Skip to content
Publicly Available Published by Oldenbourg Wissenschaftsverlag May 30, 2017

Gregory Hanlon, The Hero of Italy. Odoardo Farnese, Duke of Parma, his Soldiers, and his Subjects in the Thirty Years' War, Oxford: Oxford University Press 2014, XIII, 241 S., £ 60.00 [ISBN 978-0-19-968724-4]

  • Günter Krüger EMAIL logo

Rezensierte Publikation:

Hanlon Gregory, The Hero of Italy. Odoardo Farnese, Duke of Parma, his Soldiers, and his Subjects in the Thirty Years' War, Oxford: Oxford University Press 2014, XIII, 241 S., £ 60.00 [ISBN 978-0-19-968724-4]


Die wenigsten Betrachter würden wohl das Attributiv »Held« für den auf Porträts dargestellten fettleibigen Odoardo Farnese (1612–1646), den kaum bekannten Protagonisten der vorliegenden Studie, zuerkennen. Doch eine gewisse Ähnlichkeit mag man bei Jugendbildnissen des Großvaters entdecken, dem schneidigen Alessandro Farnese (1545–1592), einem der bedeutendsten und hochgerühmtesten Feldherrn seiner Zeit. Dieser General in spanischen Diensten war einer der überragenden Persönlichkeiten der Farnese – ganz im Gegensatz zu seinem ebenfalls dem Kriegshandwerk zugeneigten Nachkommen Odoardo. Die Farnese, deren Anfänge im Umbrisch-Toskanischen zu suchen sind, hatten nicht nur talentierte Feldherren hervorgebracht, womit sie in guter Tradition der italienischen Condottiere-Profession standen, sondern sogar einen Papst gestellt. Paul III. (1468–1549), dessen Aufstieg in der römischen Kurie durch die eigene Schwester, Giulia Farnese (1474–1524), herbeigeschlafen worden war, überschritt bei der Ausstattung seiner Nachkommenschaft mit Ämtern und Pfründen die gewohnten Grenzen bei Weitem. Die Schaffung eines Nepotenstaates, von vorangegangenen Päpsten immer angestrebt, wurde Wirklichkeit, als der Farnese die Städte Parma und Piacenza, die bis dahin dem Kirchenstaat zugehörig waren, von diesem abtrennte und, ohne kaiserliche Zustimmung, als erbliches Lehen an seinen Sohn vergab. Das neugeschaffene Familienterritorium, das für Oberitalien eine bedeutsame strategische Schlüsselposition darstellte, wurde dadurch zu einem Zankapfel der europäischen Mächte. Allein durch die Versicherung, Spaniens Oberhoheit anzuerkennen, anerkannte König Philipp II. (1527–1598) die Farnese-Herrschaft erst 1556 (Kap.1: The Moth and the Flame). Doch gegen die spanische Dominanz sollte Odoardo Farnese rebellieren.

Gregory Hanlon stellt nun eben diesen Rebellen in das Zentrum seiner Studien und leistet damit einen überaus wichtigen Beitrag für die italienische Geschichte während des Dreißigjährigen Krieges in Europa. Diese stellt nach wie vor ein Desiderat der Forschung dar – zumal der »Dreißigjährige Krieg« Assoziationen hervorruft, die sich vornehmlich innerhalb deutscher Grenzen bewegen. Es dominiert die Vorstellung vom Heiligen Römischen Reich als europäischem Schachbrett, auf dem Riesenarmeen verschoben werden und die entfesselten Furien des Krieges toben. Doch der Dreißigjährige Krieg auf deutschem Boden war nur ein, wenn auch unbestritten das Hauptschlachtfeld mehrerer Kriegsschauplätze um die Hegemonie in Europa, in denen sich habsburgische, französische, niederländische, schwedische und dänische Gegensätze entluden. Im geschichtswissenschaftlichen Narrativ finden die Konflikte dieses »anderen Dreißigjährigen Krieges« (Jean Meyer, Der andere Dreißigjährige Krieg oder Von der Natur des Krieges. Frankreich im Dreißigjährigen Krieg. In: 1648: Krieg und Frieden in Europa. Hrsg. von Klaus Bußmann und Heinz Schilling, Münster 1998, S. 169–176) auf der italienischen Halbinsel kaum Beachtung. Das erscheint umso verwunderlicher, da auch dieser »andere« Krieg eine Zäsur bedeutete. Wäre man versucht, eine Geschichte dieses »anderen Dreißigjährigen Krieges«, auch Hanlon verwendet diesen Begriff, für die italienische Frühe Neuzeit nachzuzeichnen, würde dieser gewaltsame Konflikt 1613 mit der Herausforderung des Hauses Savoyen an Habsburg beginnen und 1659 mit dem Pyrenäenfrieden enden. Die vorliegende Forschungsarbeit vertritt nicht den Anspruch, eine große Synthese des italienischen Dreißigjährigen Krieges zu schreiben. Der Autor belässt es bei einer lokalen Studie, er stößt gleichsam ein Fenster auf und gibt den Blick auf einen kleinen italienischen Fürsten frei, der im Aufbegehren, die spanische Vormundschaft abzuschütteln, in die große europäische Politik eingreift.

Hatte Odoardo Farnese noch während des Mantuanischen Erbfolgekrieges (1628–1631) den Status bewaffneter Neutralität gewahrt, brach er 1635 die Pax Hispanica, um im Bündnis mit Frankreich und anderen italienischen Staaten sein Territorium durch Eroberungen auf Kosten Spaniens zu erweitern (Sven Externbrink, Le Coeur du Monde, Frankreich und die norditalienischen Staaten [Mantua, Parma, Savoyen] im Zeitalter Richelieus 1624–1635, Marburg 1997; David Parrott, Reichsitalien im Dreißigjährigen Krieg. Der Mantuanische Erbfolgestreit und der Dreißigjährige Krieg. In: 1648: Krieg und Frieden in Europa. Hrsg. von Klaus Bußmann und Heinz Schilling, Münster 1998, S. 153–160). Dem Truppenaufmarsch in der Lombardei war eine traditionelle formale Kriegserklärung an König Philipp IV. (1605–1665) vorausgegangen. Darüber hinaus ließ der junge Heißsporn, zur Bekräftigung seiner Entschlossenheit, eine Gedenkmünze mit der Inschrift »J’ay bruslé le fourreau« (Ich habe die Degenscheide verbrannt) schlagen und ostentativ seine Collane (Ordenskette) vom Orden des Goldenen Vlies nach Madrid zurücksenden. Doch das ihm anfänglich beschiedene Kriegsglück wendete sich rasch (Kap. 3: The Duke of Parma’s Great Adventure). Nach der erfolglosen Belagerung des piemontesischen Valenza und verlorenen Schlachten zog sich Odoardo rückwärtsverteidigend auf seine eigenen Gebiete zurück. Entblößt von französischer Protektion, Soldaten und Subsidien, vermochte er der aufmarschierenden spanischen Heeresmacht, die sich an seinem Territorium schadlos hielt, nichts entgegenzusetzen. Dennoch leistete er mit dem Mut und der Verzweiflung eines in die Ecke gedrängten wilden Tieres hartnäckigen Widerstand, denn der spanische König, der den Krieg mit dem Herzog von Parma als eine persönliche Fehde betrachtete, gedachte an ihm ein warnendes Exempel, gerichtet an alle italienischen Fürsten, zu statuieren. Doch der Unbotmäßige sollte sich aus dieser Affäre noch verhältnismäßig unbeschadet herausziehen. Dem Farnese entstanden dabei allerdings keinerlei politische Vorteile, stattdessen wurden seine Ländereien verwüstet und das Herzogtum mit gewaltigen Schulden belastet und er selbst fiel wieder in den Status eines in spanischen Ketten geschlagenen Fürsten zurück (Kap. 5: The Deluge).

Wie überaus fesselnd die Schilderungen der Ereignishistorie und der Geschicke des Herzogs von Parma auch sein mögen, neben diesen Kapiteln (3.2: The siege of Valenza; 4: Parman Sideshow; 5.2: How brutal was the Thirty Year’s War in Italy?) verdient primär das zweite (Duke Odoardo’s Army) Aufmerksamkeit. Hanlon zeichnet hier ein lebendiges Bild von der kleinen parmesisch-piacentinischen Armee und schildert ausführlich ihre Konstituierung anhand der Praxis der Rekrutierung und Ausbildung von Soldaten, der Anweisungen für militärischen Drill und der Einübung von Formationen der Schlachtaufstellung sowie ihrer Bewaffnung und Ausrüstung.

Das Fundament für Hanlons Studie bildet ein bislang von der Forschung unbeachteter Quellenkorpus von Musterungsbüchern im Archivio di Stato in Parma. Über siebzig dieser Musterungsverzeichnisse (gegenwärtig wohl die ausführlichsten und aussagekräftigsten für europäische Armeen vor dem 18. Jahrhundert) geben detailliert Auskunft über Namen, Herkunft, Alter, physische Verfasstheit und das weitere Schicksal von mehr als 13 000 Soldaten. Diese Musterungsbücher werden erweitert durch kommunales Verwaltungsschriftgut (Konditionen der Einquartierungen der Soldaten in den Städten und umliegenden Dörfern, ihre Versorgung), Hospitalregister (für verwundete Soldaten), administrative Berichte (über die saisonalen Ausfälle der Armee bedingt durch Desertion und Todesfälle).

Aus dieser Gesamtperspektive heraus bleibt vor allem der Aspekt der ungeheuren Finanzierung eines Krieges unübersehbar. Die Akten bekräftigen nachdrücklich das Sprichwort, dass der Nerv des Krieges das Geld ist. Die Studie von Hanlon erweitert den Blickwinkel auf frühneuzeitlichen, europäischen Kriegsalltag und Kriegführung daher besonders um die organisatorische Komponente (Wie bereitet man einen Krieg vor?) und leistet damit einen wertvollen Beitrag für die Militär- und Sozialgeschichte.

Online erschienen: 2017-5-30
Erschienen im Druck: 2017-5-4

© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 28.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/mgzs-2017-0021/html
Scroll to top button