Ultraschall Med 2012; 33 - A1102
DOI: 10.1055/s-0032-1322753

Entwicklung neuer Ultraschallverfahren – Eine Software für die Verarbeitung von Ultraschallsignalen

HJ Hewener 1, C Thiel 1, R Kubale 2, SH Tretbar 1
  • 1Fraunhofer Institut für Biomedizinische Technik IBMT, DE St. Ingbert
  • 2Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, DE Homburg/Saar

steffen.tretbar@ibmt.fraunhofer.de

Die Ultraschallbildgebung zählt seit mehreren Jahrzehnten zu den wichtigsten bildgebenden Verfahren in der Medizin und wird stetig durch neue Technologien und Verfahren wie Kontrastmittelbildgebung auf Basis von Microbubbles oder Nanopartikeln, Gewebecharakterisierung, hochfrequente und somit hochaufgelöste Bildgebung oder Elastografie zur Messung der Gewebesteifheit in vielen Anwendungsgebieten verbessert. Die hierfür durch Universitäten und Forschungsinstitutionen durchgeführten Entwicklungen, in der zweidimensionalen bzw. dreidimensionalen Ultraschallbildgebung, erfordern die Nutzung von Ultraschallmesssystemen mit offenen Schnittstellen zur freien Programmierung des Betriebsmodus und dem Zugang zu den für Analysen wichtigen Hochfrequenz-Ultraschalldaten und spezielle Softwarepakete zur Verarbeitung, Analyse und Visualisierung von Ultraschallsignalen.

Grundlage für die Forschung und Entwicklung bilden die Messdaten, die in der Regel als Ultraschallhochfrequenzdaten mit hoher Dynamik (12–16 Bit Datumsbreite) und hochfrequenter Signalabtastung (>40MHz) vorliegen. Dies können sowohl Einzelkanaldaten der einzelnen individuellen Ultraschallwandlerelemente nach der Digitalisierung für die Entwicklung neuer Scanstrategien und Beamforming-Algorithmen sein, als auch Hochfrequenzdaten nach der „Delay-and-Sum“-Beamforming Rekonstruktion als Ultraschallliniendaten mit 16 Bit Auflösung pro Messwert. Auf letzteren Signalen können Algorithmen für verschiedenste Signalanalysen wie beispielsweise Gewebecharakterisierungen angewandt werden. Durch weitere Verarbeitung können diese Daten nach Hüllkurvenberechnung, einer logarithmischen Kompression und Reskalierung als Amplitudenwerte mit 8 Bit Auflösung noch zur linienweisen Filterung vor der bildberechnenden Scankonvertierung genutzt werden. Die danach vorliegenden Bilddaten mit physikalisch korrekter Geometrie müssen ohne zusätzliche Verarbeitung oder nach Anwendung der Bildverarbeitungsalgorithmen darstellbar sein. An all diesen Stellen in der Signalverarbeitung sollte einem Ultraschallforscher Zugriff auf die Messdaten und Einfluss auf deren Verarbeitung gewährt werden, um für jede Entwicklung die bestmöglich passenden Daten als Grundlage zu erhalten. Wenn eine Software all diese Anforderungen erfüllt, kann diese zur flexiblen Entwicklung neuer Verfahren und Algorithmen genutzt werden. Der Aufwand der Neuentwicklung eines Ultraschallmesssystems für die Forschung ist hoch und auch nur mit massivem finanziellem Aufwand zu erreichen. Die kommerziell verfügbaren Forschungsmodule in den Systemen der großen Hersteller erfüllen nicht alle Anforderungen an ein komplexes Ultraschall-Forschungssystem, da sie nicht frei programmierbar, in Hardwareparametern anpassbar, flexibel und offen sind, und die Weiterentwicklung für neue Verfahren nur durch Integration der Entwicklungen in die Produktlinie des Geräteherstellers möglich ist. Dies motivierte unsere Hauptabteilung bereits im Jahr 2003 zu der Eigenentwicklung einer Ultraschallforschungsplattform auf Basis der offenen Hardware „DiPhAS“ und einer Vielzahl von Programmen zur Steuerung, Analyse und Auswertung von Ultraschallsignalen sowohl für Entwickler als auch für Anwender, wie partizipierende Ärzte im klinischen Alltag. Für dieses anpassbare und programmierbare Hardwaresystem wurde eine Softwarearchitektur mit offenen Standards und Datenformaten konzipiert und umgesetzt, die umfangreiche Verarbeitung von Ultraschalldaten erlaubt. Dies umfasst neben der herkömmlichen Verarbeitungskette vom Rohsignal über Beamforming und traditionelle Signalverarbeitung die spektrale Analyse und Korrelation von Ultraschallrohdaten, um alternative Darstellungen von physikalischen Parametern in der Ultraschallbildgebung zu berechnen. Es können beispielsweise Veränderungen der Dämpfung von untersuchten Strukturen visualisiert werden, als auch Auswirkungen unterschiedlicher Material- und Gewebstypen auf die Mittenfrequenz und Bandbreite des Ultraschallsignals ortsaufgelöst dargestellt werden. Hierfür werden spektrale Informationen der Ultraschallsignale in kleinsten Regionen lokal berechnet und approximiert, bevor diese Daten in Bezug auf globale Referenzen visualisiert werden. So können sowohl Materialien charakterisiert werden, als auch akustisch in der Bilddarstellung nicht auffällige Strukturen anhand ihrer Einflüsse auf die Rohsignale detektiert werden.

Unsere Werkzeuge hierfür basieren hauptsächlich auf einer Windows-PC-basierten Anwendung zur Darstellung der Rohsignale mit zusätzlicher Schnittstelle für Signalverarbeitungen und Filterungen. Diese Software zeigt neben dem herkömmlichen helligkeitskodierten und ortsaufgelösten Ultraschall-B-Scan einer Schicht zusätzlich die linienbasierten Rohsignale und deren spektrale Informationen an. Auf diese Weise können neben den Rohdaten der eignen „DiPhAS“-Plattform auch die Ultraschallsignale der Forschungsmodule der kommerziellen Hersteller geladen und verarbeitet werden. Im Vergleich zu deren Forschungsmodulen zur Auswertung und Darstellung von Ultraschallsignalen, die häufig auf Skripten basieren und zusätzliche Anpassungen erfordern, sind unsere Softwarewerkzeuge nicht nur durch Entwickler, sondern auch durch klinische Anwendern nutzbar. Neben dem Import der unterschiedlichen oben beschriebenen Signalrepräsentationen ist ein Export der Messdaten in gängige und gerätetypische Bildformate (JPG, BMP, DICOM) oder als Video (AVI, DICOM), sowie in komplexe wissenschaftliche Programme (Matlab, Maple, Mathematica, Amira, Avizo) oder als Ausdruck in Berichtsform mit eingebetteten Informationen über die Rohsignale möglich. Aufgrund des Plug-In-basierten Schnittstellenkonzeptes ist die Software aber beliebig komplex erweiterbar, wenn eigene Ideen und Ansätze umgesetzt werden sollen. Die Plattform nutzt moderne Technologien wie GPU-optimierte, massiv parallele Beschleunigung von Bildgebungs- und Signalverarbeitungsalgorithmen in einer 64-bit .NET 4.0 Anwendung auf Windows 7-basierten PCs und ist somit auch für algorithmisch komplexeste Umsetzungen bestens geeignet. Auf Basis der „DiPhAS“ Plattform kann diese Softwarearchitektur zusätzlich Einfluss auf den aktuellen Betriebsmodus des Live-Messsystems nehmen, so dass entwickelte Algorithmen nach Analyse der Messdaten durch Feedback in Form einer „closed-loop“-Kontrolle automatisiert Anpassungen von Messparametern für eine optimale Bildgebung oder Verarbeitung an die Hardware übergeben können.

Schlussfolgerung/Summary:

Eine Ultraschallforschungsplattform muss Werkzeuge zur Darstellung, Weiterverarbeitung und Analyse von gemessenen Rohdaten bieten, um während einer Messung (“online“) als auch in der Nachbearbeitung (“offline“) diese Messdaten in jeglicher vorliegenden Form für die Entwicklung neuer Algorithmen und Verfahren zu nutzen. Die Softwareplattform kann Ultraschallrohdaten (Einzelelementdaten und Summensignale nach Beamforming) der „DiPhAS“ Plattform oder jeder anderen Forschungsschnittselle kommerzieller Ultraschallsysteme analysieren und visualisieren. Darstellungen von spektralen Informationen wie Veränderungen der Signal-Mittenfrequenz oder -Bandbreite können hierbei ortsaufgelöst analog zu B- Scans dargestellt werden und helfen somit bei der Differenzierung von untersuchten Materialien und Geweben. Diese Software kann sowohl durch klinische Anwender genutzt werden, da keine Programmierkenntnisse für Analyse und Auswertungen erforderlich sind, als auch von Entwicklern, die anhand der offenen Schnittstelle zur Filterung der Messdaten neue Algorithmen realisieren können.