Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P345
DOI: 10.1055/s-2007-976473

Psychische Symptome sechs Monate nach einer Situation schwerster beruflicher Belastung im Polizeidienst

N Schütte 1, O Bär 1, U Weiss 1, G Heuft 1
  • 1Münster

Hintergrund: Die Einsatzkräfte der Polizei zeichnet aus, dass sie durch ihren beruflichen Auftrag Gefahrensituationen gezielt aufsuchen und die natürlichen Schutzhaltungen überwinden müssen. In der vorliegenden prospektiven Studie wurde der Frage nachgegangen, wie viele PolizeibeamtInnen sechs Monate nach einer Situation schwerster beruflicher Belastung eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelten und welche psychischen Symptome aufgetreten waren. In einer zuvor erfolgten retrospektiven Untersuchung der Belastung nach Situationen schwerster Belastung von Bär, Pahlke, Dahm, Weiss und Heuft (2004) wurde bei 50,8% der 649 PolizeibeamtInnen eine Belastungsreaktion diagnostiziert. „Die posttraumatische Belastungsstörung gehört zu den psychischen Erkrankungen mit hoher Komorbidität“ (Schnyder & Mörgeli, 2001).

Methode: Es wurden 50 PolizeibeamtInnen (35männlich, 15 weiblich) sofort nach dem Ereignis (T1) und sechs Monaten später (T2) untersucht, die durch Kriseninterventionsteams der Polizei betreut worden waren. Zur Erfassung aller Diagnosen und zur Erhöhung der Validität wurde u.a. das Strukturierte Klinische Interview für das DSM-IV durchgeführt und die psychischen Symptome mittels des Brief Symptom Inventory (BSI) erfasst.

Ergebnis: Bei 14 PolizeibeamtInnen (28%) wurde zum Zeitpunkt T2 eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Sechs Monate nach der Situation schwerster Belastung wiesen die PolizeibeamtInnen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung erhebliche psychische Symptome auf (F=6,8; p=0,0**). Die Interaktionshypothese, dass die Betroffenen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zu beiden Zeitpunkten (unmittelbar nach der Situation schwerster Belastung und sechs Monate danach) eine etwa gleich hohe Belastung mit psychischen Symptomen aufweisen würden, während die anderen teilnehmenden PolizeibeamtInnen erhebliche Besserungen dieser Symptome aufzeigen würden, zeigte sich von der Tendenz her, war aber nicht signifikant (Zeit X Diagnose: F=1,8; p=0,16).

Diskussion: Beim Vergleich der Häufigkeit der posttraumatischen Belastungsstörung bei den PolizeibeamtInnen dieser Studie (28%) mit der Allgemeinbevölkerung (7,8%) (Kessler et al., 1995) wurde eine etwa vier Mal höhere Rate festgestellt, und im Vergleich zu Feuerwehrleuten (18,2%) (Wagner et al., 1998) wurde ebenfalls ein höherer Wert gefunden. Bei dieser Studie handelte es sich um eine prospektive Studie und somit konnten retrospektive Verzerrungen ausgeschlossen werden.