1 Einleitung und thematische Hinführung

Im deutschen Schulsystem stellt der Übergang ein bedeutsames Ereignis dar (Baumert et al. 2010), das dazu beitragen kann, dass Kinder am Ende der Grundschulzeit unter einem besonderen Druck stehen können (Jonkmann et al. 2010). Im Sinne der transaktionalen Stresstheorie (Lazarus und Folkman 1987) können weitreichende Veränderungen, wie ihn der Übergang auf eine andere Schulform darstellt, in Abhängigkeit individueller Voraussetzungen und Ressourcen zu ungünstigen Anpassungsleistungen führen (van Ophuysen 2018).

Prüfungsangst wird als bedeutsame affektive Variable bei der Analyse von Bildungsprozessen betrachtet (z. B. Hembree 1990; Jonberg et al. 2021; Jonberg und Porsch 2017; Pekrun und Götz 2006; Sorvo et al. 2019), da sie sich negativ auf die Leistung, die Noten und langfristig auch auf die Kurs- und Berufswahl von Schüler*innen auswirken kann (Ma 1999; Thorndike-Christ 1991; Zeidner 1998). Darüber hinaus sind negative Folgen für das psychische und emotionale Erleben der Betroffenen zu erwarten (Hembree 1988; Zeidner 1998).

Da die Übergangsempfehlung von den im vierten Schuljahr erbrachten Leistungen abhängig ist, stellt sich die Frage, ob Prüfungsangst in dieser Phase verstärkt auftritt und welche Faktoren im Sinne einer positiven Ressource dazu beitragen können, hier entgegenzuwirken. Im Rahmen des Grundschulübergangs konnte bereits mehrfach gezeigt werden, dass Eltern wichtig für das Wohlbefinden und die Antizipation des Übergangs der Kinder nach der Grundschule sind (Knoppick et al. 2018; Richter 2019). Die Bedeutung der Eltern für das psychische Erleben von Schüler*innen, insbesondere vor dem Übergang, wurde jedoch vergleichsweise wenig untersucht. Bereits bekannt ist, dass Eltern unabhängig vom Übergangskontext einen Beitrag zur Entwicklung sowohl von positiven als auch negativen Emotionen wie Angst leisten (Zeidner 1998). Die Befunde zum elterlichen Unterstützungsverhalten und die Wirkungen auf das Lernen im Grundschulalter sind stark abhängig von der Dimension und der Qualität ihrer Unterstützung (z. B. Boonk et al. 2018; Dumont et al. 2012b; Moroni et al. 2014). Denkbar ist, dass das elterliche Unterstützungsverhalten im Zusammenhang mit der Entwicklung von Prüfungsangst ihrer Kinder steht und besonders am Übergang zum Tragen kommt. Untersucht wurde das bislang jedoch noch nicht.

Unser Erkenntnisinteresse leitet sich aus den skizzierten offenen Fragestellungen ab und stellt Ergebnisse einer Untersuchung von Schüler*innen in Klassenstufe 4 vor, die sich auf den Zusammenhang von Prüfungsangst und Übergangsempfehlung beziehen sowie die Frage nach der Bedeutung der Elternrolle in diesem Kontext. Die Ziele dieser Studie bestehen einerseits darin zu ergründen, ob Unterschiede in der Prüfungsangstausprägung für das Fach Mathematik in Abhängigkeit des empfohlenen Schultyps vorliegen, sowie andererseits darin, Zusammenhänge der Prüfungsangst mit der Übergangsempfehlung und dem elterlichen Unterstützungsverhalten aufzuzeigen. Die Klärung dieser Fragen ist von Bedeutung, damit betroffene Begleitpersonen am Übergang, wie Lehrpersonal und Eltern, für mögliche Risikofaktoren der Prüfungsangst sensibilisiert sind und die Schüler*innen angemessen unterstützt werden können.

2 Theoretischer und empirischer Hintergrund

2.1 Prüfungsangst und Leistung

Zusammenhänge zwischen Prüfungsangst und Leistung lassen sich bereits zu Beginn der Grundschulzeit nachweisen und verstärken sich im Laufe der Primarstufe (Hembree 1988). Am Ende der Grundschulzeit korrelieren Prüfungsangst und Leistung meist zwischen r = −0,11 (Pixner und Kaufmann 2013) und r = −0,37 (Helmke 1997; s. a. Jonberg et al. 2021).

Der negative Effekt von Prüfungsangst auf Leistung entsteht durch weniger effiziente Lernstrategien und Vorbereitung auf Leistungssituationen, welche die Motivation vermindern und dazu führen kann, dass Angst in Leistungssituationen kognitive Ressourcen bindet, die dann nicht mehr der Aufgabenbearbeitung zur Verfügung stehen (Pekrun und Götz 2006). Dem Kontroll-Wert-Modell (Pekrun 2006) nach führt Misserfolg insbesondere dann zu negativen Effekten auf Leistung, wenn eine entsprechende Valenz der Situation besteht und darüber hinaus subjektiver Kontrollmangel empfunden wird. Valenz einer Prüfungsleistung beschreibt, dass das Ergebnis eine persönliche Bedeutsamkeit und entsprechende Folgen mit sich bringen sollte. Subjektiver Kontrollmangel wiederum besteht, wenn eine Person ungewiss ist, ob sie entsprechende Leistung erbringen kann und hängt einerseits mit Kompetenzüberzeugungen zusammen, die ihrerseits auf vorherigen Leistungsrückmeldungen aufbauen sowie andererseits mit dem elterlichen Erziehungsstil und der Form von Rückmeldung und Reaktion auf erbrachte Leistung (Zeidner 1998). Andersherum stellen schlechte Leistungsbewertungen sowie -erfahrungen überhaupt erst einen Grund dar, prüfungsängstlich zu werden. Dass die Beziehung der beiden Konstrukte längsschnittlich reziprok ist, zeigen beispielsweise die Ergebnisse von Jonberg et al. (2021).

Liebert und Morris (1967) schlagen eine Differenzierung in eine Emotionality- und eine Worry-Komponente der Prüfungsangst vor, welche auch in späteren Arbeiten empirisch belegt werden konnte (z. B. Hembree 1990; Seipp und Schwarzer 1991). Die Emotionality-Komponente beinhaltet affektive, physiologische Angstreaktionen wie Schweißausbrüche oder Magenschmerzen, während die Worry-Komponente die kognitiven Angstausprägungen wie bspw. Sorgen vor schlechten Leistungen, beinhaltet. Hierbei zeigen sich in der Regel stärkere Zusammenhänge der Worry-Komponente mit schulischer Leistung im Vergleich zur Emotionality-Komponente (Seipp und Schwarzer 1991; Zeidner 1998). Darüber hinaus findet sich in der einschlägigen Forschung die Unterscheidung von Prüfungsangst als stabiles Persönlichkeitsmerkmal (Trait) sowie als situative Zustandsangst (State, Spielberger 1966). Zeidner und Matthews (2011) definieren Prüfungsangst als Zustand (State) welcher in Interaktion mit situativen Elementen und der Person (also Trait) entsteht. Gewissermaßen drückt sich demnach eine Trait-Angst situativ in Form einer State-Angst aus (für eine detailliertere Darstellung s. Schumacher 2016, S. 70–84).

Die Übergangsempfehlung stellt eine wesentliche Entscheidung in der Schullaufbahn dar und ist neben dem familiären Hintergrund zudem stark leistungsabhängig (Maaz et al. 2010). Naheliegend ist, dass Prüfungsangst insbesondere vor dem Übergang stärker ausgeprägt sein könnte, da hier die Schulleistungen von besonderer Bedeutung sind (vgl. Schumacher 2016). Empirische Belege hierfür gibt es unseres Wissens nach nicht, jedoch finden sich erste Hinweise darauf in der Forschung. So fanden Jonberg et al. (2021) einen Abfall der Prüfungsangst am Ende der vierten Klasse nach Erhalt der Übergangsempfehlung. Theoretische Grundlage für solch einen Zusammenhang bietet die Kontroll-Wert-Theorie: Dem Übergang selbst sollte aufgrund seiner Bedeutsamkeit für die Schullaufbahn eine hohe Valenz seitens der Schüler*innen und Eltern zugeschrieben werden. Nehmen Schüler*innen zeitgleich ein geringes Kontrollgefühl in diesem Zusammenhang wahr, besteht die Gefahr der Prüfungsangstverstärkung.

2.2 Elterliches Unterstützungsverhalten am Übergang und die Zusammenhänge mit Leistung, Prüfungsangst und Übergangsempfehlung

Aufgrund eines uneinheitlichen Begriffsverständnisses und uneinheitlicher Operationalisierung lassen sich Studienergebnisse zur elterlichen Unterstützung nur eingeschränkt miteinander vergleichen (Dumont et al. 2012a, 2014). Die Wirkung auf Leistung ist stark abhängig von der untersuchten Dimension (z. B. häusliche/schulisch basierte Unterstützung oder akademische Sozialisation, Hillmayr et al. 2021) sowie der Qualität der Unterstützung. Bislang wurde elterliches Unterstützungsverhalten vornehmlich im Kontext der Hausaufgabenhilfe untersucht.

2.2.1 Elterliche Unterstützung und Leistung

Strukturell wird zwischen Unterstützung im Elternhaus, wie beispielsweise Struktur und Unterstützung zuhause, sowie an die Schule gebundene Unterstützung (Teilnahme an schulischen Veranstaltungen, Kommunikation mit den Lehrkräften etc. (Boonk et al. 2018) unterschieden. Täschner et al. (2021) konnten in einem Second-Order Review zeigen, dass Elternbeteiligung sich größtenteils positiv auf Leistung auswirkt. Dabei wurden 18 Metaanalysen systematisch zusammengeführt und ausgewertet. Allgemein lässt sich feststellen, dass Eltern ihre Kinder mehr unterstützen bzw. aktiver in die Lernprozesse ihrer Kinder eingreifen, wenn diese schlechtere Leistung erbringen (Niggli et al. 2007). Dies scheint zwar auf den ersten Blick sinnvoll und geschieht in aller Regel auch mit besten Intentionen der Eltern, allerdings sind hier zwei Aspekte von zentraler Bedeutung: Erstens sind Unterstützungsversuche besonders dann anfällig für Konflikte, wenn die Schüler*innen bereits schulische Leistungsprobleme aufweisen (Boonk et al. 2018; Moroni und Dumont 2020). Zweitens ist grundsätzlich nicht die Quantität der elterlichen Unterstützung, sondern die Qualität entscheidend für eine positive Wirkung hinsichtlich der Leistung und intrinsischen Motivation (Boonk et al. 2018; Knollmann und Wild 2007; Trautwein et al. 2006; Trautwein und Lüdtke 2007; Wild und Remy 2002). Ist elterliche Unterstützung autonomieunterstützend, am Lernprozess orientiert, gut strukturiert, emotional unterstützend, durch positive Emotionen und Überzeugungen begleitet, so wird sie als positiv wahrgenommen und geht entsprechend mit einer Verbesserung der Leistung einher (Dumont et al. 2012b; Knollmann und Wild 2007; Niggli et al. 2007). Als leistungsförderlich haben sich ebenfalls eine angenehme Lernatmosphäre und das Bereitstellen von Materialien zuhause gezeigt (Tan et al. 2019). Negativ mit Leistung assoziiert sind auf der anderen Seite elterliche Kontrolle oder Einmischung (z. B. bei den Hausaufgaben, Niggli et al. 2007). Bei leistungsschwächeren Kindern kommt es häufig zu Streitsituationen und einem Teufelskreis: Eltern möchten diese Kinder besonders unterstützen. Zwar zeigt sich hier eine Steigerung der Quantität, jedoch eine Abnahme der Qualität der Unterstützung: Gerade bei Kindern mit schlechterer Leistung oder in Schulformen mit niedrigeren Bildungsgängen besteht die elterliche Unterstützung eher in einem kontrollierenden und einmischenden Verhalten in Hausaufgabensituationen, wodurch es wiederum zu mehr Streit und zusätzlich negativen Effekten auf die Leistung kommt (Dumont et al. 2014; Helmke et al. 2004; Niggli et al. 2007). Umgekehrt wurde beobachtet, dass gute Leistungen mit adäquater Unterstützung einhergehen (Moroni et al. 2014). Hier zeigt sich also eine positive Wirkungskette. In einigen Untersuchungen wurden Zusammenhänge der elterlichen Unterstützungsqualität mit dem SES (sozioökonomischer Status) gezeigt (Moroni et al. 2014; Niggli et al. 2007). Bei niedrigem SES der Familie ist das Unterstützungsverhalten eher kontrollierend und hat damit negative Konsequenzen für die Leistung. Andere Untersuchungen konnten jedoch keine (Wild und Remy 2002) oder lediglich geringe Zusammenhänge der elterlichen Unterstützungsqualität mit dem familiären Hintergrund belegen (Dumont et al. 9,10,a, b; Knoppick et al. 2018; Wild und Gerber 2009).

2.2.2 Elterliche Unterstützung und Prüfungsangst

Direkte Zusammenhänge zwischen elterlicher Unterstützung und Prüfungsangst als eine wichtige affektive Variable im Kompetenzerwerb, wurden empirisch bislang kaum untersucht. Es gibt aber einige Hinweise darauf, dass Zusammenhänge bestehen: So kann angemessene soziale Unterstützung negative Folgen von Belastung mindern (Nestmann 2010). Auch beschreibt Zeidner (1998), dass Eltern einen Beitrag zu positiven und negativen Emotionen leisten. Zeigen Eltern kontrollierendes Verhalten und schränken in ihrer „Unterstützung“ die Autonomie ein, beispielsweise durch Bestrafung, so entsteht eher Prüfungsangst. Spangler und Langenfelder (2001) zeigten, dass sich der elterliche Erziehungsstil auf emotionale Reaktionen bei Prüfungen im Grundschulalter auswirken. Dabei ging negatives Erziehungsverhalten im Sinne starker Einschränkung, negativer Rückmeldung und hoher Strafintensität, mit hohen Prüfungsangstwerten einher. Den Autoren nach sorgen sich Schüler*innen bei Misserfolg während Prüfungen so vor allem um negative Konsequenzen seitens des Elternhauses.

2.2.3 Elterliche Unterstützung am Grundschulübergang

Allgemein gelten Familienangehörige im Grundschulalter als wichtigste soziale Unterstützungsquelle. Dabei werden aus Schüler*innensicht beim Grundschulübergang als besonders wichtige soziale Unterstützungsfaktoren die emotionale Unterstützung (Liebe, Vertrauen, Empathie, Nähe, Verständnis, Ermutigung) sowie informative Unterstützung genannt (Richter 2019). Das Elternhaus stellt ferner die allgemeinen Rahmenbedingungen, welche als Struktur- und Prozessmerkmale systematisiert werden können und den Schüler*innen als Ressource bei der Bewältigung der kritischen Übergangsphase zur Verfügung stehen (Baumert et al. 2003; Knoppick et al. 2018; Watermann und Baumert 2006). Zu Strukturmerkmalen gehören die sozioökonomische Lage, das Bildungs- und berufliche Niveau der Eltern wie auch ein möglicher Migrationshintergrund. Unter Prozessmerkmalen werden die kulturelle Praxis, gemeinsam verbrachte Zeit und die familiäre Kommunikation subsummiert. Hier lässt sich auch das Unterstützungsverhalten der Eltern verorten. Prozessmerkmale haben direkte Effekte auf den Kompetenzerwerb. Knoppick et al. (2018) kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass das Elternhaus das Übergangserleben entscheidend beeinflusst und dabei insbesondere Prozessmerkmale relevant sind. Gering ausgeprägte strukturelle Ressourcen müssen hingegen nicht unbedingt negative Konsequenzen zeigen. Untersucht wurde in dieser Studie allerdings das Wohlbefinden nach dem Übergang. Welche Rolle elterliches Unterstützungsverhalten als Prozessvariable und mögliche Ressource zur Bewältigung des Übergangs für die Prüfungsangst am Übergang spielt, soll im Beitrag untersucht werden.

Besonders bedeutsam für die Übergangsentscheidung sind neben den Noten und dem sozialen Umfeld auch Erwartungs- und Wertkomponenten der Eltern (Jonkmann et al. 2010). So stellt der Grundschulübergang nicht nur für die Schüler*innen ein zentrales Ereignis dar, sondern ist für Eltern ebenfalls relevant, da sie mehrheitlich die Bedeutung des Grundschulübergangs für die schulische und berufliche Laufbahn der Kinder kennen. Auf Elternseite spielt das Statuserhaltmotiv mit dem Wunsch eines mindestens gleichhohen Schulabschlusses wie sie selbst eine wichtige Rolle (Becker 2000; Breen und Goldthorpe 1997; Esser 1999). Das deutet darauf hin, dass Schüler*innen aus bildungsnahen Familien einerseits einem erhöhten Druck ausgesetzt sein könnten, welcher sich u. a. in einer verstärkten Prüfungsangst ausdrücken könnte, denn sie sollen nach Möglichkeit das Gymnasium besuchen bzw. eine Schule, die zum Abitur führt. Andererseits erhalten Kinder eine durch primäre und sekundäre Herkunftseffekte entsprechend gute Unterstützung, um ihr Leistungspotential ausschöpfen zu können. Dem entgegen steht die Tatsache, dass die schulische Leistung auch direkt mit dem familiären Hintergrund zusammenhängt und Kinder aus bildungsnahen Familien oftmals auch höhere Leistungen erzielen bzw. bessere Noten erhalten (primärer Herkunftseffekt). In dem Fall wäre der Wunsch der Eltern für einen Gymnasialbesuch in Übereinstimmung mit der Leistungsbeurteilung der Kinder, was wiederum eine entspannte Herangehensweise begünstigt. Kinder aus bildungsnahen Familien werden entsprechend gut unterstützt und werden es häufig als selbstverständlich erachten, ebenfalls schulisch erfolgreich zu sein. Ist der Druck jedoch gegenüber positiver Erwartungshaltung dominant, entsteht eher Prüfungsangst als mit optimistischer Denkweise. Andererseits zeigen die Befunde internationaler Schulleistungsstudien im Grundschulbereich immer wieder auf, dass die soziale Herkunft auch derart eine Rolle spielt, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien (niedrige Dienstklasse) selbst bei hoher Leistungsfähigkeit seltener eine Gymnasialempfehlung erhalten, während Kinder, deren Eltern Berufe ausüben die höheren Dienstklassen zuzuordnen sind, deutlich weniger Punkte in Leistungstests erreichen können und trotzdem eine Gymnasialempfehlung erhalten (Schwippert et al. 2020). Der Schwellenwert für den Erhalt einer solchen Empfehlung ist demnach nicht unabhängig vom sozialen Status der Familie.

3 Forschungsfragen

Unser Erkenntnisinteresse und die daraus entstehenden Forschungsfragen leiten sich aus den offenen Forschungsfeldern am Übergang in Bezug auf Prüfungsangst und Schülerleistungen sowie der nicht hinreichend geklärten Bedeutung der Elternrolle in diesem Kontext ab. Vor diesem Hintergrund werden folgende Fragestellungen adressiert:

Forschungsfrage 1

Ergeben sich Unterschiede in der Prüfungsangst von Schüler*innen in Klassenstufe 4 in Abhängigkeit der Übergangsempfehlung?

Aktuell fehlt es an Studien die untersuchen, inwiefern sich die Zeit vor dem Übergang auf die Prüfungsangst auswirkt und ob sich Prüfungsangstunterschiede in Abhängigkeit der Übergangsempfehlung ergeben. Daher wird keine gerichtete Hypothese aufgestellt.

Forschungsfrage 2

Hängt die Prüfungsangst von Kindern in Klasse 4 vom elterlichen Unterstützungsverhalten und der Übergangsempfehlung ab?

Da auch hier die bisherige Forschungslage nicht geklärt ist, wird keine gerichtete Hypothese formuliert. Bekannt ist, dass Eltern entscheidenden Einfluss auf das emotionale Erleben ihrer Kinder am Übergang nehmen (Knoppick et al. 2018), was einen Zusammenhang nahelegt.

4 Methodisches Vorgehen

4.1 Stichprobe

Befragt wurden N = 365 Schüler*innen der Jahrgangsstufe 4 (56,5 % Mädchen, 43,5 % Jungen) aus 54 Klassen an 45 Schulen in Nordrhein-Westfalen (NRW) sowie deren Eltern (N = 365, 87 % Mütter, 13 % Väter.). Die Schülerbefragung fand während der Unterrichtszeit statt. Der Erhebungszeitpunkt war auf die Zeit zwischen den Herbst- und den Weihnachtsferien (November und Dezember) 2018 festgelegt. Die Teilnahme war freiwillig und setzte eine unterschriebene Einverständniserklärung der Eltern voraus. Die Freiwilligkeit lässt vermuten, dass es sich hier um eine eingeschränkt repräsentative Stichprobe handelt. Die Lehrpersonen (N = 54) gaben die Mathenoten sowie die voraussichtlichen Übergangsempfehlungen an. Die offiziellen Übergangsempfehlungen standen aber noch aus. Als Kategorien der Übergangsempfehlung standen die in NRW üblichen drei Schulformen Hauptschule, Realschule und Gymnasium zur Auswahl. Die Gesamtschule wurde nicht als eigenständige Kategorie aufgeführt, da diese als Schule für alle in der offiziellen Empfehlung immer empfohlen wird. Ebenso wurde von der darüber hinaus möglichen eingeschränkten Empfehlung, welche in NRW für das Gymnasium oder die Realschule ausgesprochen werden kann, abgesehen, da dies zu vielen Kategorien mit nur wenigen Fällen geführt hätte. Ergänzend sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Übergangsentscheidung in NRW, in der die vorgestellte Studie stattfand, keinen bindenden Charakter hat. Das bedeutet, die Schulwahl obliegt den Eltern. Dennoch hat die Grundschulempfehlung in der Praxis einen hohen Einfluss. So stimmen knapp 90 % der Übergänge auf das Gymnasium mit der Empfehlung überein, was auf das Zusammenspiel der Performanz, der elterlichen Bildungsaspirationen und der Grundschulempfehlung zurückgeführt wird (Jonkmann et al. 2010).

4.2 Instrumente

Prüfungsangst wurde mit insgesamt sieben Items fachspezifisch für das Fach Mathematik mit dem Schülerfragebogen erfasst. Aufgrund der mehrfach empirisch belegten Komponenten Aufgeregtheit (Emotionality) und Besorgtheit (Worry; Hembree 1990; Keith et al. 2003; Liebert und Morris 1967; Seipp und Schwarzer 1991) wurden diese in Subskalen erfasst. Genutzt wurde die Skala von Hildebrandt (2016) in Anlehnung an die BIJU-Studie (Baumert et al. 1997), da diese einerseits die unterschiedlichen Facetten von Prüfungsangst abbildet sowie für Grundschüler*innen validiert wurde. Die vierstufige Likert-Skala reicht von 1 = stimmt gar nicht, bis 4 = stimmt genau. Die Cronbachs Alpha Werte sind für beide Prüfungsangst-Skalen gut (s. Tab. 1). Ein Beispielitem für die Worry-Komponente lautet „Bitte denke einmal an die letzten Klassenarbeiten in Mathe. Kam Folgendes bei dir vor?“ „Ich dachte daran, was ich alles nicht kann.“ Ein Beispielitem für die Emotionality-Komponente ist: „Ich war am ganzen Körper verkrampft“.

Tab. 1 Skalenmittelwerte und Reliabilitäten

Das elterliche Unterstützungsverhalten wurde anhand von fünf auf das Fach Mathematik bezogene Items erhoben (Mang et al. 2018). Mit einem fünfstufigen Antwortformat (1 = nie oder fast nie, 2 = ein- oder zwei Mal im Jahr, 3 = ein- oder zwei Mal im Monat, 4 = ein- oder zwei Mal in der Woche, 5 = jeden Tag oder fast jeden Tag) sollten Eltern beispielsweise folgende Frage beantworten: „Wie oft machen Sie oder eine andere Person in Ihrem Haushalt Folgendes mit Ihrem Kind?“ „Darüber unterhalten, wie gut Ihr Kind im Mathematikunterricht zurechtkommt“. Die fünf Items decken unterschiedliche Bereiche der elterlichen Unterstützung ab (s. Anhang). So fragen sie einerseits nach Hausaufgaben, dem Zurechtkommen im Mathematikunterricht, beziehen sich aber andererseits auch auf das Besorgen von Materialien sowie einen Anwendungsbezug des Fachs zum täglichen Leben. Das Cronbachs Alpha α = 0,76 spricht für eine gute Reliabilität (s. Tab. 1).

Für den sozioökonomischen Status (SES), welcher als Kontrollvariable fungiert, wird repräsentativ die Beantwortung der Bücherfrage durch die Eltern genutzt: „Wie viele Bücher gibt es bei Ihnen zu Hause ungefähr (ohne Zeitschriften, Zeitungen oder Schulbücher)?“ Antwortmöglichkeiten: 0–10, 11–25, 26–100, 101–200, über 200.

Als Leistungsindikator wurden die Noten (1 = „sehr gut“ bis 6 = „ungenügend“) im Fach Mathematik erfasst.

4.3 Analysemethoden

Alle Analysen wurden mit der Analyse-Software SPSS 28 durchgeführt.

Für die erste Forschungsfrage wird eine multivariate Varianzanalyse (MANOVA; Emotionality und Worry werden als abhängige Variablen getrennt analysiert) berechnet, die Aufschluss darüber gibt, ob sich die Ausprägung der Prüfungsangst in Abhängigkeit der Übergangsempfehlung unterscheidet. Die MANOVA bietet hier auch aufgrund der kategorialen Variable „Übergangsempfehlung“ mit drei Gruppen (voraussichtliche Hauptschul‑, Realschul- oder Gymnasialempfehlung) eine geeignete Methode. LSD Post-Hoc-Tests zeigen im Anschluss, in welchen Gruppen eventuelle Unterschiede in der Prüfungsangstausprägung bestehen. In einer anschließend durchgeführten MAN(C)OVA wird ein möglicher Einfluss des SES kontrolliert und als Kovariate eingesetzt.

Um den Zusammenhang des elterlichen Unterstützungsverhaltens mit der Prüfungsangst zu untersuchen (Forschungsfrage 2), werden lineare Regressionsanalysen berechnet. Das elterliche Unterstützungsverhalten wird dabei als Prädiktor eingesetzt während Emotionality und Worry die abhängigen Variablen darstellen. Als Kontrollvariablen gehen der SES und die Note in die Analysen ein.

Bestätigen sich Prüfungsangstunterschiede bedingt durch die Übergangsempfehlung (F1) und zeigen sich Zusammenhänge von Prüfungsangst und elterlicher Unterstützung (F2), werden die Regressionen schultypspezifisch berechnet.

5 Ergebnisse

5.1 Deskriptive Daten und Korrelationen

Zunächst zeigt sich in der von uns befragten Stichprobe, dass Prüfungsangst am Übergang im Mittel relativ gering ausfällt (Tab. 1, M = 1,68 (Emotionality) und M = 1,88 (Worry) vs. M = 2,47 in einer vorhergegangen Analyse mit einer anderen Stichprobe ebenfalls von Viertklässler*innen, s. Jonberg et al. 2021). Eher hoch ausgeprägte sind hingegen das elterliche Unterstützungsverhalten mit M = 3,45 und der SES mit M = 3,74, beide auf einer fünfstufigen Skala. Der Notendurchschnitt mit M = 2,41 ist ebenfalls gut.

Die durchschnittliche hohe Leistung spiegelt sich in den voraussichtlichen Schulformempfehlungen wider: Von insgesamt 340 Schüler*innen bekommen laut Aussage der Lehrer*innen 22 (6,5 %) eine Hauptschulempfehlung und 140 (41,2 %) die Realschulempfehlung. Die Gruppe der Kinder mit Gymnasialempfehlung ist mit 178 Kindern (52,4 %) die größte.

Die Korrelationsanalysen (Tab. 2) zeigen, dass alle Variablen signifikant zusammenhängen. Höhere Prüfungsangst hängt mit schlechteren Noten und niedrigerer Schulformempfehlung zusammen. Prüfungsängstliche Kinder bekommen mehr elterliche Unterstützung und haben einen niedrigeren SES.

Tab. 2 Korrelationskoeffizienten nach Pearson

Die Mittelwerte und Standardabweichungen der Prüfungsangst (Tab. 5), der Noten (Tab. 6), sowie der Bücheranzahl zuhause (Tab. 7) nach voraussichtlicher Empfehlung sind im Anhang dargestellt.

5.2 Forschungsfrage 1: Ergeben sich Unterschiede in der Prüfungsangst in Abhängigkeit der Übergangsempfehlung?

Sieht man sich die Mittelwerte von Prüfungsangst nach der voraussichtlichen Übergangsempfehlung an (vollständige Daten s. Tab. 5 im Anhang), zeigt sich eine deutlich geringer ausgeprägte Angst bei Kindern mit Gymnasialempfehlung (Emotionality: M = 1,46, SD = 0,67; Worry: M = 1,52, SD = 0,56) im Vergleich zu den Kindern mit Real- (Emotionality: M = 1,90, SD = 0,91; Worry: M = 1,99, SD = 0,81), oder Hauptschulempfehlung (Emotionality: M = 2,13, SD = 0,77; Worry: M = 2,22, SD = 0,63).

Die fachspezifische MANOVA zeigt signifikante Haupteffekte der voraussichtlichen Übergangsempfehlung auf die Angstkomponenten, wobei die Effektstärke auf die Worry-Komponente stärker ausgeprägt ist als auf die Emotionality-Komponente (Emotionality: p < 0,001; part. η2 = 0,088; Worry: p < 0,001; part. η2 = 0,122).

In LSD Post-Hoc-Tests (vollständige Daten s. Tab. 8 im Anhang) wird deutlich, dass die signifikanten Unterschiede auf einem Signifikanzniveau von p < 0,05 in der Prüfungsangstausprägung nur für Schüler*innen mit Gymnasialempfehlung gegenüber Kindern mit Haupt- (Emotionality: p = 0,000, MDiff = −0,67, 95 %-CI [−1,00, −0,39]; Worry: p = 0,000, MDiff = −0,70, 95 %-CI [−1,00, −0,39]). bzw. Realschulempfehlung (Emotionality: p = 0,000, MDiff = −0,44, 95 %-CI [−0,62, −0,27]; Worry: p = 0,000, MDiff = −0,46, 95 %-CI [−0,61, −0,31]) gelten. Die Unterschiede zwischen den Kindern mit Haupt- bzw. Realschulempfehlung sind statistisch nicht bedeutsam. Kinder mit höherer Prüfungsangst bekommen also seltener eine Übergangsempfehlung für das Gymnasium bzw. Kinder mit Übergangsempfehlung für das Gymnasium weisen eine geringere PA auf als die beiden anderen Gruppen.

Weiterhin wurde der SES als Kovariate in die Analyse (MAN(C)OVA) einbezogen. Diese wird jedoch nicht signifikant, während die Übergangsempfehlung ihre Vorhersagekraft für die Prüfungsangst behält (Emotionality: p < 0,001; part. η2 = 0,072; Worry: p < 0,001; part. η2 = 0,094). Unterschiede in der Prüfungsangst bedingt durch die Übergangsempfehlung zeigen sich also unabhängig des SES.

5.3 Forschungsfrage 2: Hängt die Prüfungsangst vom elterlichen Unterstützungsverhalten, der Note und der Übergangsempfehlung ab?

Sieht man sich in der linearen Regressionsanalyse (Tab. 3, M1 und M4) das Unterstützungsverhalten der Eltern als Prädiktor der Prüfungsangst an, zeigt sich ein positiver Zusammenhang (Emotionality: b = 0,24, p < 0,001; Worry: b = 0,21, p < 0,001). Mehr elterliche Unterstützung sagt also höhere Prüfungsangst voraus. Der Effekt bleibt bei Kontrolle der Mathematiknote signifikant (M2 Emotionality: b = 0,15, p < 0,01; M5 Worry: b = 0,11, p < 0,05). Wird zusätzlich der SES als Prädiktor in das Modell aufgenommen (M3 und M6) so ist die elterliche Unterstützung auf der Emotionality-Ebene hochsignifikant (b = 0,14, p < 0,05) während sie auf der Worry-Ebene ihre Vorhersagekraft verliert.

Tab. 3 Ergebnisse der Regressionsanalysen zum Zusammenspiel des elterlichen Unterstützungsverhaltens mit Prüfungsangst unter Kontrolle der Note und des SES

Sieht man sich daraufhin die Regressionsmodelle getrennt nach den jeweiligen Schulformempfehlungen an (Tab. 4), zeigt sich bei Kontrolle von Note und SES nur für Kinder mit Gymnasialempfehlung und ebenfalls nur auf der Emotionality-Ebene eine signifikante Vorhersagekraft elterlicher Unterstützung (b = 0,172, p < 0,05).

Tab. 4 Überprüfung der Regressionsanalysen zum Zusammenspiel des elterlichen Unterstützungsverhaltens mit Prüfungsangst unter Kontrolle der Note und des SES nach voraussichtlicher Schulformempfehlung

6 Diskussion

6.1 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse

Das Ziel dieses Beitrags bestand darin Prüfungsangst im Kontext des Übergangs und der elterlichen Unterstützung zu betrachten. Dazu wurde konkret zwei Fragestellungen nachgegangen: 1. Ergeben sich Unterschiede in der Prüfungsangst in Abhängigkeit der Übergangsempfehlung? 2. Hängt die Prüfungsangst vom elterlichen Unterstützungsverhalten unter Kontrolle der Note und des SES ab?

Bezüglich der deskriptiven Werte sei zunächst die geringe durchschnittliche Ausprägung der Prüfungsangst im Vergleich zu anderen Untersuchungen erwähnt. Diese ist möglicherweise auf die Freiwilligkeit der Teilnahme, und damit auf eine eingeschränkt repräsentative Stichprobe, zurückzuführen.

Im Hinblick auf die erste Forschungsfrage zeigen unsere Ergebnisse, dass die Übergangsempfehlung die Prüfungsangstausprägung (auch unter Kontrolle des SES) erklären kann. Hier zeigen sich schulformspezifische Unterschiede: Insgesamt haben Schüler*innen signifikant mehr Angst, je niedriger die Schulformempfehlung ist. Diese Zusammenhänge können mit der Valenz der Leistungserbringung erklärt werden (Kontroll-Wert-Modell). Die Bedeutsamkeit der Übergangsempfehlung und der Leistungserbringung in dieser Phase löst Angst aus. Kritisch ist das Auftreten von Prüfungsangst in dieser Zeit dahingehend, dass sie die Wahrscheinlichkeit der Empfehlung für eine höhere Schulform verringert. Stubbe et al. (2012) konnten bereits zeigen, dass Prüfungsangst als motivationales Persönlichkeitsmerkmal neben Leistung und sozialen Schülermerkmalen signifikant zur Übergangsempfehlung und -Entscheidung beiträgt. Um zu erforschen in welche Richtung der Zusammenhang stärker ist, bedarf es längsschnittlicher Daten. Denkbar ist ein reziproker Zusammenhang. Prüfungsangst ist bereits vorhanden und wird durch die anstehende Empfehlung verstärkt. Diese verstärkte oder vielleicht teilweise neu ausgelöste Angst wirkt sich wiederum negativ auf die Leistung und die tatsächliche Empfehlung aus. Das Ergebnis bietet ferner Anschluss an die Ergebnisse von Jonberg et al. (2021) die aufzeigen, dass Prüfungsangst bei kompetenzüberzeugten Schüler*innen, welche stark mit der Leistungsstärke, also auch der Schulformempfehlung zusammenhängen (s. a. Tab. 2), eher zu Leistungsbeeinträchtigungen führen, als bei Kindern mit geringerer Kompetenzüberzeugung. So wäre denkbar, dass auftretende Prüfungsangst bei potenziellen Gymnasiasten die größten Konsequenzen hervorbringen. Geht man davon aus, dass es vor allem in dieser Gruppe zu angstbedingten Leistungsbeeinträchtigungen kommt, könnte es hier auch gehäuft zu ungünstigeren Empfehlungen kommen, beispielsweise bei „Wackelkandidaten“.

In Bezug auf das elterliche Unterstützungsverhalten (F2) zeigen sich signifikante Zusammenhänge mit der Prüfungsangst, jedoch ausschließlich für Schüler*innen mit Gymnasialempfehlung, auch wenn Leistung (Note) und SES kontrolliert werden. Während das elterliche Unterstützungsverhalten zwar mit der Leistung korreliert (s. Tab. 2), also Eltern von Kindern mit geringerer Leistung entsprechend des erhöhten Bedarfs mehr unterstützen, zeigt sich nur bei Schüler*innen mit Gymnasialempfehlung ein positiver Zusammenhang zwischen der Prüfungsangst und der elterlichen Hilfe. Je mehr Kinder mit Gymnasialempfehlung also unterstützt werden, desto größer ist die Prüfungsangst. Denkbar ist (s. Abschn. 2.2.1), dass das elterliche Verhalten insbesondere in der leistungsstarken Gruppe als intrusiv und kontrollierend wahrgenommen wird, worauf negatives emotionales Erleben folgt. Das elterliche Unterstützungsverhalten erfolgt zwar sicherlich aus besten Intentionen, wird jedoch möglicherweise entweder nicht angemessen realisiert oder eher als Druck und fremdbestimmend wahrgenommen. Schlussfolgernd und auch in Einklang mit den Ergebnissen von Grolnick et al. (1991), wäre eine Untersuchung mit der Wahrnehmung des elterlichen Unterstützungsverhaltens aus Schüler*innensicht unmittelbar vor dem Übergang auf die weiterführenden Schulen sinnvoll. Eltern der vorliegenden Untersuchung unterstützen grundsätzlich überdurchschnittlich viel (M = 3,5 auf einer Skala von 1–5), was ein durchaus positives Bild zeichnet, zum Teil aber in der eingeschränkten Repräsentanz unserer Daten begründet liegen könnte. Diese liegt unter anderem in der Freiwilligkeit der Teilnahme der Eltern begründet, wodurch sich bereits eine positive Selektion ergibt. So ergibt sich eine überproportionale Gruppe von Kindern mit Gymnasial- und Realschulempfehlung vs. einer nicht repräsentativen Gruppe mit Hauptschulempfehlung. Dies geht einher mit verstärkt bildungsnahen Elternhäusern, wie sich auch im relativ hohen SES (s. Tab. 1, M = 3,74) zeigt. Eine wichtige Fragestellung hinsichtlich elterlicher Unterstützung liegt darin herauszufinden, ob sie auch tatsächlich hilfreich ist, in dem Sinne, dass sie einerseits die Leistung des Kindes verbessert und andererseits als positive Unterstützung und Ermutigung seitens der Kinder wahrgenommen wird. Unsere Daten zeigen, dass Eltern von Kindern mit niedrigerer Schulformempfehlung häufiger Unterstützung leisten. Dies könnte man auch entsprechend Niggli et al. (2007) als verstärkte Unterstützung leistungsschwächerer Kinder interpretieren, was die Ergebnisse der Korrelationsanalysen (s. Tab. 4) bekräftigen. Das ist zunächst erfreulich: Eltern erkennen, wie viel Unterstützungsbedarf ihr Kind hat und stellen diese Hilfe in entsprechender Quantität zur Verfügung. Werden jedoch die Note und der SES bei der Vorhersage der Prüfungsangst kontrolliert zeigt sich einerseits, dass Prüfungsangst primär von der Note abhängt, elterliches Unterstützungsverhalten aber durchaus einen eigenständigen Beitrag, wenn auch mit geringer Effektstärke, zur Angstausprägung bei leistungsstarken Kindern leistet. Es scheint also die Tendenz zu bestehen, insbesondere diese Schüler*innen empfänden die elterliche Unterstützung eher als Druck und erleben dadurch verstärkt Angst, was wiederum nachteilig für ihren Lernerfolg ist. In der Praxis ist jedoch zu differenzieren, welche Form der Unterstützung motivationsförderlich oder -hinderlich ist. Denn insbesondere das Schaffen einer lernförderlichen Atmosphäre hat positive Auswirkungen sowohl auf die Leistung als auch mehr noch auf die Motivation (Hillmayr et al. 2021). Da die Hausaufgabenunterstützung häufig negativ wahrgenommen wird, könnten sich diese Effekte in Analysen nicht nachweisen lassen, da sie sich teilweise gegenseitig aufheben.

6.2 Grenzen und Ausblick

Mit unseren Untersuchungen können wir einen Beitrag zum bislang kaum untersuchten Thema der Prüfungsangst als Teil des psychischen Wohlbefindens am Übergang auf weiterführende Schulen und den Zusammenhang mit elterlicher Unterstützung leisten. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass eine differentielle Betrachtung von Schülergruppen (nach Schulempfehlung) sinnvoll ist, da sich unterschiedliche Zusammenhänge nachweisen lassen. An dieser Stelle ist auf die kleine Stichprobe der Kinder mit Hauptschulempfehlung (N = 22) und damit die sehr eingeschränkte Generalisierbarkeit derer hinzuweisen. Die Ergebnisse sind dennoch für weitere Arbeiten relevant, deuten sie doch Unterschiede bedingt durch die Gruppenzugehörigkeit bestimmter Schulformempfehlungen an. Dies gilt nicht nur für die Regressionsanalysen der zweiten Forschungsfrage sondern auch im Hinblick auf die deskriptiven Daten, welche auf Unterschiede in der Ausprägung der Prüfungsangst zwischen allen drei Gruppen hinweisen (Anhang: Tab. 5). Diese Unterschiede wären für die Schulpraxis relevant. Daher ist insbesondere die Gruppe der Kinder mit Hauptschulempfehlung, welche hier stark unterrepräsentiert ist, in Zukunft noch einmal genauer zu untersuchen.

Ergänzend sollte in anschließender Forschung die kindliche Wahrnehmung der elterlichen Unterstützung betrachtet werden. Aufgrund der vorliegenden Daten ließen sich nicht beide Perspektiven miteinander vergleichen. Eltern- und Kindperspektiven scheinen sich allerdings voneinander zu unterscheiden. Die Wahrnehmung des elterlichen Verhaltens ist dabei entscheidender als das von den Eltern berichtete Verhalten und führt zu größeren Effekten (Grolnick et al. 1991). Grolnick und Kollegen untersuchten allerdings die Qualität als wahrgenommene Kontrolle, Kompetenz und Autonomieerhalt, während das Instrument der vorliegenden Arbeit hauptsächlich nach der Quantität der Unterstützung in unterschiedlichen Dimensionen fragt und diese vermutlich von den Eltern genauso gut oder sogar besser angegeben werden kann. Wir können also keine Aussage darüber machen, ob die elterliche Unterstützung als positiv oder negativ wahrgenommen wurde. Einschränkend sei ebenfalls die alleinige Operationalisierung des SES mithilfe der Bücherfrage erwähnt. Noch genauer lässt sich der SES mit einem Sozialindex wie dem HISEI (Highest International Socio-Economic Index of Occupational Status) messen, worauf aufgrund des Umfangs der für eine reliable Erfassung notwendigen Items verzichtet wurde. Nichtsdestotrotz gilt die Bücherfrage als geeigneter Indikator für den SES (Bos et al. 2003). Aufgrund der Forschungsergebnisse von Jonkmann et al. (2010) drängt sich zudem die Frage auf, inwiefern elterliche Bildungsaspirationen weitere Aufklärungskraft hinsichtlich Prüfungsangst am Übergang besitzen. Auch diesbezüglich sind weitere Untersuchungen wünschenswert.

Von schulpraktischer Relevanz ist das Ergebnis, dass am Übergang insbesondere leistungsstarke Kinder, die Prüfungsangst erleben, besonders anfällig für negative Konsequenzen der Unterstützung von zuhause sind. Generell ist die Übergangsphase als sensibel bekannt. Sowohl Lehrkräfte als auch Eltern können Viertklässler*innen hier entlasten:

Lehrkräfte können Prüfungsangst möglichst geringhalten, indem sie Transparenz bezüglich geforderter Kompetenzen und Inhalte schaffen und den Schüler*innen Kontrolle belassen, durch zeitlich und inhaltlich vorhersehbare Prüfungssituationen und die Möglichkeit einer gewissen Beeinflussbarkeit der Situation (Khanna 2015). Besonders hilfreich im Hinblick auf geringe Prüfungsangst zeigt sich demnach eine sachliche Leistungsrückmeldung, die sich in zusätzlich durchgeführten Zwischentests bewährt hat. So bekommen Schüler*innen eine informative Rückmeldung über den eigenen Leistungsstand ohne dabei bewertet zu werden und können entsprechende Handlungskonsequenzen ableiten. Darüber hinaus sind eine angenehme Lernatmosphäre, Wertschätzung und Ermutigung nicht nur im Allgemeinen für die Motivation, sondern konkret bei der Geringhaltung von Prüfungsangst relevant (Schuster 2017). Schulen können darüber hinaus durch Veranstaltungen zur adäquaten Gestaltung der häuslichen Lernatmosphäre sowie einer angemessenen Hausaufgabenunterstützung die Eltern informieren, wie diese zuhause eine motivationsförderliche, leistungsstärkende und angstfreie Umgebung schaffen können. An dieser Stelle findet das zweite zentrale Ergebnis, dass umfassende elterliche Unterstützung nicht grundsätzlich den gewünschten Erfolg zu bringen scheint, obwohl sicherlich beste Absichten verfolgt werden, eine praktische Relevanz. Hilfreich wäre ein breiter Einsatz bereits erprobter Programme, bei denen Eltern darüber aufgeklärt und angeleitet werden, wie ihre Hilfe am besten eingesetzt werden kann (Killus und Paseka 2020, S. 130–166). Eltern sollte in formellen und informellen Settings die Möglichkeit zu Austausch und Kommunikation geboten sowie Wissen und Ressourcen an die Hand gegeben werden, welche Form der Unterstützung förderlich ist. Insbesondere Kinder von Eltern mit geringem Bildungsniveau, die über weniger Ressourcen verfügen, kann die Weiterbildung und Hilfestellung stärken. Bestehende Programme und Maßnahmen zur Förderung von Elternbeteiligung haben Hillmayr et al. (2021) zusammengefasst. Konkret ist am Übergang die intensive Kommunikation zwischen allen Akteur*innen notwendig. Hier können nicht nur hilfreiche Unterstützungsmethoden, sondern auch erlebte Ängste, Hoffnungen sowie Ziele und Konsequenzen der Übergangsentscheidung thematisiert werden, um so eine hochwertige Unterstützung der Übergangszeit zu gewährleisten.