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Publicly Available Published by De Gruyter Saur January 14, 2020

KI in der Bildung

Erste Befundlage zur Online-Befragung

  • Matthias Ballod EMAIL logo and Stefanie Klein

Ausgangslage

Das Wissenschaftsjahr stellt nicht nur eine feste Größe in der deutschen akademischen Landschaft dar, sondern bietet die Möglichkeit, ein zentrales und bedeutsames Thema über alle wissenschaftlichen Bereiche hinweg zu erforschen und zu reflektieren.

Die künstliche Intelligenz als solche ist in vielen Unternehmen weltweit bereits in der ein oder anderen Form Realität geworden. Schon längst stellt sich nicht mehr die Frage nach dem „ob“, sondern nur noch nach dem „wie“ ihrer Anwendung. Um auf dem weltweiten Markt konkurrenzfähig zu bleiben, Arbeitsabläufe zu erleichtern und zu optimieren oder um neue Technologien und Produkte zu entwickeln ist KI schlicht und einfach notwendig. Bei sozialen Themen jedoch werden viele Menschen skeptisch. Wie menschlich kann KI werden? Welche Chancen und Risiken kann sie bieten? Besonders im Bildungssektor ist ein gezielter und frühzeitiger Umgang mit KI auf mehreren Ebenen wichtig: Zum einen kann sie den Arbeitsalltag in der Schule erleichtern, zum anderen stellt sie selbst ein Sachgebiet dar, mit dem sich in Zukunft alle Lehrkräfte zumindest einmal auseinandergesetzt haben sollten.

Konzept der Umfrage

Aus diesem Grund erschien es den Veranstaltern des DGI-Forums Wittenberg 2019 sinnvoll, mit Hilfe einer Meinungsumfrage die persönliche Einstellung zu KI im Allgemeinen und ganz konkret im Bildungssektor in das Blickfeld zu nehmen. Die Umfrage richtete sich nicht an eine bestimmte Zielgruppe und erhob keinen Anspruch auf Repräsentativität. Dennoch vermittelt sie einen ersten Eindruck über das „Stimmungsbild“.

Von April bis August 2019 nahmen insgesamt 320 Personen (TN) an der Online-Umfrage teil. Geschlecht, Alter, soziale Herkunft sowie Bildungsverlauf spielten dabei keine Rolle und wurden dementsprechend nicht erfragt. Von den insgesamt zehn Fragen waren die ersten sechs mit Hilfe einer fünfschrittigen Skala zu beantworten; die anderen vier wurden offen gestellt:

Abbildung 1

Der Fragenkatalog.

1. Wie stehen Sie persönlich zu KI-Technologien im Alltag?
2. Glauben Sie, dass durch KI-Anwendungen Arbeitsplätze tendenziell eher geschaffen oder abgebaut werden?
3. Interessieren Sie sich für neue Entwicklungen in diesem Bereich?
4. Wie gut informiert fühlen Sie sich über bereits im Einsatz befindliche KI-Technologien?
5. Wie schätzen Sie die Potenziale von KI-Technologien im Allgemeinen ein?
6. Wie bewerten Sie die Gefahren von KI-Technologien?
7. Welchen Nutzen von KI-Technologien sehen Sie im Bildungssektor?
8. Welche Gefahren von KI-Technologien sehen Sie im Bildungssektor?
9. Wo sehen Sie einen konkreten Bedarf von KI-Technologien im Bildungssektor?
10. Welche Aspekte (soziale, technische, ethische...) sollten bei der weiteren Diskussion zu KI-Technologien im Bildungssektor unbedingt in den Blick genommen werden?

Der vorliegende Bericht stellt die erste Befundlage zu den geschlossenen Fragen 1 bis 6 dar. Die Auswertung aller Fragen werden wir in einem gesonderten Beitrag vorstellen, der den aktuellen Stand der allgemeinen Debatte, die Position(en) der DGI und die interessanten Befunde der Online-Befragung zusammenführt.

Ergebnisse

Während etwas mehr als 60 Prozent der Antwortenden KI sehr bis eher offen gegenüberstehen, bleiben die übrigen 40 Prozent neutral bis eher skeptisch.

Im Gegensatz hierzu herrschte Unsicherheit in Bezug auf den Verlust des Arbeitsplatzes: Rund 1/3 aller TN sind sich jeweils sehr bis eher sicher, dass die KI Arbeitsplätze vernichten wird; fast ebenso viele TN sind sehr sicher oder eher sicher, dass Arbeitsplätze entstehen bzw. sind neutral eingestellt.

Mit rund 85 Prozent ist hingegen eindeutig, dass die große Mehrheit der TN ein klares Interesse am Thema zeigt und mit ebenfalls rund 85 Prozent davon überzeugt ist, dass die KI ein hohes oder sehr hohes Potenzial im Allgemeinen besitzt. Dennoch fühlen sich rund 40 Prozent sehr oder eher schlecht über das Thema informiert. Etwa 63 Prozent schätzen die Gefahren als hoch oder sehr hoch ein.

Ein Ranking der häufigsten Antworten auf die vier offenen Fragen ergab die in Abbildung 2 zusammengefassten Ergebnisse:

Abbildung 2

Trends der Antworten auf die Fragen 6 bis 10.

Potenziale & BedarfGefahrenAspekte zur weiteren Diskussion
Individualisierung & Differenzierung Datenschutz/-missbrauchDatenschutz
Orts- und ZeitunabhängigkeitVerlust von Persönlich­keit/ Denken/ Nachdenken beim LernenTransparenz
Unterstützung und Entlastung der LehrkraftZweckentfremdung der TechnikParadigmenwechsel bei Lehr-Lern-Arrangements
Automatisierung und OptimierungFörderung zur Auseinandersetzung (Kompetenzen)

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse zeigen, dass die mehrheitliche Offenheit, das Interesse sowie die Überzeugung vom Potenzial der KI in einem klaren Gegensatz zu der Unsicherheit bezüglich der Arbeitsmarktentwicklung stehen. Resultierend aus dem Gefühl der Uninformiertheit ergibt sich unserer Meinung nach auch die hohe Gefahreneinschätzung der TN. Die Ergebnisse der offenen Fragen unterstützen diese These insofern, als dass sie zeigen, dass die meisten TN sich eine klare Entlastung, Optimierung und Individualisierung durch KI im Lernprozess wünschen – immer unter der Prämisse der Transparenz, des Datenschutzes sowie klarer Ziele und Richtlinien im Kompetenzerwerb.

Verglichen mit den neun Position der DGI-Fachgruppe Informationskompetenz und Bildung zeigen sich eindeutige Übereinstimmungen: Die kontinuierliche Kontrolle von KI, die ständige Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Auswirkungen, die Ausweitung der Informationskompetenz sowie die Ausrichtung der KI an den Lernzielen und nicht umgekehrt stimmen im Wesentlichen mit den Forderungen aus der Umfrage überein. Das Potenzial der Individualisierung und Differenzierung sowie die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Konzepts sind allgemeiner Konsens.

Die erste Position der DGI lautet: KI im Bildungswesen ist per se weder gut noch schlecht. Dies möchten wir zum Anlass nehmen, die Unsicherheiten und Ängste in den Blickpunkt zu rücken. KI ist letztlich das, was die Menschen, die sie nutzen und entwickeln, aus ihr machen. Ängste sind daher weder richtig noch falsch. Sie zeigen uns jedoch, dass gesamtgesellschaftliche Aufklärung im Sinne eines Sich-Ermächtigens, eine dauerhafte Aufgabe von Bildungsprozessen wird. Nur, wenn wir in der Lage sind, KI als das zu begreifen, was sie ist, können wir sie sinnvoll und sicher einsetzen: KI im Bildungssektor ist eine Chance, die Interaktion zwischen Mensch und Maschine neu zu definieren, sich selbst zu reflektieren und dynamisch auf die Veränderungen unserer Welt zu reagieren.

Dazu benötigen wir gesellschaftliche Aufklärung, praktikable und sichere Regeln zum Umgang mit KI und junge Köpfe voller Ideen, die morgen ermöglichen, was wir uns heute noch nicht einmal vorstellen können.

Deskriptoren: Künstliche Intelligenz, Bildung, Informationskompetenz, empirische Untersuchung, DGI

Published Online: 2020-01-14
Published in Print: 2020-01-03

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 23.5.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/iwp-2019-2065/html
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