„2017 wurde im Wiener Gesundheitsverbund die Entscheidung getroffen, ein Compliance-Management- System aufzubauen. Dabei haben wir uns an den State-of-the-art-Vorgaben in diesem Feld orientiert“, blickt David Leitgeb zurück. Er leitete bis vor Kurzem den Compliancebereich im Verbund, der acht Kliniken und neun Pflegehäuser sowie das Therapiezentrum Ybbs umfasst. Ein wesentlicher Baustein dabei war die Etablierung einer niederschwelligen Möglichkeit, Hinweise und Beschwerden auch in anonymisierter Form abzugeben. Dies würde auch in anderen Institutionen der öffentlichen Verwaltung regelmäßig von Stadt- und Bundesrechnungshof eingefordert. Ein weiterer Anlass war auch die EU-Whistleblower-Richtlinie, die gerade für den öffentlichen Bereich klare Vorgaben macht und in absehbarer Zeit auch Konsequenzen für die heimische Gesetzgebung haben wird.

Interdisziplinäres Team

In die Entwicklung des Compliance-Management- Systems war von Anfang an die Rechtsabteilung des Wiener Gesundheitsverbunds involviert; ein interdisziplinäres Team mit Wirtschafts- und Controllingerfahrungen hat das Projekt realisiert. Am 31. März dieses Jahres war der Aufbau des Systems abgeabgeschlossen, inklusive einer Plattform für Hinweisgeber. „Compliance bedeutet ja normalerweise viel Präventionsarbeit, etwa in Form von Schulungen und Weiterbildungen — dies war während der Corona-Pandemie nur sehr eingeschränkt bis gar nicht möglich. Gleichzeitig ergab sich so die Chance, auch dieses Meldesystem rasch zu etablieren“, so Leitgeb.

Das Meldesystem setzt den Fokus auf mögliche Korruptionsfälle und steht verbundweit via Intraund Internet zur Verfügung, „so ist es auch von externen Personen wie etwa Geschäftspartnern, Zuweisenden oder auch Patienten nutzbar“, ergänzt Thomas Windisch, der in der Rechtsabteilung des Gesundheitsverbunds nun die Leitung des ComplianceBereichs von Leitgeb übernommen hat. „Wir bearbeiten dann diese Meldung zeitnah, wobei dies, abhängig von der Komplexität des Themas, unterschiedlich lange dauern kann.“ Die Personen, die eine Meldung eingeben, werden dann zum Stand der Dinge informiert, ebenso wie darüber, welche Konsequenzen gezogen werden, wenn sich ein Hinweis bewahrheitet.

Nutzen für die Prävention

Eine Besonderheit des Systems ist, dass es auf Dialog ausgelegt ist, die Hinweisgebenden haben unter Wahrung der Anonymität die Möglichkeit, einen Postkasten einzurichten. „So sind dann auch Rückfragen möglich, ohne dass die meldende Person irgendwelche Nachteile befürchten muss, auch wenn sie selbst in das Geschehen involviert ist“, erklärt Leitgeb. An den Pranger soll niemand gestellt werden.

Die abgegebenen Hinweise werden auf jeden Fall für die Prävention genutzt, liefern wichtige Beiträge zur Qualitätssicherung und treiben änderungen in Organisation und Abläufen voran. Erfahrungen aus vergleichbaren Institutionen zeigen, dass eine Meldung pro tausend Mitarbeitenden im Jahr abgegeben wird, sagt Windisch. „Wir werden aufgrund unserer Unternehmensgröße etwa 30 Meldungen im Jahr haben. Diese betreffen beispielsweise den Technik- und Verwaltungsbereich, Beschaffungsvorgänge sowie das medizinische und pflegerische Kernsetting etwa in Zusammenhang mit der Strategie rund um die Corona- Impfungen.“ Ebenso als Thema in der Eingabemaske des Meldesystems ist der Datenschutz.

Initiator David Leitgeb betont, dass die Bearbeitungsdauer der Fälle immer wieder evaluiert wird, ebenso wie die Konsequenzen, die daraus gezogen werden. Im Blickfeld ist dabei freilich auch die Usability des Meldesystems und der dort angeführten Themenschwerpunkte, unter denen Beschwerden eingereicht werden können.