Gesundheitswesen 2011; 73 - P23
DOI: 10.1055/s-0031-1274472

Humanstudie zum akuten Gefährdungspotenzial von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) aus Holz- und Holzwerkstoffen

S Kevekordes 1, R Gminski 2, R Marutzky 3, F Fuhrmann 3, W Bürger 3, D Hauschke 4, W Ebner 2, V Mersch-Sundermann 2
  • 1Gesundheitsamt und Veterinärwesen, Kreisverwaltung Rhein-Pfalz-Kreis, Ludwigshafen
  • 2Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene (IUK), Universitätsklinikum Freiburg
  • 3Fraunhofer Institut für Holzforschung – Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI), Braunschweig
  • 4Institut für Medizinische Biometrie, Universitätsklinikum Freiburg

Hintergrund: Möbel oder Wandverkleidungen aus Holz und Holzwerkstoffen können wegen ihrer großen Oberfläche und langen Nutzungsdauer eine wesentliche Emissionsquelle von flüchtigen organischen Verbindungen (englisch VOC, vor allem Terpene) im Innenraum darstellen. Einige dieser Verbindungen können bei höheren Konzentrationen zu Reizungen der Augenbindehaut und der Schleimhaut der Atemwege führen. Kopfschmerzen, Schwindelgefühl oder Müdigkeit können ebenfalls auftreten. Ziel der probandenbasierten, kontrollierten Kammerexpositionsstudien, war die Schaffung belastbarer Daten darüber, ob bei Exposition des Menschen gegenüber kiefernvollholz- oder OSB-spezifischen VOC-Emissionen im normalen Innenraum gesundheitliche (adverse) Effekte erwartet werden können.

Methode: Im Rahmen des zweiteiligen Studienteils wurden insgesamt 2×24 gesunde Probanden/innen akquiriert, die über jeweils 2 Stunden in einer 48m3-Emissionskammer bei einem Luftwechsel von 1,0/h unter geringer körperlicher Belastung (Fahrradergometer mit 50 W) und ‘verblindet' gegenüber den Emissionen aus Kiefernvollholz und OSB exponiert wurden. Während der Experimente wurden kontinuierlich Temperatur, rel. Feuchte, CO2 und Konzentrationen der relevanten einzelnen VOCs in der Kammerluft gemessen. Die Expositionssituation der Probanden/innen wurde so sehr präzise und im Detail erfasst. Die Probanden wurden vor und unmittelbar nach jeder Exposition medizinisch untersucht. Neben dem aktuellen Allgemeinzustand wurden vor allem Zeichen von Augenreizungen und Reizungen der oberen Atemwege geprüft. Darüber hinaus wurde eine Lungenfunktionsanalyse vorgenommen und zur Ermittlung von Effekten auf die Augenbindehäute die Lidschlussfrequenz gemessen. Gemessen wurde außerdem Stickoxid (NO) in der Atemluft der Probanden als Zeichen allergischer und entzündlicher Prozesse. Hierzu wie auch zur Erfassung subjektiver Befindensstörungen sowie zur Klassifikation der Geruchswahrnehmung der Probanden wurden vielfach praktizierte und international anerkannte Verfahren eingesetzt.

Ergebnisse: Bei den Probanden zeigten sich in Folge der durchgeführten Expositionen im Vergleich zu den entsprechenden Reinluftkontrollen keine negativen gesundheitlichen Effekte; insbesondere keine Schleimhaut- und Augenreizungen sowie keine Veränderung der Lungenfunktion; auch wenn mit relativ hohen VOC-Konzentrationen exponiert wurde, denen Menschen in einem normalen Wohnumfeld nicht ausgesetzt sind. So lagen in der Studie die Kammerkonzentrationen der typischen bizyklischen Terpene (Leitsubstanz: α-Pinen) mit etwa 5 bis 10mg/m3 um das 2,5-bzw. 50-fache über den RW-II- bzw. RW-I-Werten, die die Innenraumlufthygienekommission des Umweltbundesamtes mit 2mg/m3 bzw. 0,2mg/m3 festgelegt hat.

Schlussfolgerungen der Studie: Auf Basis der jetzt durchgeführten umfangreichen Studie ist eine akute Gefährdung des Menschen insbesondere durch akute Reizwirkungen, durch Freisetzung holz- bzw. holzwerkstofftypischer VOC in die Raumluft bei praxisüblicher und sachgerechter Verbauung von Hölzern und Holzwerkstoffen nicht zu erkennen.