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Publicly Available Published by De Gruyter June 1, 2022

Digitale Gesundheitskompetenz von Studierenden? Ergebnisse aus dem COVID-HL Netzwerk

Digital health literacy of students? Results from the COVID-HL Network
  • Kevin Dadaczynski ORCID logo EMAIL logo , Melanie Messer ORCID logo , Katharina Rathmann and Orkan Okan ORCID logo
From the journal Public Health Forum

Zusammenfassung

Gesundheitsbezogene Informationen werden zunehmend über digitale Medien angeboten und vor allem von jungen Altersgruppen häufig rezipiert. Diese Entwicklung wurde durch die COVID-19 Pandemie beschleunigt. Vor diesem Hintergrund nimmt die digitale Gesundheitskompetenz einen höheren Stellenwert ein. Im Vordergrund dieses Beitrags steht die Zielgruppe der Studierenden, wobei die Ergebnisse des internationalen COVID-HL Studierendensurveys vorgestellt werden.

Abstract

Health-related information is increasingly being provided via digital media and frequently consumed by young age groups in particular. This development was accelerated by the COVID-19 pandemic. In this context, digital health literacy is becoming increasingly important. This paper focuses on university students by presenting findings of the international COVID-HL university student survey.

Gesundheitskompetenz im digitalen Informationszeitalter

Gesundheitsbezogene Informationen werden angesichts des technischen Fortschritts und der damit verbundenen Verfügbarkeit und Nutzung von Endgeräten und Medien zunehmend digital angeboten. Die seit mehr als zwei Jahren andauernde COVID-19 Pandemie hat diesen Trend beschleunigt, was zu einer Epidemie von Informationen (kurz Infodemie) mit zum Teil irreführendem und schädlichen Gehalt geführt hat [1]. Der Begriff „digitale Gesundheitskompetenz“ (im Folgenden digitale GK) ist bislang nicht einheitlich definiert, was unter anderem daran liegt, dass hier unterschiedliche Konzepte wie die Medien- oder Digitalkompetenz mit dem der GK verbunden werden [2]. Während Digitalkompetenz die Fähigkeit der angemessenen Nutzung von Medien- und Kommunikationstechnologien beschreibt, rekurriert die GK auf die Fähigkeit des Findens, Verstehens sowie der Bewertung und Anwendung gesundheitsbezogener Informationen. Digitale GK kann daher zusammenfassend als die Fähigkeit der angemessenen Nutzung von digitalen Informationstechnologien zur Erschließung und Verarbeitung gesundheitsbezogener Informationen verstanden werden. Repräsentative Studien aus Deutschland weisen darauf hin, dass 59% bis 76% der Erwachsenenbevölkerung eine eingeschränkte digitale GK aufweisen [3], [4].

Studierende als relevante Bevölkerungsgruppe

Im Wintersemester 2021/22 belief sich die Anzahl der an deutschen Hochschulen eingeschrieben Studierenden auf etwa 2,95 Millionen Personen [5]. Während der gesundheitlichen Situation von Studierenden lange Zeit nur wenig Beachtung geschenkt wurde, mehren sich in den letzten Jahren Studien, die von gesundheitlichen Belastungen und Problemen berichten [6], [7]. Mittlerweile liegen auch erste Erkenntnisse zur GK und ihrer Assoziation mit dem Gesundheitszustand und dem Gesundheitsverhalten vor [8], [9]. Wenig bekannt ist hingegen, wie es um die digitale GK von Studierenden steht. Dies ist insofern überraschend, als dass es sich bei dieser Bevölkerungsgruppe mehrheitlich um junge Erwachsene handelt, denen eine hohe Affinität gegenüber digitalen Medien unterstellt werden kann. So zeigen die Ergebnisse des aktuellen TK Monitor Digitalkompetenz, dass der Anteil derjenigen, die mehrfach täglich das Internet für private Zwecke nutzen, in der Altersgruppe der 18- bis 33-Jährigen am höchsten ausfällt [10].

Der COVID-HL Studierendensurvey

Netzwerk und Methode

Die Studie ist Teil des internationalen COVID-Health Literacy (COVID-HL) Netzwerks (www.covid-hl.eu), das sich seit seiner Initiierung im Frühjahr 2020 der Umsetzung empirischer Forschung im Bereich GK, Gesundheitsinformation, Gesundheitsförderung und Prävention sowie der Gesundheit unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen und Settings widmet. Aktuell gehören dem Netzwerk mehr als 140 Wissenschaftler*innen aus 64 Ländern an. Der Survey stellt die zweite Studie des Netzwerks dar, die mittlerweile um eine Studie im Setting Schule ergänzt wurde. Der deutsche Survey wurde von März bis April 2020 an öffentlichen und privaten Hochschulen in Form einer Onlinebefragung durchgeführt. Zur Erfassung der digitalen GK wurden fünf Dimensionen des Digital Health Literacy Instrument [11] ausgewählt und an den Kontext der COVID-19 Pandemie sprachlich angepasst: (1) Suchen und Finden von Gesundheitsinformationen, (2) Erstellen und Teilen von Gesundheitsinformationen, (3) Bewerten der Qualität von Gesundheitsinformationen, (4) Bestimmung der Alltagsrelevanz von Gesundheitsinformationen und (5) Umgang mit personenbezogenen Informationen und Datenschutz.

Ergebnisse aus Deutschland

An der deutschen Studie haben insgesamt 14.895 Studierende aus 130 Hochschulen teilgenommen. Über alle Dimensionen hinweg berichteten Studierende am häufigsten über Schwierigkeiten der Bewertung der Zuverlässigkeit (42,3%) sowie eines möglichen kommerziellen Hintergrunds von digitalen Gesundheitsinformationen (39,0%) [12]. Hingegen fanden sich die geringsten Probleme für Aspekte des (absichtlichen oder unabsichtlichen) „Teilens privater Informationen im Netz“ (6,7 bis 7,1%) sowie der „Verwendung geeigneter Begriffe und Suchanfragen“ (11,6%). Differenziert nach sozialen Merkmalen ließ sich für weibliche Studierende häufiger eine geringere digitale GK in den Bereichen „Suchen und Finden“ sowie „Bewerten der Qualität“ feststellen. Keine (bzw. allenfalls marginale) Unterschiede fanden sich hingegen für das Alter und den subjektiven Sozialstatus der Befragten. Schließlich ergaben sich in Abhängigkeit der digitalen GK relevante Unterschiede in der Nutzung von digitalen Informationsquellen. So nutzten Studierende mit einer geringen kritischen digitalen GK häufiger soziale Medien, während jene mit höherer Ausprägung in diesem Bereich häufiger Webseiten öffentlicher Stellen (z.B. RKI, BZgA) konsultierten.

Ergebnisse aus anderen Ländern

Neben Deutschland haben etwa 25 weitere Länder den COVID-HL Studierendensurvey mit mehr als 65.000 Befragten umgesetzt. Mittlerweile sind verschiedene Ergebnisse veröffentlicht worden, welche die deutsche Befundlage unterstützen und erweitern (siehe Tabelle 1). So zeigt sich auch in den Ergebnissen anderer Länder, dass Studierende am häufigsten Schwierigkeiten haben, die Verlässlichkeit und Qualität digitaler Gesundheitsinformationen zu bewerten, aber auch, dass die Nutzung von sozialen Medien mit einer geringen und die Nutzung von Webseiten öffentlicher Stellen mit einer höheren digitalen GK verbunden ist. Neben teilweise identifizierten Geschlechtsunterschieden zuungunsten von weiblichen Studierenden, war die digitale GK mit der psychischen Gesundheit assoziiert und mediierte partiell den Zusammenhang zwischen der subjektiven Bedeutung von Gesundheitsinformationen (z.B. dass das Thema umfassend behandelt wird oder die Information auf dem neuesten Stand ist) und dem Wohlbefinden.

Tabelle 1:

Exemplarische Ergebnisse der COVID-HL Studierendenbefragung.

Land N Ergebnisse
Deutschland [12] 14.895 Die Befragten berichteten am häufigsten Schwierigkeiten im Bereich „Bewerten der Qualität“ (24,5%-42,3%). Geschlechtsunterschiede zuungunsten weiblicher Studierender finden sich für die Bereiche „Suchen und Finden“ und „Bewerten der Qualität“. Während die Nutzung von sozialen Medien mit einer geringen digitalen GK im Bereich „Bewerten der Qualität“ verbunden war, ließ sich für Webseiten öffentlicher Stellen das Gegenteil feststellen.
China (Hong Kong, Macao) [13] 801 Die digitale GK war positiv mit dem Wohlbefinden assoziiert. Im Gegensatz zu Studierenden, die eine hohe Zufriedenheit mit ihrer finanziellen Situation berichten, wiesen Studierende mit geringer Zufriedenheit und höherer digitaler GK ein besseres Wohlbefinden auf.
Pakistan [14] 1.747 Die Befragten berichteten am häufigsten Schwierigkeiten im Bereich „Bewerten der Qualität“ (53,9%-64,5%). Regressionsanalytisch erwiesen sich das weibliche Geschlecht, ein hohes Kohärenzgefühl, eine geringe Informationszufriedenheit und eine hohe Bedeutsamkeit verschiedener von COVID-19 bezogenen Informationen als signifikante Prädiktoren einer hohen Ausprägung digitalen GK.
Portugal [15] 3.084 Weibliche Studierende wiesen eine geringe digitale GK in den Bereichen „Erstellen und Teilen“ sowie „Bewerten der Qualität“ auf. Während die Nutzung von Suchmaschinen und sozialen Medien mit einer geringen digitalen GK verbunden war, ließ sich für Webseiten öffentlicher Stellen das Gegenteil feststellen.
Slowenien [16] 3.621 Die Befragten berichteten am häufigsten Schwierigkeiten im Bereich „Bewerten der Qualität“ (19,1%-49,3%). Während die Nutzung von sozialen Medien mit einer geringen digitalen GK verbunden war, ließ sich für Webseiten öffentlicher Stellen und Suchmaschinen das Gegenteil feststellen.
USA [17] 256 56% der Befragten wiesen über alle Dimensionen hinweg keine Schwierigkeiten auf. Eine höhere digitale GK war mit einer höheren Ausprägung pandemiebezogenen Schutzverhaltens und einer höheren Impfbereitschaft assoziiert.
Vietnam [18] 1.003 Die Befragten berichten am häufigsten Schwierigkeiten im Bereich „Erstellen und Teilen“ von Informationen. Die digitale GK mediiert partiell den Zusammenhang zwischen der subjektiven Bedeutsamkeit von COVID-19 bezogenen Gesundheitsinformationen und dem Wohlbefinden.

Fazit und Ausblick

Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung weisen Studierende zwar insgesamt eine höhere digitale GK auf, jedoch finden sich auch hier die meisten Schwierigkeiten in der kritischen Bewertung von digitalen Gesundheitsinformationen. Angesichts der Relevanz, die digitale Medien heute und in noch stärkerem Ausmaß in der Zukunft spielen, besteht somit ein hoher Bedarf an einer umfassenden Strategie zur Stärkung der digitalen GK. Dabei ist zu berücksichtigen, dass digitale GK zwar individuelle Fähigkeiten umfassen, diese jedoch auch von den Rahmenbedingungen und Strukturen beeinflusst werden [19]. Neben Maßnahmen zur individuellen Kompetenzförderung stehen vor allem Medienunternehmen und Informationsschaffende in der Verantwortung, eine Informationsarchitektur zu schaffen, in der sich Menschen gut orientieren und qualitätsvolle Informationen erkennen können.


*Korrespondenz: Prof. Dr. Kevin Dadaczynski, Hochschule Fulda, Fachbereich Gesundheitswissenschaft, Leipziger Straße 123, 36037 Fulda, Germany; und Leuphana Universität Lüneburg, Zentrum für Gesundheitswissenschaften (ZAG), Lüneburg, Germany

  1. Autor:innenerklärung

  2. Autor:innenbeteiligung: Alle Autor:innen tragen Verantwortung für den gesamten Inhalt dieses Artikels und haben der Einreichung des Manuskripts zugestimmt. Finanzierung: Die Autor:innen erklären, dass sie keine finanzielle Förderung erhalten haben. Interessenkonflikt: Die Autor:innen erklären, dass kein wirtschaftlicher oder persönlicher Interessenkonflikt vorliegt. Ethisches Statement: Für die Forschungsarbeit wurden weder von Menschen noch von Tieren Primärdaten erhoben.

  3. Author Declaration

  4. Author contributions: All authors have accepted responsibility for the entire content of this submitted manuscript and approved submission. Funding: Authors state no funding involved. Conflict of interest: Authors state no conflict of interest. Ethical statement: Primary data neither for human nor for animals were collected for this research work.

Literatur

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Published Online: 2022-06-01
Published in Print: 2022-06-27

©2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 19.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/pubhef-2022-0014/html
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