1 Einführung

Die Rolle des Chief Information Officers (CIO) wird bereits seit mehr als vier Jahrzehnten in der Wirtschaftsinformatikforschung untersucht (Hütter und Riedl 2017; Kratzer et al. 2022a, 2023b). Durch den Bedeutungsgewinn der Informationstechnologie (IT) in Unternehmen wurde es im Zeitverlauf für Unternehmen immer wichtiger, ein strategisches IT-Management zu etablieren (Chun und Mooney 2009). Sowohl große als auch kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) sind auf ein effektives IT-Management angewiesen, um einen Wettbewerbsvorteil zu generieren (Drechsler und Weißschädel 2018). Während große Unternehmen dafür üblicherweise einen Vollzeit-CIO anstellen (Chun und Mooney 2009), fehlen KMUs häufig die Mittel und die Arbeitgeberattraktivität, um einen Vollzeit-CIO zu beschäftigen (Bhagwat und Sharma 2007). Stattdessen verlassen sich KMUs häufig auf externe Unterstützung oder delegieren die IT-Verantwortung an eine Führungskraft mit anderem Hauptaufgabenschwerpunkt und oft sogar einem anderen fachlichen Hintergrund (Cragg et al. 2013). Diese, sogenannten unfreiwilligen IT-Manager sind aber häufig mit anderen Dingen beschäftigt, was zu Produktivitätsverlusten und gefährlichen Sicherheitslücken für das Unternehmen führen kann (Drechsler und Weißschädel 2018; Haislip et al. 2021).

Um diese Lücke zu schließen, gibt es zahlreiche Expertinnen und Experten weltweit, die angefangen haben, KMUs CIO-Dienstleistungen auf Teilzeit-Basis anzubieten. Diese sogenannten „Fractional CIOs“ (auch „CIOs for hire“ oder „Part-Time CIOs“ genannt), sind oft sehr erfahrene IT-Fachkräfte, die für mehrere Unternehmen gleichzeitig als CIO arbeiten (Edwards 2023; Moise 2021; Pratt 2022). Damit erhalten KMUs Zugang zu IT-Erfahrung und -Kompetenz zu einem Bruchteil der Kosten und ohne sich langfristig zu binden. Während sich die Rolle des Fractional CIOs in der Praxis steigender Beliebtheit erfreut (Fortium Partners 2022; Freeman and Clarke Limited 2022), gibt es bisher kaum relevante Forschung dazu. Daher wurde im November 2020 ein größeres Forschungsprojekt mit Beteiligung von Fractional CIOs aus 10 verschiedenen Ländern begonnen, um die Rolle des Fractional CIOs zu untersuchen. Hierbei wurden sowohl eine Definition der Rolle und verschiedene Engagement-Typen abgeleitet (Kratzer et al. 2022b) als auch Faktoren für den Erfolg von Fractional CIO-Engagements identifiziert und bewertet (Kratzer 2022, 2023a). Auffällig ist, dass unter den 62 beteiligten Fractional CIOs nur einer in Deutschland tätig war. Trotz der hohen Zahl an KMUs in Deutschland wird das Potenzial von Fractional CIOs also scheinbar hierzulande noch nicht genutzt (Strobel und Kratzer 2017). Entsprechend fasst dieser Beitrag die bestehenden Ergebnisse aus den vorherigen Studien zusammen und kommentiert sie aus der Perspektive von zwei Fractional CIOs und einem Fractional Chief Technology Officer (CTO) aus Deutschland, die nach intensiver Suche identifiziert werden konnten. Zudem wird diskutiert, wie sich die Rolle des Fractional CIOs in der Praxis im deutschsprachigen Raum ausprägt.

Der Beitrag ist wie folgt strukturiert: Zunächst wird ein Überblick über frühere Literatur verwandter Gebiete gegeben. Danach werden die Methodik und Datenerhebung aller vorhergehenden und der vorliegenden Studie dargestellt. Im Ergebnisteil werden die Erkenntnisse aus den vorherigen Studien zum Fractional CIO vorgestellt und um Meinungen deutscher Fractional CIOs/CTOs ergänzt und kommentiert. Zusätzlich wird insbesondere der Fractional CIO in Deutschland analysiert. Zum Schluss werden die Ergebnisse zusammengefasst, Einschränkungen aufgezeigt und Möglichkeiten für zukünftige Forschung diskutiert.

2 Frühere Literatur verwandter Gebiete

Bis auf wenige Zeitungsartikel (Edwards 2023; Moise 2021; Pratt 2022) gibt es keine Publikationen, die das Phänomen des Fractional CIOs erfassen. Folglich gibt es auch keine frühere Literatur zu den Faktoren für den Erfolg von Fractional CIO-Engagements. Daher muss Literatur aus verwandten Gebieten betrachtet werden, um Ansatzpunkte für Forschung im Themengebiet des Fractional CIOs zu finden. Entsprechend werden in diesem Kapitel die angrenzenden Forschungsgebiete, Interim- und Virtual-Management, Effektivität von CIOs und Führungskräften sowie Consulting beleuchtet. Dieses Kapitel ist angelehnt an Kratzer (2022).

Die Bereiche Fractional‑, Virtual- und Interim-Management werden zwar oft miteinander vermischt, jedoch weist jedes Konzept bestimmte Unterscheidungsmerkmale auf. Am etabliertesten ist das Interim-Management, das bereits seit Jahrzehnten von Unternehmen eingesetzt wird und einen zeitlich begrenzten Vollzeit-Einsatz einer Führungskraft beschreibt (Bruns und Kabst 2005). Ein Unternehmen erlangt somit vorübergehend vollen Zugang zu den benötigten Erfahrungen und Fachkenntnissen, ohne langfristige Verpflichtungen einzugehen (Inkson et al. 2001). Virtual-Management hingegen beschreibt eine reguläre Vollzeitkraft, die lediglich zeitweise aus der Ferne arbeitet (Smith und Sinclair 2003). Zwar bieten sowohl Interim-Management als auch Virtual-Management Vorteile in Bezug auf die Flexibilität, doch sind die Kosten für solche Managementformen kurzfristig wahrscheinlich nicht geringer als für „normales“ Management.

Fractional CIOs sind, abgesehen davon, dass sie extern angestellt sind, durchaus mit „normalen“ CIOs und Führungskräften vergleichbar. Der Einfluss von Führungskräften auf die Unternehmensleistung wird in der Forschung sowohl für große Unternehmen (Banker et al. 2011; Khallaf und Skantz 2011; Mackey 2008) als auch für KMUs (Escribá-Esteve et al. 2009; Jahanshahi und Brem 2017; Lubatkin et al. 2006) diskutiert. Hütter und Riedl (2017) zeigen, dass die hierarchische Position, die persönliche Kompetenz und die Management-Umgebung des CIOs sowie die IT-Infrastruktur des Unternehmens einen Einfluss auf die Effektivität der CIO Rolle haben. In einer anderen Studie zeigen Smaltz et al. (2006) sowie Hillebrand et al. (2022) und Hillebrand und Westner (2022) für Deutschland, dass u. a. strategisches Geschäftswissen und IT-Wissen, politisches Geschick und kommunikative Fähigkeiten die Effektivität der Rolle erhöhen. Da der Fractional CIO zwar in Teilzeit bei mehreren Unternehmen arbeitet, aber dennoch den Anspruch hat, eine CIO-Position zu übernehmen, kann angenommen werden, dass die Fähigkeiten und Kompetenzen der Rolle sehr ähnlich zu denen eines CIOs sind.

Das Setup eines Fractional CIO-Engagements kann aber auch mit dem eines IT-Beraters verglichen werden. Um also initiale Faktoren für den Erfolg von Fractional CIO-Engagements zu identifizieren, kann das verwandte Feld „Erfolg von Consulting Engagements“ betrachtet werden. In diesem Gebiet gibt es zahlreiche Studien (Gable 1996; Jang und Lee 1998; McLachlin 1999, 2000; Oesterle et al. 2022). Laut McLachlin (2000) müssen für den Erfolg eines Engagements sowohl die Erwartungen des Kunden als auch die des Beraters erfüllt werden. Mögliche Faktoren, die diesen Erfolg beeinflussen, sind unter anderem die Integrität und Kompetenz des Beraters, die Einbindung des Kunden und seine Bereitschaft zur Veränderung, die Intensität der Zusammenarbeit und die Unterstützung des Beraters durch das Führungsteam (Bronnenmayer et al. 2016; Jang und Lee 1998; McLachlin 1999). Oesterle et al. (2022) finden heraus, dass eine aktive Rolle der eigenen Mitarbeiter im Beratungsprojekt wichtig ist, um Erfolg zu haben. Um einen wertvollen Service anzubieten sind bei IT-Beratern insbesondere technische und soziale Fähigkeiten sowie innovative Lösungen gefragt (Oesterle et al. 2022). Da der Fractional CIO wie ein Berater von außen in das Unternehmen hineinkommt und bisweilen auch als Externer betrachtet wird, ist davon auszugehen, dass ähnliche Faktoren den Erfolg eines Engagements beeinflussen.

3 Methodik und Datenerhebung

Während die Rolle des Fractional CIOs in der Praxis bereits existiert, hat sie in der Forschung noch keine Beachtung gefunden. In der vorliegenden Studie wird sie deshalb genauer betrachtet. Als Teil eines großen Forschungsprojekts fasst dieser Beitrag einerseits zusammen, welche Erkenntnisse in den zwei vorhergehenden Studien (#1, #2.1 und #2.2) mit internationalem Fokus ohne nennenswerte Beteiligung deutscher CIOs und Unternehmen erlangt wurden und gleicht diese andererseits in Interviews mit drei Fractional CIOs/CTOs aus Deutschland ab (Studie #3). Tab. 1 zeigt eine Übersicht über die Fractional CIO Studien.

Tab. 1 Übersicht über die Fractional CIO Studien

In der ersten Studie #1 zum Fractional CIO (Kratzer et al. 2022b) wurden im Zeitraum November 2020 bis April 2021 40 semistrukturierte, explorative Interviews mit Fractional CIOs aus insgesamt 10 verschiedenen Ländern geführt. Hierfür wurde zunächst eine Reihe von Schlüsselfragen unter Berücksichtigung von bestehenden Forschungs- und Praxisberichten (z. B. Bruns und Kabst 2005; Hütter und Riedl 2017; Inkson et al. 2001; Moise 2021; Pratt 2022) entwickelt. Diese Schlüsselfragen wurden dann entlang verschiedener Kategorien, wie zum Beispiel Aufbau und Ausführung der Rolle von Fractional CIOs, Kernanforderungen an effektive Fractional CIOs sowie Erfolgsfaktoren und Herausforderungen bei Fractional CIO-Einsätzen, strukturiert. Im nächsten Schritt wurden insgesamt etwa 500 potenzielle Interviewkandidatinnen und -kandidaten über persönliche Kontakte und über LinkedIn kontaktiert. Bei Interesse wurden dann mit den Fractional CIOs semistrukturierte Interviews nach den von Myers und Newman (2007) vorgeschlagenen Richtlinien durchgeführt. Insgesamt fanden 39 Interviews in englischer und 1 Interview in deutscher Sprache per Videokonferenz statt und dauerten im Durchschnitt 40 min. Alle Interviews wurden aufgezeichnet und sorgfältig transkribiert. Im Anschluss wurden alle Interviews in Anlehnung an Saldaña (2015) und unter Verwendung von MAXQDA 2020 (VERBI Software 2019) kodiert und analysiert. Als letztes wurden auf Grundlage identifizierter Kategorien und Codes Konzepte abgeleitet und die Ergebnisse auf sinnvolle Weise interpretiert.

Die zweite Studie zum Fractional CIO wurde in zwei Schritten #2.1 und #2.2 durchgeführt. Zunächst wurde im Rahmen von Studie #2.1 im Zeitraum Mai bis September 2021 ein Framework zu den Faktoren für den Erfolg eines Fractional CIO-Engagements entwickelt (Kratzer 2022). Hierbei wurden die ausgewerteten Interviewdaten der ersten Fractional CIO Studie (Kratzer et al. 2022b) verwendet, um bestimmte Themen von Interesse quantitativ und qualitativ zu bewerten. Innerhalb dieser Themen wurden alle Faktoren berücksichtigt, die von mindestens 20 % der Befragten genannt wurden, und alle Faktoren thematisch gruppiert. Das sich daraus ergebende Framework besteht aus vier Komponenten: dem Fractional CIO, dem Kunden, ihrer Beziehung zueinander und dem Engagement-Setup (siehe Abb. 1). Jede Komponente umfasst wiederum mehrere Faktoren, die den Erfolg des Engagements beeinflussen.

Abb. 1
figure 1

Framework zu den Erfolgsfaktoren von Fractional CIO-Engagements. (Kratzer 2022)

In einem zweiten Schritt wurde im Zeitraum September 2021 bis Juli 2022 die Q‑Methode (Stephenson 1986) mit 48 Fractional CIOs als Studie #2.2 durchgeführt, um die Faktoren für den Erfolg eines Fractional CIO-Engagements ihrer Wichtigkeit nach zu sortieren (Kratzer et al. 2023a). Die Q‑Methode zielt darauf ab, die subjektiven Standpunkte der Befragten, d. h. ihre individuelle Meinung oder Bewertung eines bestimmten Themas, zu ermitteln (Brown 1980; Lee 2017; Stephenson 1953). Obwohl die Methodik primär in den Feldern Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaft eingesetzt wird, gibt es auch bereits zahlreiche Publikationen in angesehenen Wirtschaftsinformatik-Zeitschriften (z. B. Karlsen 2008; Mettler und Wulf 2019; Thomas und Watson 2002; Tractinsky und Jarvenpaa 1995). Um die Q‑Methode durchzuführen, muss zunächst eine Q‑Probe mit Aussagen aus einem sog. „Concourse“ extrahiert werden. Ein Concourse ist eine Sammlung aller möglichen Aussagen zu einem bestimmten Thema (Stephenson 1986). Der Concourse zu den Erfolgsfaktoren von Fractional CIO-Engagements wurde in Anlehnung an das Forschungsframework aus Kratzer (2022) erstellt (Abb. 1). Durch vorhandene Literatur aus den Feldern CIO (z. B. Smaltz et al. 2006) und Consulting (z. B. McLachlin 1999), empirischen Daten aus den Interviews von Kratzer et al. (2022b) und Experteninterviews wurde aus dem Concourse eine repräsentative Q‑Probe mit 25 Aussagen extrahiert.

Anschließend führten die 48 Fractional CIOs die Q‑Sortierung durch, indem sie die 25 Aussagen in eine pyramidenförmige, erzwungene quasi-normale Verteilung mit neun Stufen einsortierten. Die Stufen der Pyramide reichen von −4 (am wenigsten wichtig) bis 4 (am wichtigsten), mit Platz für fünf Aussagen in der mittleren Spalte (0, neutral). Insgesamt wurden 12 Antworten ausgeschlossen, da die CIOs nicht unserem Fractional CIO Verständnis entsprachen. Basierend auf den 36 verwendbaren Antworten wurden zunächst die allgemeinen Schlüsselfaktoren für Fractional CIO-Engagements identifiziert. Daraufhin wurde eine Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation durchgeführt. Die resultierenden drei Faktorlösungen stellen Gruppen von Fractional CIOs dar, die eine ähnliche Meinung bezüglich der Wichtigkeit der Faktoren haben. Für die Interpretation der Fractional CIO Gruppen werden die differenzierenden Aussagen zwischen den Faktorlösungen analysiert (Thomas und Watson 2002). Differenzierende Aussagen sind diejenigen Aussagen, die die höchste Varianz über alle Faktorlösungen hinweg aufweisen.

Für Studie #3 wurden zusätzlich im Zeitraum Juni 2022 bis Mai 2023 drei semistrukturierte Interviews mit erfahrenen Fractional CIOs/CTOs aus Deutschland durchgeführt, die die Autoren nach intensiver und langer Suche identifizieren konnten (Myers und Newman 2007). Hierfür wurde der Fragenkatalog von Kratzer et al. (2022b) auf Deutsch übersetzt und um spezifische Fragen zum Thema Fractional CIO in Deutschland, wie bspw. Gründe für die geringe Verbreitung und mögliche deutschland-spezifische Herausforderungen, erweitert. Die Interviews wurden in deutscher Sprache per Videokonferenz mit einer Dauer von etwa 50 Minuten pro Interview geführt und aufgezeichnet. Im Anschluss wurden die Interviews transkribiert und ähnlich zur ersten Fractional CIO-Studie (Kratzer et al. 2022b) in Anlehnung an Saldaña (2015) und mit Hilfe von MAXQDA 2020 (VERBI Software 2019) kodiert, analysiert und interpretiert. Während des iterativen Kodierungsprozesses wurden Codes bewertet und bei Bedarf verfeinert, neu zugeordnet, neu benannt oder verworfen. Basierend auf Saldaña (2015) wurden grammatikalische, elementare und explorative Methoden verwendet, da sie am besten zu den Zielen der Studie passten. Der erste Autor führte zunächst den gesamten Kodierungsprozess durch, während der zweite Autor danach alle Codes prüfte. Unstimmigkeiten wurden in einer Diskussion unter den Autoren gelöst.

Tab. 2 zeigt einen Überblick über die Interviewpartner in Studie #3. Alle drei Fractional CIOs/CTOs sind männlich, haben einen technischen Bildungshintergrund und sind seit mindestens 20 Jahren im IT-Bereich berufstätig. Die Fractional CIOs/CTOs sind in einer Vielzahl von Industrien tätig, wie bspw. in Automobil, Einzelhandel, Gesundheitswesen, Recht, Technologie und Telekommunikation. Die Größen der Kundenfirmen reichen vom Start-up Bereich mit wenigen Vollzeitäquivalenten (VZÄ) in der IT bis hin zu Firmen mit mehreren Milliarden Euro Umsatz im Jahr und bis zu 100 VZÄ in der IT. Die Art des Auftrags und Größe des Unternehmens bestimmt in der Regel die Zeit, die die Fractional CIOs/CTOs ihren Kunden wöchentlich widmen.

Tab. 2 Interviewpartner der Studie #3

4 Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse aus den Untersuchungen der drei Studien zum Fractional CIO vorgestellt. Zunächst wird die Definition der Fractional CIO Rolle hergeleitet, woraufhin die vier Fractional CIO Engagement-Typen erläutert werden. Das detaillierte Vorgehen und die Ergebnisse zur Definition und den Engagement-Typen sind in Kratzer et al. (2022b) beschrieben. Danach werden die Schlüsselfaktoren für den Erfolg von Fractional CIO-Engagements diskutiert, welche detailliert in Kratzer (2022) und Kratzer et al. (2023a) zu finden sind. Die Ergebnisse der Studien #1, #2.1 und #2.2 werden mit Zitaten der Fractional CIOs/CTOs (fCIO#1, fCIO#2 und fCTO#3) aus der Studie #3 kommentiert und illustriert. Im letzten Abschnitt wird der Fractional CIO in Deutschland analysiert. Dies geschieht durch einen Abgleich mit vorherigen Studienergebnissen, Erörterung möglicher Gründe für die geringe Verbreitung in Deutschland und Diskussion von Handlungsempfehlungen für Unternehmen.

4.1 Definition der Fractional CIO Rolle

Die Rolle des Fractional CIOs bietet einen neuartigen Ansatz, um viele der Herausforderungen in Bezug auf das IT-Management zu bewältigen, mit denen KMU heutzutage konfrontiert sind. Fractional CIOs bieten Zugang zu sehr großer IT-Führungserfahrung und -kompetenz zu einem Bruchteil der Kosten. Die Rolle kombiniert außerdem die Vorteile eines Vollzeitmitarbeiters (d. h. Integration in interne Strukturen und Interesse am Erfolg des Unternehmens) mit denen eines Beraters (d. h. Einbringen einer externen Perspektive und Flexibilität). Wenn sich ein KMU von seinen Mitbewerbern differenzieren will, ist es wahrscheinlich besser, einen Fractional CIO für 1 bis 3 Tage pro Woche zu beschäftigen als eine Vollzeit-IT-Führungskraft, der es ggf. an Erfahrung und strategischem Weitblick fehlt. Laut fCIO#2 liegt es gar nicht unbedingt nur an den Kosten, dass KMUs oft keinen Vollzeit CIO anstellen: „Wenn Sie einen senioren CIO mit Konzernerfahrung als Angestellten haben wollen, werden sie ihn schlecht unter zweihunderttausend [Euro] kriegen. Das ist für viele Mittelständler nicht mal zu viel Geld, aber so viel Arbeit ist einfach nicht da. Das ist Unsinn sich in ein 50-Mann Unternehmen so einen Hochkaräter nur für die IT zu holen. Es sei denn, Sie sind ein IT-lastiges Unternehmen.“ Abb. 2 verdeutlicht illustrativ die Positionierung eines Fractional CIOs zwischen einem Vollzeit-CIO und einem Berater entlang verschiedener charakteristischer Dimensionen.

Abb. 2
figure 2

Unterschiede eines Fractional CIOs im Vergleich zu einem Vollzeit-CIO oder Berater. (Kratzer et al. 2022b)

Durch Interviews mit 40 Fractional CIOs und durch Analyse existierender Literatur in der ersten Studie wurde eine Begriffs- und Rollendefinition abgeleitet. Die 40 Befragten gaben zahlreiche Rollenbezeichnungen an: z. B. Virtual CIO, Part-Time-CIO, CIO-on-Demand oder vCIO. Während einige der Befragten mehrere Rollenbezeichnungen verwenden, bezeichnet sich die Mehrheit als Fractional oder Virtual CIO. Die meisten sehen jedoch keinen Unterschied zwischen den beiden Begriffen. Smith und Sinclair (2003) definieren eine virtuelle Führungskraft jedoch als jemanden, der Mitarbeiter führt, zumindest zeitweise an einem anderen geografischen Ort als sein Team arbeitet und mit seinen Mitarbeitern auf andere Weise als durch regelmäßigen persönlichen Kontakt kommuniziert, z. B. per E‑Mail oder Telefon. Nach dieser Definition könnte ein „Virtual“ CIO auch ein Vollzeitmitarbeiter sein. Um Unklarheiten zu vermeiden und den Teilzeitcharakter der Rolle zu betonen sowie das Phänomen eindeutig zu bezeichnen, wurde der Begriff „Fractional CIO“ gewählt.

Auch in der Ausgestaltung der Fractional CIO Rolle gibt es deutliche Unterschiede. Die Befragten, die seit mehr als 10 Jahren in dieser Funktion tätig sind, kannten keine anderen Personen, die eine solche Dienstleistung anbieten, als sie mit dieser Tätigkeit begannen. Ähnlich erging es fCTO#3 in Deutschland: „Im Jahr 2015 habe ich eine Fractional CTO Rolle gemacht. Ich habe [aber] erst später erfahren, dass es Fractional CTO heißt.“ Diese Tatsache unterstreicht die verstreute und heterogene Entwicklung der Rolle und des Dienstleistungsmodells. Dennoch gab es klare Übereinstimmung in zahlreichen Punkten. Durch Kombination der wichtigsten Übereinstimmungen definieren wir einen Fractional CIO als eine sehr erfahrene und kompetente Person, die in der Funktion eines CIOs agiert, aber nur in Teilzeit, je nach den Bedürfnissen der Kunden. Der Fractional CIO betreut mehrere Kunden gleichzeitig und hat oft die Befugnisse und die Verantwortung eines Vollzeit-CIOs, d.h. er führt (in-)direkt die IT-Mitarbeiter und steuert die IT-Lieferanten/-Partner seiner Kunden (Kratzer et al. 2022b, S. 588–591).

Dass Fractional CIOs bei mehreren Kunden gleichzeitig arbeiten, bietet nicht nur mehr Flexibilität und einen Kostenvorteil, sondern kann auch Synergien bieten. fCIO#1 berichtet dazu im deutschen Kontext folgendes: „Der CEO sagt, dass es eigentlich auch gut ist, dass ich nicht nur bei ihm unterwegs bin, sondern, dass ich auch noch andere Unternehmen sehe. Und das nicht in der zeitlichen Reihenfolge, sondern parallel. Bei früheren Kunden hatte ich bei beiden Organisationen die Aufgabe zu reorganisieren und zu restrukturieren, IT-Strategie aufzustellen und da waren natürlich sofort auch Synergien da.“ fCIO#2 bestätigt aus der deutschen Perspektive, dass besonders branchenübergreifend Synergiepotenziale existieren: „Wichtig ist es, auch externe Perspektiven, auch Perspektiven aus unterschiedlichen Branchen mal reinzubringen. […] Und es ist immer wieder verblüffend, wie Lösungen, die in einem Feld Standard sind, in anderen Branchen unbekannt sind. Und die einfach sinnvoll sind, dort zumindest mal zu reflektieren und zur Lösungsfindung zu nutzen.“

Weiterhin gibt es einen Unterschied zwischen einem Fractional CIO und einem Vollzeit-CIO oder Berater. Die Rolle eines Vollzeit-CIOs hat zwar andere Merkmale und Anreize als die eines Beraters, aber beide Rollen haben bestimmte Vorteile für Unternehmen. Einerseits bleibt ein Vollzeit-CIO in der Regel langfristig im Unternehmen, ist gut in die Organisation integriert und hat nur einen begrenzten Anreiz „Folgeaufträge“ zu generieren. Andererseits ist ein Berater flexibel an die Organisation gebunden und bringt eine Außenperspektive sowie ein hohes Maß an Erfahrung aus verschiedenen Bereichen mit. Ein Fractional CIO, der zwischen den beiden Rollen angesiedelt ist, verbindet die Integrität und die langfristige Perspektive eines Vollzeit-CIO mit der Flexibilität, der Erfahrung und der Außenperspektive eines Beraters. Wichtig ist den Fractional CIOs aber auch, zu betonen, dass sie keine Berater sind, wie fCIO#1 auch für den deutschen Markt erklärt: „Das ist aber auch mein Verständnis dieser Rolle, also nicht der Berater, sondern wirklich konkret der Macher [zu sein].“

Da der Fractional CIO in der Funktion eines CIOs handelt, ist diese Rolle nur dann sinnvoll, wenn keine andere IT-Führungskraft vorhanden ist. Oftmals liegt die Verantwortung für die IT in einem KMU bei einem Mitarbeiter mit einem anderen funktionalen Hintergrund, z. B. dem CFO. Auch fCIO#1 hat diese Erfahrung gemacht: „Ich unterstütze den CIO, der kein CIO ist, weil die Stelle vakant ist. Er ist Prokurist, hat aber von der IT wenig Ahnung. Den unterstütze ich aktuell 1,5 Tage die Woche bei Reorganisation, Projektmanagement, IT-Strategie und Auswahl des neuen CIOs.“ Für ein KMU mit einer bestehenden IT-Abteilung einschließlich einer IT-Führungskraft wird ein Fractional CIO überflüssig, da bereits eine Führungskraft vorhanden ist.

4.2 Die vier Engagement-Typen von Fractional CIOs

In Studie #1 zeigen wir, dass ein Fractional CIO ähnliche Aufgaben und Verantwortlichkeiten wie ein Vollzeit-CIO hat. fCIO#1 bestätigt, dass er „Personalverantwortung, Kostenstellenverantwortung [und] Linienverantwortung“ habe. Mit einem Fractional CIO erhalten KMUs die IT-Führungskompetenzen und das Fachwissen, das sie benötigen, und bleiben gleichzeitig flexibel, ohne einen Vollzeit-CIO beschäftigen zu müssen. Die Flexibilität wird häufig sehr von den Kunden geschätzt: „Das ist auch, was meine Kunden an diesem Modell schätzen, dass es flexibel ist. Wenn sie es brauchen, können sie es entsprechend in dem Umfang nutzen.“ (fCIO#2)

In den 40 Interviews in Studie #1 wurden eine Vielzahl von Gründen ermittelt, warum KMUs einen Fractional CIO einstellen. Es stellte sich heraus, dass Fractional CIOs ihr Leistungsversprechen speziell auf die Bedürfnisse ihrer Kunden abstimmen. Bei der Synthese dieser Wertversprechen wurden vier verschiedene Engagement-Typen identifiziert, die Fractional CIOs verfolgen. Die verschiedenen Engagement-Typen lassen sich in ein Kontinuum einordnen, das von strategisch und nachfrageorientiert, d. h. neue Geschäftsmodelle ermöglichend, bis hin zu operativ und angebotsorientiert, d. h. „den IT-Betrieb am Laufen haltend“, reicht. Während sich das Strategische IT-Management vor allem auf die Unterstützung des Unternehmens konzentriert, ist der Hands-on Support eine operative Position. Zwischen diesen beiden Typen liegen die Typen Restrukturierung und Skalierung. Die Engagement-Typen bieten einen Mehrwert in unterschiedlichen Kundensituationen, und jeder Typ hat sein eigenes Wertversprechen. Welcher Engagement-Typ am besten geeignet ist, hängt von den spezifischen Bedürfnissen des Unternehmens ab. Im Folgenden wird jeder der Engagement-Typen näher vorgestellt.

Beim Engagement-Typ Strategisches IT-Management benötigt der Kunde in der Regel ein strategisches IT-Management, da es an Alignment zwischen der IT und dem Business mangelt. Außerdem verfügt der Kunde in der Regel über eine bestehende IT-Abteilung mit mehreren Mitarbeitern. Das Wertversprechen des Fractional CIOs besteht in diesem Fall darin, an der strategischen IT-Ausrichtung zu arbeiten und gute Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen der IT und dem Unternehmen herzustellen. Hierfür benötigt der Fractional CIO starke Kommunikationsfähigkeiten und muss sich auf strategische Fragen fokussieren.

Auch beim Engagement-Typ Restrukturierung hat der Kunde in der Regel eine bestehende IT-Abteilung, die jedoch schwerwiegende Probleme aufweist, z. B. regelmäßig über dem Budget liegt, stark unterinvestiert ist oder über eine veraltete IT verfügt. Der Fractional CIO hilft bei der Lösung dringender Probleme, der Umstrukturierung der IT-Organisation und dem Aufbau von IT-Fähigkeiten. Oft geht dann alles sehr schnell, wie fCTO#3 beschreibt: „Oft ist es so, dass eine Lücke entsteht, weil der CTO gekündigt hat oder wurde und das Unternehmen keine technische Führung oder Leadership mehr hat. Dann muss ich sehr schnell ins Spiel kommen, typischerweise innerhalb von einer Woche.“ Gegen Ende eines Engagements überführt der Fractional CIO die IT in einen stabilen Zustand und führt eine Übergabe durch, z. B. durch die Einstellung eines neuen CIOs. Für solche Engagements benötigt der Fractional CIO Restrukturierungserfahrung und Expertise in den Bereichen IT-Revision und Sanierung. fCIO#2 beschreibt im deutschen Kontext sein typisches Restrukturierungs-Engagement folgendermaßen: „Man kommt klassischerweise rein, fängt an umzustrukturieren und parallel dazu wird ein Nachfolger gesucht, den man dann auch einarbeitet. Klassischerweise jemand Jüngeres, den man dann auch begleitet.“

Der Engagement-Typ Skalierung beschreibt die Zusammenarbeit eines Fractional CIOs mit einem Start-up-Unternehmen, das noch keine IT-Abteilung hat, aber ein schnelles Wachstum erwartet. Zu den Aufgaben des Fractional CIOs gehören die Einrichtung einer geeigneten IT-Struktur und -Architektur, der Aufbau einer IT-Abteilung und die Bereitstellung von IT-Führungsfähigkeiten sowie schließlich die Einstellung eines Vollzeit-CIOs, der die IT des Unternehmens übernimmt. Der Fractional CIO sollte Erfahrung mit dem Aufbau und der Skalierung einer ganzen IT-Abteilung haben.

Der letzte Engagement-Typ, der Hands-on Support, richtet sich an Unternehmen ohne eigene IT-Abteilung, die von externen IT-Lieferanten abhängig sind. In solchen Szenarien bleibt der Fractional CIO oft langfristig und fungiert als Puffer zwischen den Organisationen und ihren IT-Lieferanten. Außerdem hilft der Fractional CIO dabei, die IT aus betrieblicher Sicht reibungslos zu betreiben.

Von allen drei Befragten gab es breite Zustimmung zu den Engagement-Typen auch für den deutschsprachigen Raum. fCIO#2 findet sich sogar in drei der vier Engagement-Typen wieder: „Bei Hands-on support finde ich mich am wenigsten wieder. Bei den anderen dreien würde ich sofort sagen: ‚gekauft, ja das ist es.‘“ fCTO#3 findet sich am wenigsten im Typ Strategisches IT-Management wieder, dafür aber klar in den anderen drei Typen: „Hands-on Support, ja. […] Rapid Scaling, Start-up, definitiv. Und ich hatte auch Anfragen bzgl. IT-Audits und Turnarounds, also im Bereich Restrukturierung.“ Zusätzlich schlägt fCIO#2 vor, darüber nachzudenken, neben den vier nach innen gerichteten Engagement-Typen noch einen nach außen gerichteten Engagement-Typ hinzuzufügen: „Business Development. Firmen, die einen technischen Fokus haben […] brauchen jemanden, der beim Kunden sitzt und technische Expertise transportieren kann. […] Das heißt, Sie haben ein technisches Produkt und wenn Sie jetzt das Ganze an einen großen Konzern verkaufen wollen und auf der anderen Seite dann den CIO des Konzerns haben, brauchen Sie jemanden der das auf Augenhöhe kommunizieren kann. […] Das kann man auch als Fractional CIO/CTO machen.“

4.3 Schlüsselfaktoren für den Erfolg von Fractional CIO-Engagements

In der Studie #2.1 wurde ein Framework zu den Erfolgsfaktoren von Fractional CIO-Engagements entwickelt (siehe Abb. 1). Darauf aufbauend wurde in der Studie #2.2 die Q‑Methode mit 36 Fractional CIOs durchgeführt. Zum einen wurden daraus übergreifende, allgemeine Faktoren für den Erfolg eines Engagements abgeleitet, zum anderen wurden innerhalb der drei Faktorlösungen spezifische Erfolgsfaktoren je Fractional CIO-Gruppe abgeleitet. Tab. 3 zeigt eine Übersicht aller Erfolgsfaktoren, absteigend sortiert nach ihrer relativen Wichtigkeit über alle Fractional CIOs. Im Folgenden werden zunächst die allgemeinen Faktoren vorgestellt und dann die einzelnen Fractional CIO-Gruppen und ihre jeweiligen subjektiven Sichtweisen.

Tab. 3 Relative Wichtigkeit der Faktoren für den Erfolg von Fractional CIO-Engagements je Fractional CIO-Gruppe von −4 „unwichtig“ bis 4 „wichtig“. (Kratzer et al. 2023a)

Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Engagement ist die Beziehung zum Führungsteam des Kunden, die sich durch Vertrauen manifestiert, wie fCTO#3 auch für Deutschland feststellt: „Du musst nicht nur ein NDA unterschreiben. Die Firmen vertrauen dir viele Informationen an und eigentlich auch die IT-Firma. Das muss schon echt passen. Oft ist das dann durch Empfehlungen.“ fCIO#2 sieht Vertrauen und Unterstützung als die zentralen Punkte für Erfolg: „Vertrauen und Unterstützung, ich hatte es eben Empowerment genannt, das ist der zentrale Punkt. Wenn Sie als Manager, extern oder intern, nicht das Vertrauen des Führungskräfteteams genießen, dann können Sie es sein lassen.“ Der zweitwichtigste allgemeine Faktor für den Erfolg eines Engagements ist Integrität. Während Unternehmen, die nicht über das entsprechende technische Fachwissen verfügen, Gefahr laufen, von ihren IT-Lieferanten eventuell übervorteilt zu werden, wird der Fractional CIO oft als objektiver und loyaler Ansprechpartner gesehen. fCIO#2 bestätigt diesen Faktor wie folgt: „Dass man integer handelt, das ist eine Anforderung, die ich an jeden stellen würde […]. Jemand, der nicht integer handelt, den sollte man nicht im Unternehmen haben. Wichtig ist natürlich, dass man in seinem Reden und Handeln das auch transportiert. Also Integrität und Authentizität ist wichtig.“

Der dritte und vierte allgemeine Faktor für den Erfolg eines Engagements ist die Unterstützung durch das Führungsteam des Kunden und eine effektive Kommunikation zwischen dem Fractional CIO und dem Führungsteam. fCTO#3 erklärt: „Ich habe immer eine sehr starke Abstimmung mit dem Founder und mit dem Geschäftsführer. Das muss man zeitlich sehr gut planen.“ fCIO#2 stimmt ebenfalls zu, bezweifelt aber, dass eine gute Kommunikation immer gegeben ist: „Dass der CIO effektiv kommuniziert ist wünschenswert. […] Gerade bei technisch orientierten Managern ist das aber etwas, das häufig nicht so ausgeprägt anzutreffen ist.“ Zustimmung zu den allgemeinen Erfolgsfaktoren gibt es auch von fCIO#1: „Die unterschreibe ich Ihnen zu 1000%. Passt perfekt.“

Durch eine sorgfältige Auswertung der deskriptiven Statistiken und der Interpretation der einzelnen Faktorlösungen wurden die Faktorlösungen, d. h. die Gruppen von Fractional CIOs, die ähnliche Ansichten teilen, folgendermaßen bezeichnet: Strategische IT-Coaches, Full-Ownership-CIOs und Change Agents. Jede der drei Gruppen von Fractional CIOs weist unterschiedliche Charakteristika und Meinungen zu den Erfolgsfaktoren von Engagements auf. Zunächst werden die unterschiedlichen Merkmale der Fractional CIO-Gruppen erörtert. Danach werden die Ansichten der einzelnen Gruppen zu den Faktoren für den Erfolg des Engagements im Detail dargestellt.

Während die Change Agents im Durchschnitt drei Kunden gleichzeitig haben, sind es bei den Full-Ownership-CIOs vier. Dies entspricht etwa 1,3 bis 1,7 Tagen pro Kunde pro Woche. Strategische IT-Coaches hingegen haben im Durchschnitt fünf gleichzeitige Engagements, also etwa einen Tag pro Kunde. Während die Strategischen IT-Coaches und die Change Agents tendenziell größere Kunden mit durchschnittlich 260 bzw. 349 VZÄ betreuen, konzentrieren sich die Full-Ownership-CIOs auf kleinere Kunden mit durchschnittlich 66 VZÄ. Dies spiegelt sich auch in der Größe der IT-Abteilung wider: Die Full-Ownership-CIOs treffen auf IT-Abteilungen mit im Durchschnitt 4 VZÄ, die Strategischen IT-Coaches mit in etwa dem Doppelten und die Change Agents mit dem Vier- bis Fünffachen.

Die drei Fractional CIO-Gruppen haben jedoch nicht nur unterschiedliche Merkmale, was Anzahl gleichzeitiger Kunden und Kundengröße betrifft, sondern haben deutlich unterschiedliche Ansichten, welche Faktoren besonders zum Erfolg eines Engagements beitragen. Im Folgenden werden die drei Gruppen und ihre Ansichten im Detail vorgestellt.

Die erste Gruppe, Strategische IT-Coaches, unterstützen ihre Kunden auf strategischer Ebene dahingehend, wie sie das Unternehmen durch IT weiterentwickeln können. Die Fractional CIOs müssen integer handeln, strategisch denken und über angemessene Geschäftskompetenzen verfügen, um das notwendige Vertrauen aufzubauen. Außerdem müssen sie in der Lage sein, den Kontext schnell und effektiv zu wechseln, da sie oft mehrere Kunden mit unterschiedlich großen IT-Abteilungen gleichzeitig betreuen. Die Fähigkeit zum strategischen Denken ist das wichtigste Unterscheidungsmerkmal für Strategische IT-Coaches. Darüber hinaus liegt ein großer Schwerpunkt auf der Geschäftskompetenz und der Unterstützung des Unternehmens durch die IT.

Aber auch Wissen und eine breite Erfahrung in der IT sind zwingend erforderlich, wie fCTO#3 bestätigt: „In diesem Bereich habe ich einfach wahnsinnig viel Erfahrung […] und deshalb konnte ich die Themen sehr schnell aufnehmen, aber auch klare Guidance geben.“ Um das notwendige Vertrauen zu schaffen, muss der Fractional CIO integer handeln. Da die Position verschiedene Möglichkeiten bietet, die eigenen Vorteile in den Vordergrund zu stellen – indem man bspw. eine Provision o. ä. von IT-Dienstleistern bei Empfehlung derselben erhält – ist Integrität einer der am höchsten bewerteten Faktoren. Im Durchschnitt haben die Fractional CIOs dieser Gruppe fünf Kunden gleichzeitig, was etwa einen Tag pro Kunde pro Woche bedeutet. Hierfür ist ein effektives Zeitmanagement erforderlich, wie fCIO#1 erklärt: „[…] Von meiner Erfahrung her, ich hatte am Schluss ca. 400 Leute international verteilt; wenn ich jetzt 3 Firmen hab mit 50 oder 80 Leuten, dann habe ich halt drei Firmen in meinem Projektportfolio. [Ich muss] klar für mich dokumentieren und sauber sein‚ was tue ich links und was tue ich rechts‘. Für mich hat das mit Strukturieren und Organisieren zu tun.“ fCTO#3 führt ein konkretes Beispiel auf wie ein solches Zeitmanagement aussehen kann: „Ich habe von 8 bis 9 Uhr Stand-up gemacht mit dem Team für [Firma 1] und Aufgaben verteilt. Danach bei [Firma 2] gearbeitet bis 17 Uhr und dann [von] 17 bis 19 Uhr war ich wieder Fractional CTO für [Firma 1]. Und klar, wenn Audit war […] habe ich einfach Urlaub genommen, weil ich da Vollzeit unterstützen musste, drei Tage oder so. Aber das heißt, es war wirklich stundenweise gebucht, nicht tagesweise. Das ist nicht immer einfach, da braucht man sehr gutes Time Management.“ Ein weiterer Faktor für den Erfolg eines Engagements ist daher die Fähigkeit, schnell den Kontext wechseln zu können. Manchmal sind die Strategischen IT-Coaches von den Mitarbeitern eher abgekoppelt. In einigen Fällen ist die fehlende Verantwortung für die Mitarbeiter auch auf die unterschiedliche Größe der IT-Abteilungen zurückzuführen. Zwar weisen die Strategischen IT-Coaches die größte Nähe zu klassischen IT-Beratern auf, allerdings gibt es klare Unterschiede. Zum einen haben Fractional CIOs häufig Linienverantwortung. Zum anderen gibt es insbesondere für kleine KMUs kein wirkliches Angebot an strategischer IT-Beratung, während CIOs in großen Unternehmen oft eine Art Dauerberater haben, den sie stunden- oder tageweise abrufen können. Diese Lücke wird von den Strategischen IT-Coaches geschlossen.

Die zweite Gruppe von Fractional CIOs, Full-Ownership-CIOs, übernehmen die volle Verantwortung für die CIO-Position und benötigen daher eine klare Abstimmung der Anforderungen und Erwartungen des Engagements. fCTO#3 bestätigt das auch für Deutschland: „Das ist sehr wichtig: sehr klare Zielsetzung und sehr klares Expectation Management, gleich in der ersten Woche. Sonst funktioniert das nicht. Und dann mindestens jede Woche ein klares Stakeholder-Management, direkt mit dem Auftraggeber jede Woche mindestens eine Stunde Reporting. […] Am Ende sind das quasi wöchentliche Sprints.“ Häufig benötigen sie zumindest teilweise Weisungsbefugnis über die Mitarbeiter ihrer Kunden. fCIO#1 unterstreicht die Wichtigkeit der Verantwortungsübernahme auch für den deutschen Markt: „Wichtig ist mir aber auch, dass der Full-Ownership CIO auch aktiv in der Strategie- und Entwicklungsrolle ist. Zusätzlich muss er auch verantwortlich sein.“ In der Regel haben Full-Ownership-CIOs Kunden mit kleineren IT-Abteilungen mit durchschnittlich vier VZÄ und manchmal sogar Kunden, die überhaupt keine IT-Abteilung haben. Aufgrund des stärker praxisorientierten Ansatzes ist eine effektive Kommunikation mit und Unterstützung durch die nicht-leitenden Mitarbeiter erforderlich. Full-Ownership bedeutet, dass die Fractional CIOs nicht nur aus strategischer IT-Perspektive unterstützen, sondern auch einen ordnungsgemäßen IT-Betrieb sicherstellen müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Fractional CIO eine Ein-Personen-IT-Abteilung ist und z. B. mit IT-Lieferanten verhandeln muss. Da sie im Durchschnitt vier Kunden gleichzeitig betreuen, müssen sie sicherstellen, dass sie sich für jeden Kunden ausreichend Zeit nehmen.

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Erfolg eines Engagements des Full-Ownership-CIOs ist die Unterstützung durch die Unternehmensleitung. fCIO#2 beschreibt diese Unterstützung am Anfang eines Projekts für den deutschen Markt folgendermaßen: „Ich werde in der Regel einmal vorgestellt: ‚das ist der Fractional CIO, der begleitet uns in der und der Rolle. Macht was er sagt.‘ Und dann machen die das. Das ist wichtig, dieses Empowerment.“ Außerdem muss die Beziehung zum Führungsteam gepflegt werden. Die Tatsache, dass es für den Erfolg dieser Gruppe von Fractional CIOs wichtig ist, entsprechende Erfahrungen in IT- und CIO-Positionen und zumindest teilweise Weisungsbefugnis über die Mitarbeiter ihrer Kunden zu haben, unterstreicht die Full-Ownership-Mentalität. Einige Fractional CIOs haben sogar die volle Führungsverantwortung für das IT-Personal des Kunden, einschließlich der Verantwortung für Einstellungen und Entlassungen. fCIO#1 beschreibt die Full-Ownership-Mentalität im Kontext des deutschen Markts wie folgt: „Also erstens, er muss raus aus der Beraterrolle, er muss in eine Full-Ownership rein. Er muss in die Verantwortung rein, Budget‑, Teamverantwortung, alles Drum und Dran. Alles andere wird nicht funktionieren, denn sonst lehnen sich die Menschen auf die Beraterrolle zurück und nehmen nicht die Ownership.“

Die dritte Gruppe der Fractional CIOs, Change Agents, sind Teil des Führungsteams und handeln mit Integrität und unter Einhaltung von höchsten professionellen Standards. Um den Wandel zu erleichtern, ist es wichtig, dass diese Fractional CIOs zur Organisationskultur ihrer Kunden passen und vertrauensvolle Beziehungen aufbauen. Die persönliche Passgenauigkeit ist wichtig, wie fCIO#1 analog für den deutschen Markt betont: „Er muss die Akzeptanz in den IT-Mannschaften bekommen. Weil die natürlich sagen ‚Jetzt haben wir einen Fractional CIO, der kann uns ja gar nicht vernünftig unterstützen, der ist ja nur 2 oder 3 Tage da‘. Diese Hürde kann man nur durch Kompetenz und authentisches Auftreten überspringen. Wenn einem das nicht gelingt, wird es nicht funktionieren.“ Im Vergleich zu den anderen Gruppen von Fractional CIOs haben die Change Agents in der Regel größere Kunden und müssen daher die Anzahl der Engagements begrenzen und mindestens eine bestimmte Zeit pro Woche für jeden Kunden aufwenden. Die Fractional CIOs in dieser Gruppe haben im Durchschnitt 18 VZÄ in der IT-Abteilung und betreuen im Durchschnitt drei Kunden gleichzeitig.

Im Vergleich zu den Full-Ownership CIOs arbeiten die Change Agents bei der Abwägung operativer und strategischer Aufgaben auf einer viel höheren und strategischen Ebene und konzentrieren sich daher nicht so sehr auf operative Tätigkeiten. Ein weiterer entscheidender Faktor für den Erfolg des Engagements ist die Integrität der Fractional CIOs. Um den Wandel zu erleichtern, müssen diese Fractional CIOs zur Unternehmenskultur ihrer Kunden passen. Darüber hinaus ist die Unterstützung durch den Kunden erforderlich, und die Mitarbeiter müssen für Veränderungen offen sein. fCIO#2 beschreibt seine Erlebnisse im deutschen Kontext so: „Ich habe es auch schon bei Mittelständlern erlebt, die haben Externe geholt, weil sie erkannt haben ‚wir haben ein Problem.‘ Dann kamen die Externen und haben gesagt ‚das müssen wir aber machen.‘ Aber die Erwartungshaltung war, ich hab jetzt hier einen Externen, der macht aber jetzt bitte genau das, was ich vorher auch gemacht habe. So funktioniert das nicht. Es muss Schmerz da sein. Es muss Lösungsbereitschaft da sein und das ist nicht selbstverständlich.“ Außerdem ist es für die Change Agents im Vergleich zu den anderen Gruppen von Fractional CIOs wichtiger, dass sie nicht mehr als drei gleichzeitige Aufträge haben. Wenn mehr Mitarbeiter in der IT-Abteilung arbeiten, erfordert dies mehr Engagement und Zeit für jeden Kunden.

4.4 Der Fractional CIO in Deutschland

4.4.1 Abgleich mit vorherigen Studienergebnissen

Zwar stimmen die Meinungen der drei interviewten Fractional CIOs/CTOs aus Deutschland in großen Teilen mit den Ergebnissen aus den ersten beiden Fractional CIO Studien (#1, #2.1 und #2.2) überein, allerdings gibt es auch Unterschiede.

Zusammen decken die interviewten Fractional CIOs/CTOs alle identifizierten Engagement-Typen ab. fCIO#1 sieht den Schwerpunkt seiner Arbeit im Strategischen IT-Management und den Rest verbringt er mit Restrukturierung. Beide, fCIO#1 und fCIO#2, schließen den Hands-on Support klar für sich aus. fCIO#2 beschreibt es folgendermaßen: „Bei Hands-on support finde ich mich am wenigsten wieder. Bei den anderen dreien würde ich sofort sagen ‚gekauft, ja das ist es.‘ Bei dem Hands-on support, das finde ich als Widerspruch: technische Fähigkeiten und operativer Schwerpunkt ist kein CIO.“ Dagegen beschäftigt fCTO#3 sich weniger mit Engagements vom Typ Strategisches IT-Management, da für ihn der technologische Aspekt im Vordergrund stehe: „Rapid Scaling 100 Prozent. […] Hands-on Support, ja. Ich bekomme jetzt Anfrage Richtung Brainstorming Partner für Founders […] oft haben sie nicht Erfahrung mit IT oder Tech-Erfahrung und die kaufen Erfahrung und Sicherheit für sich. […] Und ich hatte auch Anfragen bzgl. IT-Audits und Turnarounds, also im Bereich Restrukturierung.“

Während die zweite Fractional CIO Studie (#2.1 und #2.2) ergeben hat, dass das Vor-Ort-Arbeiten der unwichtigste von 25 Faktoren ist, sind sich die deutschen Fractional CIOs/CTOs einig, dass es wichtig sei, zumindest gelegentlich vor Ort zu sein. fCIO#2 argumentiert über Führung, Politik und Aufbau von Beziehungen: „Man muss auch in die Organisationen eingebunden sein. Man muss mit den Teams reden. […] Man kann [ein Team] auch remote führen, wenn man auch zwischendurch vor Ort ist. Genauso bei Board-Meetings. Wir reden ja von einem CIO, also ein C‑level. C hat immer sehr viel mit Politik zu tun. […] Und das können Sie nicht managen, wenn Sie das Ganze nur remote machen. Es ist also wichtig, eine persönliche Beziehung zu haben und dafür ist es wichtig, auch vor Ort zu sein.“

fCIO#1 geht sogar so weit zu sagen, dass es keinen Sinn ergäbe, digital zu arbeiten: „Als Führungskraft oder Manager nur digital macht keinen Sinn. Der muss auch gesehen und gespürt werden. […] Wenn Sie nur teilweise im Unternehmen sind und dann von dem teilweise noch die Hälfte virtuell, also sprich, maximal einen Tag die Woche im Unternehmen, dann geht die Wahrnehmung und Akzeptanz gegen Null meiner Meinung nach.“ fCTO#3 relativiert dagegen die Notwendigkeit vor Ort zu sein und betont, dass es auf das Setup des Engagements ankäme: „Vor Ort zu sein war nicht immer notwendig. Bei einem Klienten war es sogar komplett remote. Ich habe die Leute nie face-to-face gesehen, aber ich habe den Founder von vorher gekannt. […] Vor allem wenn man mehrere Kunden gleichzeitig hat, funktioniert remote am besten. Sonst ist das super anstrengend.“

4.4.2 Mögliche Gründe für die geringe Verbreitung in Deutschland

In den ersten beiden Fractional CIO Studien (#1, #2.1 und #2.2) war auffällig, dass in Deutschland kaum Fractional CIOs zu finden sind. Auf die Frage, ob fCIO#1 noch andere Fractional CIOs in Deutschland kenne, antwortete er deutlich mit „Nein.“ Zu den Gründen für das geringe Vorkommen der Rolle in Deutschland gibt es unterschiedliche Meinungen. fCIO#1 vermutet, dass deutsche Unternehmen zu konservativ seien: „Viele Unternehmen in Deutschland [sind] vermutlich zu konservativ unterwegs oder haben Angst wegen Geschäftsgeheimnissen. Das ist für mich die Grundvoraussetzung, dass der CEO oder Inhaber das gut findet und nicht sagt: ‚okay, wenn der nicht 80 Stunden in der Woche für mich arbeitet, dann kann er nicht gut sein.‘“ fCIO#2 dagegen vermutet mangelndes Problembewusstsein als Ursache: „Wenn Sie so einen Mittelständler haben, der in dritter Generation in Familienhand ist und die ja schon immer wissen, wie alles funktioniert, die haben dieses Problembewusstsein nicht. Wenn sie jemand Frisches von außen haben, der große Konzernstrukturen kennt, der kommt in so ein Unternehmen und wundert sich, dass wenn er seinen PC anmacht, dass er nicht mailen kann. Wenn man ihm sagt ‚ja das ist schon immer so gewesen, da muss aber erst der Horst was machen.‘ Dann sagt der ‚Ne, [auf keinen Fall]. Das muss anders gehen.‘ Und so einem verkaufen Sie so eine CIO-Dienstleistung wesentlich einfacher als jemandem der sagt ‚das ist schon immer so gewesen, mein Papa hat das schon so gemacht. Und so ist das.‘“

Im Vergleich zu den beiden anderen Fractional CIOs gibt fCTO#3 an, mehrere Fractional CTOs, vor allem im Start-up-Bereich, zu kennen: „Ich kenne einige Leute, die das machen. Es gibt eine große Community von Fractional CTOs. Das ist meist gemanagt von Recruitment Firmen. Es ist mehr eine Plattform für den Austausch, also ein Slack-Channel. Ich bin in drei Fractional-Specialist-Channels.“ Darüber hinaus vermutet fCTO#3 den mangelnden Bekanntheitsgrad der Fractional CIO Rolle als Grund für die geringe Verbreitung in Deutschland: „Ich würde sagen es ist noch nicht bekannt, das ist alles. Die Rolle an sich macht Sinn. Die Leute denken allerdings immer noch viel zu viel in Stunden und Tagen. Die fragen nicht ‚Was für einen Impact habe ich auf die Organisation?‘ oder ‚Was ist mein Outcome?‘. Ich versuche als Fractional CTO davon loszukommen Stunden und Zeit gegen Geld zu wechseln, sondern mein Outcome und Impact auf die Organisation zu verkaufen. Am Ende kaufen sie Expertise. Aus meiner Sicht ist es am Ende egal, wie viele Stunden ich investiere. Wichtig ist, dass das Ergebnis kommt.“

Während es zur geringen Verbreitung also unterschiedliche Meinung gibt, sind sich dennoch alle drei Befragten einig, dass deutsche KMUs stark von Fractional CIOs/CTOs profitieren könnten.

4.4.3 Handlungsempfehlungen für Unternehmen in Deutschland

Um die Fractional CIO Rolle in deutschen KMUs zu etablieren, sollte vor allem die Bekanntheit der Fractional CIO Rolle und das Bewusstsein über ihren Mehrwert erhöht werden und zudem Offenheit für neue Arbeitsmodelle und Problembewusstsein bei den Unternehmenslenkern vorhanden sein. Für KMUs sollte das Bewusstsein darüber gestärkt werden, dass die Alternative zu einer Vollzeit-Beschäftigung nicht automatisch eine externe Beratung sein muss. Abb. 2 stellt die beiden Extreme mit dem Fractional CIO dazwischen illustrativ dar. Der Fractional CIO kombiniert das Beste aus beiden Welten für KMUs. Er ist wie eine Vollzeitkraft in die Organisation integriert, hat oft Linienverantwortung und bietet gleichzeitig die Flexibilität eines Beraters, jedoch mit einem längerfristigen Fokus.

Eine konkrete Handlungsempfehlung für die Zusammenarbeit von Fractional CIOs und KMUs in Deutschland lässt sich anhand der Interviewergebnisse aus der vorliegenden Studie in Kombination mit den drei Gruppen von Fractional CIOs, Strategische IT-Coaches, Full-Ownership CIOs und Change Agents aus Kratzer et al. (2023a) ableiten.

Für Unternehmen mit kleinen oder ohne IT-Abteilungen können Full-Ownership CIOs eine operative und strategische Unterstützung bieten, indem sie die Verantwortung für das Management des Personals und der Lieferanten ihrer Kunden übernehmen. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit erfordert eine sorgfältige Abstimmung der Anforderungen und Erwartungen sowie ein hohes Maß an Vertrauen und klare Entscheidungsbefugnisse für den Fractional CIO. fCIO#1 unterstreicht diese Erkenntnis: „Wichtig ist mir […], dass der Full-Ownership CIO auch aktiv in der Strategie- und Entwicklungsrolle ist. Zusätzlich muss er auch verantwortlich sein.“ Für Unternehmen mit einer bestehenden IT-Abteilung, die sich auf die strategische IT-Ausrichtung und die Unterstützung des Business konzentrieren möchten, sind die Strategischen IT-Coaches die richtige Wahl. Der Erfolg hängt hier von der Fähigkeit ab, Geschäftskenntnisse und technisches Verständnis zu kombinieren. Unternehmen mit etablierten IT-Abteilungen, die schwerwiegende IT-Probleme haben oder eine umfassende Transformation benötigen, würden von einer Zusammenarbeit mit Change Agents profitieren. Diese können die IT-Abteilung transformieren, sind jedoch normalerweise nicht für den operativen IT-Betrieb zuständig. (Kratzer et al. 2023a)

Gerade für KMUs in Deutschland scheinen die Full-Ownership CIOs die schwierigste Variante zu sein, da hier oft umfangreiche Weisungsbefugnisse und großes Vertrauen notwendig sind. Ganz anders bei den Strategischen IT-Coaches, die fCIO#1 so wahrnimmt: „[Das ist] eher die beratende Rolle. Fürs Unternehmen wäre mir das aber zu wenig, der wird den Erfolg nicht ganz auf die Straße bringen. Der bräuchte dann jemanden der es umsetzt.“ Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb bilden insbesondere die Strategischen IT-Coaches mit ihrer Nähe zu IT-Beratern einen möglichen Startpunkt für die Zusammenarbeit mit einem Fractional CIO.

5 Ausblick und zukünftige Forschung

Die vorliegende Studie fasst die Erkenntnisse zum Thema Fractional CIO aus zwei vorherigen Studien zusammen und ergänzt deren internationalen Fokus um eine deutsche Perspektive. Hierfür wurden drei deutsche Fractional CIOs/CTOs interviewt und gebeten die Erkenntnisse aus den beiden vorherigen Studien zu kommentieren. Insgesamt fanden die Ergebnisse sehr breite und ausdrückliche Zustimmung von den drei deutschen Fractional CIOs/CTOs, was darauf schließen lässt, dass die Rolle in Deutschland ähnlich zu der international beobachteten Rolle ausgeführt wird. Auf die Frage, warum die Rolle speziell in Deutschland sehr wenig verbreitet ist, konnten die Fractional CIOs/CTOs nur Vermutungen anstellen. fCIO#1 vermutet, dass vor allem die parallele Beschäftigung des Fractional CIOs in mehreren Unternehmen ein Problem sein könnte, während fCTO#3 vermutet, dass es am mangelnden Bekanntheitsgrad der Rolle liegen könnte. Alle drei Fractional CIOs/CTOs sehen allerdings keine größeren Hürden, sondern, ganz im Gegenteil, große Chancen für Unternehmen durch eine weitere Etablierung der Fractional CIO Rolle im deutschen Markt.

Die vorliegende Studie unterliegt aber auch Einschränkungen. Zur Einschätzung unserer Studienergebnisse und der Rolle des Fractional CIO in Deutschland wurden nur drei Interviews geführt. Die Validierung der Ergebnisse mit weiteren Fractional CIOs könnte zu zusätzlichen Erkenntnissen führen, insbesondere dann, wenn sich die Rolle in Deutschland weiter etabliert hat. Des Weiteren sind die Ergebnisse durch einseitige Befragung der Fractional CIO-Seite zu Stande gekommen. Zwar wurden fast alle Ergebnisse aus den bisherigen Studien bestätigt, dennoch können wir aufgrund der einseitigen Befragung und der geringen Anzahl an Interviewten Allgemeingültigkeit und vollständige Validität nicht vollumfänglich sicherstellen. Da die Fractional CIOs die Anbieter der Services sind und entsprechend von einem positiven Bild ihrer Rolle profitieren, sollte als Ergänzung zusätzlich auch die Kundenseite befragt werden.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für zukünftige Forschung im Fractional-CIO-Bereich. Zunächst sollte die Kundenseite in die Befragungen mit einbezogen werden. Dies würde einen Abgleich mit der Angebotsseite ermöglichen und ggf. zu neuen Erkenntnissen führen. Außerdem sollte sich zukünftige Forschung vertieft damit auseinandersetzen, welche kritischen Erfolgsfaktoren es in der Zusammenarbeit zwischen Fractional CIOs und Kunden gibt. Letztendlich gilt es auch zu klären, wie mit dem On- und Off-Boarding von Fractional CIOs im Kontext von Wissenstransfer umgegangen werden kann. Hierfür könnten bestehende Ansätze, bspw. aus dem IT-Outsourcing, herangezogen werden.