Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8 - FV19
DOI: 10.1055/s-0033-1341679

Bariatrische Chirurgie – Gesundheitsökonomische Potenziale bei Diabetes Mellitus Typ 2

S Prager 1, L Bodner 1, K Nagels 1
  • 1Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften, Bayreuth, Germany

Fragestellung: Die Leistungsfähigkeit internationaler Gesundheitssysteme wird durch die Behandlung von Adipositas und ihrer Folgeerkrankungen stark belastet. Mit Bezug zum deutschen Gesundheitssystem betragen die jährlichen Behandlungskosten 11,35 Mrd. €, wobei ein Großteil (60%/6,8 Mrd. €) auf die Adipositas-assoziierte Folgeerkrankung Diabetes Mellitus Typ 2 entfällt. In Anbetracht von ca. 7 Mio. Diabetikern in Deutschland und erfolgversprechender Remissionsraten (≤98%), besteht ein hohes öffentliches und gesundheitsökonomisches Interesse hinsichtlich der Effizienz bariatrischer Chirurgie zur Reduktion Diabetes-assoziierter Krankheitskosten.

Methodik: Gegenstand der Untersuchung ist eine systematische Recherche zur Effizienz bariatrischer Chirurgie (Magenband bzw. Magenbypass) gegenüber der konservativen, medikamentösen Therapie. Der Fokus lag hierbei auf der Identifikation Diabetes-assoziierter Behandlungskosten sowie personenbezogener Lebensqualität (QALYs). Die Recherche umfasste deutsch und englischsprachige Publikationen der Literaturdatenbanken PubMed und Google Scholar im Zeitraum 2005 – 2011. Effizienz wurde anhand gesundheitsökonomischer Analysen (Perspektive: dt. Krankenversicherer) nationaler (n = 1) und internationaler Kosteneffektivitätsstudien (n = 4) betrachtet. Einschlusskriterien waren Diabetes Mellitus Typ 2 und BMI ≥35 kg/m2.

Ergebnisse: Geringere, Diabetes-bezogene Behandlungskosten durch Magenband-Anwendung (AGB) (t1/nach 1 Jahr: 1.244 €; t2/nach 5 Jahren: 7.562 €) versus konservativer Therapie (KT) (t1: 2.764 €; t2: 15.455 €), stehen höheren (Implantations-bedingten) Behandlungskosten der Adipositas (AGB t1: 5.065 €; t2: 6.048 €/KT t1: 1.086 €; t2: 1.742 €) gegenüber. Unter Berücksichtigung therapieabhängiger QALYs und einer Zahlungsbereitschaft von 30.000 €/QALY, resultiert dies in einer Gesamtkosteneffektivität des chirurgischen Verfahrens über den gesamten Betrachtungszeitraum (t1: 16.693 €/QALY; t2: -3.483 €/QALY). Einsparpotenziale der Kostenträger sind langfristig zu erwarten (t2: -8,9 Mio. €). Magenbypass-Verfahren (GBP) reduzieren Diabetes-bezogene Behandlungskosten (GBP t1: 622 €; t2: 6.967 €) gegenüber KT (t1: 2.764 €; t2: 15.455 €) erheblich. Kurzfristige operative Aufwendungen der chirurgischen Alternative (GBP) sind ursächlich für die negative Adipositas-bezogene Kostenbilanz. Patientenindividuelle Nutzwerte (t1: 4.854 €/QALY; t2: -3.754 €/QALY) tragen jedoch insgesamt zur Gesamtkosteneffektivität des Magenbypass bei. Kostenträgereinsparungen (t2: 12,5 Mio. €) sind die Folge.

Schlussfolgerung: Als ursächlich für die Reduktion der Behandlungskosten erweisen sich auf lange Sicht finanzielle Vorteile chirurgischer Verfahren in Bezug auf die Behandlung des Diabetes Mellitus Typ 2. Die mangelnde Verfügbarkeit nationaler Kosteneffektivitätsstudien wirkt sich limitierend auf die Ergebnisse aus, impliziert jedoch aufgrund beträchtlicher Kosten-Nutzen-Potenziale eine Modifizierung bisheriger Therapieregime.