Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P106
DOI: 10.1055/s-0033-1337247

Motorische Dipolquellen erfassen Verarbeitung von Aktionsverben

A Klepp 1, H Weissler 1, V Niccolai 1, A Schnitzler 1, K Biermann-Ruben 1
  • 1Heinrich-Heine Universität, Institut für Klinische Neurowissenschaften und Medizinische Psychologie, Düsseldorf, Deutschland

Einleitung:

In neurowissenschaftlichen Studien wurde gezeigt, dass sensomotorische Hirnareale auch dann aktiv sind, wenn handlungsbezogene Sprache verarbeitet wird (z.B. Hauk et al., 2004).

Wir untersuchten die Dynamik und Kongruenz neuromagnetischer Aktivierungen bei Sprachverarbeitung und bei Willkürbewegungen mithilfe von effektorspezifischen Dipol-Quellen.

Material/Methode:

15 Probanden lasen einzelne deutsche Aktionsverben, die entweder eine Tätigkeit mit den Händen, mit den Füßen oder ohne Beteiligung des Körpers beschrieben. Für zusätzliche Aktionsverben und Pseudowörter wurde eine lexikalische Entscheidung durch laterale Sakkaden abgefragt (20% der Durchgänge). In einer zweiten Aufgabe führten die Probanden selbstgesteuerte, kurze Hand- und Fuß-Extensionen aus. Währenddessen wurde die Hirnaktivität mittels Magnetenzephalografie (MEG) aufgenommen. Das sensomotorische Hand- bzw. Fuß-Areal wurde mithilfe von Dipol-Quellen (equivalent current dipoles, ECD) in der Bewegungsaufgabe bestimmt (motor field (MF) und movement evoked field (MEF), z.B. Cheyne et al., 1989).

Diese sensomotorischen Quellen wurden in die Verb-Bedingungen übertragen um zu untersuchen, ob sie einen Teil der Aktivierung bei der Verarbeitung der Aktionsverben erklären. Der Aktivierungsverlauf beider Quellen wurde in den drei Verb-Bedingungen statistisch verglichen (ANOVA).

Ergebnisse:

Die Bewegungen zeigten charakteristische magnetische Felder direkt vor (MF) und kurz nach (MEF) Bewegungsbeginn. Die zugehörigen Dipole waren in der individuellen Hirnanatomie somatotop um den zentralen Sulcus lokalisierbar.

Die sensorischen Dipolquellen des MEF wurden während der Sprachverarbeitung nicht systematisch moduliert. Die motorischen MF-Quellen hingegen erfassten für alle drei Verb-Bedingungen mit einem Maximum ca. 200 ms nach Wortbeginn einen Teil der Aktivierung beim Lesen von Aktionsverben. Außerdem wurden differentielle Aktivierungsmuster je nach Effektorbezug in einer Interaktion (p = 0,026) deutlich: Quellen im Hand-Areal zeigten eine signifikant höhere maximale Amplitude bei Hand-Verben als bei Fuß-Verben (p = 0,024). Der umgekehrte Effekt in den Fuß-Quellen war lediglich numerisch vorhanden, erreichte aber keine Signifikanz (p = 0,098).

Diskussion:

Die Ergebnisse sind vereinbar mit der „Grounded Cognition“-Theorie, die eine Beteiligung von sensomotorischen Arealen an der Sprachverarbeitung annimmt. Wir zeigen eine solche Überlappung auf der Ebene von individuellen, funktionell spezifischen Dipolquellen im motorischen Hand-Areal. Der Effekt ist unserer Meinung nach nicht auf eine bewusste und post-semantische Vorstellung der Bewegungsinhalte zurückzuführen, da er sich mit 200 ms früh in der lexikalisch-semantischen Verarbeitung beim stillen Lesen darstellte.

Referenzen:

1. Cheyne, D. & Weinberg, H. (1989). Neuromagnetic fields accompanying unilateral finger movements: Pre-movement and movement-evoked fields. Exp Brain Res, 78(3), 604 – 612.

2. Hauk, O., Johnsrude, I., & Pulvermüller, F. (2004). Somatotopic representation of action words in human motor and premotor cortex. Neuron, 41(2), 301 – 307.