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Publicly Available Published by De Gruyter April 5, 2019

Lernwelten für Bibliotheken – Dimensionen der Zukunftsgestaltung

Learning Environments for Libraries – Dimensions of the Shaping of the Future
  • Richard Stang

    Hochschule der Medien Stuttgart, Informationswissenschaften, Learning Research Center, Nobelstraße 10, D-70569 Stuttgart

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Zusammenfassung

Die Rolle der Bibliotheken – sowohl der Öffentlichen als auch der Wissenschaftlichen – im Bildungssystem verändert sich grundlegend. Neben die Verfügbarmachung von Medien treten vielfältige neue Aufgaben. Das Learning Research Center der Hochschule der Medien Stuttgart beschäftigt sich in Forschungs- und Entwicklungsprojekten mit der Frage, wie kann diese Rolle so gestaltet werden, dass Bibliotheken sich als zentrale Akteure der Veränderung von Bildungsinfrastrukturen etablieren.

Abstract

The role of libraries – both public and academic – in the education system is fundamentally changing. In addition to making media available, there are many new tasks. The Learning Research Center of the Hochschule der Medien Stuttgart focuses on research and development projects on how to design this role in order to establish libraries as key players in the transformation of educational infrastructures.

1 Einleitung

Bibliotheken befinden sich im strukturellen Umbruch und dies gilt sowohl für Öffentliche als auch Wissenschaftliche Bibliotheken. Nicht selten wird dafür die Digitalisierung aller Lebensbereichen als zentraler Grund genannt. Und so verwundert es nicht, dass der Fokus bei der Entwicklung von Strategien für die Zukunft nicht selten auf technische Lösungen gelegt wird. Die Weiterentwicklung von digitalen Angeboten ist sicher eine lohnende Aufgabe für Bibliotheken, doch geht dabei gelegentlich der Blick für das Wesentliche verloren: die Bedürfnisse der Menschen und der Gesellschaft.

Bibliotheken haben als Ort der Verfügbarmachung von Medien aller Art längst nicht ausgedient. Vielmehr nimmt die Bedeutung ihrer Orientierungsfunktion in dem kaum mehr überschaubaren Markt der Medienangebote zu. Allerdings bleibt es nicht bei dieser traditionellen Funktion der Bibliotheken. Es treten (neue) Funktionen hinzu, die von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung sind bzw. in Zukunft sein werden. Bruijnzeels und Sternheim konstatieren, „dass eine Öffentliche Bibliothek eine zentrale Rolle für die kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Vitalität einer Gemeinschaft spielt“.[1] Das Gleiche ließe sich auch für die Wissenschaftlichen Bibliotheken sagen. Bibliotheken werden zu Orten des Diskurses, des Wissensaustausches und auch zum Wohnzimmer einer Gesellschaft, die durch eine immer stärkere Individualisierung, die nicht selten als Vereinsamung zum Vorschein kommt, und die Verlagerung von Kommunikation in kaum mehr überschaubare Social-Media-Anwendungen geprägt ist.

Wenn Bibliotheken zu bedeutenden Orten der Wissenschaftsgesellschaft, der Stadtgesellschaft und – in Zukunft fast noch wichtiger – der kulturellen und sozialen Verankerung in regionalen Kontexten werden, bedarf es veränderter Zugänge bei der Gestaltung von Angeboten und Raumstrukturen. Dabei kommt der Perspektive „Lernwelt Bibliothek“ eine besondere Bedeutung zu. Die Frage nach deren Gestaltung hat in den letzten Jahren sowohl im Kontext Öffentlicher als auch Wissenschaftler Bibliotheken an Brisanz zugenommen.[2]

Doch auf welcher wissenschaftlichen Basis lässt sich die „Lernwelt Bibliothek“ gestalten? Bis vor wenigen Jahren gab es zu diesem Bereich zumindest in Deutschland kaum Forschung. Der Forschungsschwerpunkt „Lernwelten“ hat im Rahmen des Learning Research Centres[3] der Hochschule der Medien Stuttgart diese „Leerstelle“ vor über zehn Jahren als einen der Forschungsfoki aufgegriffen. Die Schwerpunkte dabei:

  1. die Untersuchung und Gestaltung von Lehr-/ Lernprozessen im Hinblick auf didaktisch-methodischen Veränderungsbedarf bezogen auf Angebote in Bibliotheken;

  2. die Erforschung und Entwicklung organisatorischer Konzepte, die den unterschiedlichen Anforderungen des Lebenslangen Lernens vor allem unter der Perspektive der Relevanz von Bibliotheken Rechnung tragen;

  3. die Untersuchung und Entwicklung architektonischer Gestaltungsoptionen physischer (Lern-)Räume für Bibliotheken;

  4. die Erforschung und Entwicklung medienadäquater Gestaltung digitaler Lernsettings.

Da die Forschung bezogen auf Lernumgebungen in Bibliotheken äußerst disparat ist, wurde im Forschungsschwerpunkt versucht, den Kenntnisstand vor allem in Bezug auf die Frage nach der Gestaltung und Möblierung neuer Lernwelten sowie bezogen auf neue Institutionalformen – wie sie sich zum Beispiel in zunehmendem Maße in der räumlichen Zusammenlegung von Volkshochschulen und Bibliotheken realisiert werden – zu erweitern und dieses Feld wissenschaftlich zu systematisieren.[4] Die zentralen Erkenntnisse dieser Arbeit sollen im folgenden Beitrag vorgestellt werden. Dabei werden zunächst die gesellschaftlichen Herausforderungen bezogen auf die „Lernwelt Bibliothek“ in den Blick genommen, um anschließend die Forschungszugänge des Learning Research Centers zur Thematik vorzustellen. Die Erkenntnisse aus der Arbeit werden dann anhand von verschiedenen Themenfeldern vorgestellt. Zunächst wird die „Lernwelt Öffentliche Bibliothek“ in den Blick genommen, dann folgt die „Lernwelt Wissenschaftliche Bibliothek“. Unter dem Blickwinkel „Kooperationen als Zukunftsperspektive“ werden die Entwicklung von Bildungs- und Kulturzentren, in denen Bibliotheken oft eine zentrale Rolle spielen, sowie Kooperationen an Universitäten und Hochschulen genauer beleuchtet. Abschließend wird das Konzept eines „atmenden“ Bildungssystems als Vision präsentiert, in der die Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht mehr die Institutionen.

2 Gesellschaftliche Herausforderungen

Gesellschaftliche Veränderungen werden von jeher von technischen Veränderungen vorangetrieben. Heute ist es die Digitalisierung aller Lebensbereiche und vor allem der Kommunikation, die zu gravierenden gesellschaftlichen Veränderungsprozessen geführt hat und noch führt.[5] Doch ist diese Entwicklung nicht neu. Sie zeichnete sich schon vor knapp 50 Jahren im Kontext der Diskussion um die „Postmaterielle Gesellschaft“[6] ab, in der deutlich wurde, dass in Zukunft Wissen und Information als zentrale Ressourcen die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung bestimmen werden. Die Veränderung von der „Industriegesellschaft“ zur „Informationsgesellschaft“[7] wurde durch die technologischen Entwicklungen forciert, die eher ein Ergebnis geistiger Anstrengungen, denn körperlicher waren. Dieser zunehmenden Bedeutung von Wissen trug auch die gesellschaftliche Analyse mit dem Begriff der „Wissensgesellschaft“[8] Rechnung. Mit der Entwicklung des Internets wurde es dann möglich, das Wissen von Menschen als Informationen ohne Zeitverzug in das weltweite Datennetz einzuspeisen. Die Konsequenzen der Etablierung einer „Netzwerkgesellschaft“[9] hat Castells eindrücklich beschrieben:

„Es lässt sich als historische Tendenz festhalten, dass die herrschenden Funktionen und Prozesse im Informationszeitalter zunehmend in Netzwerken organisiert sind. Netzwerke bilden die neue soziale Morphologie unserer Gesellschaften, und die Verbreitung der Vernetzungslogik verändert die Funktionsweise und die Ergebnisse von Prozessen der Produktion, Erfahrung, Macht und Kultur wesentlich.“[10]

Für Castells prägt die Netzwerklogik „alle Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben“.[11] Dabei sieht er auch Problemlagen, wie ein Wirtschaftssystem, das eine „Tendenz zu zunehmender sozialer Ungleichheit und Polarisierung“[12] aufweist und so zu einer Spaltung der Gesellschaft führt, die sich vor allem auf drei Ebenen sichtbar werden wird:

„(a) einer grundlegenden Differenzierung zwischen selbstprogrammierfähigen, hochproduktiven Arbeitskräften und generischen, ersetzbaren Arbeitskräften;

(b) der Individualisierung der Arbeit, was ihre kollektive Organisation unterminiert und so die schwächsten Teile der Erwerbsbevölkerung ihrem Schicksal überlässt; und

(c) des allmählichen Verschwindens des Wohlfahrtsstaates unter dem Eindruck der Individualisierung der Arbeit, der Globalisierung der Wirtschaft und dem Legitimitätsverlust des Staates, womit das Sicherheitsnetz für diejenigen wegfällt, die nicht in der Lage sind, individuell für ihr Wohlergehen zu sorgen“.[13]

In dem Maße, in dem einstmals stabile gesellschaftliche Leitbilder und Strukturen zunehmend an Bedeutung verlieren, in dem Maße bedarf es auch gesellschaftlicher Neuorientierungen, die vor allem die Diversität individueller und milieuspezifischer Ausdrucks- und Kommunikationsformen in neue gesellschaftliche Strukturen transformiert. Dafür gibt es keine einfachen Lösungen, da die Faktoren, die diese Veränderungsprozesse beeinflussen, vielfältig geworden sind.[14] Es sind besonders die Herausforderungen, wie unter anderem demografischer Wandel, zunehmende Individualisierung, fortschreitende Urbanisierung, zunehmende Mobilität, Veränderung der Arbeitswelt, Wissensbasierung der Wirtschaft, Bedeutungszuwachs von Bildung, zunehmende Migrationsbewegungen, Differenzierung der Lebensformen usw., deren Bewältigung für die Gestaltung einer zukunftsorientierten Gesellschaftsformation von Bedeutung sind.[15]

Bei der Bewältigung dieser Herausforderungen wird ein gleichberechtigter Zugang zu Information und Bildung für alle ein elementarer Faktor gesellschaftlicher Existenz werden. Für die Menschen bedeutet dies, dass zum einen Lebenslanges Lernen zur Grundvoraussetzung der persönlichen Entwicklung und zum anderen der Zugang zu Ressourcen für Lebenslangen Lernen zur Basis gesellschaftlicher Gleichheit wird. Allerdings erschwert das derzeit noch versäulte Bildungssystem (u. a. Schule, Berufsbildung, Hochschule, Erwachsenenbildung/Weiterbildung) das Lebenslange Lernen Biografie-orientiert zu unterstützen.[16]

Da Lebenslanges Lernen als Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen betrachtet wird[17] und die gesamte Bildungsbiografie in den Blick genommen werden sollte,[18] rückt auch das informelle Lernen immer stärker in den Blick.[19] Eine so veränderte Perspektive hat auch Auswirkungen auf die Frage, wie die Grundlagen für Lernprozesse gestaltet werden können. Arnold und Rohs sehen dabei vor allem die Notwendigkeit die Lernenden in der Auseinandersetzung mit Ihrer Umwelt in den Fokus zu rücken:

„Es geht um eine Veränderung der Sichtweise, bei der nicht mehr fertige Inhalte, sondern offene, individuelle Angebote der Beratung und Begleitung im Mittelpunkt stehen. Ziele sind dabei die Beratung und die Befähigung bei der Identifikation individueller Kompetenzen und Lernchancen sowie die Unterstützung bei der Planung, Umsetzung und Auswertung der damit verbundenen Lernprozesse. Im Mittelpunkt stehen damit keine konfektionierten Seminare, sondern die Lebenspraxis mit ihren Lernmöglichkeiten. Nicht das Seminar und der Lehrende sind der Nukleus des Lernprozesses, sondern der Lernende in der Auseinandersetzung mit sich und seiner Umwelt.“[20]

Öffnet man nun also in diesem Sinne den Blick auf die bildungslatente Umwelt der Menschen, rücken auch Orte des non-formalen bzw. informellen Lernens wie die Bibliotheken in den Blick.[21] Doch wie gestaltet sich die Lernwelt Bibliothek heute? Umlauf hat die Geschichte des Lernorts Öffentliche Bibliothek nachgezeichnet und kommt zu dem Schluss, dass sich Öffentliche Bibliotheken erst sehr spät – seit den 1980er-Jahren beginnt hier die Verwendung der Begrifflichkeit – explizit als Lernort verstehen.[22] Ende der 1990er-Jahre wurden dann mit dem Projekt „Entwicklung und Förderung innovativer weiterbildender Lernarrangements in Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen“ (EFIL) des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) mit der Stadtbibliothek Stuttgart erstmals verschiedene Zugänge zur Etablierung des Lernortes Bibliothek grundlegend erforscht.[23]

Dieses Projekt bildete den Ausgangspunkt für weitergehende Forschungen zu Lernwelten im Allgemeinen und zur Lernwelt Bibliothek im Besonderen. Ab 2006 wurde diese Arbeit im Forschungsschwerpunkt Lernwelten und ab 2015 im Learning Research Center der Hochschule der Medien Stuttgart weitergeführt.

3 Forschungszugänge

3.1 Learning Research Center

Im Rahmen des Learning Research Centers werden in den Forschungsschwerpunkten „Lernwelten“ (Prof. Dr. Richard Stang) und „Mobile Learning“ (Prof. Dr. Frank Thissen) Veränderungen im gesamten Bildungsbereich in den Blick genommen. Dabei steht im Fokus, wie Lernarrangements und didaktische Konzepte der Zukunft gestaltet werden können. Von Schulen über Hochschulen bis hin zu Weiterbildungseinrichtungen, von Bibliotheken und Museen werden neue Lernumgebungen erforscht und konzipiert. Vor dem Hintergrund eines veränderten Verständnisses von Lernwelten, das einen ganzheitlichen Blick auf die verschiedenen Aspekte von Lernen, Lehren und Wissensgenerierung richtet, werden unabhängig von institutionellen Rahmungen Lernoptionen entlang der Biografie in den Blick genommen. Die Anforderungen einzelner Institutionen rücken dabei in den Hintergrund und die Lernenden in den Fokus.

Das Learning Research Center beschäftigt sich unter anderem mit der Fragestellung, wie physische Lernräume in Zukunft aussehen werden. Raumorganisation oder die organisatorische Strukturierung von Lernlandschaften – sei es im kommunalen Kontext oder im Kontext wissenschaftlicher Campusstrukturen – werden vor allem im Hinblick auf die Gestaltung von veränderten Gebäudekonzepten, Raumkonzepten, Möblierungskonzepten, Vernetzungsstrukturen usw. beleuchtet. Die Gestaltung von Lernräumen erhält in Anbetracht verschiedener Lernzugänge und Lernmethoden eine immer größere Relevanz bei Neu- und Umbauten von Schulen, Weiterbildungseinrichtungen, Hochschulen und Bibliotheken. Anhand ausgewählter Bereiche soll im Folgenden die Arbeitsweise erläutert werden, wie die Lernwelt Bibliothek empirisch vermessen wird.

3.2 Forschende Beratung

Einen Eckpfeiler der Forschung stellen Beratungsprojekte dar, die für Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken durchgeführt werden. Dabei geht es in den meisten Fällen um die Frage, wie Bibliotheken zoniert und gestaltet werden können, um als Lernort nicht nur attraktiv, sondern auch pädagogisch sinnvoll eingerichtet zu sein. Die Problemstellungen, die sich daraus ergeben, werden dann auch im Rahmen von Forschungsprojekten in den Blick genommen.

So wird z. B. in Bezug auf die Lernwelt Hochschule derzeit ein dreijähriges Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg, der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation e.V. (DINI), von der Dieter Schwarz Stiftung gefördert, realisiert. Ziel des Projekts ist es, eine Handreichung zu erstellen, die es Universitäten und Hochschulen ermöglicht, die jeweilige Lernwelt strategisch zu planen. Die Frage, welche Rolle Bibliotheken in diesem Kontext spielen, ist ein zentraler Fokus des Projektes.[24]

Die Begleitung bei der Entwicklung neuer Organisationsmodelle u. a. für kommunale Bildungslandschaften, in denen Bibliotheken eine immer größere Rolle spielen, ist ein weiterer Fokus. Dabei werden unter anderem Konzepte für Bildungs- und Kulturzentren entwickelt und deren Umsetzung begleitet. Dabei stellt die organisatorische Bündelung zur Gestaltung innovativer Bildungsräume für Bibliotheken unter konzeptioneller und strategischer Perspektive eine große Herausforderung dar. Um gerade hier praxisorientierte Lösungen zu entwickeln, arbeitet das Learning Research Center bereits seit 2006 mit einer Expertengruppe zusammen, die sich regelmäßig in Workshops mit den zentralen Fragen der Weiterentwicklung beschäftigt.

3.3 Lernräume in Bibliotheken

Im Projekt Lernräume in Bibliotheken werden seit 2011 Lernarrangements in Bibliotheken fotografisch dokumentiert, um einen Einblick in die verschiedenen Konstellationen von Lernräumen bzw. räumlichen Lernoptionen zu erhalten.[25] Der Zugang dieses Projektes orientiert sich methodisch an ethnografischer Feldforschung.[26] Im Zentrum der Dokumentation stehen Möblierungsarrangements, die Lernen potenziell erlauben, d. h. es geht vor allem um die Abbildung von räumlichen Inszenierungen in Bibliotheken, in denen die Vorstellungen der Planenden deutlich werden. Bei der Interpretation werden dann aus pädagogischer Sicht Optionen zur Unterstützung von Lernen und Lernenden in den Blick genommen. Bei dieser Analyse wird nicht selten deutlich, dass „schöne“ Möbel nicht immer optimal für das Lernen sind.

3.4 Forschungslabor Lernwelt

Die Frage nach der optimalen Gestaltung von Lernarrangements unter anderem für Bibliotheken stand im Zentrum der Entwicklung eines Forschungslabors zur Untersuchung des Verhältnisses von Lernen und Raumkonstellation, da es diesbezüglich kaum wissenschaftliche Erkenntnisse gab. Im Rahmen des Projektes werden flexible Rauminszenierungen für Lernen erforscht. Ausgangspunkt für die Forschungskooperation mit der Firma VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken aus Tauberbischofsheim war das gemeinsam konzipierte LearnerLab, das von VS in der ehemaligen Bibliothek der Hochschule der Medien Stuttgart eingerichtet wurde. Von Februar 2012 bis Juni 2014 konnten die Nutzungsstrukturen in einem 60 qm großen LearnerLab erforscht werden. Seit Juli 2015 werden die Forschungsarbeiten in der neu gestalteten Lernwelt auf 400 qm weitergeführt.[27]

Mit flexiblem Mobiliar ausgestattet lassen sich unterschiedliche Lernszenarien umsetzen (siehe Abb. 1). Die Lernenden erhalten dadurch die Möglichkeit, sich ihr spezifisches Lernszenarium selbst einzurichten. Unterschiedliche Tische, verschiedene Sitzmöglichkeiten, mobile Trennwände, die gleichzeitig als Pinnwand oder Whiteboard genutzt werden können und Optionen für eine flexible Raumteilung schaffen, sowie mobile Monitore für das gemeinsame Arbeiten an einem Dokument schaffen die Voraussetzungen dafür. Neben Befragungen der Studierenden wird vor allem mit Kameras die Nutzung des Raumes dokumentiert und mit Messgeräten der Schallpegel gemessen. Dieses apparative Design ermöglicht es, die Nutzungsstrukturen differenziert zu untersuchen.[28]

Abb. 1 Die Lernwelt der Hochschule der Medien Stuttgart (Grafik: VS Spezialmöbelfabriken)
Abb. 1

Die Lernwelt der Hochschule der Medien Stuttgart (Grafik: VS Spezialmöbelfabriken)

3.5 Informationsservice

Die Fachbibliografie Lernwelten, die vom Learning Research Center zur Verfügung gestellt wird, ist die größte internationale bibliografische Fachdatenbank über Entwicklungen und Trends im Bereich Lernräume und Lernorte, vor allem physischer Art.[29] Sie enthält Publikationen über alle Arten von Bildungseinrichtungen. Bibliotheken bilden einen Fokus. Vor allem der angloamerikanische Raum, Deutschland und Skandinavien werden hierbei abgedeckt. Mit der Fachbibliografie wird sowohl der Wissenschaft als auch der Praxis ein Überblick über Veröffentlichungen und Projekte im Bereich der Lernwelten gegeben.

3.6 Publikationen

Mit der Reihe Lernwelten, die beim De Gruyter-Verlag erscheint, konnte 2016 eine Publikationsreihe ins Leben gerufen werden, die die Veränderungsprozesse im Bildungsbereich in den Blick nimmt.[30] Ziel der Reihe ist es, die Diskurse aus Wissenschaft und Praxis zu bündeln sowie eine interdisziplinäre Perspektive einzunehmen. Die verschiedenen Bildungsbereiche wie Hochschulen, Erwachsenenbildung/Weiterbildung, Bibliotheken etc. sollen so vermessen werden, dass für die jeweils anderen Bildungsbereiche die spezifischen Begrifflichkeiten, Logiken, Kulturen und Strukturen nachvollziehbar werden. Es handelt um ein interdisziplinäres Projekt, das die Lernenden stärker in den Fokus rückt und die Sensibilität gegenüber der Gestaltung von Lernarrangements erhöhen soll.

Die hier aufgezeigten ausgewählten Forschungszugänge des Learning Research Centers versuchen einen möglichst breiten Blick auf die sich verändernde Bildungslandschaft zu werfen, wobei Bibliotheken einer der Nuklei der Arbeit bilden. Zentrale Erkenntnisse der Forschungsarbeit zu den Lernwelten Bibliothek sollen im Folgenden dargestellt werden.

4 Lernwelt Öffentliche Bibliothek

Spätestens seit den 1990er-Jahren fungieren Öffentliche Bibliotheken auch in ihrem Selbstverständnis als zentrale Supportstrukturen für das Lebenslange Lernen.[31] Ihr großer Vorteil ist die Niedrigschwelligkeit des Zugangs für alle Bevölkerungsschichten. Seefeld hat die Funktionen wie folgt beschrieben:

„Neben der Information und Allgemeinbildung dienen sie [die Öffentlichen Bibliotheken] der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung, der sinnvollen Gestaltung der Freizeit und im besonderen Maße der Leseförderung und Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz. Vielerorts sind sie zu Stätten der Kommunikation geworden, die sich, je nach ihren räumlichen Möglichkeiten, zu einem multimedialen und multikulturellen Treffpunkt mit Veranstaltungen aller Art entwickelt haben.“[32]

Diese Veränderung des Ortes Bibliothek auch in Richtung Lernwelt, lässt sich auch an dem erhöhten Beratungsbedarf Öffentlicher Bibliotheken bei der Gestaltung von Lernsettings feststellen. Die Formierung Öffentlicher Bibliotheken als Lern- und Wissensräume[33] zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie neben den Medien und den Informations- und Beratungsangeboten Lernmöglichkeiten sowohl für das individuelle Lernen als auch das Lernen in Gruppen zur Verfügung stellen. Die Lernenden können die räumliche Infrastruktur flexibel im Rahmen der Öffnungszeiten nutzen – wenn noch Plätze zur Verfügung stehen. Der Run auf physische Lernsettings scheint trotz aller Digitalisierung und Virtualisierung ungebrochen. Der Körper und das Soziale verlangen nach ihrem Recht.[34] Auch Entwicklungen wie neue infrastrukturelle Raumszenarien wie Makerspaces, in denen gemeinsam mit anderen gelernt und gearbeitet werden kann,[35] entsprechen diesem verstärkten Bedürfnis nach sozialer und physischer Verortung.

Deshalb erstaunt es nicht, dass sich die Anforderungen an zukünftige Lernarrangement, wie sie im Projekt EFIL bereits Anfang der 2000er-Jahre formuliert wurden,[36] nämlich Lernen zu inszenieren und arrangieren, in Konzepten zur zukünftigen Gestaltung von Bibliotheken wiederfinden. Zum einen ist hier das Vier-Räume-Modell zu nennen, das eine Vision von der neuen Öffentlichen Bibliothek entwickelt.[37] Hier spielen die vier Dimensionen Inspirationsraum, Lernraum, Treffpunkt und performativer Raum[38] eine zentrale Rolle für die Entwicklung von Öffentlichen Bibliotheken. Erweitert wurde dieses Konzept um das Drei-Funktionen-Modell, das die Bedeutung Öffentlicher Bibliotheken im Stadt- und Regionalraum mit drei Funktionen beschreibt: Ort, Raum und Beziehungen.[39]

Bruijnzeels hat auf die notwendigen Veränderungen für Bibliotheken hingewiesen, aus dem alten Prozess („der Weg des Buches“), der gekennzeichnet ist durch Sammeln – Erschließen – Verfügbar machen, einen neuen Prozess („der Weg des Benutzers“), der auf der Vernetzung von Inspiration – Schöpfung – Beteiligung aufbaut, in die Wege zu leiten.[40] Wenn dieser Perspektivenwechsel ernst genommen wird, zeigt sich, dass es aus Sicht der Bürger und der Lernenden eher um die Befriedigung von Bedürfnissen geht und weniger um die Institution an sich. Deshalb werden sich Öffentliche Bibliotheken neu verorten müssen.[41] Vor diesem Hintergrund stellt sich aus wissenschaftlicher Perspektive die Frage, was eine Öffentliche Bibliothek heute ist, drängender denn je.

Richtet man im internationalen Kontext den Blick auf neuere Öffentliche Bibliotheken bzw. Bibliothekskonzepte, wird deutlich, in welche Richtung sich Bibliotheken entwickeln könnten. So sind zum Beispiel im Dokk1 in Aarhus[42] die Übergänge zwischen Lern-, Arbeits- und Entspannungsflächen fließend; die Seminarräume im Haus können von Bürgern gebucht bzw. können sie spontan genutzt werden, wenn sie frei sind. Die Flächen für einzelne Zielgruppen wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind strukturiert, aber in den Übergängen offen. So entsteht aus der Bibliothek ein offener Treffpunkt, der vor dem Hintergrund der Bedürfnisse der Bürger gestaltet ist:

„Dokk1 grew out of the vision of an open, adaptable library, relevant to the need of the time; an inviting place, catering for active users and encouraging others to be active. Dokk1 offers a wide range of facilities for social activities, clubs and associations and networking. With its halls, study cells, project and teaching rooms, transformation spaces, media, café, and not least its informal, non-designated spaces, the building and its facilities offer an adaptable, energizing haven to all who seek knowledge, inspiration and personal development – an open and accessible learning environment that promotes democracy and a sense of community.“[43]

Eine ähnliche Ausrichtung haben auch die Idea Stores in London bei der Entwicklung ihres Konzepts zugrunde gelegt.[44] Dabei zeigt sich, dass sich die Entwicklung von Öffentlichen Bibliotheken in der Zukunft in Richtung Diskursort, Lernort und sozialer Ort gehen könnte.

Betrachtet man Öffentliche Bibliotheken in Deutschland in ihrer Gesamtheit, wird eine Suchbewegung deutlich. Dabei wird punktuell schnell auf neue Trends aufgesprungen – Makerspaces sind ein Beispiel dafür –, doch wird dabei nur zögerlich an einem neuen Konzept gearbeitet, dass das Gewohnte grundsätzlich infrage stellt. Dabei geht es weniger darum, das Gewohnte abschaffen zu wollen, sondern eine zeitgemäße Begründung für die Weiterführung zu finden. Wie die Optionen aussehen, wie diese Veränderungsprozesse gestaltet werden können, ist für jede einzelne Bibliothek anders, d. h., Veränderungsprozesse müssen an die vorhandene Umwelt angepasst werden. Rezeptlösungen funktionieren hier kaum, wie es sich bei den Forschungs- und Entwicklungsprojekten des Learning Research Centers gezeigt hat.

5 Lernwelt Wissenschaftliche Bibliothek

Bei Wissenschaftlichen Bibliotheken sieht das etwas anders aus, da die Umwelten oft vergleichbar sind. Schaut man sich dann allerdings die Rahmenbedingungen im Einzelnen an, ist auch hier eine heterogene Struktur zu finden. Der Großteil der Wissenschaftlichen Bibliotheken ist in die Struktur von Universitäten und Hochschulen eingebettet. Durch die Veränderungen im Rahmen des Bologna-Prozesses sind deren Aufgaben, die Literatur-, Medien- und Informationsversorgung für Studium, Lehre und Forschung zu gewährleisten, deutlich erweitert worden.

So hat der Wissenschaftsrat neben den Aufgaben der Sammlung, Bewahrung und Zugänglichmachung nicht-digitaler Medien und Objekte, der Digitalisierung nicht-digitaler Medien, dem Management von Forschungsdaten sowie der Langzeitarchivierung und Langzeitverfügbarmachung auch explizit die Vertiefung der Informations- und Medienkompetenz (Medienbildung) an Universitäten und Hochschulen als wichtiges Element zukunftsfähiger wissenschaftlicher Informationsstrukturen annonciert.[45]

Der Begriff „Teaching Library“ beschreibt die Etablierung solcher Strukturen in Wissenschaftlichen Bibliotheken, die die Vermittlung und Förderung von Informationskompetenz als zentrales Element haben.[46] Wie in Bezug auf die Lehrperspektive ändern sich auch die Perspektiven in Bezug auf das Lernen, vor allem unter der räumlichen Perspektive. Der Lesesaal, der auch weiterhin seine Bedeutung hat, wird zunehmend durch Lernzentren erweitert, die vielfältige Optionen für das individuelle Lernen und Lernen in Gruppen eröffnen. Latimer beschreibt die Veränderung wie folgt:

„In der Vergangenheit waren Beständigkeit, Stabilität, Ernsthaftigkeit, Abgeschiedenheit und Ruhe die Kennzeichen des Bibliotheksraums, die heutigen Lernräume sind dagegen einladender, entspannter, gemeinschaftlicher, zoniert und flexibel.“[47]

Wie solche flexiblen Lernräume gestaltet werden können, steht auch im Zentrum der Forschungsarbeiten des Learning Research Centers. Mit der Lernwelt an der Hochschule der Medien konnte ein Forschungslabor eingerichtet werden, das vielfältige Erkenntnisse bezogen auf das Potenzial flexibler Möblierung bringt.[48] Es zeigt sich, dass gerade die Möglichkeit, unterschiedlichste Möbel flexibel zusammenzustellen und Medien- und Präsentationstechniken nach Bedarf dazu zu holen, zum einen die Lernprozesse sehr gut unterstützt und zum anderen die Investitionskosten minimiert, da in einem flexiblen System zunächst mit einer Minimalausstattung begonnen werden kann, die dann je nach Bedarf erweitert werden kann.

Eingebettet sind solche Entwicklungen in grundlegende Veränderungsprozesse bezogen auf die Funktion von Wissenschaftlichen Bibliotheken. An der Columbia University New York wurden zum Beispiel als Teil der Bibliothek fachspezifische Digital Centres etabliert, die den sich verändernden wissenschaftlichen Arbeitskulturen Rechnung tragen und neben Arbeitsumgebungen fachspezifische Software, spezialisiertes Zubehör und Beratung durch Bibliotheks- und Technik-/IT-Personal für die Wissenschaftler bieten.[49] In diesem Zusammenhang wurden auch Bestände ausgelagert, um mehr Raum für die Etablierung neuer Raumkonzepte für das Lernen und das Forschen zu erhalten.

Richtet man den Blick auf die Wissenschaftlichen Bibliotheken, zeigt sich auch hier, dass sich die Lern- und Forschungswelten vor allem bezogen auf Raumstrukturen grundlegend wandeln. Physische Medienbestände treten in den Hintergrund – wobei ihre Bedeutung nach wie vor groß ist – und neue Angebots- und Raumkonzepte treten in den Vordergrund. Die Forschungs- und Entwicklungsprojekten des Learning Research Centers zeigen hier, dass gerade in Deutschland noch sehr konservativ mit diesen Veränderungsprozessen umgegangen wird. Hier wird es in Zukunft einer größeren Experimentierfreude bedürfen, will man den Anschluss an internationale Entwicklungen nicht verpassen.

6 Kooperationen als Zukunftsperspektive

Die Frage des Raums spielt auch eine Rolle, wenn es um Kooperationsstrukturen sowohl im kommunalen/regionalen als auch wissenschaftlichen Kontext geht. Im kommunalen/regionalen Kontext sind es Bildungs- und Kulturzentren, die im internationalen Diskurs oft unter dem Begriff Learning Centres firmieren,[50] die Ausdruck veränderter Kooperationsstrukturen sind. Diese sind vor allem gekennzeichnet durch die räumliche und/oder organisatorische Zusammenführung von Institutionen wie Bibliotheken, Volkshochschulen, Musikschulen, Museen, Archive etc. Dabei zeigt sich, dass die Kooperationsmodelle sehr vielschichtig sind. In der Praxis lassen sich u. a. folgende finden:

  1. Kooperationsmodell: Die Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen erfolgt über Absprachen.

  2. Kontraktmodell: Die Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen wird über Verträge geregelt.

  3. Steuerungsmodell: Ein kommunales Amt steuert die Zusammenarbeit der organisatorisch eigenständigen Institutionen.

  4. Intendanzmodell: Die beteiligten Institutionen werden durch eine übergreifende Geschäftsführung koordiniert und beaufsichtigt. Die beteiligten Institutionen bleiben organisatorisch selbstständig.

  5. Institutionalisierungsmodell: Die Einrichtungen werden organisatorisch zusammengelegt und es gibt eine für alle Einrichtungen zuständige Leitung.[51]

Egal welche Organisationsform diese neuen Bildungs- und Kulturzentren haben, verstehen sie sich im kommunalen Kontext als innovative Bildungs-, Kultur- und Lernorte, die für alle Bürger offen sind und Angebote für die unterschiedlichsten Lernbedürfnisse zur Verfügung stellen. Als nicht-kommerzialisierte Orte der Begegnung und Kommunikation nehmen sie inzwischen eine wichtige Funktion als Marktplatz in den Kommunen ein. Dies zeigt sich auch in den Konzepten für Neubauten wie dem Bildungshaus Wolfsburg[52] und dem Bildungshaus Norderstedt-Garstedt, deren Entwicklung vom Learning Research Center begleitet wurde. Im Konzept ist vorgesehen, dass die räumlichen Trennungen von Volkshochschule und Bibliothek aufgehoben werden. Die Kursräume der Volkshochschule werden jeweils in den thematischen Bereichen der Bibliothek verortet, damit auf Angebotsebene eine optimale Synergie erzielt werden kann. Ein Markplatz steht jeweils im Zentrum, auf dem Flächen wie Café, Selbstlernzentrum, Beratungsflächen etc. für die Bürger zur Verfügung gestellt werden, um diese niedrigschwellig an Information und Bildung heranzuführen.

Wie aktuell diese Entwicklung ist, zeigt die Initiative des Kultur- und Wissenschaftsministeriums in Nordrhein-Westfalen, „Dritte Orte“ zu etablieren:

„Gerade in ländlichen Regionen – aber auch andernorts – bietet es sich an, Partnerschaftsmodelle zu initiieren, um Kunst und Kultur mit anderen Aufgabenfeldern zu vernetzen sowie Synergieeffekte stärker zu nutzen. Vorhandene Einrichtungen wie Bibliotheken, Volkshochschulen oder Kulturberatungen sollten gebündelt und zu sogenannten ‚Dritten Orten‘, d. h. zu kulturellen Begegnungs- und Erlebnisorten ausgebaut werden.“[53]

Mit den langjährigen Forschungs- und Beratungsaktivitäten hat das Learning Research Center bereits die Entwicklung seit den 2000er-Jahren in diesem Bereich in den Blick genommen. Dabei konnte gezeigt werden, welche Rolle Bibliotheken bei der Entwicklung kommunaler bzw. regionaler Bildungslandschaften spielen können.

Auch im Bereich der Universitäten und Hochschulen zeigen sich neue Herausforderungen für veränderte Kooperationsstrukturen. So kooperieren Wissenschaftliche Bibliotheken mit Didaktikzentren, Forschungsinitiativen oder dem IT-Service. Dabei stellen sie verstärkt neue Räume für Lernen und Forschen zur Verfügung. Blickt man auf die internationale Entwicklung zeigt sich, dass Wissenschaftliche Bibliotheken auch in Deutschland ihre Rolle in der Lernwelt Hochschule viel aktiver gestalten sollten, um zu zentralen Akteuren der Weiterentwicklung zu werden.

7 Atmendes Bildungssystem als Vision

Bündelt man die Erkenntnisse aus der Forschung und den Entwicklungsprojekten des Learning Research Centers zeigt sich die Dynamik der Veränderungsprozesse im Bildungsbereich. Die Bibliotheken könnten in diesen Prozessen eine wichtige Rolle einnehmen, tun dies aber nur zögerlich, da zu oft die Interessen der Institution im Fokus stehen und gelegentlich weniger die der potentiellen Nutzer. Doch ist diese Entwicklung bislang in ein starres Bildungssystem in Deutschland eingeschrieben. Die Entwicklung eines Optionsraums Lebenslanges Lernen, der sich den Bedarfen der Lernenden anpasst und kein starres Gerüst darstellt, ist bislang nur eine Vision. Im Rahmen des Learning Research Centers wird an der Frage gearbeitet, wie ein solcher Optionsraum aussehen könnte. Die Vision eines atmenden Bildungssystems,[54] das für die Bürger flexible Optionen der Gestaltung ihrer Bildungsbiografie jenseits starrer Bildungssäulen eröffnet, erfordert Wandlungsprozesse in vielen Bereichen, unter anderem: Angebotsentwicklung, Lernraumentwicklung, Organisationsentwicklung, Kooperationsentwicklung sowie Stadt-/Regionalentwicklung. Die Bibliotheken – ob Öffentliche oder Wissenschaftliche – werden hier eine zentrale Position einnehmen können. Im Learning Research Center wird geforscht, wie diese Rolle in Zukunft aussehen könnte.

About the author

Prof. Dr. Richard Stang

Hochschule der Medien Stuttgart, Informationswissenschaften, Learning Research Center, Nobelstraße 10, D-70569 Stuttgart

Literaturverzeichnis

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Published Online: 2019-04-05
Published in Print: 2019-04-03

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 25.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bfp-2019-2050/html
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