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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter February 7, 2023

Hybride Lernräume auf dem Campus der Zukunft

Hybrid Learning Spaces on the Campus of the Future
  • Christian Kohls

    Prof. Dr. Christian Kohls

    ORCID logo EMAIL logo
From the journal ABI Technik

Zusammenfassung

Weltweit befinden sich derzeit Hochschulen in einem Diskurs, wie der hybride Campus der Zukunft aussehen kann. Hybridität betont dabei das gleichzeitige Denken und Agieren in mehreren Räumen, insbesondere im physischen und digitalen Raum. Durch die Verknüpfung der Räume ergeben sich neue Handlungsoptionen und Lernsituationen. Für die Gestaltung hybrider Lernräume ist es notwendig, die verschiedenen Spielarten von Hybridität zu kennen und die Wirksamkeit und Gelingensbedingungen existierender Lösungsansätze zu verstehen.

Abstract

Universities around the world are currently engaged in a discourse on what the hybrid campus of the future might look like. Hybridity emphasizes thinking and acting in several spaces at the same time, especially in physical and digital space. By blending these spaces, student agency and learning opportunities increase. For the design of hybrid learning spaces, it is necessary to know the different varieties of hybridity and to understand the forces and success factors of existing solutions.

1 Einleitung

Die Gestaltung von Lernräumen auf dem Campus wird sich in den nächsten Jahren umfassend verändern. Die zunehmende Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten sowohl für mobiles Lernen und Arbeiten und gleichzeitig für vielfältigere Formate auf dem Campus. Die Erfahrungen während der Corona-Pandemie haben zudem gezeigt, dass bestimmte Formate online gut und manchmal sogar besser funktionieren, da sie ein höheres Maß an Selbststeuerung und zeitlicher Flexibilisierung ermöglichen. Es hat sich jedoch auch gezeigt, dass zwar die Wissensvermittlung recht gut funktioniert hat, das Hineinwachsen in eine Fachdisziplin, der Diskurs und informelle Austausch, die Partizipation und das Bilden von Lerngemeinschaften zu kurz gekommen sind. So berichten Studierende, die nun wieder in Präsenz auf dem Campus sind, von Schwierigkeiten, während der Pandemie Lerngruppen zu bilden und gemeinsam an Themen zu arbeiten. Gerade das soziale Lernen hat während der Pandemie nur eingeschränkt oder mit sehr viel Aufwand stattfinden können. Wenn nun aber genau diese Formen der projektorientierten Gruppenarbeit, der Partizipation und des gemeinschaftlichen Diskurses wesentliche Vorteile des Lernens auf dem Campus sind, so stellt sich die Frage, wie Lernumgebungen der Zukunft aussehen sollten, damit auf dem Campus nicht das stattfindet, was online genauso gut oder besser geht. Die Nutzung digitaler Medien spielt dabei eine besondere Rolle, da sie die Vernetzung von Studierenden und Dozierenden auf vielfältige Weise voranbringt. Die Verknüpfung von physischen und digitalen Räumen zu hybriden Lernräumen ermöglicht dabei vielfältige Formen der Kollaboration und Kooperation. Hybride Lernräume fördern den individualisierten und flexiblen Wissenserwerb und das Bilden von Lerngemeinschaften über den Campus hinaus.

Dieser Fachbeitrag vertritt die Position, dass Präsenzlehre auf dem Campus zunehmend durch digitale Angebote angereichert wird, die sowohl auf dem Campus als auch mobil genutzt werden können. Hybridität ist dabei kein Selbstzweck. Vielmehr soll durch das Auflösen von Dichotomien und das gleichzeitige Denken und Agieren in mehreren Räumen der Handlungsspielraum für Lernendende und Dozierende erweitert werden. Dabei sind viele Campusgebäude baulich durchaus so angelegt, dass eine geänderte Nutzung möglich ist. Tatsächlich ist dies oft eine wichtige Anforderung in der Planung von Campusgebäuden gewesen, da stetiger Wandel, didaktische Innovationen und Reformationswille eher als Regel denn als Ausnahme im Wissenschaftsbetrieb gesehen werden müssen.[1] Es gilt nun also herauszufinden, welche Transformationsprozesse für Räume angestoßen werden sollten.

Abb. 1.: Hybride Lernräume an Hochschulen (Fotos: Christian Hahn, Christian Kohls)
Abb. 1.: Hybride Lernräume an Hochschulen (Fotos: Christian Hahn, Christian Kohls)
Abb. 1.: Hybride Lernräume an Hochschulen (Fotos: Christian Hahn, Christian Kohls)
Abb. 1.: Hybride Lernräume an Hochschulen (Fotos: Christian Hahn, Christian Kohls)
Abb. 1.: Hybride Lernräume an Hochschulen (Fotos: Christian Hahn, Christian Kohls)
Abb. 1.: Hybride Lernräume an Hochschulen (Fotos: Christian Hahn, Christian Kohls)
Abb. 1.: Hybride Lernräume an Hochschulen (Fotos: Christian Hahn, Christian Kohls)
Abb. 1.:

Hybride Lernräume an Hochschulen (Fotos: Christian Hahn, Christian Kohls)

Hierzu gliedert sich der Artikel in folgende Abschnitte: Zunächst soll noch einmal auf die Aufgabe und Bedeutung des Campus als physisch und baulich gestaltbarer Lernort eingegangen werden. Hybride Lernorte entstehen, wenn dieser physische Raum mit weiteren Räumen verknüpft wird und Dichotomien überwunden werden. Da der Begriff der Hybridität unterschiedlich gedeutet wird, sollen verschiedene Perspektiven und Spielarten der Hybridität dargestellt werden. Für die Erhebung konkreter Lösungen sowie die daraus resultierenden Gestaltungsmöglichkeiten für Räume wird der Entwurfsmusteransatz vorgestellt. Dieser erlaubt nicht nur die strukturierte Dokumentation guter Praxisbeispiele, sondern auch die Planung und Umsetzung neuer Räume.

2 Aufgabe des Campus

Lernprozesse an Hochschulen sind so angelegt, dass die Studierenden ihr Lernen und ihre Zusammenarbeit selbstständig organisieren können. Hochschulen müssen offene, flexible und sichere Lernumgebungen anbieten, die Lernaktivitäten stimulieren und die Aufmerksamkeit auf den Lernprozess lenken. Lernräume haben dabei einen großen Einfluss auf die Lernaktivitäten und sollten Freiräume für ein reiches Repertoire an Aktivitäten und sozialen Interaktionen bieten.[2] Die Gestaltung dieser Lernräume ist eine der wirksamsten Methoden, um das Studierverhalten positiv zu beeinflussen. Denn Lernräume offerieren bestimmte Angebote für Handlungsaktivitäten, können diese anstoßen und unterstützen. Für Lernende und Lehrende sind Lernräume sowohl physische als auch virtuelle, organisationale und zeitliche Kontexte, in denen Lernaktivitäten stattfinden.[3]

Die Architektur der Gebäude, die Innenausstattungen, die städtische Umgebung und auch die virtuellen Angebote eines Campus haben sowohl funktionale wie auch symbolische Bedeutung. Neben dem Ermöglichen vielfältiger Lernaktivitäten, sendet das Arrangement der Lernumgebung auch aktivierende Botschaften, welche Art von Verhalten gewünscht und nahegelegt wird. Überhaupt ist der Campus eine Einladung, sich der Forschungs- und Wissensgemeinschaft anzuschließen und sich zu bilden. Gleichzeitig sind die von den Räumen ausgehenden Signale identitätsstiftend. Eine moderne digitale Infrastruktur vermittelt ein anderes Bild als eine eher auf tradierten Lernorten beruhende Campusgestaltung.

Strange und Banning[4] nennen drei Faktoren, die bei der Gestaltung des Campus zu berücksichtigen sind: Sicherheit und Inklusion, Möglichkeiten der Partizipation und des Engagements der Studierenden sowie das Etablieren einer Lerngemeinschaft. Auch die Empfehlungen des Wissenschaftsrats für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre stellen die Förderung von Austausch- und Partizipationsformaten sowie das Begreifen von Lehre als Wissenschaftspraxis in den Mittelpunkt. Hinzu kommen neue Formen der Interaktion und Wissensproduktion, ein höheres Maß an Lern-, Kooperations- und Innovationsfähigkeit, sowie das Ermöglichen selbstbestimmter, individueller und kollaborativer Lerngelegenheiten.[5] Bachmann et al. wiesen bereits 2014 darauf hin, dass ein moderner Campus die Partizipation und Enkulturation in eine Fachdisziplin unterstützen soll.[6] Sie greifen dabei auf, dass Lernen nicht nur reine Wissensvermittlung bzw. Wissensaneignung ist, sondern auch als partizipativer und gemeinschaftsbildender Prozess angesehen werden muss. Anna Sfard betont, dass beide Sichtweisen – Lernen als Wissenserwerb und als Partizipation in einer Wissensgemeinschaft – gleichberechtigt koexistieren sollten.[7] Im Sinne eines „Dritten Ortes“[8] sollte der Campus auch ein Aufenthalts- und Lebensort sein, der vielfältige Möglichkeiten bietet, sich auszutauschen und weiterzubilden. Hierfür benötigt es mehr Gruppenräume, Lerninseln, Lernnischen und Lernecken, die eine angenehme, vertrauensschaffende Atmosphäre bieten und gleichzeitig durch Strom, WLAN und Bildschirmflächen den Zugang zu digitalen Räumen ermöglichen. Räume müssen ein Angebot für verschiedene Arbeits- und Interaktionssettings, vielfältige Aktivitäten und flexible Nutzungen schaffen.[9]

Während tradierte Raumkonzepte wie Hörsäle, Seminarräume, Übungsräume oder Labore die Lernaktivitäten selten miteinander verbunden haben, gewinnen bei der Gestaltung von Lernumgebungen Kontextualisierung, Situiertheit und Vernetzung an Bedeutung.[10] Mit der zunehmenden Nutzung digitaler Medien sowie der damit ermöglichten Vernetzung verändert sich auch der Raum, in dem Lehren und Lernen an Hochschulen stattfindet. Der Lernraum ist nicht mehr auf physische Orte beschränkt.[11] Es kommen virtuelle Orte hinzu und die Aktivitäten an verschiedenen Orten können nahtloser miteinander verknüpft werden. Dabei beeinflussen die Aktivitäten im virtuellen auch den realen Raum und umgekehrt.[12] Jedes Smartphone lässt sich als Lern- und Forschungsinstrument nutzen, z. B. um Lernvideos oder Aufgaben abzurufen, Beobachtungen festzuhalten oder Interviews durchzuführen. Dies hat nicht nur Konsequenzen für das Geschehen auf dem Campus, sondern ermöglicht neue Lernszenarien außerhalb des Campus. Wenn sich Lernorte grundlegend verändern oder gar verschieben, dann sollte eine Auseinandersetzung mit räumlichen Konzepten von hochschulstrategischer Bedeutung sein. Physische Lehr- und Lernräume auf dem Campus stehen im Wettbewerb zu immer attraktiver werdenden Online- und Off-Campus-Angeboten. Umso wichtiger ist es, sich der Potenziale und Mehrwerte der digital unterstützten Kollaboration und der Begegnung auf dem Campus bewusst zu werden und durch passende Raumgestaltung gezielt zu unterstützen.

3 Hybridität

Ein hybrider Raum setzt die Objekte verschiedener Ausgangsräume (z. B. physischer, virtueller, didaktischer, sozialer, informationeller) miteinander in Beziehung und lässt so neue Aktivitäten und Handlungsoptionen zu.[13] Dabei soll die Verbindung der unterschiedlichen Objekte, Medien, Methoden und Aktivitäten möglichst nahtlos erfolgen, im Sinne eines „Seamless Learning“.[14]

Während es im physischen Raum etwa Materialien, Werkzeuge und Ausstattung (Papier, Tafel, Tische usw.) sind, die bestimmte Handlungsoptionen ermöglichen und von unterschiedlicher Beständigkeit sind (Tafelinhalte werden weggewischt, Tischanordnungen können sich ändern), sind es im digitalen Raum die virtuellen Objekte, die Informationsarchitektur sowie die darauf anwendbaren Interaktionsmöglichkeiten. Die Zusammenführung beider Räume schafft Möglichkeiten für neue Lernerlebnisse und Handlungsoptionen. Als Beispiel für zusätzlich ermöglichte Funktionalität sei die digitalisierte Dokumentation einer Gruppenphase in einem physischen Projektraum genannt. Während die Lösungsentwicklung mit bewährten haptischen Materialien geschieht (z. B. Notizkarten, Arbeitsmaterial) und vom Wesen her flüchtig ist – jede Veränderung zerstört den bisherigen Zwischenstand – können mit Kameras und digitaler Tinte einzelne Zustände bewahrt und automatisch dokumentiert werden. Als Ergebnis ist folglich nicht nur das fertige Produkt, sondern auch der Entstehungsprozess verfügbar. Hieraus ergeben sich neue Chancen für eine vertiefende Reflexion.

Abb. 2: Verknüpfung des physischen und digitalen Raums (Fotos: Christian Hahn)
Abb. 2:

Verknüpfung des physischen und digitalen Raums (Fotos: Christian Hahn)

Das Beispiel zeigt die enge, nahtlose Verknüpfung des physischen und digitalen Raums. Dabei koexistieren beide Räume und Studierende sind nicht entweder in einem der Räume, sondern gleichzeitig in beiden Räumen aktiv. Im Sinne einer didaktischen Vielfalt gilt es bei der Gestaltung von Lernarrangements genau solche Gegensätzlichkeiten aufzulösen. Die dichotome Unterscheidung zwischen z. B. physisch-digital, akademisch-nichtakademisch, online-offline, formal-nonformal, lehrzentriert-lernzentriert wird in Frage gestellt: „Hybridity is about the moment of play, in which the two sides of the binary begin to dance around (and through) one another before landing in some new configuration.“[15]

Lehrende und Lernende können also gleichzeitig in verschiedenen Räumen denken und agieren. Diese Gleichzeitigkeit bezieht sich auf eine Dualität von Lernräumen und weniger auf die zeitliche Dimension, wie der Begriff der „Gleichzeitigkeit“ irreführend nahelegen könnte. Hybride Lernaktivitäten können sowohl zeitlich parallel und synchron stattfinden, als auch zeitversetzt und asynchron.[16]

Neben dem gleichzeitigen Agieren in mehreren Räumen sollte jedoch auch die gleichzeitige Verschachtelung und Überlappung innerhalb eines Raumes in der Gestaltung berücksichtigt werden: So befinden sich Studierende nicht nur in einem Seminarraum, sondern auch in einem bestimmten Gebäude auf einem bestimmten Campus. Auch der Sozialraum kennt solche Gleichzeitigkeit: So lernen Studierende nicht entweder individuell oder in der Gruppe, sondern sie agieren gleichzeitig individuell, als Teil einer oder mehrerer Lerngruppen, als Untergruppe innerhalb eines Teams, als Teilnehmerin oder Teilnehmer eines Kurses oder als Lernmitglied des gesamten Jahrgangs. Auch im methodischen Raum gibt es gleichzeitige Verortungen: So können z. B. frontale und selbstgesteuerte Phasen nicht nur eng miteinander verzahnt, sondern überlappend stattfinden. Auch in einer frontalen Situation finden individuelle Lernprozesse sowie ein Austausch mit der Gruppe statt (z. B. durch gemeinsames Kopfnicken oder Kopfschütteln). Die Beschäftigung mit hybriden Lernräumen hat das Ziel, diese bereits existierenden Gleichzeitigkeiten besser miteinander zu verknüpfen (im Sinne eines Seamless Learning) und nutzbringend bei der Gestaltung einzubringen. Ein Raum kann etwa so gestaltet werden, dass die Ergebnisse einer Lerngruppe oder einer einzelnen Person sehr leicht für andere präsentiert werden können. Dies kann unterschiedlich umgesetzt werden, z. B. durch Möblierung, die das Wandern von einer Station zur nächsten erlaubt, oder durch digitale Infrastrukturen, die es ermöglichen, von jedem Arbeitsplatz aus Ergebnisse mit der gesamten Gruppe oder mit anderen Lernenden zu teilen. Wenn das Präsentieren einzelner Lösungen oder Arbeitsergebnisse hingegen sehr aufwändig ist, dann wird dies aus praktischen Gründen in einem didaktischen Szenario kaum Berücksichtigung finden.

Ein weiteres Beispiel ist die Schaffung von Lernräumen, die eine Verzahnung von Impuls im Plenum, Gruppen- und Einzelarbeiten sowie Ergebnispräsentationen vorsehen. So kann es einen gemeinsamen Präsentationsbereich geben, der direkt mit Lerninseln, Lernboxen oder Projekträumen verknüpft ist. Dies kann baulich gestaltet sein. In der Realität sind diese physischen Räume jedoch oft nicht direkt miteinander verknüpft. Auch hier können wiederum digitale Infrastrukturen dafür sorgen, dass diese Räume vernetzt werden. So kann etwa über das Senden von Kurznachrichten oder eine gemeinsam bearbeitbare Webseite festgehalten werden, welche Lerngruppe in welchem Raum ist, wann sich die Gruppe wieder gemeinsam trifft, und in welchem Raum gerade Hilfe durch Dozierende benötigt wird.

Die Beispiele zeigen, wie durch die Gestaltung hybrider Lernräume zusätzliche Handlungsmöglichkeiten geschaffen und neue didaktische Szenarien ermöglicht werden. Durch die Verknüpfung der verschiedenen Räume entstehen innovative Lernsituationen.

4 Spielarten der Hybridität

Leider wird der Begriff der hybriden Lehre derzeit eher eng interpretiert und oft unterschiedlich gelesen. So stellt Gabi Reinmann eine Vielzahl von Definitionen sowohl auf den Webseiten deutscher Hochschulen als auch in der internationalen Literatur fest.[17] Dieser Diskurs unterschiedlicher Deutungen ist jedoch keine Einschränkung, sondern eher eine Bereicherung an didaktischen Perspektiven. Wichtiger als eine endgültige Kategorisierung hybrider Lehre erscheint vielmehr die Ausweitung der Gestaltungsmöglichkeiten von Lernräumen durch Hybridität. Hier kann es hilfreich sein, verschiedene Spielarten der Hybridität zu benennen. Dann wird klarer, dass die oft eingeschränkte Sichtweise auf hybride Lehre, nämlich das bloße Hinzuschalten von Studierenden in eine Liveveranstaltung auf dem Campus, nur eine Spielart der Hybridität ist.

4.1 Spielart 1: Nutzung klassischer Formate auf dem Campus unter Einbindung von hinzugeschalteten Lernenden

Die Übertragung einer Vorlesung aus dem Hörsaal heraus oder das Hinzuschalten einzelner Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ein Seminar sind lediglich Beispiele für hybride Lehre. Diese Spielart entspricht dem derzeit dominanten Verständnis von Hybridität, insbesondere in der alltäglichen Berichterstattung in den Medien sowie in der Hochschulkommunikation. Dies ist freilich auf die sehr häufige Durchführung solcher Formate während der Corona-Pandemie zurückzuführen, als sehr schnell tradierte Veranstaltungsformen durch rein digitale oder eben hybride Varianten ersetzt wurden. Das didaktische Setting ändert sich dabei oft nicht. Allerdings ist auch diese Spielart vielfältiger, als es auf den ersten Blick scheint. So bedingt schon die technische Ausstattung im Hörsaal oder Seminarraum die Handlungsmöglichkeiten: Sind die Teilnehmenden gut zu verstehen, wird die Privatsphäre aller Beteiligten beim Streamen geschützt, sind zusätzliche Aufnahmen von Tafelanschrieben oder Experimentalaufbauten möglich? Zudem gilt es zu unterscheiden, ob nur einzelne Teilnehmerinnen oder Teilnehmer hinzugeschaltet werden, ob eine große Gruppe online hinzugeschaltet ist und wie groß die Gruppe vor Ort ist. So kann es z. B. sinnvoll sein, nur eine sehr kleine Gruppe vor Ort zu haben, die ähnlich wie bei einer Talkshow den Diskurs voranbringt und stellvertretend für alle online Teilnehmenden Fragen stellt. Auch der umgekehrte Fall ist möglich: die Studierenden sitzen in einer großen Gruppe im Hörsaal und diskutieren miteinander, die Dozentin oder der Dozent ist aber nur per Stream dazugeschaltet, z. B. von zuhause oder von einer Konferenz. Das Hinzuschalten in den Hörsaal erleichtert auch die Einbindung von Gastreferentinnen und -referenten. Einen Schritt weiter gehen hybride Konferenzen, bei denen ganze Vortragsreihen in den Hörsaal übertragen werden. Studierende schauen sich gemeinsam die Streams einer Konferenz an, diskutieren vor Ort miteinander und präsentieren im Kleinen ihre eigenen Ergebnisse.

4.2 Spielart 2: Nutzung digitaler Werkzeuge auf dem Campus

Studierende können Online-Werkzeuge auf dem Campus nutzen, um kollaborativ an Ergebnissen zu arbeiten. An einem Online-Whiteboard kann eine Lerngruppe z. B. parallel arbeiten, die Ergebnisse speichern und in den nächsten Projektraum mitnehmen. Studierende können auf Lernvideos zurückgreifen, um während der Bearbeitung einer Aufgabe die benötigten Anleitungen und Erklärungen passend abzurufen. Projekträume und Hörsäle können zudem als Lernkinos eingesetzt werden, in denen Studierende gemeinsam ein Lernvideo oder einen Livestream einer Vorlesung verfolgen. Die Smartphones und Laptops der Studierenden können als Recherchewerkzeuge und auch für die Digitalisierung der Arbeitsergebnisse einer Lerngruppe eingesetzt werden. So kann eine Lerngruppe ihre Ergebnisse mit anderen teilen und auch den Entstehungsprozess dokumentieren. Bei dieser Spielart findet das Lernen selbstgesteuert und in Gruppen auf dem Campus statt. Existierende Selbstlern- und Gruppenarbeitsplätze können zu hybriden Lernräumen transformiert werden, indem diese mit Stromanschlüssen, gutem WLAN-Empfang, Platz für mobile Endgeräte und interaktiven Displays ausgestattet werden.

4.3 Spielart 3: Verteilte Teams

Spätestens seit der Corona-Pandemie sind alle Hochschulen flächendeckend mit Videokonferenzsoftware und Online-Kollaborationswerkzeugen ausgestattet. Bislang erfolgte die Nutzung jedoch vor allem durch einzelne Teilnehmende, die sich online miteinander zu Gruppen vernetzt haben. Zukünftig wird es vermehrt hybride Konferenzen geben, bei denen Teams an verschiedenen Standorten oder in verschiedenen Räumen eines Campus miteinander verbunden sind. Dies ermöglicht neue didaktische Szenarien. So können z. B. standortübergreifend gemeinsame Impulse, Aufgabenstellungen und Ergebnispräsentationen stattfinden. Während sich die einzelne Lerngruppe dabei gemeinsam in einem Raum befindet oder als Online-Gruppe zusammensetzt, erfolgt der Austausch zwischen allen Gruppen, d. h. die verschiedenen Vor-Ort-Gruppen und die Online-Gruppen werden phasenweise zusammengeschaltet. Hierfür ist die Bereitstellung von Gruppenarbeitsräumen mit technischer Ausstattung für Videokonferenzen notwendig. Dabei können festinstallierte oder ausleihbare mobile Systeme zum Einsatz kommen.

4.4 Spielart 4: Flexibilisierung von Zeitrastern und Methoden

Die Bereitstellung von Lernvideos und die Übertragung von Livestreams ermöglicht die Flexibilisierung der Lehr-, Lern- und Prüfungsangebote. So können Prüfungen auf Abruf generiert werden, Vorlesungsinhalte bei Bedarf selbstgesteuert abgerufen und physische Räume für die Gruppenarbeit vor Ort genutzt werden. Bei den Arbeitsphasen auf dem Campus geht es vor allem um den Austausch, persönliches Feedback und das praktische Anwenden von Wissen. Durch Blockveranstaltungen oder wechselnde Gruppen können Räume besser belegt und Betreuungsverhältnisse verbessert werden, digitale Planungswerkzeuge unterstützen dabei die Raumbuchung und -verwaltung. Für eine vielseitige Nutzung von Räumen müssen diese flexibel sein. Flexibilität ergibt sich einerseits durch die schnelle Umgestaltung von Raumarrangements (z. B. Stühle, Tische und Arbeitsgeräte auf Rollen). Andererseits sind Räume vor allem dann flexibel nutzbar, wenn sie ohne eine Änderung des Setups unterschiedliche Szenarien erlauben und nicht bestimmte Veranstaltungsformen begünstigen (etwa nur frontale Settings oder nur Gruppensettings).

4.5 Spielart 5: Verknüpfung von Aktivitäten, Dokumenten und Objekten im physischen und digitalen Raum

Diese Spielart betont die Wechselwirkung zwischen Aktivitäten, Dokumenten und Objekten im physischen und digitalen Raum. So können Aktivitäten im physischen Raum beginnen und die dabei entstandenen Arbeitsergebnisse digitalisiert, geteilt, gespeichert und in der nächsten Veranstaltung weiterverwendet werden. Dies ist z. B. beim Sammeln von Beiträgen auf Moderationskarten oder dem Aufbau von Experimenten interessant, da hier der Flüchtigkeit des physischen Raums (Moderationskarten werden von der Pinnwand genommen, bei einem Experiment verändern sich Zustände) mit den Möglichkeiten der Aufnahme und Speicherung im digitalen Raum begegnet wird. Studierende können ihre eigenen Ergebnisse archivieren und in anderen Räumen weiterverwenden. Die Operationen, die auf Dokumenten und Objekten ausgeführt werden können, erweitern sich, wenn man den physischen mit dem digitalen Raum verknüpft. So können durch Augmented Reality oder Fotoaufnahmen Objekte aus dem physischen Raum digital beschriftet und in Beziehung gesetzt werden. Objekte des digitalen Raums können hingegen im physischen Raum sichtbar und wirksam sein. So können Studierende asynchron vor einer Veranstaltung Artefakte, Beiträge und Meinungen auf einem Online-Whiteboard sammeln und diese dann gemeinsam vor Ort oder online besprechen. Für die technische Infrastruktur ist hier relevant, dass die mobilen Endgeräte der Studierenden unkompliziert mit der Medienausstattung und den digitalen Plattformen der Hochschule verbunden werden können.

Abb. 3: Ergebnisse digitalisieren und mit Informationen anreichern (Fotos: Christian Hahn)
Abb. 3: Ergebnisse digitalisieren und mit Informationen anreichern (Fotos: Christian Hahn)
Abb. 3: Ergebnisse digitalisieren und mit Informationen anreichern (Fotos: Christian Hahn)
Abb. 3: Ergebnisse digitalisieren und mit Informationen anreichern (Fotos: Christian Hahn)
Abb. 3:

Ergebnisse digitalisieren und mit Informationen anreichern (Fotos: Christian Hahn)

4.6 Spielart 6: Mobilität

Durch digitale Medien können sich Aktivitäten, die sonst vornehmlich auf dem Campus stattfinden, auch an andere Orte verlagern. So werden Museen, der öffentliche Nahverkehr, Cafés und besondere Orte zu Lernumgebungen, an denen Bildungsressourcen (E-Bücher, Lernvideos, Aufgaben) genutzt und eigene Erhebungen (z. B. Fotos, Messungen, Interviews) durchgeführt werden können. Durch Augmented Reality und ortsbezogene Informationen können Aufgaben und Medien zu relevanten Orten bereitgestellt werden (z. B. historische Daten oder Architekturstile). Zudem kann bei der Aufgabengestaltung die Vielfalt der Orte, an denen Studierende sich aufhalten, bedacht und genutzt werden.

5 Entwurfsmuster für hybride Lernräume

Die hier aufgeführten Spielarten sind nicht erschöpfend. Sie sind vielmehr ein erster Vorschlag und sollen zeigen, dass es sehr unterschiedliche Ausprägungen der Hybridität geben kann. Diese manifestieren sich dann einerseits in konkreten didaktischen Settings als auch in der Ausgestaltung und Ausstattung von Lernräumen auf dem Campus. Etablierte Lösungsansätze können als Modelle oder Muster hybrider Lernräume betrachtet werden, die Ausgangspunkt für die weitere Gestaltung von Räumen sein können.

Um herauszufinden, welche Formen hybrider Lernräume bereits existieren und zukünftig möglich sind, verfolgen wir im Rahmen eines vom BMBF geförderten Forschungsprojektes[18] einen Mixed-Method-Ansatz. Dabei werden einerseits neue Formate prototypisch gestaltet und evaluiert. Zudem gilt es, existierende Lösungen zu entdecken, zu verstehen und zu generalisieren. Für die Entwicklung neuer Formate orientieren wir uns am Design Based Research[19]. Ausgehend von konkreten Problemen aus der Lehr- und Lernpraxis werden mögliche Lösungsansätze exploriert, prototypisch entwickelt und evaluiert. Die erprobten Interventionen können dann als Entwurfsmuster beschrieben werden. Entwurfsmuster sind Generalisierungen von existierenden Lösungen[20] mit dem Ziel, diese für die Planung und Gestaltung zukünftiger Räume zu nutzen – sowohl als Inspiration als auch zum besseren Verständnis der Wirkfaktoren und Gelingensbedingungen.

Neben den Erfahrungen aus der prototypischen Umsetzung hybrider Lernräume bilden vor allem existierende Räume die Grundlage für die Identifikation von guten Praktiken, die als Entwurfsmuster beschrieben werden können. Im Rahmen einer Bildungssafari werden ausgewählte Hochschulstandorte besucht. Dort entdeckte hybride Räume werden durch Fotos dokumentiert und analysiert. Die Objektanalyse ist eine gängige Methode bei der Findung von Entwurfsmustern, dem sogenannten Pattern Mining.[21] Das Verständnis für die Wirksamkeit und Funktionalität der Räume wird durch Interviews, Fragebögen, Beobachtungsprotokolle und Experimente mit unterschiedlichen Raumkonfigurationen erlangt.

Ein Entwurfsmuster beschreibt dabei eine Lösung strukturiert aus verschiedenen Perspektiven. Die Passung der Lösung wird durch eine Beschreibung des Einsatzkontextes sowie einer Explikation des adressierten Problems begünstigt. Neben der allgemeinen Lösungsform werden die Wirkfaktoren des Problemraums, d. h. die Rahmenbedingungen, und die Wirkungen des Lösungsraums, d. h. die Konsequenzen einer Lösung, beschrieben. Dies erfordert neben der empirischen Erhebung der Lösungen auch ein theoretisches Verständnis sowie die Formulierung von überprüfbaren Annahmen über die Wirksamkeit einer Lernarchitektur.

Abb. 4: Hybride Design Studios und Innovationsräume (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 4: Hybride Design Studios und Innovationsräume (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 4: Hybride Design Studios und Innovationsräume (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 4: Hybride Design Studios und Innovationsräume (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 4:

Hybride Design Studios und Innovationsräume (Fotos: Christian Kohls)

Abb. 5: Informelle Räume und Lerntribünen (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 5: Informelle Räume und Lerntribünen (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 5: Informelle Räume und Lerntribünen (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 5:

Informelle Räume und Lerntribünen (Fotos: Christian Kohls)

Mit der Identifikation und Beschreibung von Entwurfsmustern werden die verschiedenen Formen hybrider Lernräume kategorisiert. Anders als die oben erwähnten hybriden Spielarten sind Entwurfsmuster konkret genug, um eine gute Vorstellung von der Lösungsform zu erhalten. Entwurfsmuster haben aber nicht primär das Ziel der Kategorisierung unterschiedlicher hybrider Formate, sondern können vor allem bei der Gestaltung eingesetzt werden. Durch die explizite Beschreibung des Designproblems und der Wirkfaktoren liefern sie eine Begründung und Rechtfertigung von Bedarfen für die Umgestaltung von Räumen. Um diesen Zweck zu erfüllen, müssen die identifizierten Muster mehreren Kriterien gerecht werden. Zum einen soll es sich tatsächlich um gute Lösungen für eine bestimmte Situation oder für definierte Ziele handeln. Was nun aber das „Gute“ ausmacht, ist gar nicht so einfach zu fassen. Denn einerseits fehlen oft empirische Befunde über die Wirksamkeit bestimmter Konfigurationen im Hinblick auf bestimmte Ziele. Andererseits sind die Ziele und Gütekriterien etwas Normatives und in unterschiedlichen didaktischen Paradigmen nicht immer gleich. Was also dem Ideal entspricht und somit „schön“ und „gut“ ist, hängt offensichtlich auch von den Idealen ab.

Abb. 6: Maker Garagen (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 6: Maker Garagen (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 6: Maker Garagen (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 6: Maker Garagen (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 6: Maker Garagen (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 6:

Maker Garagen (Fotos: Christian Kohls)

Abb. 7: Lernecken, Lernnischen und Lerninseln als hybride Lernbereiche (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 7: Lernecken, Lernnischen und Lerninseln als hybride Lernbereiche (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 7: Lernecken, Lernnischen und Lerninseln als hybride Lernbereiche (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 7: Lernecken, Lernnischen und Lerninseln als hybride Lernbereiche (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 7: Lernecken, Lernnischen und Lerninseln als hybride Lernbereiche (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 7: Lernecken, Lernnischen und Lerninseln als hybride Lernbereiche (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 7: Lernecken, Lernnischen und Lerninseln als hybride Lernbereiche (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 7: Lernecken, Lernnischen und Lerninseln als hybride Lernbereiche (Fotos: Christian Kohls)
Abb. 7:

Lernecken, Lernnischen und Lerninseln als hybride Lernbereiche (Fotos: Christian Kohls)

Entwurfsmuster sollen zudem inspirieren und leicht zugänglich sein für die verschiedenen auf dem Campus vertretenen Gruppen. Fragt man etwa Studierende oder Dozierende, wie sie sich ihre idealen Lernräume vorstellen, so erhält man in der Regel Vorschläge, die auf Verbesserungen tradierter Muster beruhen. So ist das wenig überraschende Ergebnis vieler Design Workshops der Wunsch nach mehr Steckdosen und bequemeren Sitzen im Hörsaal. Die grundsätzliche Form des Hörsaals oder die Hörsaalgröße werden dabei nicht hinterfragt. Diese Linearität des Denkens kann durch Entwurfsmuster aufgebrochen werden, da sie veranschaulichen und erklären, welche anderen Formen noch möglich sind und an anderer Stelle bereits erfolgreich umgesetzt wurden. Tatsächlich konnte in Design Workshops mit Studierenden beobachtet werden, dass nach der Präsentation von neuen Raumtypen diese in ihre Planungs- und Wunschvorstellungen eingeflossen sind. Es hat sich bei unseren Design Workshops gezeigt, dass durch die Präsentation von Good Practices mehr neue Lösungen entwickelt wurden im Vergleich zu vollkommen offen gestaltetet Workshops.

Ein Entwurfsmuster muss dabei offen sein, um einerseits an die spezifische Problemsituation angepasst werden zu können und anderseits mit weiteren Mustern kombinierbar zu sein. Es bietet nicht einfache Rezepte an, die abgearbeitet werden können, sondern dient als veränderbare Vorlage und Inspiration. Beispiele für solche Entwurfsmuster sind:

  • Hybride Gastvorträge, Standortübergreifende Hybridseminare, Hybride Video-Seminarräume

  • Hybride Konferenzen, TED-Sessions, Hackathons

  • Hybride Ausstellungen, Hybride Ausstellungsrundgänge, digitale Vitrinen und Pop-up-Räume in öffentlichen Bereichen

  • Innovationsräume, Design Studios, Maker Spaces und Maker Garagen

  • Mit Displays und Strom ausgestattete Lernnischen, Lerninseln, Lernecken und Lernboxen

  • Projekträume und Lernkinos

  • Mobile Videokonferenzanlagen, Videokonferenzkabinen, Videokonferenzräume und Videoproduktionsräume

  • Lernlabore, Flexible Möbelausstattung, Flexible Nutzungsmöglichkeiten

  • Selbstlernzentren, Raumbuchungssysteme und Lerngruppensuche

  • Digitale Dokumentation von Entwicklungsprozessen, digitale Anzeige von Aktivitäten in Lernräumen

  • Raumübergreifendes Arbeiten, Mitnahme digitaler Arbeitsergebnisse, Videokonferenzen zwischen Räumen auf dem Campus

  • Verschachtelte Räume, Verbundene Räume, Räume mit Stationen

Es zeigt sich, dass einige Bezeichnungen der Entwurfsmuster selbsterklärend sind und bereits ein konkretes Bild vor Augen führen. Dies gelingt dann, wenn eine gute Metapher gefunden werden konnte oder bekannte Formate weiterentwickelt wurden. Neben der Konfiguration und Verknüpfung des physischen und digitalen Raumes beziehen sich viele Entwurfsmuster aber auch auf neue Nutzungsszenarien solcher hybriden Räume. In beiden Fällen ist eine ausführliche Beschreibung notwendig, um ein besseres Verständnis der Lösung zu erhalten. Für jedes Entwurfsmuster werden der Kontext, die Problemstellung, die Rahmenbedingungen, die Lösung, Umsetzungsdetails, Stolpersteine, Vor- und Nachteile und Beispiele beschrieben. Die Beschreibungen der von uns identifizierten Muster werden in einem Repository bei e-teaching.org gesammelt.[22]

6 Abschließende Bemerkungen

Durch attraktive Räume sollen der informelle Austausch und die Begegnung auf dem Campus begünstigt werden. Wenn zu viele attraktive Räume an verschiedenen Orten auf dem Campus entstehen, dann stehen diese eventuell im Wettbewerb und die Wahrscheinlichkeit der Begegnung sinkt sogar, da sich die Studierenden zu sehr zerstreuen. Hier sollte eine Balance gefunden werden zwischen ausreichend Platz für Studierende in allen Campusgebäuden sowie in attraktiven Lernzentren, an denen sich Studierende und Dozierende aller Fachdisziplinen treffen.

Die besondere Ausstattung der Selbstlernorte erfordert häufig eine zusätzliche Betreuung oder Einweisung durch Mitarbeitende. Dies kann den Personalbedarf erhöhen. Oft entstehen besondere Lernorte vor allem innerhalb von Bibliotheken. Diese haben eine Tradition als Orte für selbstgesteuertes Lernen. Zudem gibt es Personalkonzepte, die eine Betreuung der Studierenden sicherstellen. Für weitere Räume auf dem Campus kann auch auf die Eigenverantwortung der Studierenden gesetzt werden. Fachschaften, Tutorinnen und Tutoren und studentische Hilfskräfte können die Zugänglichkeit zu solchen besonderen Lernorten erhöhen.

Auch bei der Schaffung hybrider Lernräume wird sich der Konflikt zwischen Präsenz- und Onlineteilnahme nicht vollständig lösen lassen. So können Mobilität, Familienfreundlichkeit, lange Anreisewege und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen für eine Reduzierung der Präsenzzeiten sprechen. Insofern muss bei der Umgestaltung von Räumen auch stets hinterfragt werden, ob bestimmte Raumtypen nicht schon in wenigen Jahren obsolet sind, wenn Studierende sich zunehmend bewusst für ein reines Online- oder Präsenzstudium entscheiden.

Die Attraktivität von Präsenzzeiten ist nicht allein auf die räumliche und technische Infrastruktur sowie die Qualität der Lehrangebote zurückzuführen. Auch die Rasterung der Veranstaltungspläne und die positiven wie negativen Freiräume dazwischen entscheiden, ob Studierende die Anreise zum Campus als lohnend bewerten. Die Transformation zu neuen zeitlichen Formaten, z. B. Blockveranstaltungen, Wechselunterricht zwischen Lerngruppen oder die Einführung von Digitaltagen, ist dabei allerdings eine noch größere organisatorische Herausforderung – wenngleich kostengünstiger – als die Umgestaltung von Räumen. Umso wichtiger ist es, dass alle Beteiligten bei den Änderungsprozessen eingebunden werden, und im Kleinen auszuprobieren, welche neuen Raumtypen und Formate innerhalb des jeweiligen Campus gut funktionieren und Akzeptanz finden.

About the author

Prof. Dr. Christian Kohls

Prof. Dr. Christian Kohls

Published Online: 2023-02-07
Published in Print: 2023-02-23

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 19.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/abitech-2023-0002/html
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