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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 26.1915

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Jaumann, Anton: Die Blumenmode im Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7711#0365

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INNEN-DEKORATION

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DIE BLUMENMODE IM KUNSTGEWERBE

Eine bescheidene Frage: Müssen es denn immer Blumen
sein? Gibt es kein anderes Ziermotiv mehr für
Stickereien und Schnitzereien, für Tapeten, Teppiche und
Stoffe? Ich habe gar nichts gegen die Blumen als solche,
auch nicht in ihrer kunstgewerblichen Verwendung.
Dankbar und voller Bewunderung sehe ich, wie hoch
unsere Fertigkeit der Blumendarstellung in kurzer Zeit
gestiegen ist, sodaß wir die englischen und französischen
Blumenkünstler heute vollkommen eingeholt haben. Das
mag sogar eine gewisse allgemeine Bedeutung haben. Aber

— man ißt sich an der schönsten Speise endlich satt,
und bekanntlich wurde es selbst dem guten Kalchas zuviel,
als er immer nur Blumen und nichts als Blumen bekam.

Es grünt und blüht in unserem Kunstgewerbe aller-
orten. Die Blume hat die einst so glatten Flächen über-
wuchert und die andern Motive, die doch auch einige
Berechtigung haben, verdrängt. Das moderne Wohn-
zimmer gleicht einem Treibhaus von innen: Es blüht auf
den Tapeten und im Teppich, der Stuck stellt Blumen-
ranken dar, Vorhänge und Möbelbezüge sind mit Blumen-
sträußen bedruckt, auf Kissen, Decken, Lampenschirmen

— Blumen, nichts als Blumen. Das muß einem leid tun,
nicht zuletzt im Interesse der Blumen selbst, deren man,
nach diesem Uberschwang, bald überdrüssig werden wird.

— Ich habe mich gefragt, was denn wohl diese Blumen-

mode heraufbeschworen hat. War es das Eindringen des
fraulichen Elementes ins Kunstgewerbe? Aber gerade
die zeichnenden und stickenden Frauen waren lange Zeit
ganz den abstrakten Linienkünsten ergeben, wie man sich
an den früheren Arbeiten der Brauchitsch, Diestelmann,
Oppler und anderer Größen überzeugen kann. Sie sind
erst der Mode gefolgt. Oder ist die Liebhaberei für die
englischen Druckstoffe und für die bunte Blümelei der
Volkskunst schuld? Sicherlich haben uns diese Vorbilder
angeregt, zumal die glatte Strenge des früheren Stils
unbedingt eine Sehnsucht zur Buntheit auslösen mußte.
Ausschlaggebend waren diese zufälligen Einflüsse aber
sicher nicht. Vielmehr müssen mehrere Ursachen zu-
sammengewirkt haben, um den »Blumenschmuck im Kunst-
gewerbe« zur Mode werden zu lassen. Zu der Sehnsucht
nach der bunten Farbe kam da zweifellos noch die Abkehr
von der abstrakten Form, die sich allgemein gezeigt hat.

Der moderne Stil im Kunstgewerbe war in Anlehnung
an die neueste Malerei entstanden. Die ersten Pfadfinder
waren Maler gewesen. Und wie in der Malerei der
Gegenstand nichts, die Darstellung alles galten, so kam
auch im neuen Kunstgewerbe sehr bald das Prinzip der
reinen Form zu Ehren. Man behandelte die Möbel und
Räume als kubische Gebilde, selbst die Ornamente
durften nichts mehr darstellen, sie waren nichts weiter

ENTWURF ARCHITEKT OTTO INGOLD-BERN. BLICK ZUM OFFENEN KAMIN IM SPEISEZIMMER DES WOHNHAUSES CARD1NAUX-BERN
 
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