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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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196

Der Cicerone

Heft 6

Während in diesen Städten die moderne Ma-
lerei und Plastik im Vordergründe stehen, be-
ruht die Bedeutung des Gladbacher Museums
auf dem alten Kunstgewerbe. Die Freunde der
Delfter Fayencen seien auf die hervorragenden
Schätze dieser Sammlung an seltenen Erzeug-
nissen der Buntmalerei aufmerksam gemacht.
Bonn. Walter Cohen.

S

STUTTGART ===============-

Die Staatssammlung vaterländischer
Altertümer erwarb im Februar wieder einige
vozügliche Holzskulpturen, nämlidi Inv. Nr. 12886
Pieta, Ende XIV. Jhrdts. aus Binningen (Amt
Konstanz), 12887 a, b, Madonna und Johannes
d. T., um 1480, zu einer größeren, von burgun-
disdher Kunst beeinflußten Gruppe gehörig, aus
Mauenheim (Amt Engen), 12890 sitzende Ma-
donna mit bekleidetem Kind, Anf. 15. Jhrdt.,
schwäbisch, 12891 stehende Madonna, um 1420,
aus Illertissen. Als Leihgabe des Galerievereins
erhielt die Sammlung ein großes Gruppenbildnis,
angeblich von Füger. Öffentlich ausgestellt
wurden einige bisher magazinierte Altarflügel,
Mitte XV. Jhrdts., schwäbisch.

Das Landesgewerbemuseum hat eine
neue Abteilung „Geschmacksverirrungen im
Kunstgewerbe“ eröffnet, die in drei Räumen
eine Fülle abschreckender Beispiele von Ver-
fehlungen gegen Material, Konstruktion und
Dekor bietet. b—m.

AUSSTELLUNGEN_

BERLINER AUSSTELLUNGEN

Der Salon Cassirer hat in diesem Winter
mit den Franzosen wenig Glück. Die vor einiger
Zeit sorgfältigst inszenierte Ausstellung des
Jungfranzosen Henri Matisse erfuhr eine fast
einstimmige Ablehnung aus allen Lagern, und
die gesucht freche, dabei durchaus unselbständige,
sich der Krücken Cezannes und Gauguins be-
dienende Kunst dieses übrigens von Hause aus
begabten Malers hatte nichts Besseres verdient.

Nachdem die Kollektion Matisse ohne Trauer-
gefolge sang- und klanglos bestattet war, er-
schien ein allzugut bekannter, Claude Monet,
mit größtenteils allzu bekannten Sachen, auf
die man allerdings immer wieder mit Vergnügen
zurückkommt, und von Courbet prangte ein
großes, zunächst bestechendes Jagdbild „Halali“

auf der Rückwand des letzten Saales, wo man
auf die piece de resistance zu treffen gewohnt
ist. Das Gemälde hat koloristische Qualitäten,
so unangenehm der saucige Gesamtton wirkt,
allein das Zeichnerische ist durchgehends be-
fremdend schlecht und die Komposition bunt
und zusammenhanglos.

An die Stelle der Franzosen sind jetzt wieder
die Deutschen getreten. Max Liebermann
stellt die Früchte seines letztjährigen Sommer-
aufenthaltes in Nordwijk, temperamentvolle,
sonnendurchglühte Strandbilder und Dünenland-
schaften aus, außerdem mehrere seiner momen-
tan aufgefaßten Porträts, darunter das des
Stadtdirektors Tamm in Hannover, eines der
besten, die ihm je gelungen sind. Ausgezeich-
net und von straffer Einheitlichkeit ist die
Führung des Lichtes, vorzüglich die lässige,
natürliche und doch repräsentative Haltung (das
Bildnis ist „im Aufträge“ gemalt); der scharf
besinnende Zug der Äugen und des Mundes
konnte wahrer nicht erfaßt sein.

Neben dem Alten, Bewährten zwei Jüngere;
Theo von Brockhusen, der die von Gogh
beeinflußte „Linke“ vertritt und der mehr dem
rechten Flügel angehörige Fritz Rhein, ln
den Bildern Brockhusens tritt notgedrungen das
Persönliche gegen das Technische zurück, aber
der Künstler bewährt in seinen starkfarbigen
Landschaftsbildern viel persönliche Kraft des
farbigen Ausdrucks, oft auch ein bedeutendes
koloristisches Klanggefühl. Fritz Rhein ist
weniger Kolorist als Brockhusen, wenngleich
seine Vorliebe für fein abgestimmte, weiche,
harmonische Töne eine starke Eigenart der
Farbenempfindung verrät. Die Hauptvorzüge
seiner Landschaften sind gute Zeichnung, ge-
schickte Komposition und viel Raumempfindung.
Rheins Herz scheint geteilt zwischen den sonnbe-
schienenen Grachten und Blumenbeeten Hollands
und den friedlichen, sanften abendlichen Wald-
tälern Mitteldeutschlands. Neue Gebiete ent-
deckt er also nicht, aber seine Auffassung von
Holland ist nicht die des Durchschnittmalers noch
des Baedekerreisenden, und seine mitteldeutschen
Landschaften verdirbt er nicht mit heroisieren-
den Schnurrpfeifereien, wie sie jetzt an der
Mode sind und zum Charakter dieser friedfertigen
Gegenden wie die Faust aufs Äuge passen.

George Minne fehlte bedauerlicherweise
auf der Belgischen Ausstellung. Cassirer hat
diesen Schaden gut gemacht durch eine Kollektion
höchst fesselnder Zeichnungen des Plastikers.
Es sind Passionsdarstellungen darunter, die auf
die Gotik zurückgreifen und den wilden Ge-
wandstil der letzten gotischen Periode mit der
ägyptischen Umrißlinie zu verbinden scheinen.
 
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