Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P351
DOI: 10.1055/s-2007-976479

Schmerzverarbeitung ist schneller als taktile Verarbeitung im menschlichen Gehirn

M Ploner 1, J Gross 1, L Timmermann 1, A Schnitzler 1
  • 1Düsseldorf

Schmerz signalisiert Bedrohung und motiviert behaviorale Reaktionen deren Effizienz wesentlich von einer kurzen Reiz-Antwort-Latenz abhängt. Paradoxerweise sind die peripheren und spinalen Leitungsgeschwindigkeiten von Schmerz jedoch wesentlich niedriger als für taktile Information. Die zerebralen Verarbeitungszeiten und Reaktionszeiten von Schmerz und Berührung waren bisher jedoch nicht vollständig bekannt und sind in der vorliegenden magnetenzephalographischen Studie verglichen worden. 10 gesunde Probanden nahmen an einem einfachen Reaktionszeitexperiment teil. Es wurden randomisiert nicht-schmerzhafte taktile Reize und schmerzhafte selektiv nozizeptive kutane Laserreize auf die rechte Hand appliziert. Die Probanden wurden gebeten, auf jedweden Reiz mit einem Knopfdruck des linken Zeigefingers zu reagieren. Es wurden die Latenzen der frühesten kortikalen Antworten, die Reaktionszeiten und die Latenzen zwischen frühesten kortikalen Antworten und Reaktionszeiten für beide Modalitäten bestimmt. Die Ergebnisse des einfachen Reaktionszeitexperiments zeigen, dass die Verarbeitung von Schmerz innerhalb des menschlichen Gehirns bedeutend schneller ist als die Verarbeitung von Berührung. Die Latenzen zwischen den frühesten kortikalen Antworten und Reaktionszeiten waren für schmerzhafte Reize etwa 60ms kürzer als für taktile Reize. Diese Latenzdifferenz zeigt, dass die kortikale Organisation der Schmerzverarbeitung die langsame periphere und spinale Weiterleitung teilweise kompensiert, schnelle behaviorale Antworten auf bedrohende Reize erlaubt und so den besonderen behavioralen Erfordernissen des Schmerzes dient.