Wörternetzen (Gruppe B in der zweiten Studie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Tab. 6: Übersichtstabelle über Anzahlen der Einträge in den Wörternetzen . . . . . 329 Tab. 7: Übersichtstabelle über Anteile der fixierten Wörter in den Wörternetzen 332 Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Wohin wird die visuelle Aufmerksamkeit der Lernenden beim Selbstlernen gerichtet? In diesem Band geht es um das selbständige Wortschatzlernen mit den Medien Lehrbuch und digitale Lernplattform bei chinesischen DaF-Lernenden im außerschulischen Kontext. Dabei wird das Eyetracking eingesetzt, das bisher kaum im DaF-Bereich angewandt wurde. Es besteht ein Zusammenhang zwischen den Outputs und dem Blickverhalten. Allerdings lässt sich kein eindeutiger Lernvorteil eines Mediums für das Selbstlernen feststellen, obwohl die Lernenden den Eindruck hatten, dass sie effektiver mit dem Buch lernen würden. Außerdem werden Bilder in den Lernmaterialien nur bedingt betrachtet. Der Band diskutiert diese Ergebnisse und trägt damit zu einem besseren Verständnis des Lernendenverhaltens bei, wovon die Entwicklung lernförderlicher Materialien für das außerschulische Selbstlernen profitieren kann. ISBN 978-3-381-10351-5