Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2005; 15 - A44
DOI: 10.1055/s-2005-917902

Relevanz motorischer und psychologischer Parameter im Assessement chronischer Kreuzschmerzpatienten

B Paul 1, G Ebenbichler 1, G Vacariu 1, C Mittermaier 1, C Leitner 1, F Winischhofer 1, M Knötig 1, S Zehetmayer 1, E Vanecek 1
  • 1Institut für Psychologie, Wien

Fragestellung: Im rehabilitativen Assessement chronischer Rückenschmerzpatienten (cLBP) werden der ICF entsprechend mit unterschiedlichen Tools Störungen und Limitationen festgestellt. Neben den Erhebungen eingeschränkter Aktivitäten und der Partizipation ist die Diagnostik von Muskelaktivierungsstörungen und – defiziten, sowie die Untersuchung psychopathologischer Auffälligkeiten und Körpererleben für die zu planende Intervention von Bedeutung.

Ziel der Studie war es Unterschiede zwischen motorischen Funktionsstörungen und psychologischen Auffälligkeiten zu untersuchen und ihre Relevanz im gesamten Assessement zu überprüfen.

Methode: Fallkontrollstudie: Matching der cLBP Patienten (n=32) und gesunden Personen (n=19) im Geschlecht, Alter und Body-Maß-Index.

Folgende relevanten Untersuchungsparameter der Muskelfunktionen wurden erhoben:

  • Ausdauer in der Rückenextension.

  • Dynamometrie: Isometrie und Isokinetik – statische und dynamische Kraftmessung der Rücken- und Bauchmuskulatur.

  • Posturographie – Sensory-Organization Test – Erfassung der Stabilität unter spezifischen sensorischen Perturbationen.

  • Psychopathologische Erfassung mittels dem standardisierten Testverfahren Symptom-Checkliste SCL-90-R (Franke, 2002).

  • Erfassung des Körper/Schmerzerlebens: Borgskalen CR-10 zur Einschätzung von Anstrengung, Anspannung, der Gefahr einer Schädigung, sowie einer (Wieder)/Verletzung des Rückens (Borg, 1990).

Ergebnis: Folgende Variablen zeigten in den Ergebnissen der univariaten logistischen Regressionen zwischen cLBP Patienten und gesunden Personen die größten signifikanten Unterschiede und wurden für die schrittweise Regression herangezogen:

  • Dynamometrie: Isokinetik – durchschnittliches und maximales Drehmoment/kg in Extension und Flexion.

  • Posturographie: Sensory-Organization Test Composite Score.

  • Psychopathologie: Somatisierungstendenz und phobische Angst.

  • Körpererleben: Angst vor der Gefahr einer Schädigung des Rückens und (Wieder)/Verletzungsgefahr des Rückens, Anstrengungserleben.

In einer stufenweisen logistischen Regression zeigten sich das Ausdauerdefizit in der Rückenextension und die erhöhte Somatisierungstendenz zu mehr als 50% für die Zwischengruppenunterschiede verantwortlich.

Diskussion: Die Ergebnisse untermauern die Bedeutung einer multidisziplinären Diagnostik, Behandlung und Ergebnisevaluation von chronischen Rückenschmerzpatienten im Rahmen der ICF. Die Untersuchungsvariablen Ermüdungsverhalten der Rückenmuskulatur, Angst vor Bewegung und Somatisierungstendenz sollten im Assessement chronischer cLBP Patienten immer enthalten sein.

Literatur:

Bullinger, M., Kirchberger, I., (1998). Der deutsche SF-36 Health Survey. Übersetzung und psychometrische Testung eines krankheitsübergreifenden Instruments zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften 3(21): 36.

Borg, G., (1990). Psychophysical scaling with applications in physical work and the perception of exertion. Scand. J. Work Environ. Health 16: 55–58.

Franke, G., (2002). Die Symptom Checkliste von Derogatis- Deutsche Version – SCL-90-R. Weinheim: Beltz Test Gesellschaft.