Gesundheitswesen 2009; 71(10): 628-637
DOI: 10.1055/s-0029-1202785
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Selbsthilfefreundlichkeit als Qualitätsziel in der vertragsärztlichen Versorgung[1]

Bestandsaufnahme und SchlussfolgerungenSelf-Help Friendliness as Quality Target in the SHI Health CareCurrent Status and ConclusionsA. Trojan 1 , E. Huber 2 , S. Nickel 1 , C. Kofahl 1
  • 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut für Medizin-Soziologie
  • 2Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V., Gießen
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Publication Date:
11 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Ziele: Der Beitrag geht der Frage nach, ob es im Rahmen des obligatorischen Qualitätsmanagements von Einrichtungen der vertragsärztlichen Versorgung gelingen könnte, die Kooperation mit Selbsthilfezusammenschlüssen als festen Bestandteil alltäglichen Handelns zu implementieren. Dabei werden Ergebnisse einer Vorstudie zur Entwicklung eines Modellprojekts „Selbsthilfefreundliche Arztpraxen” berichtet und diskutiert.

Methodik: Der Zugang zu dem in der wissenschaftlichen Literatur bisher kaum behandelten Thema erfolgte hauptsächlich durch eine umfassende Internet-Recherche und Dokumentenanalyse der verfügbaren Qualitätsmanagementsysteme (QMS). Darüber hinaus wurden sieben Vertreter der QMS zum Stand der Integration und zu den zukünftigen Möglichkeiten einer Aufnahme von Selbsthilfefreundlichkeit als Qualitätsmerkmal befragt.

Ergebnisse: Neben 2 branchenneutralen wurden 5 branchenspezifische QMS identifiziert, die eine Integration von „Selbsthilfefreundlichkeit” als Qualitätskriterium grundsätzlich zulassen. Auch bei den Vertretern der QMS stieß das Konzept auf hohe Akzeptanz. Bei drei von ihnen führte die Befragung zu unmittelbarer Aufnahme dieses Aspekts in aktuell laufende Aktivitäten zur Formulierung von Qualitätszielen und -kriterien.

Schlussfolgerung: Trotz seiner prinzipiellen Integrierbarkeit bedarf die weitere Entwicklung und Konkretisierung des Konzepts der Klärung verschiedener Fragen (z. B. Hierarchie der Qualitätsziele) sowie der Erprobung zusammen mit den Beteiligten. Parallele Prozesse im Gesundheitssystem und die politische Steuerung der Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen sind für die nachhaltige Verankerung der Selbsthilfefreundlichkeit von großer Bedeutung.

Abstract

Objectives: The article discusses different possibilities to integrate a sustainable co-operation with self-help groups within the framework of the obligatory quality management in SHI-physicians’ establishments. The results of a pilot study, which was conducted to develop a model project “self-help friendly doctor's offices”, are presented and discussed.

Methods: Until now the subject has been being rarely discussed in the scientific literature. Therefore, we carried out an extensive internet research and document analysis of available quality management systems (QMS). Furthermore, the representatives of the QMS were asked to assess both the current status of integration and prospective chances of including “self-help Friendliness” as a core element of quality.

Results: We could identify 2 generic and 5 specific QMS concerning ambulatory medical care which all offer the chance to integrate “self-help Friendliness” as a quality criterion. The concept of “self-help friendly doctor's offices” also found great acceptance with the representatives of the QMS. As a side effect of the QMS-expert-interviews, 3 of them announced that they would include this aspect in the current development of the quality objectives and criteria of their QMS.

Conclusion: The criterion “self-help friendliness” is principally capable of being integrated in several QMS. However, the further development of the approach needs answers to different questions (e.g., hierarchy of quality criteria), and a test period with all parties involved. Parallel processes in the health-care system as well as the political regulation of quality management in health-care are of great importance for a successful implementation of “self-help friendliness”.

1 Es handelt sich bei diesem Artikel um eine Bestandsaufnahme auf Basis eines „Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Qualitätsmanagement-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung“, veröffentlicht vom BMGS am 18. Oktober 2005. Die Expertise wurde vom BKK Bundesverband gefördert und mit dem Projektbeirat abgestimmt [1]. Zum Beirat gehören Vertreterinnen und Vertreter der folgenden Institutionen: Vorstand Selbsthilfekoordination (SeKo) Bayern; Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB); Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV); Stabsstelle Patientenorientierung; Betriebskrankenkassen Landesverband Bayern; Betriebskrankenkassen Bundesverband (BKK BV); Kooperationsstelle Selbsthilfegruppen und Ärzte (KOSA) Nordrhein; Nationale Kontaktstelle Selbsthilfegruppen (NAKOS); Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose; Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. (DAG SHG); Institut für Medizin-Soziologie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

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1 Es handelt sich bei diesem Artikel um eine Bestandsaufnahme auf Basis eines „Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Qualitätsmanagement-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung“, veröffentlicht vom BMGS am 18. Oktober 2005. Die Expertise wurde vom BKK Bundesverband gefördert und mit dem Projektbeirat abgestimmt [1]. Zum Beirat gehören Vertreterinnen und Vertreter der folgenden Institutionen: Vorstand Selbsthilfekoordination (SeKo) Bayern; Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB); Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV); Stabsstelle Patientenorientierung; Betriebskrankenkassen Landesverband Bayern; Betriebskrankenkassen Bundesverband (BKK BV); Kooperationsstelle Selbsthilfegruppen und Ärzte (KOSA) Nordrhein; Nationale Kontaktstelle Selbsthilfegruppen (NAKOS); Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose; Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. (DAG SHG); Institut für Medizin-Soziologie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Korrespondenzadresse

Dr. phil. S. Nickel

Universitätsklinikum

Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin

Institut für Medizin-Soziologie Martinistraße 52

20246 Hamburg

Email: ickel@uke.uni-hamburg.de

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