Gesundheitswesen 2014; 76 - A168
DOI: 10.1055/s-0034-1387018

Diabetes mellitus mit Augenkomplikation – unspezifische Diagnosekodierung im Morbi-RSA. Eine Analyse der Leistungsdaten der AOK PLUS

A Schramm 1, 2, J Kugler 1
  • 1Medizinische Fakultät TU Dresden, Dresden
  • 2AOK Bayern, DLZ Versorgungsmanagement, Regensburg

Hintergrund: Mit dem 2012 in Kraft getretenen Versorgungsstrukturgesetz wurde die geplante Einführung der ambulanten Kodierrichtlinien, die ursprünglich zusammen mit dem Morbi-RSA im Jahr 2009 eingeführt werden sollte, aufgehoben. Seither gibt es kein verbindliches Regelwerk zur Absicherung der Qualität der Diagnoseverschlüsselung. Das Klassifikationssystem des Morbi-RSA stellt höchste Ansprüche an die Kodierpraxis der Vertragsärzte, um eine valide Versichertenklassifikation und die damit einhergehende Verteilung von Beitragsgeldern sicherzustellen. Eine unzureichend spezifische Verschlüsselung von Krankheitsausprägungen kann zu einer finanziellen Unterbewertung der behandelten Morbidität und dem damit entstandenen Aufwand führen. Ziel der Analyse war zu untersuchen, ob bei Vorliegen eines Diabetes mellitus und einer Augenkomplikation die spezifische Diagnose verschlüsselt wurde.

Methode: Datengrundlage für die Analyse waren die Abrechnungen der AOK PLUS (2,7 Mio. Versicherte) für die Jahre 2009 bis 2012. Es wurden knapp 270 Mio. Diagnosen und 3,2 Mio. DMP-Dokumentationen von ca. 11 Tsd. Vertragsärzten in Sachsen und Thüringen ausgewertet. Als Augenkomplikationen wurden die diabetische Katarakt (H28.0) und die diabetische Retinopathie (H36.0) herangezogen und auf das Vorliegen einer Diabeteskodierung mit Augenkomplikation (E10.3, E11.3, E12.3, E13.3, E14.3) oder aber auf das Vorliegen einer Diabeteskodierung mit multiplen Komplikationen (E10.7, E11.7, E12.7, E13.7, E14.7) geprüft. Weiterhin diente die Dokumentation des DMP Diabetes mellitus Typ I und Typ II, in welcher die diabetische Retinopathie als Begleiterkrankung vermerkt werden kann, als Prädiktor für das Vorliegen einer Augenkomplikation.

Ergebnisse: In der Analyse zeigte sich, dass von ca. 430.000 Diabetes mellitus Patienten 10.037 (2009), 11.653 (2010), 8.742 (2011) und 7.810 (2012) trotz Augenkomplikation nicht die spezifische Diabeteskodierung erhalten haben. Dabei wurde der größte Anteil über das Vorliegen der Diagnose H36.0 identifiziert. Von 2009 zu 2010 stieg der Anteil von 69,7% auf 73,8%. Im Jahr 2011 war der Anteil rückläufig (71,2%). Bei einem guten Viertel der Patienten wurde jedoch keine Augenkomplikation verschlüsselt, aber im DMP Diabetes mellitus Typ I oder Typ II die diabetische Retinopathie vermerkt. Diese Patienten weisen eine doppelte Kodierlücke auf. Zum einen wurden der spezifische Diabetes und zum anderen die Augenkrankheit nicht kodiert. Die Anzahl der betroffenen Versicherten war nach einem leichten Anstieg von 2009 zu 2010 im Jahr 2012 enorm rückläufig (2009: 4.753, 2010: 4.956, 2011: 4.576, 2012: 2.617).

Schlussfolgerung: Die krankheitsspezifischen Kosten bei Diabtes mellitus haben entsprechend des Schweregrades eine große Varianz, deshalb verlangt die Dokumentation gemäß dem Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) eine höchst differenzierte Anzeige des Krankheitszustandes. Die Analyse zeigte, dass in der hausärztlichen Versorgung diese Differenzierung nur begrenzt Berücksichtigung findet. Es wurde vornehmlich unspezifisch kodiert, obwohl eine Augenkomplikation der Abrechnung nach diagnostiziert und behandelt wurde. Im besonderen Maße galt dies für die durch die DMP-Dokumentation identifizierten Fälle, weil hier eine doppelte Kodierlücke aufgezeigt wurde. Im Morbi-RSA wird die gemessene Morbidität in diesen Fällen finanziell unterrepräsentiert und die Zuordnung zu den HMGs beeinflusst.