1 Einleitung

Was denken die Deutschen über die technische Entwicklung „smarter Systeme“ und künstlicher Intelligenz? Während sich in den 1980er und 90er Jahren eine ganze Reihe empirischer Studien mit der öffentlichen Meinung gegenüber technischen Innovationen und technischem Wandel in der Bundesrepublik befassten (beispielhaft Jaufmann und Kistler 1988; Hennen 1994, 1997, 2002), fehlen seit der Jahrtausendwende wissenschaftliche Studien dazu fast vollständig. Technikbezogene Einstellungen werden allenfalls in Eurobarometer-Studien erfasst, bei denen die EU-Kommission über die Themen entscheidet, oder von Studien, die von Stakeholdern in Auftrag gegeben werden. Vor diesem Hintergrund wurde das TechnikRadarFootnote 1 ins Leben gerufen, um wissenschaftlich belastbare Erkenntnisse über die Haltung der deutschen Bevölkerung gegenüber innovativen Technologien zu erhalten. Im Rahmen einer jährlichen Analyse können mit diesem Instrument fundierte Impulse für die öffentliche Debatte um den Stellenwert, die Gestaltung und die Regulierung technischer Innovationen gegeben werden. Die Befunde dienen auch als Frühwarnsystem, um mögliche Fehlentwicklungen des technologischen Wandels zu vermeiden, notwendige flankierende Maßnahmen zu identifizieren und bspw. die betriebliche Praxis auf Kommunikations- und Qualifikationsbedarfe vorzubereiten.

Der Fokus liegt dabei in einem Verständnis von Technik als soziotechnischem System: Diese Perspektive beschränkt Technik nicht auf materielle Artefakte, sondern nimmt auch die Regeln und Normen ihrer Anwendung sowie die Folgen mit in den Blick. Auf diese Weise wird über einzelne Technikcharakteristika hinaus die gesellschaftliche und betriebliche Einbettung zur Grundlage der Technikbewertung.

Das methodische Design beruht auf turnusmäßig durchgeführten repräsentativen Erhebungen zu Technikeinstellungen der deutschen Wohnbevölkerung mit wechselnden Schwerpunkthemen. Datengrundlage für das TechnikRadar 2018 ist eine telefonische Befragung zufällig ausgewählter deutschsprachiger Personen ab 16 Jahren.Footnote 2 Für die Erhebungen werden auf die jeweiligen Schwerpunkte ausgerichtete Fragebögen konstruiert, die zudem sich wiederholende Fragen für Zeitreihenanalysen enthalten. In den Erhebungsinstrumenten werden die Wahrnehmung von Chancen und Risiken in Bezug auf mögliche Anwendungsfelder sowie das Vertrauen in Akteure bzw. Institutionen erfasst, die an der Regulierung und Kontrolle von Technik und ihrer Anwendung beteiligt sind. Denn institutionelle Verantwortlichkeit, Glaubwürdigkeit und Performanz haben sich empirisch als wichtige Prädiktoren für die Akzeptabilität von Technik erwiesen (Hampel und Zwick 2016, S. 35). Erweitert werden die Repräsentativbefragungen durch qualitative Forschung anhand von Fokusgruppen und Medienanalysen sowie durch vergleichende Analysen mit internationalen Studien, die vertiefende Interpretationen der Daten ermöglichen.

Mit dem TechnikRadar aus den Jahren 2018 und 2019 liegen zwei Studien vor, die sich mit der Wahrnehmung von Technik im Allgemeinen und mit Einstellungen zum Thema Digitalisierung im Besonderen beschäftigen. Während das TechnikRadar 2018 die Wahrnehmung der bundesdeutschen Bevölkerung in den Blick nimmt, betrachtet das TechnikRadar 2019 die Befunde im internationalen Kontext. Zudem befasst sich das TechnikRadar 2019 auf der Grundlage qualitativer Analysen mit der Frage, welche besondere Rolle Alter und Geschlecht in den Einstellungen gegenüber Digitalisierung und Anwendungen künstlicher Intelligenz spielen. Die Schwerpunktthemen Digitalisierung und Automatisierung werden über die Anwendungsbeispiele Smart Home, autonomes Fahren und Pflegerobotik sowie Digitalisierung von Infrastrukturen erfasst.

Im Folgenden stellen die AutorInnen ausgewählte Befunde ihrer Forschung aus diesen beiden Studien zum Thema Digitalisierung vor.

2 Einstellungen der Deutschen zu Digitalisierung und Automatisierung: Ein Spagat zwischen Zwang und Komfort

Auch wenn grundsätzlich nicht von homogenen Technikeinstellungen ausgegangen werden kann, sondern diese im Kontext der jeweiligen Anwendung zu betrachten sind, erscheinen allgemeine Haltungen gegenüber Technik – wir sprechen in diesem Zusammenhang von „Technophilie“ – dennoch als wichtige Indikatoren für die Beurteilung von Technik und die Bereitschaft, sie zu nutzen (acatech und Körber-Stiftung 2018, S. 14). Konkret handelt es sich darum, inwieweit der Stimulus „Technik“ mit Interesse, Informiertheit und positiven Emotionen assoziiert ist. Im TechnikRadar erweisen sich viele Deutsche als technikaufgeschlossen: 54,0 % halten sich für (eher) technikinteressiert, 41,9 % für (eher) technikinformiert und sogar 56,5 % für (eher) technikbegeistert (acatech und Körber-Stiftung 2018, S. 71 f.). Von der vielfach beschworenen Ablehnung von Technik in Deutschland kann daher keine Rede sein. Dass der Anteil derjenigen, die von Technik begeistert sind, größer ist als der Anteil derjenigen, die an Technik interessiert sind oder sich gut informiert fühlen, lässt darauf schließen, dass hier Technik vor allem aus der Nutzerperspektive beurteilt wird.

Dieser prinzipiellen Technikaufgeschlossenheit stehen jedoch Ambivalenz und Skepsis gegenüber, wenn es spezieller um die Beurteilung des technischen Fortschritts geht (vgl. Abb. 1). In der Wahrnehmung des technischen Wandels dominiert bei 89,4 % der Befragten, die dem Statement „Den technischen Fortschritt kann niemand aufhalten“ voll und ganz oder eher zustimmen, eine technikdeterministische Sicht, in der Anpassungs- und Gestaltungsmöglichkeiten geringgeschätzt werden (Grunwald 2018, S. 154). Neben dieser Wahrnehmung eines unaufhaltsamen Wandels, der sie gleichsam zu überrollen droht, erwartet das Gros der Befragten (60,2 %) mit der Weiterentwicklung von Technik auch eine Zunahme von Zwängen, die auf die NutzerInnen einwirken. Zugleich werden technische Potentiale zur Lösung von Problemen eher in Frage gestellt: Ein starkes Drittel der Befragten (35,5 %) sieht Technik eher als Problemursache denn als Problemlösung, immerhin 39,6 % sind in dieser Frage unentschieden. Für die zentralen Herausforderungen der Menschheit wie Hunger, Armut und Klimawandel lässt sich eine noch stärkere ambivalente Haltung (40,4 %) feststellen. Nur ein knappes Drittel (32,9 %) glaubt hier an eine Problemlösung durch Technik, auf der anderen Seite erwartet knapp die Hälfte der Befragten (49,9 %) von technischen Entwicklungen eine zunehmende Lebensqualität. Diesen ambivalenten Einstellungen entsprechend überrascht es wenig, dass auch die Frage, ob dem technischen Fortschritt Grenzen gesetzt werden dürfen, sehr uneinheitlich beantwortet wird.

Abb. 1
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Einstellungen der Befragten zum technischen Wandel im Allgemeinen (Auswahl aus acatech und Körber-Stiftung 2018, S. 15)

Gegenüber der Digitalisierung, zeigen die Ergebnisse gleichfalls ein eher geteiltes Bild (acatech und Körber-Stiftung 2018, S. 28 ff.): Die Einstellungen werden einerseits von positiven Erwartungen bestimmt, andererseits aber auch durch die Erwartung negativer Folgen, wobei Befürchtungen und positive Erwartungen quantitativ in etwa ausgewogen erscheinen (vgl. Abb. 2).

Abb. 2
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Bewertung der Digitalisierung im Allgemeinen (acatech und Körber-Stiftung 2018, S. 29)

Positiv bewerten die Deutschen das Thema Digitalisierung insbesondere im Hinblick auf den Komfortgewinn für das eigene Leben (54,5 %) sowie mögliche Verbesserungen im Bildungssystem (45,0 %). Mit Besorgnis betrachten die Befragten hingegen mehrheitlich die Störanfälligkeit von Infrastrukturen durch Cyberkriminalität, Ausfall oder Manipulation sowie den möglichen Kontrollverlust über die eigenen Daten. Fast zwei Drittel der Befragten (61,6 %) befürchten eine erhöhte Vulnerabilität von Infrastrukturen, bspw. der Energieversorgung oder von Krankenhäusern, als Folge ihrer digitalen Steuerung. Als besonders sensibel erweisen sich die Deutschen in punkto Datensicherheit. Fast zwei Drittel der Befragten sorgen sich, dass sie durch die Digitalisierung die Kontrolle über die eigenen Daten verlieren (60,6 %). Anders als es das weit verbreitete, von der empirischen Forschung aber widerlegte Bild nahelegt, dass Technikskepsis Folge unzureichenden Wissens sei, zeigt sich Besorgnis hinsichtlich der Datensicherheit insbesondere bei jüngeren Befragten und bei besser Gebildeten, bei Personen mit einer technisch-naturwissenschaftlichen Ausbildung und bei Befragten, die sich in der Gesellschaft oberhalb der Mittelschicht einordnen. Befürchtungen über die Zunahme von Arbeitslosigkeit als eines der dominierenden Themen der Digitalisierungsdiskussion der 1970er Jahre (vgl. Lutz 1986; Martin 1995) lassen sich aus den Ergebnissen des TechnikRadar 2018 in diesem Ausmaß nicht mehr bestätigen. Dass Digitalisierung zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit führe, befürchtet aber immerhin fast die Hälfte der Befragten (47,2 %).

3 Die Wahrnehmung des digitalen Wandels im europäischen Vergleich – individuelle Kompetenzeinschätzung und Vertrauenswürdigkeit der Akteure

Im TechnikRadar 2019 werden die Befunde in Bezug zu internationalen Studien gesetzt, die sich mit der Wahrnehmung von Folgen der Digitalisierung in den europäischen Ländern sowie in den USA, Indien und China beschäftigen.Footnote 3 Auch wenn sich diese Studien in Zielsetzungen und methodischem Design teilweise erheblich vom TechnikRadar unterscheiden – allenfalls das Eurobarometer liefert methodisch vergleichbar solide Ergebnisse (acatech und Körber-Stiftung 2019, S. 10 ff.) –, enthalten sie dennoch Vergleichswerte und ermöglichen, die Einstellungen der deutschen Bevölkerung im europäischen Kontext einzuordnen. Sie ergänzen zudem die Ergebnisse des TechnikRadar 2018 um weitere Interpretationsmöglichkeiten.

Der internationale Vergleich zeigt erhebliche Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung der Digitalisierung in den europäischen und außereuropäischen Ländern. Ob die Bevölkerung der untersuchten Länder der Digitalisierung aufgeschlossen oder mit Skepsis gegenübersteht, beruht, wie die Eurobarometerdaten zeigen, im Wesentlichen auf zwei Urteilen (acatech und Körber-Stiftung 2019, S. 26): zum einen auf der wahrgenommenen, subjektiven digitalen Kompetenz und zum anderen auf dem Vertrauen in die zuständigen Entscheidungsträger. In den Ländern, in denen Digitalisierung als individuell kontrollierbarer Prozess erlebt wird, für den sich die Menschen kompetent fühlen, zeigt sich im Allgemeinen eine besonders hohe Zustimmung zur Digitalisierung. Ausgeprägt ist die Zustimmung zur Digitalisierung aber auch in Ländern, in denen die Bevölkerung Vertrauen in die verantwortlichen Akteure und Institutionen aus Industrie, Politik, Wirtschaft und Verbände besitzt, in denen die Digitalisierung also als gesellschaftlich kontrollierter Prozess wahrgenommen wird. Während in allen Ländern der Nutzen von Digitalisierung und Automatisierung vor allem für die Wirtschaft erwartet wird, versprechen sich in diesen Ländern die Befragten auch deutlich stärker positive Einflüsse für die Gesellschaft insgesamt und für ihre eigene Lebensqualität. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie daher einer Einführung digitaler Technologien in Unternehmen aufgeschlossener gegenüberstehen und eher an entsprechenden Qualifikationen interessiert sind.

Bezüglich beider Fragen finden sich die deutschen Befragten in der europäischen Mitte zwischen den skandinavischen und den südeuropäischen Ländern wieder (acatech und Körber-Stiftung 2019, S. 13; Datenbasis: European Commission 2017, S. 22): Sie stehen Digitalisierung und Automatisierung also weniger positiv gegenüber als bspw. Norweger, Niederländer oder Schweden, aber vertrauensvoller als Italiener, Franzosen oder Ungarn. In ihrem Vertrauen in die eigene digitale Kompetenz unterscheiden sich die Deutschen (73 %) nur geringfügig vom europäischen Mittel (71 %). Demgegenüber sprechen sich die Skandinavier und Niederländer eine deutlich höhere digitale Kompetenz zu (Niederlande 90 %, Schweden 89 %, Dänemark 88 %).

Wen halten die Menschen für verantwortlich, um sicherzustellen, dass die neuen technischen Möglichkeiten für die Gesellschaft mit mehr Chancen als Risiken einhergehen? Als mögliche Akteure firmieren in Umfragen Regierungen, Wirtschaftsunternehmen, Konsumenten, unabhängige Verbraucherverbände, NGOs und Social-Media-Provider. Auch hier kommt es in den verschiedenen europäischen Ländern zu sehr unterschiedlichen Urteilen (acatech und Körber-Stiftung 2019, S. 25; Datenbasis: Vodafone Institute 2018b): In Schweden wird diese Aufgabe am ehesten der Regierung zugesprochen (29 %), gefolgt von Technologie- und Social-Media-Unternehmen (22,1 %). Eine ähnlich hohe Regierungsverantwortung sehen die Briten (26 %). In den anderen Ländern schwanken die Anteile um 20 %. Die Deutschen verorten die Verantwortlichkeit am ehesten bei Verbrauchern (27 %), gefolgt von Verbraucherverbänden (26 %) und Nichtregierungsorganisationen (17 %) (acatech und Körber-Stiftung 2019, S. 25; Datenbasis: Vodafone Institute 2018b). Was die Frage der Vertrauenswürdigkeit der Akteure angeht, um sicherzustellen, dass neue Technologien die Gesellschaft verbessern, stehen in Deutschland Verbraucherverbände (36 %) und Verbraucher (26 %) an der Spitze, während die Regierung (9 %), NGOs (8 %) und Social-Media-Unternehmen (3 %) nur geringes Vertrauen genießen. In Schweden dagegen ist das Vertrauen in die Regierung (26 %) am höchsten, gefolgt von unabhängigen Verbraucherverbänden (21 %).

4 Anwendungsfelder digitaler Technologien: Autonomes Fahren und Pflegerobotik im europäischen Vergleich

Richtet man den Blick auf die im TechnikRadar 2018 untersuchten digitalen Technologien sorgen sich die Befragten am stärksten um Datenkontrolle und haben Zweifel an der Sicherheit vernetzter Systeme bspw. gegenüber Angriffen aus dem Internet. Dies gilt insbesondere für die Anwendungsbereiche Smart Home und das vollautomatisierte Fahren (acatech und Körber-Stiftung 2018, S. 41; 33; Hampel et al. 2018).

Auch das Eurobarometer (European Commission 2017) beschäftigt sich mit Einstellungen zum autonomen Fahren und zu Pflegerobotik und ermöglicht einen Vergleich mit den Ergebnissen des TechnikRadar 2018.Footnote 4

In beiden Studien nehmen die Deutschen zu den Versprechungen des vollautonomen Fahrens eine vergleichsweise skeptische Haltung ein. Im TechnikRadar 2018 werden das Erfassen persönlicher Daten (65,2 %) und Computerpannen, die ein Verkehrschaos auslösen könnten (65,9 %), als besonders problematisch gesehen. Ein vermindertes Unfallaufkommen erwartet nur gut ein Drittel (37,3 %), 40 % der Befragten nehmen diesbezüglich eine ambivalente Haltung ein. Als eine Art Bilanzurteil offenbart das TechnikRadar 2018, dass nur eine Minderheit von AutofahrerInnen (16,2 %) die Verantwortung an ein solches Fahrzeug abgeben möchte. Knapp die Hälfte der Befragten lehnt dies voll und ganz ab (47,1 %).

Auch in anderen europäischen Ländern wird das autonome Fahren überwiegend kritisch gesehen (vgl. Abb. 3). Die Mehrheit der EuropäerInnen (58 %) beurteilt das Fahren in einem autonomen Fahrzeug als unangenehm; Deutschland liegt mit 62 % über dem europäischen Durchschnitt. In den Niederlanden (43 %) und in Skandinavien (Schweden und Dänemark jeweils 49 %) ist die Ablehnung deutlich geringer ausgeprägt (acatech und Körber-Stiftung 2019, S. 22 ff.; Datenbasis: European Commission 2017, S. 166).

Abb. 3
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Einstellungen zu autonomem Fahren (acatech und Körber-Stiftung 2019, S. 23; Datenbasis: Auswahl aus European Commission 2017, S. 166)

Beim Thema Pflegerobotik lassen sich die Ergebnisse des TechnikRadar ebenfalls mit den Daten des Eurobarometer vergleichen, wenn auch im europäischen Kontext zugleich nach Robotern gefragt wird, die im Fall von Krankheit oder Alter sowohl Dienstleistungen erbringen (service robots) als auch zur Unterhaltung dienen (emotional robots bzw. artificial companions).

Die Ergebnisse des TechnikRadar 2018 unterstreichen, in welcher Weise die Beurteilung und Akzeptabilität von Pflegerobotern von deren gesellschaftlicher Einbettung abhängt, einschließlich den antizipierten gesellschaftlichen Folgen im Sinne eines soziotechnischen Systems (acatech und Körber-Stiftung 2018, S. 50 ff.; Zwick und Hampel 2019). Die abgefragten Szenarien des Einsatzes von Pflegerobotik lassen auf ein sehr differenziertes Bild in der deutschen Öffentlichkeit schließen: 80,8 % der Befragten befürchten durch den Einsatz von Pflegerobotern den Ersatz von Pflegekräften und eine Abnahme an menschlicher Zuwendung. Führt der Einsatz von Pflegerobotik hingegen zur Entlastung des Pflegepersonals mit der Chance, sich den Pflegebedürftigen umso intensiver zuwenden zu können, stimmen mehr als die Hälfte (59,8 %) ihrem Einsatz zu. Eine grundsätzliche Akzeptanz von Pflegerobotik ist bei 40,3 % der Befragten zu verzeichnen, eine grundsätzliche Ablehnung bei knapp einem Drittel (31,9 %), ein weiteres knappes Drittel (27,9 %) ist in dieser Frage ambivalent.

Auf europäischer Ebene überwiegt die Ablehnung der Pflegerobotik (acatech und Körber-Stiftung 2019, S. 18ff.; Datenbasis: European Commission 2017, S. 163f.): Die Unterstützung eines Roboters bei Dienstleistungen und Unterhaltung im Fall von Alter oder Krankheit findet eine Mehrheit der EuropäerInnen (51 %) unangenehm. Deutschland liegt mit der Einschätzung, Roboter seien ihnen für solche Aufgaben unangenehm, etwas unter dem europäischen Durchschnitt (47 %). Insbesondere in den Mittelmeerländern zeigt sich eine besonders starke Ablehnung gegenüber dem Einsatz von Pflegerobotern (Griechenland 76 %, Portugal 71 %, Spanien 62 %, Italien 56 %).

Bezieht man in der Einschätzung digitaler Technologien die soziodemographischen Daten mit ein, zeigen sich jeweils die gleichen soziodemographischen Unterschiede beim autonomen Fahren wie auch bei der Pflegerobotik: Männer und Frauen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Erwartungen an digitale Technologien. Männer zeigen sich neuen Technologien gegenüber aufgeschlossener als Frauen und Jüngere sind grundsätzlich technikaffiner als Ältere (acatech und Körber-Stiftung 2019, S. 24). Eine vertiefende Analyse alters- und geschlechtsabhängiger Unterschiede haben wir für das TechnikRadar 2019 vorgenommen.

5 Technikwahrnehmung nach Alter und Geschlecht: internalisierte Sozialtechnik versus optionaler Gebrauch

Aus den vertieften Untersuchungen geht hervor, dass es bezüglich der Wahrnehmung und Bewertung digitaler Geräte und Dienste bemerkenswerte alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Auffällig ist insbesondere, dass sich in jüngeren Alterskohorten allenfalls geringfügige Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen, die mit zunehmendem Alter ansteigen. Für das TechnikRadar 2019 wurden diese Befunde anhand einer quantitativen Tiefenanalyse und mittels Fokusgruppen genauer analysiert (acatech und Körber-Stiftung 2019, S. 28–57).

In den Gruppendiskussionen erwiesen sich junge Frauen und Männer als „digital natives“: Ihre gleichermaßen hohe digitale Kompetenz erscheint als Folge eines häufigen, ungezwungenen und intuitiven Umgangs mit digitalen Endgeräten und Diensten. Der Einstieg in digitale Technik und Dienstleistungen erfolgt zumeist bereits im früheren Lebensalter, teilweise auch durch Schule und Studium veranlasst. Die mit digitaler Technik assoziierten Effizienzgewinne stehen deutlich im Vordergrund und lassen die Risiken als unvermeidlich und hinnehmbar erscheinen.

Die ablehnendere Haltung älterer Personen scheint dagegen vor allem auf fehlendem institutionellen Druck des beruflichen Umfeldes nach der Verrentung zu beruhen sowie auf nachlassendem Zeit- und Rationalisierungsdruck. Im Ruhestand gestaltet sich die Nutzung von digitaler Informationstechnik fakultativ. Ältere Befragte erweisen sich außerdem deutlich sensibler gegenüber Sicherheitsrisiken und weniger kompetent im Umgang mit diesen Risiken sowie Hard- und Softwareproblemen. Ältere fühlen sich bei Problemen mit digitalen Technologien von Dritten abhängig und ziehen auch deshalb eher eine negative Nutzen-Risiken-Bilanz.

6 Fazit

Digitalisierung und Automatisierung werden in der deutschen Bevölkerung als janusköpfig wahrgenommen. Teils werden Komfortgewinne erwartet, denen jedoch Risiken gegenüberstehen, die sich vor allem auf die wahrgenommene Störanfälligkeit, aber auch auf die Gefährdung individueller Autonomie beziehen. Dieser Befund gilt, wie die Daten von Eurobarometer-Studien zeigen, für alle europäischen Staaten, wenngleich zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede bestehen. Deutschland ist, anders als von vielen behauptet wird, kein Ausreißer, der sich durch eine besondere Technikdistanz auszeichnet, sondern nimmt hinsichtlich der Einstellungen gegenüber Digitalisierung im europäischen Vergleich eine Mittelposition ein. Deutlich positiver als in Deutschland wird die Digitalisierung in Skandinavien und den Niederlanden wahrgenommen, während die Digitalisierung in den Mittelmeerländern deutlich kritischer beurteilt wird.

Vor allem zwei Eigenschaften sind es, die mit den Unterschieden zwischen Ländern mit einer positiven Einschätzung und solchen mit einer kritisch-distanzierten Haltung gegenüber der Digitalisierung in Verbindung gebracht werden können. Beide Eigenschaften beziehen sich auf die wahrgenommenen Möglichkeiten, Digitalisierungsprozesse kontrollieren zu können: Auf der individuellen Ebene hinsichtlich der wahrgenommenen Kompetenz und auf der kollektiven Ebene in Bezug auf das Vertrauen, das den Verantwortlichen in Digitalisierungsprozessen entgegengebracht wird. Wird Digitalisierung als ein Prozess wahrgenommen, der als kontrollier- und beherrschbar erfahren wird, finden wir eine hohe Zustimmung. Ob die Digitalisierung als kontrollierbar wahrgenommen wird, resultiert auf der individuellen Ebene vor allem daraus, ob die Nutzung, bspw. des Internets oder von Smart-Home-Anwendungen, keine anderen als die intendierten Auswirkungen hat, und auf der kollektiven Ebene daraus, ob darauf vertraut wird, dass digitale Technologien institutionell erwartungskonform reguliert und kontrolliert werden.

Im öffentlichen Diskurs wird häufig auf die Unterschiede verwiesen zwischen jüngeren Altersgruppen, die mit Computern und Internet aufgewachsen sind, und älteren, eher skeptischen, Jahrgängen, die erst später in ihrer Biographie erstmals mit Computern und Digitalisierung konfrontiert wurden. Erstere seien der Digitalisierung gegenüber positiver eingestellt als ältere Jahrgänge. In der Tat zeigen die Untersuchungen, dass vor allem ältere Frauen die Digitalisierung negativer beurteilen als Jüngere. Der Zeitvergleich, für den weitere Datenquellen zur Untersuchung der Technikwahrnehmung im Zeitverlauf herangezogen wurden, verdeutlicht allerdings, dass es sich hierbei weniger um Kohorteneffekte als um Alters- bzw. Lebenszykluseffekte handelt. Vor allem mit dem Eintreten in den Ruhestand nimmt – insbesondere für Frauen – der Zwang ab, sich aktiv mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen. In den letzten zwanzig Jahren sind die Unterschiede zwischen den Altersgruppen aber kleiner geworden.

Insgesamt belegen die Analysen, dass die Einstellungen zur Digitalisierung in erheblichem Maße kontext- und anwendungsabhängig sind. Dass die Bewertung der Digitalisierung hingegen als Folge einer allgemeinen Aufgeschlossenheit gegenüber Technik zu betrachten ist, kann ausgeschlossen werden. Die Bevölkerung der skandinavischen Länder, die sich bei der Digitalisierung als besonders aufgeschlossen erweist, zeigt sich gegenüber anderen Technologien (etwa der Gentechnik) durchaus reserviert. Grosso modo hängt die positive Bewertung digitaler Möglichkeiten nach unseren Analysen davon ab, ob die Digitalisierung für und mit den Menschen gestaltet oder aber über ihre Köpfe hinweg eingeführt und durchgesetzt wird.

Für das Unternehmensmanagement lässt sich aus den vorgestellten Ergebnissen ableiten, dass auch in den Betrieben die Einschätzung der Akzeptabilität des Einsatzes von digitalen und automatisierten Produkten und Arbeitsinstrumenten eine positive Wahrnehmung der eigenen Kompetenz im Umgang mit diesen Technologien voraussetzt. MitarbeiterInnen und KundInnen dürfen sich im Umgang mit Sicherheitsrisiken, digitalen Problemen und ihrer Behebung nicht allein gelassen fühlen. Um Vertrauen in Prozesse der Digitalisierung gewinnen zu können, erwarten die Menschen einen zuverlässig gewährleisteten Datenschutz und die selbstbestimmte Kontrolle über die eigenen Daten sowie die Stabilität von IKT-Infrastrukturen und Softwaresystemen.

Sowohl für die Wahrnehmung von Technik insgesamt als auch für die untersuchten Anwendungsfelder der Digitalisierung gilt, dass neben der versprochenen Entlastung auch zunehmende Zwänge, Risiken und Abhängigkeiten befürchtet werden, deren verantwortliches Management nicht nur von Regierung und Verbänden, sondern auch von den Unternehmen erwartet wird.