Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P42
DOI: 10.1055/s-0033-1337183

Foraminale MEP beim Guillain-Barré-Syndrom zur Frühdiagnose einer polyradikulären Läsion

J Bürmann 1, C Holzhoffer 1, D Taranu 1, K Fassbender 1, U Dillmann 1
  • 1Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Neurologie, Homburg/Saar, Deutschland

Einleitung:

Die frühzeitige Diagnose des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) ist wegen der Gefahr einer respiratorischen Insuffizienz sowie lebensbedrohlicher vegetativer Komplikationen von großer Bedeutung. Problematisch ist, dass in der Frühphase des GBS wichtige Zeichen wie die Areflexie oder eine zytoalbuminäre Dissoziation im Liquor noch fehlen können und auch die typischen elektrophysiologischen Befunde sich oft erst im Krankheitsverlauf herausbilden. Ziel unserer Arbeit war es, in der Frühphase des GBS mit einer kombinierten Bestimmung von F-Wellen-Latenzen und foraminalen MEP eine für dieses Krankheitsbild typische polyradikuläre Läsion nachzuweisen.

Material und Methoden:

Es wurden die elektrophysiologischen Befunde von 13 Patienten ausgewertet. Die Untersuchungen erfolgten unmittelbar zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme. Alle Patienten erfüllten im Verlauf die Asbury-Kriterien für die Diagnose eines GBS. Jedoch wiesen zum Untersuchungszeitpunkt nur 5 von 13 Patienten eine zytoalbuminäre Dissoziation im Liquor auf, bei 8 Patienten bestand keine Eiweißerhöhung im Liquor. Bei allen Patienten wurden beidseits eine Neurografie des N. tibialis und foraminale MEP zum M. abductor hallucis durchgeführt. Bei 9 Patienten erfolgten außerdem eine Neurografie des N. ulnaris sowie foraminale MEP zum M. abductor digiti minimi.

Ergebnisse:

Bei 12 von 13 Patienten waren die Tibialis-F-Wellen ausgefallen, nur bei einem Patienten waren latenzverzögerte Tibialis-F-Wellen erhältlich. Bei allen 12 Patienten mit ausgefallenen Tibialis-F-Wellen war zu diesem Zeitpunkt ein foraminales MEP zum M. abductor hallucis erhältlich, bei 3 Patienten normolatent, bei 9 mit einer unterschiedlich ausgeprägten Latenzverzögerung. In der Gruppe der Patienten mit normalem Liquoreiweiß waren bei 7 von 8 Patienten die Tibialis-F-Wellen ausgefallen. Bei 3 dieser Patienten war ein normolatentes, bei den übrigen 4 ein latenzverzögertes foraminales MEP zum M. abductor hallucis erhältlich. Die Ulnaris-F-Wellen waren bei 3 Patienten normolatent, bei 2 Patienten einseitig und bei 4 Patienten beidseitig ausgefallen. Bei allen Patienten mit ein- oder beidseitig ausgefallenen F-Wellen waren beidseits foraminale Ulnaris-MEPs erhältlich, in 4 Fällen normolatent, in 2 Fällen latenzverzögert.

Diskussion:

Wenn bei ansonsten unauffälliger Neurografie keine F-Wellen erhältlich sind, weisen regelrecht evozierbare foraminale MEP auf eine proximal der Neuroforamina gelegene polyradikuläre Schädigung hin. Derartige Läsionen sind typisch für ein GBS. In unserer Arbeit konnte bei mehreren Patienten in der Frühphase eines GBS mit noch normalem Liquoreiweiß eine polyradikuläre Schädigung nachgewiesen werden. Die kombinierte Untersuchung von F-Wellen und foraminalen MEP kann somit in der Frühphase des GBS zur diagnostischen Sicherheit beitragen.