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DOI: 10.1055/s-2007-976442
Neurophysiologische und funktionell bildgebende Untersuchungen von Verhaltenskontrollprozessen bei Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung
Das Go/NoGo-Paradigma bietet die Möglichkeit, exekutive Funktionen zu untersuchen. Dazu gehören u.a. Inhibitionsprozesse sowie das Treffen von Entscheidungen. Mehrere Studien konnten eine medial-frontale Beteiligung bei Aufgaben mit freier Auswahlmöglichkeit zeigen (z.B. Forstmann et al., J Cogn Neurosci. 2006; 18(3):388–98), bei der Verhaltensinhibition zeigten sich zusätzlich Aktivierungen in lateral-frontalen Strukturen (Braver et al., Cereb Cortex. 2001; 11(9):825–36). Die Prüfung der Fähigkeit zur Verhaltenshemmung bei Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ergab inhibitions-assoziierte Minderaktivierungen rechts inferior präfrontal (z.B. Rubia et al., Am J Psychiatry 2005; 162(6):1067–75). Ziel der aktuellen Studie war es, Entscheidungs- und Verhaltenskontrollprozesse zu untersuchen, wobei simultan BOLD-Reaktionen und evozierte Potentiale erhoben wurden.
Bisher wurden acht Patienten mit ADHS untersucht, deren Ergebnisse mit denen alters- und geschlechts-gematchter Gesunder verglichen wurden. Alle Probanden nahmen an einem auditorischen Go/NoGo-Experiment mit drei Bedingungen teil (Go; NoGo/Inhibition; Volition/freie Auswahl der Reaktion). Zeitgleich wurden die funktionellen Daten mit einem 1,5 T MRT (Siemens Sonata, 10 Schichten à 8mm Dicke; TR=3000ms, TE=53ms) erhoben, welche mit Brainvoyager (Goebel, Maastricht) ausgewertet wurden. Die evozierten Potentiale wurden mithilfe eines 64-Kanal-EEGs (60 EEG-Kanäle; EOG; EKG) und einem MR-fähigen Verstärkersystems aufgenommen und mit dem Programm VisionAnalyzer weiterverarbeitet (BrainProducts, München).
Elektrophysiologisch zeigte sich in beiden Gruppen ein negatives Potential (N2) bei der Bearbeitung der Inhibitionsaufgabe; die N2 war deutlicher ausgeprägt, wenn die Teilnehmer die Art der Reaktion selbst bestimmen konnten (Volition). Im MRT fanden sich bei Patienten und Kontrollen inhibitionsassoziierte Aktivierungen im Bereich der prä-SMA (BA 6), die v.a. für die Planung motorischer Reaktionen relevant ist. Die Bearbeitung der Volitionsaufgabe führte zu einer medio-frontalen Beteiligung (BA 8). Der direkte Vergleich der Kontrollpersonen und ADHS-Patienten zeigte bei Patienten eine reduzierte Aktivität im Bereich des Gyrus frontalis superior (BA 9).
Die Ergebnisse weisen auf eine Dysfunktion medial-frontaler Hirnregionen bei Patienten mit ADHS hin. Die Befunde stimmen mit dem pathophysiologischen Konzept eines beeinträchtigten conflict-monitorings bei ADHS überein.