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Forschungsdaten Umgekehrte Sammlungsgeschichte - Zuordnung von Inventareinträgen zu historischen kamerunischen Bevölkerungsgruppen laut Sammlungsdokumentation (2021)

Savoy, Bénédicte; Sprute, Sebastian

Die hier wiedergegebene Aufteilung und Benennung ist als historische und idealtypische Rekonstruktion des zeitgenössischen Verständnisses der Unterteilung der kamerunischen Bevölkerung auf Basis einer laienwissenschaftlich fundierten und kolonialstaatlich produzierten ‚Völkerklassifikation‘ zu verstehen. Die hier verzeichneten historischen Unterteilungen und Bezeichnungen lokaler Bevölkerungsgruppen müssen in mehr oder weniger großem Maße immer als imaginär und fiktiv angesehen werden und entsprechen keineswegs dem tatsächlichen zeitgenössischen Selbstverständnis der lokalen Bevölkerung (siehe dazu den von Sebastian Sprute verfassten Beitrag „Chaos im Museum – Bestandsaufnahme und Wissensordnung“ in der Forschungspublikation). Die Zuordnung der Verweise auf die bevölkerungsspezifische Herkunft eines Inventareintrags erfolgte dabei entsprechend der Vorlage der in der zeitgenössischen Kolonialkartographie festgehaltenen Strukturierung der lokalen Bevölkerung. Referenz für Unterteilung und Benennung der Bevölkerungsgruppeneinheiten stellt dabei das umfangreichste amtliche Kartenwerk aus der deutschen Kolonialzeit dar, der unter Leitung des Kartographen Max Moisel zwischen 1910 und 1914 auf 34 Blatt in 1:300.000 herausgegebene große deutsche Kolonialatlas. Die Zuordnung der Inventareinträge nach der genannten ‚ethnischen Herkunft‘ wurde in erster Linie durch den Abgleich der Bezeichnungen mit den ca. 250 - 300 Namen und Benennungen von Bevölkerungsgruppen auf der Moiselschen Karte realisiert. In vielen Fällen musste jedoch die Analyse begleitender Angaben in geographischen Datenkategorien der Sammlungsdokumentationen hinzugezogen werden, um eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen. Das Kartenwerk diente insofern auch in Hinsicht auf die dort wiedergegebene Hierarchisierung der lokalen Bevölkerungsgruppen untereinander und deren zu rekonstruierende historische kartographische Verortung als Referenz. Die starre historische Referenz bietet sich angesichts eines zu einem Großteil aus kolonialen Kontexten entstammenden Bestandes an kamerunischen Kulturgütern in deutschen Beständen als geeignetes Ordnungsmodell an. Die vergleichsweise wenigen Inventareinträge jüngeren Datums wurden der Referenz entsprechend, auch wenn zwischen den kolonialzeitlichen Gruppierungen und aktuellen Gruppen keine Deckungsgleichheit herrscht, pragmatischer Weise ihren am nächsten kommenden historischen Entsprechungen zugeordnet. Nicht kolonialkartographisch verbürgte Bezeichnungen anderer Art, wurden, wenn Affiliationen nachweisbar sind, ebenfalls den am nächsten kommenden kolonialkartographischen Entsprechungen zugerechnet. Dabei gilt es zu beachten, dass auch wenn die Angaben in den Sammlungsdokumentation bestmöglich im Sinne der kolonialkartographischen Darstellung interpretiert wurden, ein derartiger Abgleich nicht ohne subjektives Moment der Entscheidung auskommt und es daher zu Verzerrungen der Datenlage kommen kann. Überschneidungen und Überlappungen der verschiedenen historischen Gruppeneinheiten sind ein weiterer Grund für derartige Verzerrungen, können auf Basis der von Grund auf verfälschten bevölkerungsspezifischen Wissensordnung und über die Zeit variierenden Bevölkerungsgruppenkonstellationen, ohne umfangreiche Recherchen, vorerst jedoch ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Inventareinträge mit kolonialkartographisch nicht identifizierbaren oder in Beziehung zu setzenden Angaben, nicht aussagekräftige und widersprüchliche bzw. konfligierende Einträge wurden hingegen generell nicht zugeordnet.