In der Simulation können seltene und gefährliche Notfälle sicher trainiert werden. Neben Skill-Trainings steht in der medizinischen Simulation das Erlernen und Festigen von nicht-technischen Fertigkeiten im Vordergrund. In fundierten Debriefings werden die Lerninhalte herausgearbeitet und tragen zu verbessertem Outcome von Patient:innen bei. Diese Erkenntnisse führten zur Implementierung des Universitären Simulationszentrums Wien – einer Kooperation des Wiener Gesundheitsverbunds und der Medizinischen Universität Wien.

Medizinische Ausbildung am Modell genießt seit vielen Jahrhunderten einen hohen Stellenwert. Erste anatomische Modelle sind aus dem China des 10. Jahrhunderts bekannt. Neben diesen, die wohl der theoretischen Wissensvermittlung dienten, wurden ab dem 17. Jahrhundert eine Vielzahl geburtshilflicher Phantome hergestellt [1].

So konnten am Phantom seltene oder aber risikoreiche Verfahren geübt werden, ohne Schaden an Patient:innen zu riskieren. In Mitteleuropa gehörte die Geburtshilfe zu den ersten Anwendungen dieser Simulatoren. Die Entwicklung des Kindes konnte so geübt werden, um im Ernstfall korrekter und rascher handeln zu können. Bald schon nutzten auch die chirurgischen Disziplinen Modelle, um sich auf Operationen vorzubereiten [1].

Heute gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Anwendungen der Simulation in der Medizin. Dabei ist zu beachten, dass das Wort Simulation in einer Vielzahl von Bedeutungen genutzt wird. Diese erstrecken sich von der prozeduralen Simulation (z. B. um das Setzen einer Einzelknopfnaht zu erlernen) über Low Fidelity Simulation (z. B. bei einem Reanimationstraining im Erste-Hilfe-Kurs) bis hin zu High Fidelity Simulation in multidisziplinären Teamtrainings.

Der Begriff der Fidelity wird verwendet, um den Realitätsgrad einer Simulation anzugeben. Low Fidelity ist zum Beispiel das Verwenden eines abstrahierten Modells des Larynx, um die Notkoniotomie zu erlernen. Als High Fidelity bezeichnet man im Allgemeinen komplexe und sehr realitätsnahe Simulatoren – am Beispiel der Notkoniotomie an einem vollständigen Modell mit anatomisch korrektem Hals und Atemweg inklusive nachgebildeter Haut und Knorpel in einem realitätsnahen Setting. Die Literatur ist in der Frage ob höhere Fidelity mit einem besseren Lernerfolg einhergeht uneins. Eine klare Definition der Lernziele vor der Auswahl der passenden Fidelity scheint essenziell [2, 3].

Teamtraining

Eine besondere Form der Simulation ist das Teamtraining. Im Rahmen eines Teamtrainings üben interprofessionelle – teilweise auch interdisziplinäre – Teams unter anderem die Schockraumversorgung, die Versorgung von Patient:innen mit Neurotrauma oder die Behandlung von Schwangeren im Kreislaufstillstand.

Entscheidend ist die Verbesserung der nichttechnischen Fähigkeiten, da in der Analyse von Zwischenfällen gezeigt werden konnte, dass in 60–70 % der medizinischen Zwischenfälle Kommunikationsprobleme als relevante Faktoren in der Kausalität vorlagen [4].

Dementsprechend zeigt die Literatur positive Effekte durch die Implementierung von Teamtrainings. So wurde gezeigt, dass anwender:innenzentrierte Outcomes wie Zufriedenheit, Wissen und Geschwindigkeit in einzelnen Aufgaben verbessert werden konnten [5,6,7]. Neben diesen positiven Effekten konnte aber zum Beispiel in der Geburtshilfe, der Traumaversorgung, der Reanimation und der Herzinfarktversorgung durch Teamtraining auch das Patient:innen-Outcome verbessert werden [5, 8,9,10].

Debriefing

Das Trainieren allein von oben genannten kritischen Situationen bietet schon eine Möglichkeit, durch Selbstreflexion zu lernen. Der Effekt für die Teilnehmer:innen allerdings wird durch ein strukturiertes Debriefing sowohl bei den aktiven im Szenario Teilnehmenden als auch bei den Zuseher:innen signifikant verbessert [11]. Das strukturierte Debriefing findet nach dem Szenario statt und wird im Allgemeinen von zwei ausgebildeten Simulationsexpert:innen geleitet.

Zwei gut validierte und publizierte Möglichkeiten eines Debriefings sind „Debriefing with Good Judgement“ [12, 13] und das „PEARLS Framework“ [14]. Bei beiden stehen folgende Prinzipien im Vordergrund: Die Teilnehmer:innen sind Expert:innen in ihrem Feld; Ziel ist nicht die dogmatische Lehre, sondern vielmehr die Diskussion, was die individuellen Motivationen und Hintergründe des Handelns waren.

Ich sehe, was du getan hast, aber nicht warum du etwas getan hast!“ Geleitet von dieser Neugierde können die Gründe für das Handeln in der Gruppe herausgearbeitet werden. Sobald diese bekannt sind, können Strategien erarbeitet werden, um in der Patient:innenversorgung besser zu handeln. Diese Art der Lehre unterscheidet sich deutlich von anderen Techniken: Es sollen die Grundlagen des Handelns durch die Teilnehmenden so verändert werden, dass auch in neuen, zuvor nicht bekannten Situationen gut gehandelt werden kann.

Um diese Neugierde der Simulationsexpert:innen transparent zu zeigen und wertschätzend nachzufragen, ohne die eigenen Gedanken zu verstecken, bietet sich „debriefing with good judgement“ an. Es handelt sich im Kern um den Dreisatz: Ich habe gesehen, dass, … Ich denke mir, … Warum ist das passiert? [13].

Diese Art zu fragen soll es den Teilnehmer:innen ermöglichen, ihre Überlegungen darzulegen und Fehlerursachen zu identifizieren. Im weiteren Verlauf des Debriefings werden dann zusammen Lösungsansätze herausgearbeitet.

Sichere Lernumgebung

Simulation stellt für viele Teilnehmer:innen eine Stresssituation dar. Dies liegt nicht nur an der Situation des Beobachtetwerdens, sondern auch daran, dass die Simulation selbst bei hoher Fidelity immer etwas anders ist als die klinische Tätigkeit in der Patient:innenversorgung. Da Menschen unter übermäßigem Stress schlechter lernen als in Ruhe und die Simulation eine positive Erfahrung darstellen soll, hat die Schaffung einer sicheren Lernumgebung hohe Priorität [15].

Um eine solche sichere Lernumgebung zu schaffen, reicht es nicht aus, diese zu deklarieren: „Das ist eine sichere Lernumgebung“. Vielmehr müssen die Teilnehmer:innen sicher sein, sich in einer solchen zu befinden, ohne dass die Trainer:innen dies so formulieren. Dabei hat es sich bewährt, einem Prebriefing am Beginn des Trainings Zeit zu widmen [16,17,18]. Dies beinhaltet neben der räumlichen und zeitlichen Gegebenheit die geplanten Inhalte, Sicherheitsvorgaben und eine Verschwiegenheitserklärung. Darin wird definiert, dass alle Einzelleistungen der Teilnehmer:innen nicht nach außen dringen. Auch wird den Teilnehmer:innen zugesagt, dass Leistung nicht an Vorgesetzte weitergegeben werden.

Nach dem Prebriefing erfolgt typischerweise eine Einweisung, in der den Teilnehmer:innen die Räume und Simulatoren gezeigt werden, um allfällige Besonderheiten der Simulation zu klären. Durch das Deklarieren der Methodik-basierten Limitationen werden Unsicherheiten reduziert und die Teilnehmer:innen können sich noch besser in das Szenario fallen lassen, um den Lerneffekt zu verbessern.

Universitäres Simulationszentrum Wien

Das Universitäre Simulationszentrum Wien (USZ) ist eine Kooperation des Wiener Gesundheitsverbunds (WiGeV) und der Medizinischen Universität Wien. Es befindet sich in der Klinik Floridsdorf. Im USZ stehen ein OP, ein Schockraum, ein Intensivzimmer sowie zwei Skill-Räume und zwei Debriefing-Räume zur Verfügung. Über die Steuerräume werden die Simulatoren sowie die Audio‑/Videoanlage gesteuert. Dies erfolgt durch die Simulationstechniker des USZ. Ein Lager inkl. 3D-Drucker und Werkstatt runden die Infrastruktur ab und ermöglichen es, eigene Modelle zu entwickeln und verbessern.

Die Trainings stehen allen Mitarbeiter:innen aus Akutbereichen des WiGeV und der Medizinischen Universität Wien offen. Die Anmeldung zu den Trainings erfolgt online über www.simulation.gesundheitsverbund.at.