Hintergrund

Neben der Bedeutung als kulturelle Körperpraktik wird dem Schwimmen eine Sammlung besonderer Sinnes‑, Umwelt- und Bewegungserlebnisse zugeordnet. Die Schwimmausbildung (Abb. 1) verfolgt also nicht nur die lebensrettende Zielsetzung der Prävention von Ertrinkungsunfällen (Kuntz et al. 2016), sie ist auch die Voraussetzung für die „Teilhabe an einer der gesellschaftlich relevantesten Freizeitaktivitäten“ (Stemper und Kels 2016, S. 3). Erfahrungen im Bewegungsraum Wasser, welcher durch die Konfrontation mit Dichte, Auftrieb und Widerstand besondere Erfahrungen des Schwebens, Tauchens und Gleitens zulässt, sind einzigartig und ergänzen die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen (ebd.). Der Anteil an Schwimmanfänger*innen in Nordrhein-Westfalen wird für die fünfte Jahrgangsstufe auf 30 % geschätzt, weshalb der Schwimmunterricht demnach zunächst primär die Aufgabe erhält, für einen sicheren Aufenthalt im Wasser und die dafür erforderlichen Kompetenzen zu sorgen (Staub et al. 2017). Durch ungünstige Rahmenbedingungen, insbesondere durch fehlende Sportlehrkräfte, große Lerngruppen und verhältnismäßig wenig Wasserzeit, ist die Vermittlung der Grundfähigkeiten des sicheren Schwimmens und damit ein sensibler Abbau von Ängsten der Lernenden eine durchaus schwer zu bewältigende Aufgabe (Brettschneider, 2007; Staub et al. 2017). Verschärft wird die Problematik durch den hohen Anteil fachfremd unterrichtender Sportlehrkräfte (Grundschulen: 49 %, Hauptschulen: 30 %), „vor allem in den Schulen, die den qualifiziertesten Sportunterricht benötigen“ (Brettschneider 2007, S. 6). Die Strategie, Schwimmmeister*innen oder ähnliche Personengruppen mit dem Unterricht zu betrauen, wie es in einigen (Bundes‑)Ländern praktiziert wird, unterstützt zwar das Ziel, Kinder schnell zu Schwimmer*innen auszubilden, verliert jedoch gleichzeitig den Fokus auf einen vielseitigen, entwicklungsfördernden Schwimmunterricht in der vertrauten Klassenatmosphäre (Jakob 2019).

Abb. 1
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Bei der Schwimmausbildung. Foto: LSB NRW/Andrea Bowinkelmann

Aus diesem Grund hat sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalens, in Anlehnung an die Kultusministerkonferenz der Länder, das Ziel gesetzt, den schulischen Schwimmunterricht dahingehend zu stärken, „dass jedes Kind am Ende der Grundschulzeit, […] spätestens aber am Ende der Klasse 6, sicher schwimmen können soll“ (Ministerium für Schule und Bildung NRW o.J.). Unterstützend initiierte das Ministerium für Schule und Bildung über den Aktionsplan „Schwimmen lernen in Nordrhein-Westfalen 2019 bis 2022“ den Einsatz qualifizierter Schwimmassistent*innen (ebd. o.J.).

Neben den äußeren Rahmenbedingungen beeinflussen vor allem die in Bezug auf die Wasservorerfahrungen heterogenen Lerngruppen den Erfolg des schulischen Schwimmunterrichts (Jakob 2019). In der Untersuchung MOBAQ I gaben mehr als 60 % der befragten Kinder an, das Schwimmen allein über die Eltern oder einen Schwimmkurs erlernt zu haben. Kinder, die nur die Schule als Lernort angaben (14 %), schnitten in der Testung der Schwimmfähigkeit vergleichsweise schlechter ab (Kurz und Fritz 2006). Bei Betrachtung des sozialen Kontextes wird deutlich, dass insbesondere Kinder mit einem niedrigeren sozialen Status und Kinder mit beidseitigem Migrationshintergrund häufiger Nichtschwimmer*innen sind. Mit dem Stichwort der „intergenerationalen Vererbung“ betiteln Kuntz et al. (2016) zudem die Auffälligkeit, dass in der Gruppe von Kindern mit Migrationshintergrund eine höhere Nichtschwimmer*innen-Quote zu finden ist, wenn das familiäre Umfeld aus kulturellen Gründen weniger Bezug zum Schwimmen hat, eventuell sogar selbst nicht schwimmen kann. „Das fehlende elterliche Engagement und Interesse am Thema Schwimmfähigkeit aufgrund biografischer und kultureller Prägungen spielt somit eine zentrale Rolle“ (Kels und Stemper 2017, S. 394f). Hinweise darauf liefern ebenfalls Statistiken zu den Ertrinkungsunfällen verschiedener europäischer Länder (Wilkens 2007). Mögliche Fluchterfahrungen können zudem Abwehrreaktionen oder starke Angstgefühle gegenüber dem Wasser hervorrufen und damit den Schwimmunterricht beeinflussen (Jakob 2019).

Ergänzend mehren sich in der Literatur wichtige Hinweise auf sozial-kulturelle Gründe für eine geringere, teils geschlechtsspezifische Beteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in unterschiedlichen Settings des Sports (Burrmann 2017). Insbesondere die Dimensionen der Einstellung zu Geschlechterrollen, der Religion/Religiosität und der sprachlichen Assimilation nehmen einen entscheidenden Einfluss auf die außerschulischen Sportaktivitäten (Burrmann et al. 2015). Als verbindlicher Bestandteil der schulischen Ausbildung überwindet der Sportunterricht zumindest formal die Hürde des Zugangs zur Sport- und Bewegungskultur, bedingt jedoch enorm heterogene Lerngruppen.

Wissenschaftliche Diskurse weisen dem Sportunterricht, und damit auch dem Schwimmunterricht, durch die Begegnung im körperlichen Miteinander, im emotional erlebten Spannungsfeld von Gleichheit und Differenz sowie im reflektiven Umgang mit Fremdheit eine zentrale Rolle in interkulturellen Lernprozessen zu (Volkmann 2018). Es stellen sich daher die Fragen, welche Rahmenbedingungen des schulischen Schwimmunterrichts fördernd und hemmend auf die Schwimmfähigkeit von Kindern (mit Migrationshintergrund) Einfluss nehmen und welche Strategien Lehrkräfte entwickeln, ihren Schwimmunterricht trotz vielfältig heterogener Lerngruppen erfolgreich zu gestalten.

Projektziele

Im Pilotprojekt „Schwimmen lernen von Kindern mit Migrationshintergrund – Eine Analyse der Rahmenbedingungen in NRW“ wurde daher folgenden forschungsleitenden Fragstellungen nachgegangen:

  • Welchen Chancen und Herausforderungen begegnen Lehrkräfte in der schulischen Schwimmausbildung von Kindern mit Migrationshintergrund?

  • Welche Rolle spielen personale und organisatorische Unterstützungsstrukturen in der Durchführung des schulischen Schwimmunterrichts am Beispiel des Einsatzes von Schwimmassistent*innen?

  • Welche Aus- und Fortbildungsstrukturen kennen und reflektieren Lehrer*innen und pädagogische Fachkräfte in Bezug auf ihre interkulturelle Kompetenz?

Methodisches Vorgehen

Zur Beantwortung der Fragen wurde ein Methodenmix gewählt, der aufgrund der vergleichsweise kurzen Projektlaufzeit von fünf Monaten zunächst im kleinen Rahmen am Standort Dortmund angewandt wurde. In zwei Arbeitspaketen wurden, aufbauend auf eine zweiwöchige, onlinebasierte Kurzbefragung, leitfadengestützte Einzelinterviews mit verschiedenen, am Schwimmunterricht beteiligten Personengruppen geführt. Die offenen Fragen des Online-Surveys sowie alle Leitfadeninterviews wurden in die Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) einbezogen. Deduktive Kategorien wurden aus der vorhandenen Literatur zur Thematik der Arbeitspakete abgeleitet, Unterkategorien entwickelten sich induktiv aus dem vorliegenden Interviewmaterial.

Ergebnisse

Den Online-Survey reichten 16 Personen (w:9/m:7) vollständig ein. Diese gaben an, Lehrkräfte sämtlicher Schulformen, Sozialpädagog*innen, Erzieher*innen oder Sportvereinsvertreter*innen/Übungsleiter*innen zu sein. Für die zehn vertiefenden Einzelinterviews konnten Sportlehrkräfte (w:4/m:3) verschiedener Schulformen, eine Sportvereinsübungsleiterin und zwei Personen (w:1/m:1) aus Sportverbänden gewonnen werden. Wichtige Ankerzitate finden sich in Tab. 1.

Tab. 1 Identifizierte Kategorien und Ankerbeispiele aus den Interviews

Herausforderungen in der schulischen Schwimmausbildung

In allen geführten Interviews war es auffällig, dass es den Einzelnen ein großes Bedürfnis war, auf die allgemeinen, oft problematischen Rahmenbedingungen des schulischen Schwimmunterrichts hinzuweisen. Dazu gehören vor allem kurze Wasserzeiten und große Lerngruppen. Darüber hinaus machte allen Befragten im Allgemeinen ein zumindest subjektiv erkennbarer Bewegungsmangel der Schüler*innen sowie im Speziellen die ansteigende Nichtschwimmer*innen-Quote große Sorgen. Eine große Herausforderung für den Schulalltag bringen die heterogenen Lerngruppen in den Schwimmunterricht mit, die sich insbesondere in deutlichen Unterschieden in der sozialisationsbedingten Vorerfahrung mit dem Bewegungsraum Wasser äußern. Eltern sind für das Erlernen des Schwimmens eine wichtige Sozialisationsinstanz. Dabei sind zunächst spielerische, schwimmartunspezifische Erfahrungen in der Wassergewöhnung von enormer Bedeutung, um schon sehr früh Ängste zu minimieren. Mittlerweile finden sich in den Familien jedoch teilweise mehrere Generationen von Nichtschwimmer*innen, die den Spaß an der Bewegung im Wasser und die Notwendigkeit des Schwimmenlernens wenig in den Familienalltag rücken. Einen exakten Überblick zu den Migrationsgeschichten oder möglichen Fluchterfahrungen ihrer Schüler*innen hatten die befragten Lehrkräfte nicht in allen Fällen, obwohl dieser zur Vorbereitung des Unterrichts hilfreich sei. Gleichzeitig zeigte sich eine große Sensibilität gegenüber traumatischen Erlebnissen der geflüchteten Kinder und Jugendlichen (mit Bezug auf das Wasser).

Selten wurde in den geführten Einzelinterviews ein Zusammenhang zwischen den Chancen und Herausforderungen des schulischen Schwimmunterrichts und der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund hergestellt. Mit dem Hinweis auf die Abhängigkeit von der sozialen Schicht und anderen Rahmenbedingungen, wie der Lerngruppengröße, wurde eine direkte Verbindung teilweise sogar vehement abgelehnt. Dennoch wiederholten sich in den Gesprächen wichtige Dimensionen.

Zu den Hindernissen zählen besonders sprachliche Barrieren (der Eltern) oder ein kulturell geprägter Umgang mit Körperlichkeit und Geschlechterrollen. Besonderheiten in der Teilnahme von Schüler*innen mit Migrationshintergrund am Schwimmunterricht („weniger Badeunfälle“, „über den Sport die Sprache zu erlernen“) wurden von den Befragten im Bereich der Chancen auch auf die gesamte Lerngruppe übertragen: „Kennenlernen unterschiedlicher kultureller Auffassungen zum Schwimmen und der Badekleidung“, „verstärkte Visualisierung des Lernstoffs“, „Unterschiedlichkeiten in den Hintergrund“.

Im Bereich der Herausforderungen zeigten sich individuelle Lösungsstrategien. Die Kommunikation über das Verhalten im Schwimmbad oder die Bedeutung des Schwimmunterrichts für das Individuum wird über mehrsprachige Informationsblätter oder Bilderreihen, zum Beispiel zu den Baderegeln, unterstützt. Kulturell geprägte Geschlechterrollen können sich ebenso in den Schwimmunterricht tragen, weshalb einerseits Aufklärungsmechanismen aufgebaut und andererseits entsprechende Qualifikationsinhalte für die Lehrkräfte angeraten wurden. Gleichzeitig scheint der Aspekt der Geschlechterverteilung unter den Schwimmlehrkräften weniger Beachtung zu finden, wenn es seitens der Teilnehmenden bisher keine Auffälligkeiten gab. Oftmals gibt die aktuelle Personalstruktur die Besetzung vor Ort vor.

Die Rolle der Schwimmassistent*innen

Der Einsatz von Schwimmassistent*innen kann eine Chance für Lerngruppen bieten, eine Differenzierung innerhalb der Lernschritte besser zu bewältigen. Schwimmassistent*innen sind oft Mitarbeitende des Schwimmbades oder eines ansässigen Sportvereins. Für eine langfristige Zusammenarbeit ist beidseitig ein Verständnis dafür zu schaffen, „dass so eine Kooperation nur funktioniert, wenn […] die Lehrkräfte und die Schwimmassistenten [.] auf Augenhöhe zusammenarbeiten“ (Zitat Befragter m09).

Die Vorgaben zur Erfüllung der Rolle als Schwimmassistent*in werden unterschiedlich ausgelegt. Das Rettungsschwimmabzeichen ist obligatorisch und wird bestenfalls durch weitere Qualifikationen ergänzt, um auf die Vielzahl von Aufgaben vorzubereiten. Durchweg finden sich positive Rückmeldungen zur Unterstützung durch Schwimmassistent*innen. Schwierigkeiten bereiten die Organisation und Aufrechterhaltung einer Kooperation. Ist der*die Schwimmassistent*in für mehrere Stunden im Schwimmbad (Abb. 2) anwesend und begleitet über den gesamten Vormittag mehrere Schulen, ist der Einsatz für die Beteiligten sowie für die jeweiligen Systeme machbar und lohnenswert. Eine besondere Herausforderung stellt die Rekrutierung von qualifizierten Personen dar, die während der Schulzeiten eingesetzt werden. Zeitlich begrenzte Zertifikatskurse können eine geeignete Strategie für einen niedrigschwelligen Einstieg sein.

Abb. 2
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Kinder und Schwimmbretter am Beckenrand. Foto: LSB NRW/Andrea Bowinkelmann

Die Befragten wiesen auf die langfristige Finanzierung der Hilfskräfte hin, welche schon zu Beginn einer Kooperation bedacht und organisiert werden muss. Förderprogramme, wie der Aktionsplan, unterstützen dabei. Zusätzlich können sich auf kommunaler Ebene interdisziplinäre Arbeitskreise bilden und somit die verschiedenen Interessensgruppen vertreten sein. Zudem kann die Zielgruppe durch zusätzliche Angebote (zum Beispiel der Offenen Ganztagsschule oder von Sportvereinsgruppen) über den Schulunterricht hinaus begleitet werden.

Fortbildungsstrukturen und -inhalte

Den meisten Befragten sind Fortbildungen in den Bereichen des Schwimmunterrichts oder der interkulturellen Kompetenzen bekannt. Eine direkte Verknüpfung der beiden Themenbereiche fand aus ihrer Sicht bisher zu wenig statt. Als Anbieter diverser Fortbildungen werden vor allem die Bezirksregierung wie auch die DLRG, der Schwimmverband NRW oder der eigene Arbeitgeber genannt. In der Mehrheit wurden die besuchten Fortbildungen als praxisnah und -relevant bezeichnet. Inhalte zum sprachsensiblen, interkulturellen Sportunterricht oder die Thematisierung von Traumata wurden vereinzelt bereits absolviert. Bei Wünschen für zukünftige Fortbildungen fiel auf, dass vor allem allgemeine Themen im Bereich des Anfänger*innenschwimmens, wie zum Umgang mit dem ersten Wasserkontakt, gefordert sind. Fächerübergreifende Fortbildungen und ein regelmäßig stattfindender kollegialer Austausch innerhalb der eigenen Schule helfen in der Unterrichtsvorbereitung (zum Beispiel Übernahme mehrsprachiger Materialien wie Bildreihen oder „Sportvokabeln“) sowie in der kultursensiblen Kommunikation (mit den Eltern) und werden sehr geschätzt. Zudem ist die örtliche Nähe zum Arbeitsplatz attraktiver als zentrale Veranstaltungen. Dennoch seien schwimmspezifische Fortbildungen mit dem Fokus auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund interessant. Bisher würden diese jedoch fehlen oder wurden zumindest nicht ausreichend beworben. Die Fortbildungen sollten vor allem praxisnah konzipiert sein und die verschiedenen Altersstufen berücksichtigen.

Zukünftig sollten auch die sportpraktischen Ausbildungsanteile im Lehramtsstudium verstärkt auf den sensiblen Umgang mit verschiedenen Zielgruppen eingehen. Die befragten Lehrkräfte betonten, dass der Kultursensibilität dort zu wenig Beachtung geschenkt würde.

Zusammenfassend ist eine generelle Bereitschaft zur Teilnahme an themenspezifischen Fortbildungen zu erkennen. Querschnittsthemen geraten in der Herausforderung des Schul(sport)alltags jedoch zu oft in den Hintergrund, wenn „wir [.] schon damit zu kämpfen [haben], dass der Schwimmunterricht überhaupt erstmal stattfindet“ (m06).

Fazit und Ausblick

Über die Erhebungen im vorgestellten Pilotprojekt wurde die Bedeutung der verschiedenen Sozialisationsinstanzen in Bezug auf eine Wassergewöhnung und -sicherheit in den Fokus gerückt. Sie bereiten den Erfolg des schulischen Schwimmunterrichts und eine niedrige Nichtschwimmer*innen-Quote unter den Schüler*innen vor. Parallele Sozialisationsstrukturen und -prozesse, wie sie im Kindes- und Jugendalter unter anderem in der Familie, der Schule und den Peergroups zu finden sind, können den Verlauf des Schwimmunterrichts fördern oder auch bremsen.

Damit werden vorangegangene Studien bestätigt, die Kindern und Jugendlichen einen besonderen Förderbedarf im Schwimmen zuschreiben, die in Familien mit allgemein weniger Interesse am Sport und dem Schwimmenlernen aufgewachsen sind sowie aus verschiedenen Gründen eventuell keinen Zugang zu einem Schwimmkurs erhielten und somit allein auf den schulischen Schwimmunterricht angewiesen sind (unter anderem Kurz et al. 2007). In der Aufklärung und Begleitung des familiären Umfeldes sollten die kulturellen Unterschiede im Umgang mit dem Bewegungsraum Wasser berücksichtigt und die fördernden Maßnahmen auf die individuellen Bedarfe der Zielgruppen angepasst werden.

Lehrkräfte profitieren davon, die kulturelle Diversität innerhalb der Lerngruppen und die inter-/intrakulturellen Kompetenzen der Schüler*innen anzuerkennen und sensibel aufzugreifen, ohne den Fokus auf die individuellen Unterschiede zu sehr zu verschärfen (Grimminger 2011). Verschiedene Studien zeigen die signifikante Verbesserung der interkulturellen Methoden- und Sachkompetenz bei Studierenden und Sportlehrkräften im Rahmen vielfältiger Aus‑/Weiterbildungsinhalte auf (Frohn und Grimminger 2011).

Die von Burrmann et al. (2015) für den Vereinssport herausgestellten Kulturdimensionen – Religion, Geschlechterrollen und Sprache – und deren Bedeutung für die Herausforderungen des interkulturellen Lernens bestätigten sich ebenfalls in unserer Pilotstudie für den schulischen Schwimmunterricht. Besondere Bedarfe von Kindern mit Migrationshintergrund (Aufklärung der Eltern, Sprachkenntnisse, Umgang mit Körperlichkeit) müssen von Anfang an berücksichtigt werden und kennzeichnen den Praxisalltag, jedoch rücken sie schnell in den Hintergrund, wenn äußere Rahmenbedingungen eine vielfältige Schwimmausbildung einschränken.

In Bezug auf den Schwimmunterricht muss es das Ziel sein, dass neben der Frage der Wassersicherheit und Angstbewältigung auch die lebenslange Gesundheitsförderung für alle Lernenden im Vordergrund steht (Abb. 3). Stärkend wirken langfristige Förderprogramme respektive die Bereitstellung von räumlichen und personalen Ressourcen. Schwimmassistent*innen unterstützen die Effizienz des Schwimmunterrichts, wenn die Organisation und Aufrechterhaltung der Kooperation strukturiert und für beide Seiten zufriedenstellend abläuft.

Abb. 3
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Schwimmunterricht soll neben Wassersicherheit und Angstbewältigung auch die lebenslange Gesundheitsförderung in den Vordergrund rücken. Foto: LSB NRW/Andrea Bowinkelmann

Die Ergebnisse des Projekts „Schwimmen lernen von Kindern mit Migrationshintergrund – Eine Analyse der Rahmenbedingungen in NRW“ sind durch eine kurze Laufzeit sowie die zugleich die Umsetzung einschränkenden Verordnungen im Rahmen der Coronapandemie in 2020 als eine erste Momentaufnahme im durchaus diversen Themenfeld anzusehen. Dennoch boten sich wichtige Anhaltspunkte, die es in Zukunft weiterzuverfolgen lohnt, um eine Stärkung des schulischen Schwimmunterrichts herbeizuführen. Die interdisziplinäre Betrachtung aller beteiligten Perspektiven spielt dabei eine große Rolle. Langfristig ist neben der sportpädagogischen/-soziologischen Analyse ebenfalls die Einbettung von trainingswissenschaftlichen Tools zur Begleitung und Überprüfung von Maßnahmen zur Verbesserung des Schwimmunterrichts zu empfehlen.