Fallbeschreibung

Ein bisher gesunder 18-jähriger Mann entwickelte subakut Kopfschmerzen, hohes Fieber bis 39 °C, Desorientiertheit, Halluzinationen und eine Ataxie, weswegen eine stationäre Aufnahme notwendig wurde. Eine in der erstversorgenden Klinik durchgeführte Liquoranalyse ergab eine lymphomonozytäre Pleozytose von 186 Zellen/µl bei normwertigem Eiweiß- und Laktatgehalt (0,389 g/l bzw. 1,31 mmol/l). Darüber hinaus fanden sich positive oligoklonale Banden. Bei Verdacht auf das Vorliegen einer lymphomonozytären Meningoenzephalitis erhielt der Patient eine probatorische Kombinationstherapie aus Aciclovir, Ceftriaxon, Ampicillin und 100 mg Prednisolon. Die Liquorkulturen blieben jedoch steril, und die Untersuchung auf Antikörper gegen neurotrope Viren ergab negative Befunde. Eine initiale kraniale Magnetresonanztomographie, welche aufgrund von Bewegungs- und Suszeptibilitätsartefakten durch eine einliegende Zahnspange jedoch nur eingeschränkt beurteilt werden konnte, wies im Seitenvergleich rechtsseitig eine geringe Signalanhebung der Basalganglien, des Hippocampus und des Gyrus parahippocampalis auf. 11 Tage nach Symptombeginn erfolgte infolge einer progredienten Vigilanzstörung, des Auftretens generalisierter tonisch-klonischer Krampfanfälle und einer Aspirationspneumonie die endotracheale Intubation.

16 Tage nach Symptombeginn übernahmen wir den Patienten schließlich intubiert, sediert und beatmet auf unsere neurologische Intensivstation. Am Übernahmetag führten wir eine kraniale Magnetresonanztomographie (MRT) durch, welche beidseitige T2-Signalanhebungen und rechtsseitig eine geringe Kontrastmittelaufnahme am Nucleus caudatus sowie im rostralen Putamen zur Darstellung brachte. Darüber hinaus zeigte sich eine T2-Signalanhebung temporomesial beidseits mit rechtsseitiger Betonung, vereinbar mit einer Enzephalitis (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Kraniale Magnetresonanztomographien (1,5 T) im zeitlichen Verlauf 10, 16, 39 bzw. 64 Tage nach Symptombeginn. Abgebildet sind liquor- und fettsignalunterdrückte T2-Turbospinecho-„inversion-recovery“- (Zeilen 1 und 2) sowie  T1w-Turbo-„inversion-recovery-magnitude“-Aufnahmen (Zeile 3). Im zeitlichen Verlauf zeigt sich eine Zunahme der auf den FLAIR-Aufnahmen hyperintensen und in T1-Wichtung hypointensen Läsionen im Bereich der Basalganglien, der Inselregion sowie der mesiotemporalen Strukturen

Wir führten zunächst die extern begonnene antibiotische und antivirale Therapie mit Ceftriaxon, Ampicillin und Aciclovir fort und wiederholten die diagnostische Lumbalpunktion. Hierbei konnte eine persistierende lymphozytäre Pleozytose mit etwas geringerer Zellzahl (93/µl) im Vergleich zur externen Voruntersuchung nachgewiesen werden. Erneut waren der Eiweiß- und Laktatgehalt normwertig und die oligoklonalen Banden positiv. In der erweiterten Erregerdiagnostik (HSV 1 und 2, VZV, CMV, EBV, HIV 1 und 2, HHV 6, Hepatitis-A-, B‑, C‑, D‑ und -E-Virus, FSME-Virus, Japan-B-Virus, West-Nil-Virus, Sandfliegenvirus, Hantavirus, HTLV 1 und 2, Enteroviren, Masernvirus, Rötelnvirus, Mumpsvirus sowie panbakterielle PCR) ergaben sich erneut nur negative Befunde, sodass wir die antibiotische und antivirale Therapie unter Fortführung der Prednisolonbehandlung mit 1 mg/kgKG beendeten. Die in 2 unabhängige Speziallabore versendeten Liquor- und Serumproben zur Untersuchung auf antineurale Antikörper (GQ1b, GM1 und GM2, GAD, LGI1, AMPA1, AMPA2, GABA, NMDA, Kaliumkanalkomplex) blieben negativ. Das Tau-Protein im Liquor war (46 Tage nach Symptombeginn) mit 2610 pg/ml deutlich (< 450 pg/ml) und Phospho-Tau mit 65 pg/ml (<61 pg/ml) geringfügig erhöht mit 65 pg/ml (< 61 pg/ml) bei regelrechten Ergebnissen für β‑Amyloid 1‑40 und 1‑42 und NSE. Eine Liquor-NfL(Neurofilamentleichtkette)-Messung 57 Tage nach Symptombeginn ergab 251 pg/ml. In der Verlaufsmessung der Neurodegenerationsmarker 20 Tage nach der Erstbestimmung (66 Tage nach Symptombeginn) hatte sich das Tau-Protein auf 323 pg/ml normalisiert. Mehrere Elektroenzephalographien blieben ohne Nachweis epilepsietypischer Potenziale.

Im Rahmen von 2 Extubationsversuchen nach Sedierungsreduktion konnten klinisch eine ausgeprägte Dysphagie, Augenmotilitätsstörungen, wechselnde Anisokorien sowie ein vorrangig horizontaler Opsoklonus beobachtet werden. Zudem traten zunehmend teils heftige, stimulussensitive Myoklonien im Gesicht, im Bereich des Kehlkopfs und der Nackenmuskulatur, weniger auch an den Extremitäten auf. Elektromyographisch waren ubiquitär mit Schwerpunkt der Gesichtsmuskulatur Zeichen florider Denervierung als Ausdruck der Beteiligung des zweiten motorischen Neurons nachweisbar. Leider verliefen die Extubationsversuche frustran, sodass 24 Tage nach Symptombeginn eine perkutane dilatative Tracheotomie durchgeführt werden musste. Nach Durchführung von 2 Zyklen Plasmapherese für jeweils 5 Tage konnte keine klinische Besserung beobachtet werden. In der Verlaufsuntersuchung des Liquors zeigte sich nun eine Zellzahl von 45/µl bei steigendem Eiweißgehalt (0,78 g/l) im Sinne einer Schrankenstörung. Aufgrund einer Literaturrecherche zu erregerbedingten Enzephalitisursachen insbesondere in Hinblick auf MR-tomographische Veränderungen des Nucleus caudatus wurde der Verdacht auf eine Bornavirusinfektion gelenkt und diagnostische Proben (Serum und Liquor) – trotz bisher fehlenden Nachweisen einer solchen Infektion in NRW – zum Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin nach Hamburg versandt. Diese ergaben bei Nachweis von Anti-BoDV-1-Antikörpern in Serum und Liquor schließlich den Hinweis auf eine Infektion durch das „Borna disease virus 1“ (BoDV‑1; s. hierzu Tab. 1 mit den serologischen und liquoranalytischen Antikörpertitern und PCR-Tests des Patienten im zeitlichen Verlauf). Nachfolgend entwickelte der Patient generalisierte Myoklonien, welche symptomatisch mit 3‑mal 5 mg Clobazam und 3‑mal 3600 mg Piracetam behandelt wurden mit hierunter resultierender inkonstanter Unterdrückung. In einer Verlaufs-MRT des Kraniums kamen zunehmende T2-Hyperintensitäten in den Basalganglien sowie dem limbischen System (mesiotemporal und kortikal im frontalen Hemisphärenspalt) und in der Medulla oblongata sowie der oberen Halswirbelsäule (HWK 1 und 2) zur Darstellung. Ferner waren in einigen Bereichen des limbischen Systems und der Insula beidseits eine Transformation zu T1-Hypointensitäten nachweisbar.

Tab. 1 Serologische und liquoranalytische Antikörper- und PCR-Tests des Patienten im zeitlichen Verlauf

Als Therapieversuch leiteten wir nach einer Literaturrecherche und Rücksprache mit dem Bernhard-Nocht-Institut eine Behandlung mit Favipiravir ein (initiale Dosierung 1600 mg 2‑mal tgl., Fortführung mit 600 mg 2‑mal tgl.). Die Prednisolontherapie mit 1 mg/kgKG wurde begleitend fortgeführt. Hierunter kam es zu einer leichten klinischen Verbesserung, sodass ab dem 13. Tag nach Beginn der Medikation eine Umstellung der Beatmung auf einen CPAP-Modus sowie nachfolgend wenige Stunden spontane Atmung möglich waren. Zeitweise war der Patient gut kontaktierbar, fixierte den Blick und konnte sich durch leichte Kopfbewegungen sowie Händedruck verständlich machen. Zudem entschieden wir uns nach interdisziplinärer Diskussion mit Kollegen des Bernhard-Nocht-Instituts und des Robert Koch-Instituts zur Einleitung einer längerfristigen Immunsuppression mit 1 mg/kgKG Prednisolon und 2‑mal tgl. 1000 mg Mykophenolatmofetil. Der Verlauf der serologischen und liquoranalytischen Antikörpertiter ist in Tab. 1 zusammengefasst. Im weiteren Verlauf konnte der Patient in eine Anschlussheilbehandlung entlassen werden. Bei Verlegung war er spontan atmend, fixierte und folgte mit den Augen, beantwortete einfache Fragen im Rahmen seiner Möglichkeiten und konnte mit Unterstützung in den Stand mobilisiert werden.

14 Tage nach Verlegung in die Rehabilitation wurde der Patient trotz sehr guter motorischer und kognitiver Fortschritte zurück in unsere Abteilung verlegt, da er zunehmende psychiatrische Auffälligkeiten zeigte. Dazu gehörten Panikattacken mit offensichtlicher Angst, zu ersticken, Rückzugsverhalten mit Ablehnung von Pflege und Therapieangeboten mit teils auch aggressivem Verhalten, depressive Stimmung und teils auch psychotisches Verhalten. In den Panikattacken imponierten dann jeweils starke Myoklonien der Extremitäten und teils dystone Hand‑/Fingerstellungen mit ubiquitären Muskelatrophien. Nach Gabe von anxiolytischen Benzodiazepinen (1 mg Lorazepam exp.) wechselte der Zustand innerhalb einer halben Stunde drastisch, sodass der Patient lächelnd im Bett saß und in der Lage war, mit der Mutter Bälle hin- und herzuwerfen.

Diskussion

Das „Borna disease virus 1“ (BoDV‑1) ist ein RNA-Virus, welches natürlicherweise in Feldspitzmäusen (Crocidura leucodon) vorkommt, einen hohen Neurotropismus zeigt und sich episomal im Zellkern aufhält [1]. Es löst bei Pferden und Schafen eine Entzündung des zentralen Nervensystems aus und wurde erstmals 1813 als „Hitzige Kopfkrankheit der Pferde“ beschrieben [2]. Einmal infiziert, verbleibt das Virus lebenslang im Körper und überlebt latent in Chromosomen des Zellkerns von Neuronen und Astrozyten. Benannt wurde das Virus nach der sächsischen Stadt Borna, in der ein gesamter Stall an Kavalleriepferden erkrankte. 2018 konnte erstmals bei Patienten nach Organtransplantation und unabhängig davon in einem Einzelfall nachgewiesen werden, dass BoDV‑1 auch beim Menschen fulminante Enzephalitiden auslösen kann [3, 4]. Aus tierexperimentellen Daten an Ratten ist bekannt, dass die Pathogenität des Virus durch eine starke zytotoxische T‑Zell-vermittelte Immunreaktion mit erheblicher Schädigung des Hirnparenchyms hervorgerufen wird und nicht durch das Virus an sich [5]. Der Mensch wird, genauso wie Pferde und Schafe, als Fehlwirt infiziert, wobei der genaue Infektionsmechanismus nicht bekannt ist. Am ehesten erfolgt eine Ansteckung mit BoDV‑1 vermutlich über Kot, Urin, Fellkleid oder den Speichel infizierter Feldspitzmäuse, welche, soweit bekannt, klinisch nicht erkranken. Diskutiert wird auch die Rolle von Katzen, die möglicherweise BoDV-1-infizierte Mäuse erjagen und das Virus dann auf den Menschen übertragen. Pro Jahr wird die Diagnose einer BoDV-1-bedingten Enzephalitis in Deutschland nur bei etwa 2–5 Patienten gestellt, insgesamt wurden bislang nicht mehr als 40 Fälle erfasst. Basierend auf veterinärmedizinischen Daten sind neben Regionen in der Schweiz, Österreich und Liechtenstein v. a. Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt sowie angrenzende Regionen als Endemiegebiete in Deutschland bekannt [6].

Im Gegensatz dazu wird das verwandte Bunthörnchenbornavirus („variegated squirrel bornavirus 1“; VSBV-1) nach bisherigem Wissensstand ausschließlich von tropischen Bunthörnchen übertragen und erlangte erstmals 2015 medizinische Aufmerksamkeit, da es als Ursache tödlich verlaufender Meningoenzephalitiden bei Züchtern dieser Bunthörnchen in Deutschland identifiziert werden konnte [7].

Klinisch sind bei betroffenen Pferden und Schafen sowie bei infizierten Menschen ähnliche Symptome zu beobachten: Nach zunächst unspezifischen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit tritt ein breites Spektrum neurologischer Symptome in Erscheinung und umfasst neben klassischen enzephalitischen Symptomen wie kognitiven Störungen, Verhaltensauffälligkeiten und epileptischen Anfällen u. a. auch Gang- und Sprachstörungen, Myoklonien, Ataxien sowie Paresen. Im Verlauf treten jedoch regelhaft Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma auf, welche einer intensivmedizinischen Behandlung bedürfen. Einen entsprechenden Verlauf zeigte auch unser Patient. Zwar gibt es aus In-vitro-Experimenten Hinweise auf eine Wirksamkeit von Favipiravir gegen BoDV‑1 [8], jedoch ist für den Menschen bisher keine Therapie zugelassen, und die Erkrankung verläuft fast immer tödlich [9,10,11]. Favipiravir ist ein Virostatikum, welches derzeit zur Behandlung von Infektionen durch neuartige oder wiederkehrende Influenzaviren wie Influenza Typ A nach Therapieversagen anderer Virostatika zugelassen ist. Der Wirkmechanismus ist nicht vollständig erforscht. Es wird vermutet, dass Favipiravir nach Phosphorylierung aktiviert wird und die virale RNA-Polymerase selektiv inhibieren kann. Die menschlichen DNA-Polymerasen würden nur geringfügig inhibiert werden [12]. Die bisher veröffentlichten humanen Fallberichte scheinen die Beobachtungen einer T‑Zell-vermittelten Reaktion als führende Pathologie zu untermauern, sodass der Einsatz einer langfristigen Immunsuppression mit Hemmung der T‑Zell-vermittelten Immunantwort zu einer Verlängerung des Überlebens der erkrankten Patienten führen kann. Auch unser Patient erhielt deshalb eine entsprechende immunsuppressive Therapie mit Prednisolon und Mykophenolatmofetil.

Aufgrund des unspezifischen Beschwerdebildes erfordert die Diagnosestellung den Einsatz zusätzlicher apparativer Hilfsmittel: Liquoranalytisch können – wie bei Enzephalitiden anderer Ätiologien – neben reinen Erhöhungen der Zellzahl auch Pleozytosen mit Eiweiß- und Laktaterhöhungen auftreten. Die Diagnosestellung einer BoDV-1-assoziierten Enzephalitis fußt entweder auf dem Antikörpernachweis gegen BoDV‑1 in Serum und Liquor mittels indirekter Immunfluoreszenz und Immunoblot oder ELISA, dem direkten Virus-RNA-Nachweis aus Liquor oder Gewebeproben mittels „real-time“ PCR und In-situ-Hybridisierung oder der immunhistochemischen Darstellung von Virusantigen im Nervengewebe. Falldefinitionen sowie eine entsprechende Laborstufendiagnostik der Bornavirusenzephalitis wurden kürzlich publiziert [13]. Es besteht nach Infektionsschutzgesetz eine Meldepflicht für den direkten Nachweis zoonotischer Bornaviren beim Menschen [14]. Für die Diagnosestellung sind der Antikörpernachweis und der Anstieg der Titer im Verlauf zusammen mit klinischem Bild und MR-tomographischen Befunden entscheidend, da ein Nachweis viraler RNA mittels PCR aus Liquor meist nicht gelingt. Der Antikörpernachweis im Serum ist derzeit die sensitivste Nachweismethode, Antikörper im Liquor zeigen sich meist erst später [13]. MR-tomographisch kann im Krankheitsverlauf eine charakteristische Ausbreitung der Inflammation nachvollzogen werden: Anhand von 55 MRT-Aufnahmen von 19 betroffenen Patienten konnte kürzlich nachgewiesen werden, dass initial v. a. die Caudatusköpfe, die posteromedialen Thalami, die Inselrinden und die Hippocampi beidseitig T2-hyperintens zur Darstellung kommen. Im Verlauf lässt sich eine diffuse Ausbreitung der Neuroinflammation auf benachbarte Regionen bis in den Hirnstamm nachvollziehen sowie eine Transformation zu einer T1-Hyperintensität im späteren Verlauf, welche histopathologisch auf eine ausgeprägte Akkumulation von CD68-positiven Makrophagen zurückzuführen war [9]. Diese Ergebnisse decken sich mit bildgebenden Untersuchungen bei betroffenen Tieren [13]. Eine sehr ähnliche symmetrische MR-tomographische Signalalteration zeigte auch unser Patient im Krankheitsverlauf (s. Abb. 1), wobei eine hyperdense T1-Transformation bislang nicht nachzuweisen war. Dies stand im Gegensatz zu den bisher publizierten Beobachtungen einer im Verlauf kurz vor Versterben der Patienten auftretenden T1-Hyperintensität.

Der hier präsentierte Fall ist aus epidemiologischer Sicht v. a. deshalb besonders, da sich der Patient nur für 2 Tage etwa 6 Monate vor Symptombeginn in einer als Endemiegebiet bekannten ländlichen Region in Bayern aufgehalten hatte. Von natürlich infizierten Fehlwirten wie Alpakas und Pferden ist bekannt, dass die Inkubationszeit mehrere Wochen betragen kann, die Inkubationszeit beim Menschen ist jedoch unbekannt. Es wird vermutet, dass sich die meisten Patienten in der Nähe ihrer ländlichen Wohnorte infizieren, aber eine Inkubationszeit von Wochen bis Monaten kann ebenso bedeuten, dass sie sich auch außerhalb von Endemiegebieten mit einer akuten Erkrankung vorstellen können. Es kann spekuliert werden, ob das tatsächliche Endemiegebiet für BoDV‑1 deutlich größer ist als bisher angenommen und dass aufgrund eines „underestimation bias“ außerhalb der Endemiegebiete viel seltener eine entsprechende Diagnostik veranlasst wird. So konnten 2 Studien bei Fällen mit unklaren Enzephalitiden postmortal eine ursächliche BoDV-1-bedingte Enzephalitis nachweisen, allerdings alle in Endemiegebieten [10, 14]. Patienten mit ätiologisch unklarer akuter Enzephalitis, passenden MR-tomographischen Veränderungen und positiver Reiseanamnese für bekannte ländliche Endemiegebiete in Europa sollten auf eine Infektion mit BoDV‑1 getestet werden [15].

Epidemiologisch wichtig erscheint auch, neben der Seltenheit der Erkrankung und des hohen Fall-Sterblichkeits-Verhältnisses, dass bislang keine einzige Bornavirusinfektion nachgewiesen werden konnte, die von einem infizierten Fehlwirt übertragen wurde (Pferd zu Mensch, Mensch zu Mensch). Eine Durchseuchung mit Bornaviren auch in Berufsgruppen, die am ehesten mit dem natürlichen Virusreservoir in Kontakt gelangen, scheint es nicht zu geben. Darauf weist eine Studie im Endemiegebiet an Tierärzten hin, bei denen lediglich bei 1 von 736 untersuchten Tierärzten Antikörper gegen Bornaviren nachgewiesen werden konnten [16]. Dazu passend fanden sich auch bei den Familienangehörigen unseres Patienten ebenfalls keine Antikörper gegen Bornaviren.

Fazit für die Praxis

  • Die Bornavirusenzephalitis durch Borna Disease Virus‑1 (BoDV‑1) ist eine seltene infektiöse Enzephalitis, die sich klinisch nicht von anderen Enzephalitiden unterscheidet, aber in der Regel letal verläuft.

  • Die Diagnose wird entweder mittels Antikörpernachweis in Serum und Liquor oder anhand Virus-RNA-Nachweises in Liquor und Geweben gestellt.

  • MR-tomographisch nachweisbare bilaterale T2-Signal-Hyperintensitäten der Basalganglien, der Inseln und der Hippocampi mit Ausbreitung nach frontal und in den Hirnstamm sind typisch und können die Abgrenzung zu anderen Enzephalitisformen erleichtern.

  • Therapeutisch sollte vor dem Hintergrund des T‑Zell-vermittelten Pathomechanismus neben einer antiviralen Therapie mit Favipiravir an eine zusätzliche längerfristige, immunsuppressive Behandlung gedacht werden, da sich hierdurch wahrscheinlich die Überlebensdauer verlängern kann.

  • Die Bornavirusenzephalitis sollte als mögliche Differenzialdiagnose bei unklaren Enzephalitiden auch außerhalb von Endemiegebieten in Betracht gezogen werden.