Gurschner, Herbert (1901–1975), Maler und Graphiker

Gurschner Herbert, Maler und Graphiker. Geb. Wilten (Innsbruck, Tirol), 27. 8. 1901; gest. London (GB), 10. 1. 1975; röm.-kath. Sohn des Kaufmanns Martin Alfons Gurschner, Neffe der Bildhauer Gustav Gurschner (geb. Mühldorf am Inn, D, 28. 9. 1873; gest. Wien, 2. 8. 1970) und Emil Gurschner (geb. Bozen, Tirol / Bozen/Bolzano, I, 10. 10. 1886; gest. ebd., 23. 11. 1938); ab 1924 in 1. Ehe verheiratet mit der englischen Adeligen und Schauspielerin Ella Dolores Erskine, in 2. Ehe mit Brenda Davidoff. – G. besuchte die Unterrealschule sowie die Bürgerschule in Innsbruck, wobei sich bereits damals sein zeichnerisches Talent zeigte. 1917–18 bildete er sich an der kunstgewerblichen Fachschule (Klasse für Zeichnen und Malen) in Innsbruck weiter und präsentierte erste Werke im Kunstsalon Swatschek. Den Sommer verbrachte G. in München, wo er private Mal- und Zeichenkurse von Walter Thor besuchte. Ab 1918 studierte er an der Münchner Akademie der Bildenden Künste bei Peter von Halm und Franz von Stuck und pendelte in der Folgezeit zwischen Innsbruck und München. Ab 1920 wohnte er in Mühlau und stellte zusammen mit den anderen Künstlern des „Mühlauer Kreises“, wie Ernst Nepo, →Alphons Schnegg und Rudolf Lehnert, aus. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Landschafts- und Städtestudien in Aquarelltechnik, welche G.s Ausflüge und Reisen nach Tirol, Salzburg und Italien dokumentieren. Die Kompositionen seiner Bilder wurden immer bewegter und Elemente, die aus seiner Beschäftigung mit dem Holzschnitt herrührten, flossen in seine Bilder ein. Gleichzeitig machten sich Einflüsse von Alfons Walde und →Albin Egger-Lienz bemerkbar. Es folgten weitere Ausstellungen in Innsbruck, u. a. im Palmenhaus des Hofgartens, bei Unterberger und im Taxispalais, wo G. neue Gemälde mit bäuerlichen Motiven präsentierte. 1922 lernte er seine spätere Frau kennen, die ihm wichtige Kontakte zur englischen Kunstszene vermittelte. 1925 fand seine erste Ausstellung im Londoner Little Art Room sowie in der Artists Guild of Chicago statt. In den Folgejahren unternahm er ausgedehnte Reisen nach Italien, Spanien sowie Frankreich und stellte auf der Biennale in Venedig aus. 1929 feierte er große Erfolge mit einer Personale in der renommierten Londoner Fine Art Society. In diesen Jahren hielt sich G. immer wieder für längere Zeit in Amalfi auf, wo er Kontakte zu anderen Künstlern pflegte und wichtige Verbindungen zum Museum in Salerno herstellte. In den 1930er-Jahren avancierte er zu einem erfolgreichen, international bekannten Künstler, der Ausstellungen im Ausland beschickte und von zahlreichen Porträtaufträgen aus Adels-, Diplomaten- und Wirtschaftskreisen lebte. Mit der zweiten Ausstellung in der Fine Art Society (1931) gelang G. der Durchbruch in England: Die dort präsentierte „Verkündigung“ wurde über Empfehlung des Direktors der Tate Gallery vom englischen Staat angekauft. Im Frühjahr 1937 nahm er an einer Ausstellung in den Ferargil Galleries in New York teil und hielt sich auf den Bermudas auf. 1938 emigrierte er nach London, wo er seine zweite Frau Brenda kennenlernte, und versuchte, als Bühnenbildner für das Militärtheater seine künstlerische Karriere fortzusetzen. Als Staatsangehöriger des nationalsozialistischen Deutschland wurde für G. die Situation in England jedoch zunehmend schwierig. Er verbrachte deshalb viel Zeit bei wohlhabenden Freunden in Südfrankreich und sicherte sich so etliche Porträtaufträge prominenter Persönlichkeiten, welche in Frankreich gastierten, u. a. des Königs von Schweden. Während des 2. Weltkriegs wandte sich G., der inzwischen die britische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, vermehrt der Bühnenbildgestaltung zu, anfänglich für das Pioneer Corps Training Centre, wo G. während des Kriegs stationiert war, und nach Kriegsende auch für das Royal Opera House, das Globe Theater und das Hammersmith Theatre in London. Er entwarf zahlreiche Bühnenbilder, u. a. für Peter Brooks Inszenierung von Dostojewskis „Die Brüder Karamasow“ (1946) oder Shaws „Pygmalion“ (1949). Außerdem nahm er an wichtigen internationalen Ausstellungen teil, wie z. B. in der Gallery Wooly-Hart in New York. Wenngleich G. mehr Zeit im Ausland als in der Heimat verbrachte, beschäftigte er sich in seinen Werken sein ganzes Leben lang mit Tirol. Auch das Haus in Mühlau blieb bis 1958 in seinem Besitz. G.s Kunst wurde in Österreich zu Lebzeiten jedoch weniger anerkannt als international. Die Ausstellungen der 1920er- und 1930er-Jahre in Tirol waren nach dem Krieg vergessen und die damals gekauften Werke blieben in Privatbesitz und wurden nicht mehr der Öffentlichkeit präsentiert. 1999 erwarb der Kunsthandel Widder den Nachlass des Künstlers und organisierte in den darauffolgenden Jahren mehrere Ausstellungen, u. a. 2002 im Stadtmuseum Innsbruck.

Weitere W. (s. auch Widder, 2000, 2002): Dorffest, 1924; Dorf im Winter, 1933; Die Sündhafte, 1937; Blickwechsel; Kirchgang.
L.: Tiroler Anzeiger, 26. 8. 1931; AKL; Vollmer; D. Buckman, Dictionary of Artists in Britain since 1945, 1998; C. Kraus, Zwischen den Zeiten, 1999, S. 262; H. G. Ein Tiroler in London, ed. C. Widder – R. Widder, 2000 (mit W.); Tirols Künstler 1927, ed. E. Hastaba, 2002; R. Widder, Graphik von H. G., Innsbruck 2002 (Kat., mit W.); G. Pfaundler-Spat, Tirol-Lexikon, überarbeitete Aufl. 2005; M. Hussl-Hörmann, in: Parnass 31, 2011, Nr. 1, S. 78ff.; R. Widder u. a., Sammelleidenschaft, 2017, S. 78ff., 129.
(S. Bübl)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)