Diabetologie und Stoffwechsel 2021; 16(S 01): S36-S37
DOI: 10.1055/s-0041-1727387
04. Grundlagenforschung Adipositas/Metabolisches Syndrom

Geschlechtsspezifische Insulinwirkung im Gehirn beeinflusst die neuronale Verarbeitung von Essensreizen

L Wagner
1   Helmholtz Zentrum München an der Universität Tübingen, Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM), Tübingen, Germany
,
R Veit
1   Helmholtz Zentrum München an der Universität Tübingen, Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM), Tübingen, Germany
,
H Preissl
1   Helmholtz Zentrum München an der Universität Tübingen, Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM), Tübingen, Germany
,
A Fritsche
2   Universitätsklinikum Tübingen, Innere Medizin IV (Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie), Tübingen, Germany
,
AL Birkenfeld
2   Universitätsklinikum Tübingen, Innere Medizin IV (Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie), Tübingen, Germany
,
M Heni
2   Universitätsklinikum Tübingen, Innere Medizin IV (Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie), Tübingen, Germany
,
S Kullmann
1   Helmholtz Zentrum München an der Universität Tübingen, Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM), Tübingen, Germany
› Author Affiliations
 

Die Insulinwirkung im Gehirn spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Essverhaltens. Sie moduliert außerdem den Glukosestoffwechsel und die periphere Insulinsensitivität. Inwiefern Geschlecht und Übergewicht die insulin-induzierte neuronale Verarbeitung von Essensreizen beeinflusst, ist jedoch unklar.

Bei 60 Probanden (30 Frauen; Body-Mass-Index (BMI) 18-32 kg / m2; Alter 21-69 Jahre) wurde die Insulinwirkung im Gehirn durch Gabe von intranasalem Insulin im Vergleich zu Placebo (randomisierte Reihenfolge, 2 Messtermine) untersucht. Dabei wurden 60 Essensbilder während einer funktionellen Magnetresonanztomographie Untersuchung gezeigt. Im Anschluss bewerteten die Probanden die Schmackhaftigkeit der Essensbilder.

Es gab eine signifikante Interaktion zwischen der Art des Nasensprays (Insulin versus Placebo), BMI-Gruppe und Geschlecht beim Betrachten von hochkalorischen Speisen (p= 0.016). Insulingabe führte bei normalgewichtigen Frauen und übergewichtigen Männern zu einer Abnahme der Reaktion auf Essensreize im insularen Kortex, während normalgewichtige Männer und übergewichtige Frauen eine Zunahme dieser Aktivität zeigten. Zudem gab es eine positive Korrelation zwischen der Insulinwirkung im insularen Kortex und der peripheren Insulinsensitivität (r= 0.272, p= 0.037). Im frontalen Kortex, hingegen, nahm die Aktivität bei Frauen durch die Insulinwirkung zu, während die Aktivität bei Männern nach intranasaler Insulingabe bei schmackhaft bewerteten Bildern abnahm (p = 0.046).

Übergewicht und Geschlecht beeinflussen die zentralnervöse Essensreizverarbeitung durch Insulin. Diese Einflüsse sind besonders deutlich in insulinempfindlichen Gehirnregionen, die in der Geschmacksverarbeitung und der kognitiven Kontrolle wichtig sind. Dieser Befund könnte eine mögliche Erklärung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen der zentralnervösen Insulinwirkung auf das Essverhalten und den Stoffwechsel sein. Weitere Studien müssen klären, welche Rolle diese neuen Aspekte der zentralen Insulinwirkung bei der Behandlung von peripherer Insulinresistenz spielt.



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Article published online:
06 May 2021

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