Zusammenfassung
Innerhalb der Soziologie wird auf zwei anthropologische Annahmen zurückgegriffen, die sich als Antworten auf zwei Fragen verstehen lassen: „Wer ist ein Mensch?“ und „Was ist der Mensch?“ Die Antwort auf die zweite Frage zielt auf eine Wesensbestimmung, die aber immer nur in konkreten sozialen Prozessen erfolgt. Die Antwort auf die Frage danach, wer ein Mensch ist, wird dagegen als bekannt vorausgesetzt. In dem Aufsatz wird der Vorschlag gemacht, auch diese Frage in einer vergleichbaren Weise zu behandeln, wie die nach der Wesensbestimmung. „Mensch“ wäre demnach nicht i.S. des Gattungswesens zu verstehen, sondern muß als Chiffre für „Personsein“ bzw. für Sozialität im Sinne „doppelter Kontingenz“ begriffen werden. Die Antwort auf die Frage, wer in diesem Sinne ein „Mensch“ ist, könnte dann ebenfalls als historisch variabel aufgefaßt werden. Im Zentrum der Argumentation steht eine Neuinterpretation von Plessners Theorie der „exzentrischen Positionalität“, die aufzeigt, daß Plessner das Anliegen der Anthropologie, die Besonderheit des Menschen zu begründen, reflexiv wendet. Auf diese Weise gerät in den Blick, daß Anthropologie nur eine mögliche Form darstellt, den Kreis sozial existierender Individuen zu schließen. Wer ein sozialer Akteur ist, ist eine Frage, deren Antwort nicht von vornherein feststeht, sondern deren Beantwortung empirisch rekonstruiert werden muß.
© 1999 by Lucius & Lucius, Stuttgart