1 Cloud-Computing und IoT als Treiber für plattformbasierte Ökosysteme in der Transportlogistikwirtschaft

Transparente Lieferketten werden in Zeiten zunehmender Unsicherheiten und Krisen mit dem Ziel vorangetrieben, Wertschöpfungsnetzwerke mit einer hohen Resilienz zu gestalten (Kagermann et al. 2021). Dies bedingt eine stärkere Vernetzung und Digitalisierung von Transportketten im Kontext entstehender föderierter Datenökosysteme (z. B. Gaia-X), damit ein übergreifender Datenaustausch mit innovativen digitalen Diensten für die Akteure erreicht werden kann (Bitkom 2020). Effiziente und vernetzte Informationsflüsse sind somit ein zentraler Aspekt datenbasierter Transportvorgänge (Sanders et al. 2019). Dem Gütertransport kommt bei der Gestaltungsaufgabe aufgrund seiner integrierten Querschnittfunktion eine besondere Schlüsselrolle zu. In den letzten Jahren sind mit den Entwicklungen des Cloud-Computing und dem Internet der Dinge (IoT) neue digitale Innovationen für den dienstleistungsorientierten und interaktionsbasierten Informationsaustausch für die am Transportprozess beteiligten Akteure entstanden (Gnimpieba et al. 2015; Pflaum et al. 2017, S. 49).

Digitale Plattformen etablieren sich in der Transportlogistikwirtschaft ergänzend zum Einsatz bestehender Transportmanagementsysteme (TMS) (Heinbach et al. 2022a) und bieten erhebliches Potenzial für die Bereitstellung datenbasierter Services und wertschöpfender Interaktionen zwischen den Akteuren. Dies wird unter anderem in den untersuchten Ansätzen eines kollaborativen Transportmanagements und der Integration von Information für eine verbesserte Sichtbarkeit und Genauigkeit der Entscheidungsfindung deutlich (z. B. Okdinawati et al. 2015). Zudem verstärkt der Trend der digitalen Transformation und Servitization die Entfaltung von Plattform-Ökosystemen, die Cloud-Infrastrukturen nutzen, um ein komplementäres Dienstleistungsangebot für die Akteure im Transportprozess bereitzustellen (Roy und Fellenberg 2020). Im Zusammenspiel mit IoT-Technologien eröffnen Integrationsplattformen folglich neue Chancen einer gemeinsamen Wertschöpfung (Co-Creation). Diese Entwicklung wird in der Praxis als „freight technology“ verstanden, mit dem Ziel die echtzeitfähige Transparenz zu erhöhen, die Transportprozesse zu automatisieren und die Abläufe zu optimieren (Roland Berger GmbH 2020).

Vor diesem Hintergrund bietet der Einsatz mobiler Telematik für Transportladungsträger (TLT, z. B. Wechselbrücken, Trailer, Container) neue IoT-Perspektiven, um eine Co-Creation zwischen den Akteuren in einem plattformbasierten Interaktionsraum zu ermöglichen. Das Potenzial wird in der Nutzung bestehender Telematiksysteme deutlich, indem ein digitales Flottenmanagement im Straßengüterverkehr realisiert wird, das eine End-to-End-Überwachung der eingesetzten Fahrzeuge und Fahrer (Bousonville 2017), Effizienzbetrachtungen des Fahrzeugeinsatzes und Entscheidungsunterstützungen für einen optimalen Fuhrparkbetrieb mithilfe von digitalen Plattformen unterstützt (Heinbach et al. 2022b). Mobile Telematik erweist sich in diesem Zusammenhang als fahrzeugorientierte Enabler-Technologie zur Realisierung von IoT-Diensten in verkehrsträgerübergreifenden Transportsystemen. Die so gewonnenen Daten können beispielsweise verwendet werden, um die Lieferkettenintegrität und den aktuellen Ladezustand mithilfe einer Plattform bereitzustellen, wodurch die Zusammenarbeit zwischen mehreren Transportbeteiligten verbessert wird (Gnimpieba et al. 2015; Heinbach et al. 2022c). Dieser Gedanke wird zudem durch die aktuelle europäische Gesetzesinitiative unterstützt, die cloudbasierte Plattformen zwischen den Akteuren von zertifizierten Anbietern adressiert, um den Austausch elektronischer Frachttransportinformationen (eFTIFootnote 1) in digitalen Transport-Ökosystemen zu fördern.

Eine Value Co-Creation der am Transportprozess Beteiligten durch plattformbasierte IoT-Dienste kann daher als interaktionsbasierte Gestaltung der Wertschöpfung betrachtet werden, die sich an der Service-Dominant Logic orientiert (Vargo und Lusch 2004) und im Kontext der digitalen Transformation und Servitization in der Branche einen konsequenten Entwicklungsschritt bedeutet. Allerdings mangelt es bisher an praxisnahen Herangehensweisen und konkretem Gestaltungswissen in der Forschung für akteursübergreifende Ansätze, die auf Basis digitaler Plattformen und telematikgestützter TLT eine Value Co-Creation interaktionsbasiert realisieren (Heinbach et al. 2022c). Dieser Beitrag greift die bestehende Lücke auf und präsentiert den Gestaltungsansatz Freight Service Platform Ecosystems (FSPEs), das die gemeinsame und intelligente Datennutzung durch IoT-Dienste in Plattform-Ökosystemen für Co-Creation Interactions wertschöpfend realisiert. Ziel des vorliegenden Beitrages ist daher die Exploration der folgenden Forschungsfrage (FF):

FF:

Wie können Freight Service Platform Ecosystems konzipiert werden, die auf Basis telematikgestützter Transportladungsträger Co-Creation Interactions der Akteure im Güterverkehr wertschöpfend ermöglichen?

Um diese Frage zu beantworten, präsentiert dieser Beitrag die Ergebnisse einer durchgeführten qualitativen Studie und entwirft auf Grundlage von Experteninterviews das Konzept FSPEs. Im Kern wird dabei die Bandbreite der Dienstleistungspotenziale identifiziert, um die Merkmale von FSPEs im Kontext telematikgestützter TLT in der Transportlogistikwirtschaft zu verstehen. Diese erstmalige Konzeption basiert auf dem Einsatz mobiler Telematik in Güterverkehrssystemen und erweitert die strategischen Betrachtungen des Einsatzes digitaler Plattformen in der Transportlogistik um Aspekte sich entwickelnder Datenökosysteme und der Value Co-Creation. Anschließend zeigt der Beitrag die Gestaltungsansätze der Werte anhand des Value in Interaction Modells für bestimmte Dienstleistungsbereiche auf. Weiterhin werden strategische Handlungsempfehlungen für die Akteure in der Transportkette erläutert, um das datenbasierte Dienstleistungspotenzial für eine Value Co-Creation durch telematikgestützte TLT zu nutzen.

2 Telematik als Enabler-Technologie für Value Co-Creation in transportlogistischen Plattform-Ökosystemen

2.1 Datengetriebener Gütertransport mithilfe mobiler Telematik

Der Gütertransport repräsentiert ein äußerst dynamisches Betriebsumfeld und ist auf echtzeitbasierte Informationen angewiesen, um die Sichtbarkeit entlang der Transportprozesse zu erhöhen, den Zustand der Güter zu überwachen und eine optimale Entscheidungsfindung durch die Akteure zu unterstützen (Wurst 2020). „Telematics is the tool that visualize the actual course of transportation units“ (Huk und Kurowski 2021). Diese IoT-Technologie ist mit Sensoren verbunden und bietet eine Vielzahl von Funktionen, die traditionell im Straßengüterverkehr für ein effizientes Flottenmanagement zum Einsatz kommen. Lkw-Hersteller bieten in der Folge integrierte Telematiksysteme an, um den Fahrzeugstatus in Echtzeit zu übermitteln (z. B. Geschwindigkeit), die Lokalisation zu ermöglichen (z. B. GPS-Position), den Flottenbetrieb zu unterstützen (z. B. vorausschauende Wartung), die Ausführung von Transportaufträgen durchzuführen, den Kraftstoffverbrauch zu optimieren und die Emissionsentwicklung zu verringern (Osinska und Zalewski 2020; Heinbach et al. 2022b). Mit dem wachsenden Angebot digitaler IoT-Dienste steigt gleichsam die Bedeutung des Einsatzes digitaler Plattformen, damit die Datenverarbeitung im Backend und eine Bereitstellung der Informationsdienste im Frontend „webbasiert“ realisiert werden kann, die mit der Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle seitens der Fahrzeughersteller einhergehen (Bez et al. 2019). In diesem Zusammenhang stellen Iwan et al. (2018, S. 60) drei relevante Teilsysteme eines telematikbasierten Flottenmanagements fest: (1) Datenerfassung, (2) Datenverarbeitung und (3) Sichtbarkeit für die Nutzer.

Mobile Telematik wird auf Grundlage dieser Systembetrachtungen bereits seit vielen Jahren in globalen Transportketten für intermodale Komplettladungsverkehre eingesetzt, damit die Zustandsüberwachung sensitiver Ladungsgüter ermöglicht und mithilfe der Daten eine prozessorientierte Transportsteuerung erreicht wird (z. B. Mahlknecht und Madani 2007). Konkret sind batterie- oder solarbetriebene Telematikeinheiten in der Lage, in ihrer direkten Umgebung Daten zu sammeln, die je nach Überwachungszweck in Position, Temperatur, Feuchtigkeit, Licht, Beschleunigung, Erschütterung und Manipulationssicherheit (z. B. Türstatus) unterteilt werden (z. B. Kückelhaus et al. 2013). Anbieter, wie der Telematik-Hersteller MecomoFootnote 2, offerieren solarbasierte Telematik-Hardware für den intermodalen Flottenbetrieb, die auf TLT montiert werden und mit cloudbasierter Software interagieren, damit die Daten prozessorientiert integriert werden können und so eine Vernetzung und Automatisierung der Gütertransportabläufe erzielt wird (Heinbach et al. 2022c). Die so integrierten Daten werden verarbeitet und in einer plattformbasierten Umgebung den Teilnehmern der Plattform bereitgestellt sowie in weitere Anwendungssysteme (z. B. Transport‑/Flottenmanagementsystem) über entsprechende Schnittstellen direkt übergeben.

In der Folge fungieren mobile Telematikeinheiten zunehmend als integrierte IoT-Enabler mit der Fähigkeit, den operativen Transport- und Flottenmanagementbetrieb von TLT in abgelegenen Positionen ohne Stromversorgung zu automatisieren und eine optimale Entscheidungsfindung durch „intelligente Güter“ zu unterstützen (Sternberg und Andersson 2014). Gleichzeitig umfasst das Angebot der telematikbasierten IoT-Dienste die Integrität der in TLT geladenen Transportgüter durch echtzeitbasierte Ereignisbenachrichtigungen in Kombination mit voreingestellten Datenwerten, was den Einsatz mobiler Telematik zur Risikoabsicherung von Transportketten zunehmend attraktiv macht (Salah et al. 2020). In komplexen Ökosystemen der Transportlogistik, an dem verschiedene Akteure partizipieren, ergibt sich angesichts der sich abzeichnenden digitalen und vernetzten Diensteoptionen durch telematikgestützte TLT vielfältiges Einsatzpotenzial, um kollaborative Ansätze durch gemeinsame Nutzung von Informationen über eine Cloud-Infrastruktur zu nutzen (Okdinawati et al. 2015), die zudem die Entwicklung multimodaler intelligenter Verkehrssysteme fördert. Gleichwohl ist festzustellen, dass mit der branchenübergreifenden Servitization bisher kein Wissen darüber existiert, wie die Beziehungen einer Value Co-Creation zwischen Transportdienstleister und Transportnutzer innerhalb von Plattform-Ökosystemen interaktionsbasiert aussehen können.

2.2 Value Co-Creation Perspektiven in Plattform-Ökosystemen durch Telematikeinsatz

Transportdienstleistungen werden im Güterverkehr von Spediteuren, Frachtführern und Logistikdienstleistern für Kunden erbracht, wobei zu unterscheiden ist, dass Frachtführer in der Regel im Besitz ihrer eigenen Transportkapazitäten (z. B. Lkw-Fuhrpark) sind. Mit Blick auf das digitale Flottenmanagement ist der Telematikeinsatz daher ein entscheidender Faktor für Flottenbetreiber, um im heterogenen und wettbewerbsorientierten Gütertransportmarkt zu bestehen (Heinbach et al. 2022b). Die Kunden der Transportdienstleister lassen sich grundsätzlich im B2B-Umfeld als Verlader (z. B. Hersteller von Produkten) und Empfänger einteilen. In dieser Beziehung aus Dienstleistungsanbieter und -nehmer können Telematikdienste sowohl den wirtschaftlichen Nutzen durch optimale Kapazitätsauslastungen der „freight transport assets“ (Heinbach et al. 2022c) erhöhen und darüber hinaus ein Wertangebot für die Kunden durch individuelle Informationsdienste (z. B. Kalkulation der Estimated Time of Arrival, ETA) erzeugen. Dadurch wird ein auftragsbezogenes Transportmanagement unterstützt und zudem eine individuelle Kontrolle der erbrachten Transportdienstleistungsqualität durch die eingesetzten TLT möglich, um die Leistungsfähigkeit für die eigenen (internen) Verlader-Kunden abzusichern. In gleicher Weise können Empfänger von Telematikdiensten durch die Kommunikation der ETA und kritischer Ereignisse (z. B. Temperaturüberschreitung) profitieren. Eine weitere Teilnehmergruppe in Ökosystemen des Güterverkehrs wird zudem durch Versicherungsunternehmen repräsentiert, die an der Echtzeitfähigkeit der Telematikdienste (z. B. Alarmierung bei unautorisierten Türöffnungen der TLT) interessiert sind und dadurch eine Minimierung der bestehenden Transportrisiken im Auftrag der Kunden unterstützen. Transportrisiken spielen in Anbetracht der Sensitivität und Schadensanfälligkeit der beförderten Güter eine immer größer werdende Rolle für eine gemeinsame Wertschöpfung, woraus sich bereits eigenständige Organisationen wie die TAPAFootnote 3 (engl. Transport Asset Protection Association) im Markt etabliert haben.

Den genannten Anwendergruppen ist gemein, dass sie Telematikdienste unterstützend entlang der Prozesse des Gütertransports nutzen und gemeinsam Ressourcen in die Ökosysteme einbringen. Durch den Austausch von Daten und Diensten unter den Akteuren kann mobile Telematik als Enabler für TLT angesehen werden, damit eine gemeinsame Wertschöpfung im Sinne einer Value Co-Creation interaktionsbasiert erreicht wird (Vargo et al. 2008). Der Wert der Telematikdienste des Gütertransportsystems kann somit als „value-in-use“ verstanden werden, der sich als persönlicher Nutzen für die Akteure während der nutzengenerierenden Prozesse (z. B. Anwendung von Telematikdiensten) ergibt (Vargo und Lusch 2004, S. 7). Mit den dargestellten Einsatzbereichen von mobiler Telematik und dem interaktionsbasierten Nutzen der Akteure ist eine Value Co-Creation im Rahmen des Beitrags in drei fundamentalen Leistungsdimensionen von Datendiensten relevant (Heinbach et al. 2022c): (1) Transportmanagement, d. h. Dienste zur Abwicklung von Komplettladungsaufträgen, (2) Flottenmanagement, d. h. Dienste, die auf einen effizienten Einsatz von TLT abzielen, und (3) Risikomanagement, d. h. Dienste zur Vorbeugung kritischer Auswirkungen auf die Güter. Abb. 1 fasst den Zusammenhang des Einsatzes mobiler Telematik für TLT und die daraus resultierenden Value Co-Creation Interactions zur Erzeugung datenbasierte Dienste in den genannten Leistungsbereichen in Plattform-Ökosystemen zusammen.

Abb. 1
figure 1

Value Co-Creation Betrachtung in Plattform-Ökosystemen durch den Einsatz mobiler Telematik

3 Konzeption eines Freight Service Platform Ecosystems für Value Co-Creation durch telematikgestützte Transportladungsträger

3.1 Anforderungserhebung und Experteninterviews

Mit der wachsenden Bedeutung der Digitalisierung und Servitization im Speditionsgeschäft steigt konsequent auch der Bedarf an innovativen Telematikdiensten, die den Akteuren übergreifende Mehrwerte bieten. Diese Entwicklung wird insbesondere durch die Entstehung digitaler Plattformen für ein datengetriebenes Transportmanagement (Heinbach et al. 2021) sowie der notwendigen Integrationsfähigkeit von zusätzlichen Informationssystemen vorangetrieben, um das vorhandene Datenpotenzial in Hinblick auf die Transparenz, analytische Funktionen und Prozessoptimierungen wertschöpfend zu nutzen (Heinbach et al. 2022c). Im Kontext entstehender Plattform-Ökosysteme und bevorstehender regulatorischer Veränderungen der Branche offenbaren telematikgestützte TLT für die Akteure des Güterverkehrs neue Formen von IoT-Diensten durch plattformbasierte Interaktionen für eine gemeinsame Wertschöpfung.

Um der Relevanz einer akteursübergreifenden Value Co-Creation in intermodalen Transportketten durch den Einsatz mobiler Telematik für TLT zu begegnen, wurde eine explorative Studie durchgeführt. Ziel der Studie ist die Identifikation von Anforderungen für die Gestaltung von Plattform-Ökosystemen und entsprechenden Leistungsangeboten für eine Value Co-Creation in den adressierten Leistungsdimensionen durch die Akteure des Güterverkehrs. Dazu wurden 14 Einzelinterviews mit Experten aus dem deutschsprachigen Raum aus den vier unterschiedlichen Anwendergruppen (vgl. Abschn. 2.2), die im globalen Güterverkehr tätig sind, durchgeführt. Die Durchführung der Gespräche, die zwischen 30 Minuten und 64 Minuten dauerten, erfolgte durch einen Autor dieser Arbeit mit Erfahrung im Bereich der digitalen Transportlogistik mithilfe eines Videokonferenz-Tools. Anhand eines semi-strukturierten Interviewleitfadens wurden die Teilnehmer zu ihrem transportlogistischen Hintergrund, den Erfahrungen mit Datendiensten durch mobile Telematik sowie den Nutzenpotenzialen von Telematikdiensten hinsichtlich der Leistungsdimensionen (vgl. Abschn. 2.2) befragt. Anschließend wurden die transkribierten Audioaufzeichnungen qualitativ mithilfe der Software MAXQDA (Release 2020.0.0) in den Phasen Durchsicht, Kodierung, Kategorisierung und Interpretation der Daten analysiert (Mayring 2014). Dazu haben mindestens ein Autor und ein wissenschaftlicher Mitarbeiter unabhängig voneinander jeden Satz in den Transkripten analysiert, um relevante Inhalte zu kennzeichnen. Anschließend wurden die Inhalte mit thematischer Verbindung für eine gemeinsame Plattformnutzung auf der Basis von Telematikdiensten kodiert und in übergeordnete Kategorien gruppiert. Bei der nachfolgenden Interpretation der Daten arbeiteten die Autoren und Assistenten unabhängig voneinander und diskutierten die konzeptionellen Ergebnisse, bis ein Konsens erreicht war. Eine vollständige Übersicht der befragten Experten, einschließlich der Positionen, Arbeitserfahrungen und Dauer der Interviews, ist online verfügbar (siehe Onlinematerial 1).

3.2 Merkmale einer Freight Service Intelligence

Aus den gewonnenen Erkenntnissen leiten die Autoren erstmalig das Konzept FSPEs ab. Das Konzept impliziert eine „Intelligenz“ von Gütern durch mit Telematik ausgestattete Transportladegefäße, die auf den datentechnologischen Fähigkeiten von „smart (connected) products“ (Porter und Heppelmann 2014) basieren. Somit können intelligente TLT durch die Nutzung mobiler Telematik als Kernbestandteil innovativer Dienstleistungssysteme im Güterverkehr betrachtet werden, die eine Informationsverarbeitung und autonome Entscheidungsfindung zukünftig maßgeblich unterstützen können.

Durch die Gespräche mit den einzelnen Experten wurde festgestellt, dass der Telematikeinsatz die Erfassung, Verarbeitung und Bereitstellung von verwertbaren Sensordaten in Echtzeit ermöglicht. Durch den höheren Anteil der Kundengruppe (Verlader, Empfänger) an den Interviews konnte ein individueller Nutzen der mobilen Telematik für kundenspezifische Prozesse festgestellt werden (z. B. Feststellung von Standzeiten an den Rampen). Insgesamt unterstützt die Telematik in seiner Funktion als integrierter IoT-Enabler die Erfüllung der Aufgaben des Gütertransports auf Basis von Transportladegefäßen, sodass auf der Grundlage der gewonnenen Daten Transparenz und Optimierungen im operativen Transportbetrieb erreicht werden. Beispielsweise wurde eine automatisierte Abrechnungsdienstleistung aus Sicht eines Transportdienstleisters diskutiert, der den Kunden (Verlader) durch eine Geofencing-Funktion angeboten werden kann, sobald ein telematikgestützter TLT in ein geografisch abgegrenztes Gebiet, basierend auf der ermittelten GPS-Position des TLTs, eintritt. In der Folge können TLT als intelligent angesehen werden, da „goods become self, context- and location-aware as well as connected to a wide range of information services“ (European Commission 2008, S. 8). Darüber hinaus können die telematikbasierten Informationsdienste um weitere Funktionen für ein autonomes System ergänzt werden, damit eine automatisierte Buchung von Zeitfenstern und Rampenzuordnungen (z. B. Be- und Entladungen an Depotstationen) sowie Ladungsaufträgen (z. B. cloudbasierte Fracht-Plattformen) erreicht wird (Heinbach et al. 2022c).

In der Zusammenfassung ist festzustellen, dass telematikgestützte TLT verschiedene Fähigkeiten aufweisen, die in Anlehnung an die Eigenschaften „intelligenter Waren“ (Jevinger und Olsson 2021) fünf Merkmale einer „freight service intelligence“ (Heinbach et al. 2022c) aufweisen: (1) Metadaten-Informationen durch eindeutige Identität, z. B. Transportfahrzeugerkennung, (2) Zustandsüberwachung der Ladung, z. B. Temperatur, (3) Positionsüberwachung durch Echtzeit-Lokalisierung, (4) Sendungsintegrität, z. B. unautorisierte Türöffnung und (5) Systemautonomie, z. B. durch die automatisierte Buchung von Zeitfenstern und Ladungsaufträgen. Diese Merkmale lassen sich gleichsam auf die dargestellten Leistungsdimensionen des Transport‑, Flotten- und Risikomanagements übertragen und bilden den Kern der digitalen Plattform in akteursübergreifenden FSPEs, um eine Value Co-Creation interaktionsbasiert zu realisieren (Heinbach et al. 2022c).

3.3 Konzept Freight Service Platform Ecosystem

Die starke transformative Wirkung digitaler Plattformtechnologien im Schnittfeld des Cloud-Computing und der IoT-Anwendungen für den fragmentierten Gütertransportmarkt wurde eingangs bereits herausgestellt. Telematik erweist sich in dieser Hinsicht als Treiber für modular-integrierte Plattformlösungen für Transportdienstleister, damit ein übergreifendes Datenmanagement der eingesetzten Transportfahrzeuge möglich ist, wie es Heinbach et al. (2022b ) in ihrem Beitrag zeigen. Obwohl diese Entwicklungen den hohen Bedarf der Servitization in der Branche aufgreifen, fehlt es aufgrund der Diversität digitaler Plattformen und der Komplexität intermodaler Gütertransportketten bislang an generischen Gestaltungsprinzipien für plattformbasierte Ökosysteme und einer gemeinsamen Informationsnutzung. Verdouw et al. (2016) stellen bei ihren Untersuchungen von IoT-Anwendungen in der Food Supply Chain verschiedene Elemente für die Architektur einer plattformzentrierten Transportkette heraus. Basierend auf diesen Erkenntnissen, den durchgeführten Interviews sowie den beschriebenen Merkmalen einer „freight service intelligence“ konzeptionieren die Autoren das Konzept FSPEs bestehend aus den folgenden Elementen:

  1. I.

    Connected Freight Asset: Telematikgestützte TLT repräsentieren ein „smartes“ physisches Produkt und die technologische Basis in Gütertransport-Ökosystemen, das Sensorinformationen erfasst und zudem mit Aktorik ausgestattet ist (z. B. Verschlussbolzen an der Tür). Darüber hinaus können TLT um weitere intelligente Ressourcen erweitert werden, um die Datennutzbarkeit auf Packstückebene durch die Einbindung „intelligenter Waren“ zu erweitern (z. B. mit RFID ausgestattete Paletten).

  2. II.

    Freight Service Lifecycle: Der Einsatz der Telematik und die Aktivitäten der Akteure folgen einem prozessorientierten Einsatzablauf, der als Lebenszyklus verstanden werden kann. Die einzelnen Prozessphasen resultieren aus der auftragsbezogenen Abwicklung von Komplettladungsverkehren, die in den gängigen Anwendungen von Transportmanagementsystemen implementiert sind (Heinbach et al. 2022a).

  3. III.

    Freight Service Intelligence Platform: Basierend auf den generierten und übermittelten Daten erfolgt eine plattformzentrierte Verarbeitung anhand der definierten Merkmale intelligenter TLT (Heinbach et al. 2022c). Die Datenverarbeitung und Übersetzung in intelligente Informationsdienste bilden den Kern in Plattform-Ökosystemen. Des Weiteren wurde in den einzelnen Expertengesprächen deutlich, dass zusätzliche Daten aus weiteren Informationsquellen im Datenraum integriert werden können, um die Wertschöpfungstiefe für interaktionsbasierte Informationsdienste zu erhöhen. Die Datenquellen für die Integrationen umfassen zusätzliche Fahrzeugeinheiten (z. B. mit Telematik ausgestattete Lkws), Transportaufträge (z. B. Transportmanagementsysteme) und externe Informationssysteme (z. B. Wetterinformationen) und können über spezifische Datenkonnektoren (z. B. Konnektoren der International Data Spaces) an die Plattform übermittelt werden.

  4. IV.

    Co-Creation Interactions: Grundlage einer wertschöpfenden Informationsnutzung durch die vier Akteure bilden die Interaktionen untereinander. Informationen werden von den Akteuren gemeinsam genutzt, getauscht, ergänzt und weiterverarbeitet, sodass für die Akteure ein gemeinsamer Wert (Value) erzeugt wird, der aus der Wertschöpfung in einem plattformbasierten Interaktionsraum resultiert. Einer Value Co-Creation liegen fünf Funktionsebenen für gemeinsame Interaktionen zugrunde: (1) Leistungsbewertung der TLT durch Key Performance Indikatoren mit Bezug zu Transportroutinen, (2) Anomalieerkennung und Meldung von Abweichungen, (3) Risikobewertung und Vorhersage der Ladungsintegrität und der Transportdienstleistungsqualität, (4) Kommunikation auf Basis von Ereignissen bzw. Abweichungen sowie (5) Austausch von Frachtinformationen mit Bezug zu Transportdokumenten und Protokollen zwischen den Anwendern.

  5. V.

    Freight Service Platform Ecosystems: Der Rahmen der Interaktionen wird durch Ökosysteme beschrieben, in dem die Akteure durch die Plattform miteinander verbunden werden, um interagieren zu können. Aus Sicht der einzelnen Akteure können plattformbasierte Ökosysteme um weitere Teilnehmer ergänzt werden, die in Form von Subunternehmern (Transportdienstleister) oder weiteren „internen“ Kunden (z. B. Partner der Verlader) die Vielfalt der horizontalen oder vertikalen Interaktionen nutzenstiftend erweitern.

Das Konzept FSPEs wird unter Berücksichtigung der dargestellten Elemente in Abb. 2 präsentiert. Entscheidend bei dieser Darstellung ist, dass mit Bezug zu Plattform-Ökosystemen die in der Forschung diskutierten Aspekte (z. B. Platform Ownership, Governance) vernachlässigt werden können, da dieser Beitrag einen neuartigen Gestaltungsansatz für eine Value Co-Creation durch den Einsatz mobiler Telematik in einem plattformbasierten Interaktionsraum fokussiert.

Abb. 2
figure 2

Konzept Freight Service Platform Ecosystems

4 Value Co-Creation in Freight Service Platform Ecosystems

Mit der Konzeption von FSPEs wurde auf Grundlage der explorativen Studie ein plattformbasierter Interaktionsraum zwischen Transportanbietern, Kunden und Versicherungen beschrieben, der neben den primären Geschäftsprozessen die Perspektive einer Value in Use durch die Nutzung digitaler Dienste adressiert. Um den potenziellen Wert der identifizierten Interaktionsebenen aus Sicht der Transportdienstleister aufzuzeigen, orientieren sich die Autoren an dem Ansatz Value in Interaction. Dieser „entwickelt sich durch und während der Interaktion, er entfaltet seine Wirkung im Moment und beeinflusst dadurch die weiteren Prozesse der gemeinsamen Wertschöpfung (Co-Creation)“ (Geiger et al. 2020, S. 388). Basierend auf den Interaktionen kann der potenzielle Wert in (a) Matching-Wert (z. B. zusätzliche digitale Dienste zu einer Gesamtdienstleistung), (b) Dienstleistungswert (z. B. serviceorientierte Kompetenzen für die Interaktionen) und (c) Beziehungswert (z. B. Kollaboration und soziale Kompetenzen) unterschieden werden (Geiger et al. 2020). Aus den geführten Interviews sind unterschiedliche Erkenntnisse hervorgegangen, die spezifische Werte aufzeigen. Nachfolgend werden die Aspekte erläutert, die eine positive Werterzeugung für die Akteure in Plattform-Ökosystemen ermöglichen.

4.1 Matching-Wert

Ein digitaler Dienst für die kundenindividuelle Auswahl und Buchung von Equipment zur Ladungssicherung (beispielsweise mithilfe von Klemmbrettern) kann den Wert der Interaktionen in FSPEs zwischen Transportdienstleistern und Verladern steigern. Eine individuelle Konfiguration eigener Leistungsindikatoren ist zudem für erweiterte Analysezwecke für die Akteure relevant. Durch bestehende Vertragsverhältnisse zwischen Transportdienstleistern und Verladern kann die gemeinsame Reservierung benötigter Flottenkapazitäten (z. B. Transporte im sogenannten „milk run“ bzw. Rundlaufverkehren) den Wert erhöhen. Durch den umfangreichen Austausch von Frachttransportinformation kann die Sicherheit eines digitalen Dokumentenaustausches durch den Einsatz der Blockchain-Technologie positiv beeinflusst werden. Darüber hinaus können rechtssichere Dienstleistungsstrukturen, beispielsweise durch elektronische Nachweise und den Austausch erforderlicher Dokumente wie der EU-LizenzFootnote 4, unterstützt werden, damit durch die Transparenz eine zusätzliche Haftungsabsicherung erreicht wird. Es wurde außerdem deutlich, dass die funktionsorientierte Integration individueller und modularisierter Dienste weitere Vorteile erzeugen kann, die den Interaktionswert verbessern (z. B. Einsatz einer Kamera für automatische Erkennung des Frachtraums als Zusatzdienstleistung).

4.2 Dienstleistungswert

In den betrachteten Plattform-Ökosystemen wird der Dienstleistungswert durch Beratungsleistungen der Transportdienstleister zur Auswahl der Telematik sowie des ergänzenden Technologieeinsatzes (z. B. RFID-Einsatz bei Paletten) verbessert. Die Interaktionen ermöglichen sowohl eine Planungsunterstützung für den Einsatz telematikgestützter TLT als auch eine Kapazitätssicherung für feste Transportstrecken und die Verladungen an Depots (z. B. ausreichende Verfügbarkeit der TLT beim Verlader). Damit ist auch die Identifikation von Verbesserungspotenzialen in operativen Abläufen verbunden, die es den Transportdienstleistern ermöglichen, das Analysepotenzial durch die erzeugten und gesammelten Daten in gewinnbringende Informationen für die Akteure umzuwandeln (z. B. stationäre Aufenthalte an Umschlagpunkten beeinflussen Folgeprozesse). Damit erfolgreiche und wertschöpfende Interaktionen erreicht werden können, ist ein serviceorientiertes Prozessverständnis der kundenindividuellen Transportabläufe und den damit verbundenen Aufgaben erforderlich.

4.3 Beziehungswert

Für Transportdienstleister sind gute Kundenbeziehungen erfolgskritisch, um im kostenintensiven Wettbewerb bestehen zu können. Daher ist die positive Wahrnehmung der Beziehungen ein entscheidender Faktor, der darüber hinaus das Vertrauen in die Geschäftsbeziehung mit den Transportdienstleistern erhöhen kann. Die Erreichbarkeit des Transportdienstleisters in allen Phasen des Transportablaufs ist folglich ein wichtiger Aspekt für einen positiven Beziehungswert, der in der Einsatzbereitschaft bei Transportproblemen deutlich wird. So unterliegen Transportketten häufig zeitlichen Restriktionen, die bei Verzögerungen durch Ereignisse, wie beispielsweise fehlende Zolldokumente, negative Auswirkungen auf die Dienstleistungsqualität haben können. Gleichsam stellt die proaktive Kommunikationsfähigkeit einen wesentlichen Wert in der Beziehung dar, um reibungslose Betriebsabläufe sicherzustellen. Durch die steigenden kriminellen Aktivitäten im Gütertransportbereich (z. B. „Planenschlitzer“ auf Lkw-Parkplätzen) ist die Fähigkeit, in kritischen Transportsituationen intervenieren zu können, von hoher Bedeutung, da der Transportdienstleister durch die schnelle und zuverlässige Koordination (z. B. mit Subunternehmern) in Diebstahlfällen zu einer erfolgreichen und raschen Aufklärung des Tatbestandes beitragen kann.

Die Betrachtung der Dimensionen eröffnet weitere Wertschöpfungsperspektiven und zeigt Chancen für eine Verbesserung der Interaktionen zwischen den Akteuren auf. In Abb. 3 illustrieren die Autoren auf Grundlage des Value in Interaction Modells eine positive Gestaltung der Werte in FSPEs anhand der Wertedimensionen, die sich an den hergeleiteten Interaktionsebenen (vgl. Abschn. 3.3) orientieren.

Abb. 3
figure 3

Co-Creation Perspektiven in interaktionsbasierten Freight Service Platform Ecosystems in Anlehnung an Geiger et al. (2020)

5 Strategische Handlungsempfehlungen

Informationstechnologien unterstützen das dynamische Betriebsumfeld globaler Gütertransportketten, wobei die transformative Wirkung der Digitalisierung für eine wertschöpfende Co-Creation der verschiedenen Akteure durch die Nutzung digitaler Dienste noch nicht vollständig erreicht ist. Auf Grundlage einer durchgeführten explorativen Studie konnte das Konzept FSPEs entworfen werden, das einen plattformbasierten Interaktionsraum für eine gemeinsame Wertschöpfung präsentiert. Die eingangs formulierte Forschungsfrage wurde durch das vorgeschlagene Modell in Abb. 2 beantwortet. Anhand des Value in Interaction Modells wurde eine positive Wertsteigerung in FSPEs anhand der Wertbetrachtungen dargestellt (vgl. Abb. 3). Um FSPEs zu gestalten und einen positiven Wert durch informationsleistungsorientierte Interaktionen zu erreichen, sollten die partizipierenden Akteure in transportlogistikspezifischen Ökosystemen die nachfolgend beschriebenen Schritte beachten.

5.1 Schritt 1: Einsatzpotenziale für mobile Telematik identifizieren

Der Einsatz von Telematik bei physischen TLT ermöglicht eine Funktionserweiterung um virtuelle Dienste, die in Kombination mit Sensorik und Aktorik „intelligente“ Eigenschaften aufweisen. Es gilt daher, die Einsatzpotenziale der Telematik als Datentechnologie sowie die Einbindung in die bestehenden Organisationsstrukturen von Plattform-Ökosystemen zu identifizieren. Neben den neu gewonnenen Daten und der Transparenz gegenüber Kunden und Partnern stehen den Vorteilen eines Telematikeinsatzes möglicherweise auch Nachteile gegenüber. Für die Bewertung durch die Akteure bietet sich die Durchführung einer SWOT-Analyse an, bei der die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken des Einsatzes mobiler Telematik gemeinsam bewertet werden. Die trennscharfe Abgrenzung der Verantwortung des Technologieeinsatzes stellt dabei eine Gemeinschaftsaufgabe der Akteure dar, die sich nicht auf die formalisierten Anforderungen einer zu erbringenden Leistung durch den Transportdienstleister beschränken darf. Beispielhafte Fragen zur Unterstützung einer Analyse, die sich die Akteure stellen sollten, sind:

  • Welche individuellen Kundenanforderungen und versicherungsseitigen Vorteile werden mit dem Einsatz mobiler Telematik adressiert?

  • Wie hoch sind die Kosten und wie können diese gemeinschaftlich aufgeteilt werden?

  • Kann die Technologie in den operativen Betriebsablauf einzelner Use Cases und die damit verbundenen Organisationsstrukturen problemlos integriert werden?

  • Welche Chancen ergeben sich durch die neu gewonnenen gütertransportbasierten Daten, um Dienste zu definieren, die gemeinsame Mehrwerte bieten?

  • In welcher Weise ist der Datenschutzaspekt zu berücksichtigen und welche Rolle spielt eine Cybersecurity?

Letztlich muss der Telematikeinsatz für die Akteure mit der Möglichkeit verbunden sein, ein individuelles Problem zu lösen. Transportdienstleister müssen ihrerseits die Technologie stärker als Enabler positionieren und eine Co-Creation moderieren, um sowohl den Kunden als auch den Versicherungen die Vorteile einer gemeinsamen Nutzung zu verdeutlichen, damit nachhaltige und resiliente Transportketten entstehen.

5.2 Schritt 2: Infrastrukturrahmen für Plattform-Ökosysteme festlegen

Plattform-Ökosysteme entstehen in Zusammenarbeit mit Plattformbetreibern, die eine Cloud-Infrastruktur sowie mögliche Edge Device Komponenten für die Entstehung eines Interaktionsraumes, bestehend aus Dienstleistungsanbietern und Dienstleistungskonsumenten, bereitstellen. In dem präsentierten Konzept FSPEs wird die Rolle des Betreibers einschließlich einer Governance und der Edge Devices nicht näher betrachtet. In dieser Hinsicht müssen die Akteure festlegen, welche (dezentralen) Infrastrukturen für die Gestaltung des plattformbasierten Interaktionsraumes genutzt werden sollen. Im Beispiel von Mecomo stellt der Telematikanbieter seinen „Kunden“ – Transportdienstleister, Verlader und Empfänger – eine Cloud-Infrastruktur bereit, die potenziell auch von weiteren Akteuren genutzt werden kann. Daher müssen sich die Akteure darin einig werden, ob bestehende Ressourcen übergreifend genutzt werden können oder gesondert bereitgestellt werden müssen. Die zugrundeliegende strategische „make or join“ Entscheidung sollte zwischen den Akteuren gemeinsam vor dem Hintergrund der einzelnen Nutzenpotenziale evaluiert und getroffen werden. Neben der Feststellung bereits bestehender Telematiksysteme, die von Transportdienstleistern eingesetzt werden, kann die Durchführung von Marktanalysen mit Blick auf die Datenschutzanforderungen sinnvoll sein, um den technologischen State-of-the-Art zu berücksichtigen.

5.3 Schritt 3: Digitale Dienste im Interaktionsraum gemeinsam gestalten

Anschließend gilt es, den gemeinsamen Interaktionsraum zu gestalten. Dafür kann das Spektrum der datenbasierten Funktionen aus den bestehenden Telematik- und Flottenmanagementsystemen als Einstieg genutzt werden. Ausgehend von der Value Proposition des Transportdienstleisters kann der Lösungsraum durch individuelle Use Cases der Kunden und der Versicherungsunternehmen erweitert werden, die zu neuen datenbasierten Diensten und Funktionen führen können. Im Kern der Betrachtungen stehen dabei die Dienstleistungsbereiche für Co-Creation Interactions telematikgestützter TLT in Plattform-Ökosystemen. Es wird ein iterativer Ansatz empfohlen, damit die Akteure schrittweise an die Funktionen durch den Einsatz bestehender oder neuer Telematik herangeführt werden, die eine Interaktionsfähigkeit mit Blick auf die generierten Echtzeitdaten (z. B. GPS-Positionen), automatisierten Benachrichtigungen (z. B. ETA) und Datenanalysen (z. B. Auswertungen) realisieren. Die Betrachtung der Werte durch die Daten kann sich dabei an dem präsentierten Value in Interaction Modell orientieren. Ein für die Akteure relevanter Datendienst muss abschließend im plattformbasierten Frontend den Akteuren in Form einer Anwendung bereitgestellt werden. Transportdienstleister können ihre Position als Intermediär für datenbasierte Dienste in Plattform-Ökosystemen nutzen, um die neuen Funktionen mithilfe eines bestehenden Telematikanbieters umzusetzen oder durch den strategischen Aufbau eigener IT-Kernkompetenzen in die Rolle eines „digital service providers“ zu gelangen.

5.4 Schritt 4: Gemeinsame Co-Creation systematisch entwickeln

Die Telematik tritt als Enabler-Technologie in Erscheinung und ermöglicht die Bereitstellung akteursübergreifender und nutzenstiftender Funktionen für eine gemeinsame Wertschöpfung in datengetriebenen Transportketten. Eine Value Co-Creation basiert somit auf der technologischen Leistungsfähigkeit der Telematik und dem Verständnis prozessorientierter Datendienste. Mit der Betrachtung der spezifischen Funktionsbereiche in Gütertransportsystemen, die übergeordnet dem Transport‑, Flotten und Risikomanagement zugeordnet werden, bieten die formulierten Dienstleistungsansätze einen Einstieg für gemeinsame Wertschöpfungen in FSPEs. Durch die Veränderung der Technologien und des Rahmens für Plattform-Ökosysteme können mit der Zeit die Co-Creation Perspektiven um weitere Anwendungsfelder erweitert werden. Dieses Ziel erfordert die Unterstützung der einzelnen Akteure und die systematische Erschließung neuer Co-Creation Potenziale. Daher ist es sinnvoll, ein regelmäßiges Technologie-Scouting zwischen den Akteuren zu etablieren, damit Plattform-Ökosysteme im Hinblick auf die technologiebasierten Funktionen und die Ökosystem-Teilnehmer überprüft und angepasst werden können. Die Entwicklung der gemeinsamen Co-Creation beschränkt sich nicht auf die funktionalen Aspekte des plattformbasierten Interaktionsraumes, sondern berücksichtigt zudem die Einbindung weiterer Akteure. Dadurch kann der Ausbau gesetzlicher Änderungen konsequent vorangetrieben werden (z. B. eFTI). Damit verbunden ist die Erschließung neuer Perspektiven für die Erhöhung der Rechtssicherheit und Servicequalität bei gleichzeitiger Senkung von Transportrisiken in digitalen Ökosystemen.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Die digitale Transformation des Gütertransports wird durch den fahrzeugorientierten Einsatz von Telematik für einen effizienten Informationsaustausch und datenbasierte Dienstleistungsangebote akteursübergreifend vorangetrieben. Im Kern steht dabei das Management der Prozesse und Tätigkeiten in plattformbasierten Interaktionsräumen, die eine gemeinsame Wertschöpfung (Co-Creation) in den Leistungsdimensionen des Transport‑, Flotten- und Risikomanagements ermöglichen. Ausgehend von dieser Situation wurde in diesem Beitrag das Konzept Freight Service Plattform Ecosystems (FSPEs) auf Basis des Einsatzes mobiler Telematik für TLT und relevanter Informationsdienste für datenbasierte Co-Creation Interactions vorgestellt. Das Konzept ist von hoher Bedeutung, da die Komplexität und Sensitivität intermodaler Gütertransportsysteme eine höhere Granularität des Technologiepotenzials der Telematik erfordert. Dadurch können datenbasierte Kollaborationseffekte entstehen, die eine Entwicklung intelligenter Gütertransportsysteme mit Blick auf den Zustand der Güter, die Integrität auftragsorientierter Prozesse und die eingesetzten Ressourcen optimal und automatisiert unterstützen. Mit den intelligenten Fähigkeiten, die auf telematikgestützte TLT durch die beschriebenen Merkmale zutreffen, wurde ein Plattformkern gestaltet, der durch die Integration weiterer Datenquellen eine „freight service intelligence“ realisiert. Darauf aufbauend konnte mit der erstmaligen Konzeption von FSPEs auf Grundlage einer explorativen Studie gezeigt werden, dass ein Interaktionspotenzial der Akteure für eine Co-Creation in den Funktionsbereichen (1) Leistungsbewertung, (2) Anomalieerkennung, (3) Risikobewertung, (4) Kommunikation und (5) dokumentenbasierter Informationsaustausch existiert. Die erweiterten Betrachtungen der Werte konnte darüber hinaus anhand des Value in Interaction Modells aus Sicht der Transportdienstleister mit den Kunden und Versicherungen erläutert werden.

Die zunehmende Entwicklung von Plattform-Ökosystemen und „freight technologies“ wird in der Transportlogistikwirtschaft zukünftig durch den Trend der Plattformisierung und dem Aufbau dezentraler Dateninfrastrukturen zu erheblichen Veränderungen führen. Isolierte Transportmärkte werden stärker vernetzt und in die bestehenden Prozessstrukturen integriert. Cloud-Computing und IoT bieten in der Folge neben den plattformökonomischen Wirkungen die Möglichkeit, die gemeinsame Zusammenarbeit durch die Gestaltung interaktionsbasierter Informationsdienste wertschöpfend zu fokussieren. Das vorgestellte Konzept FSPEs (vgl. Abb. 2) und die positiven Wertbetrachtungen für interaktionsbasierte Wertschöpfungen (vgl. Abb. 3) können von den Akteuren in intermodalen Transportketten als Blaupause genutzt werden, um die Entwicklung von Plattform-Ökosystemen für eine notwendige Value Co-Creation durch den Telematikeinsatz aktiv und selbstbestimmt voranzutreiben. In einer nächsten Phase planen die Autoren mit weiteren Akteuren die Validierung des theoretischen Konzepts für gemeinsam genutzte Datendienste. Danach soll eine protoypische Umsetzung und Test im operativen Realbetrieb erfolgen. Daran schließen sich weitere Untersuchungen, wie die Konzeption interaktionsbasierter Geschäftsmodelle durch Telematik, an.

Entscheidend für den Erfolg dieser Bestrebungen wird die Herangehensweise an die Umsetzung des Konzepts sein. Diese beinhalten verschiedene Aspekte, die sich insbesondere auf die Rolle des Plattformbetreibers und der Governance beziehen. Beide Punkte hängen von der Bereitschaft in der Praxis ab, Transparenz erzeugen zu wollen und Daten bewusst zu teilen. Die Autoren liefern mit diesem Beitrag wichtige Impulse, welche die Bedeutung einer gemeinsamen Wertschöpfung durch den Telematikeinsatz ergänzend zur traditionellen Transportdienstleistung herausstellen. Die Entstehung intelligenter und vernetzter Plattform-Ökosysteme ist für die Transportlogistik ein wichtiger Schritt, damit zukünftig nachhaltige, resiliente und effiziente Transportketten normativ entstehen, die gleichzeitig eine gemeinsame Wertschöpfung durch datenbasierte Dienste transparent und partnerschaftlich erzeugen. Damit verbunden ist die Aussicht auf eine faire Verteilung der marktseitigen Kräfte und die Stärkung der Positionen kleiner und mittelständischer Transportdienstleister im technologieintensiven und datengetriebenen Wettbewerb.