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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Heft 6
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Scheffler, Karl: Das Letzte Wort
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0254

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Das letzte Wort

Mit diesem Heft, dem sechsten des zweiunddreißigsten Jahrganges, hört „Kunst und
Künstler" auf, zu erscheinen.

Wir verabschieden uns vom Leser, dankbar für treue Gefolgschaft über die Höhen
und durch die Tiefen von mehr als drei Jahrzehnten; gewiß, das Echte gewollt und
im ganzen das Rechte getroffen zu haben.

Dankbar verabschieden wir uns auch von unsern Mitarbeitern, deren Hilfe die Gesamt-
leistung erst ermöglicht hat.

Uns ist das Glück geworden, für eine Kunst zu kämpfen, die die Zeitgenossen einst
mächtig bewegte, die aber auch den Ewigkeitszug hat. Die Künstler, für die wir ge-
stritten haben, waren die Modernen, die heute Klassiker sind; es waren die Gestalter,
die naiv Ursprünglichen, die stillen Helden der Leistung.

Indem wir das Echte in aller Kunst förderten, waren wir ausgerüstet, treu vor allem der
guten deutschen Kunst zu dienen. 'Wie wir es getan haben, das ist bereits historisch. Wir
wurden deswegen angefeindet, zuerst von den Offiziellen und Majoritäten, dann von Revo-
lutionären ä la mode. Zuerst wurden wir radikal und in der Folge reaktionär gescholten.
Wir waren weder das eine noch das andere: wir erstrebten das Echte — das war alles.
Was immer sich in den letzten drei Jahrzehnten durch inneren Wert in Deutschland
durchgesetzt hat, ist in diesen Blättern ans Licht gezogen worden. Und wo die deutsche
Kunst in die Irre ging, wo Wollen mit Können verwechselt wurde, da hat nie eine
Warnung gefehlt.

Diese systematische Betichtigung konventionell erstarrter oder voreiliger Urteile und der
dauernde Vergleich des Eigenen mit dem Fremden hat bewirkt, daß die Deutschen
sich selbst und ihre Kunst besser erkennen lernten. Ein Menschenalter lang haben wir
mit Erfolg das getan, von dem jetzt wieder behauptet wird, es müsse getan wer< sn.
In diesem letzten Wort an unsere Leser dürfen wir tun, was wir sonst nie taten: wir
dürfen einmal mit Stolz von unserer Arbeit sprechen.

Der Entschluß, der Zeitschrift ihre Haltung zu geben, war bewußt ein Bekenntnis zum
ewig Unpopulären. Wir glauben, daß die Kunst zu jenen Kräften der Nation gehört,
die nicht unmittelbar auf das Ganze zu wirken bestimmt sind, sondern zunächst auf
einen kleinen Kreis und durch diesen erst — in stetig sich erweiternden Bewegungs-
ringen — auf alle. Diese mittelbare soziale Wirkung ist stark und nachwirkend, weil
das Künstlerische seiner Natur nach aristokratisch ist. Darum muß, wer der Kunst selbstlos
dienen will, das Sittengesetz frei leben und auf den Beifall der Menge verzichten können.
Es wäre leicht gewesen, äußere Erfolge zu erzielen, wenn wir uns vom Strom der l'u-
blikumsgunst hätten dahintreiben lassen. Wir haben es vorgezogen, eine Elite von Lesern
um uns zu versammeln und uns an jene Oberschicht zu wenden, die — ohne Ansehn
der Person und des Standes — vom Talent gebildet wird.

Empfindlichkeiten mußten zuweilen verletzt werden, weil Härten unvermeidlich waren;
die Zustimmung aber trat mehr in sachlichen Wirkungen als in lauter Anerkennung zu-
tage. Der beste Lohn war die erregende Spannung, die in jeder produktiven Arbeit
liegt; war Ehrgeiz beteiligt, so war es mehr der der Leistung, als der des Erfolges.
Das letzte Wort, das wir aussprechen, erfüllt von Sorge zwar, doch auch von Ehrfurcht,
Liebe und unerschütterter Zuversicht, es ist das Wort, dem alle Mühe galt:

Die Kunst!

Zweiunddreißigster Jahrgang, sechstes und letztes Heft. Redaktionsschluß im ll. Mai 1933.
Für die Redaktion verantwortlich: Karl Schettler, Berlin. Verlag Kruno Cassirer.
Gedruckt in der Offizin von Fr. Richter G.m.b.H., Leipzig.
 
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