Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4 - FV_2
DOI: 10.1055/s-0029-1221798

Einfluss von intranasal appliziertem Insulin auf die evozierte neuronale Aktivität bei Essensbildern

M Guthoff 1, K Stingl 2, M Heni 1, O Tschritter 1, A Hennige 1, M Hallschmid 3, HU Häring 1, H Preißl 2, 4, A Fritsche 1
  • 1Medizinische Universitätsklinik, Abteilung für Endokrinologie, Diabetologie, Nephrologie, Angiologie und Klinische Chemie, Tübingen, Germany
  • 2Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie, Tübingen, Germany
  • 3Institut für Neuroendokrinologie, Lübeck, Germany
  • 4University of Arkansas for Medical Sciences, Department of Obstetrics and Gynecology, Little Rock, United States

Fragestellung: Insulin wird als anorexigenes Hormon angesehen, dass durch seine Wirkung im Zentralnervensystem (ZNS) die Nahrungsaufnahme hemmt. Eine Theorie in der Adipositas-Entstehung ist, dass aufgrund einer zentralen Insulinresistenz dieser Regelkreis gestört ist. Tschritter et al. konnten in einer MEG (Magnetenzephalograhie)-Studie zeigen, dass die neuronale Antwort auf eine durch intravenöse Insulingabe induzierte systemische Hyperinsulinämie bei adipösen Menschen reduziert ist. Intranasal gegebenes Insulin gelangt dagegen über den Nervus und Bulbus olfactorius unter Umgehung der Blut-Hirn-Schranke ins ZNS. Es konnte gezeigt werden, dass sich so die Insulinkonzentration im Liquor erhöht, ohne dass relevante periphere metabolische Effekte auftreten. In der aktuellen Studie sollte untersucht werden, ob die Modulation von neuronaler Aktivität, stimuliert durch Essens- und Nicht-Essensbilder, durch intranasal appliziertes Insulin zwischen schlanken und adipösen Probanden unterschiedlich beeinflusst wird. Dies ermöglicht eine Aussage, ob eine gestörte Blut-Hirn-Schrankenfunktion bei Adipösen die Ursache für deren zentrale Insulinresistenz ist.

Methodik: 20 junge, gesunde Probanden (10 schlanke mit einem mittleren BMI von 21±0,4kg/m2 und 10 adipöse mit einem mittleren BMI von 29±0,6kg/m2) nahmen im nüchternen Zustand an zwei Untersuchungstagen teil. Dabei wurde in randomisierter Reihenfolge an einem Tag Insulin- und am anderen Tag Placebo-Spray appliziert. Es erfolgten regelmäßige Blutabnahmen zur Bestimmung von Parametern des Glukosemetabolismus, die Messung der neuronalen Aktivität erfolgte mittels Magnetenzephalografie, jeweils im basalen Zustand und nach Applikation von Spray. Die neuronale Stimulation erfolgte mit 64 Essensbildern und 64 Nicht-Essensbildern, welche in randomisierter Reihenfolge erschienen. Die Auswertung der Daten erfolgte über einen Vergleich der quadratischen Mittelwerte der evozierten Potentiale aller Ableitungen mit dem BMI (body mass index) mittels lineare Regressionsanalyse.

Ergebnisse: Wir fanden eine Zunahme der durch Essensbilder evozierten Potentiale durch Insulin-Spray bei schlanken Probanden (10±8 femtoTesla (fT)) und eine Abnahme bei adipösen Probanden (-8±12 fT, Regressionsanalyse: p=0,003). Diese Veränderung wurde in den Abschnitten der evozierten Potentiale gesehen, die die Identifikation und Kategorisierung der Bilder betreffen (etwas 170ms nach Stimulation in der visuellen ventralen Leitungsbahn). Das intranasal verabreichte Insulin hatte gegenüber dem Placebo-Nasenspray keine signifikant unterschiedlichen Glukose-, Insulin- oder C-Peptidwerte zur Folge.

Schlussfolgerung: Die Wirkung von intranasal verabreichtem Insulin auf die zerebrale Verarbeitung von Essens-Reizen ist bei adipösen Probanden im Vergleich zu schlanken Probanden verändert. Somit konnten wir für Adipöse die Existenz einer zentralen Insulinresistenz bestätigen, die nicht auf eine Störung der Blut-Hirn-Schranke beruht.