Eine 29-jährige frühschwangere Patientin Ig 0p (Erstgravida Nullipara) stellte sich mit Anurie und starken abdominalen Schmerzen in der zentralen Notaufnahme vor. Sie hatte sich bereits in der 8 + 3. SSW mit starken abdominalen Schmerzen ambulant in einer externen gynäkologischen Ambulanz vorgestellt, wurde dort aber am gleichen Tag wieder nach Hause entlassen. In der Folge nahmen die abdominalen Beschwerden zu, mit Erbrechen, Übelkeit und deutlicher Bauchumfangsvermehrung sowie einer Gewichtszunahme (+20 kg).

Aufgrund der zunächst unklaren abdominalen Schmerzen wurde in der Notaufnahme auch eine MRT-Abdomenuntersuchung veranlasst, die beidseitige Pleuraergüsse, 4 Quadranten Aszites und zystisch septierte Raumforderungen im Bereich der Ovarien bds. zeigte (rechts 11,2 × 11,0 × 16,3 cm, links 11,8 × 8,1 × 15,4 cm).

In der transvaginalen Sonographie am Aufnahmetag zeigte sich eine intakte intrauterine Einlingsgravidität der 9 + 0. SSW mit positiver Herzaktion.

Die Patientin wurde bei V. a. prärenales Nierenversagen und hypovolämische Hyponatriämie in die „intermediate care unit“ zur nephrologischen Behandlung und zum Ausgleich des Elektrolytdefizits aufgenommen.

Am nächsten Tag erfolgte die Verlegung der Patientin in die Gynäkologie. Sonographisch zeigte sich eine weiterhin zeitgerechte, intakte Gravidität sowie weiterhin das typische Bild eines ovariellen Hyperstimulationssyndroms (OHSS). Die Patientin gab eine spontane Konzeption an und verneinte vorangegangene ART-Maßnahmen oder eine Stimulationstherapie mit Ovulationsinduktion. Einzige Auffälligkeit war ein anamnestisch leicht unregelmäßiger Zyklus bei einer Zykluslänge von 32 bis 38 d.

Wir führten eine OHSS-typische Therapie mit Volumensubstitution, Gabe von Humanalbumin, Thromboseprophylaxe, Überwachung der Diurese und Diuretikatherapie mit Furosemid 20 mg nach Risikoaufklärung bei Diurese von < 50 ml/h durch.

Ab der 10 + 1. SSW besserte sich das subjektive Befinden, die Laborwerte und die Ausscheidung normalisierten sich. Nach insgesamt 4 Wochen Aufenthalt im Krankenhaus konnte die Patientin entlassen werden. Sie brachte in der 40 + 1. SSW einen gesunden Jungen zur Welt.

Hintergrund

Das ovarielle Überstimulationssyndrom (OHSS) ist als Folge einer Stimulationstherapie mit Gonadotropinen, Clomifen und GnRH hinlänglich bekannt. Für das spontan entstandene OHSS liegen nur Einzelfallbericht vor. Im Vergleich zum iatrogenen OHSS tritt das spontane OHSS später, in der 8.–14. Gestationswoche auf, das iatrogene OHSS hingegen bereits häufig früher in der 3.–8. SSW. Meist sind aber analog dem iatrogenen OHSS junge Frauen < 35 Jahren mit polyfollikulären Ovarien betroffen.

In der Literatur werden 3 Hauptgründe für die Entstehung eines spontanen OHSS genannt. Dazu gehören: FSH-Rezeptor(FSHR)-Polymorphismen, eine Hypothyreose mit entsprechend erhöhten TSH-Werten im Blut sowie β‑HCG-produzierende Tumoren inklusive aller gestationsbedingten und nichtgestationsbedingten Trophoblasterkrankungen.

Im Falle unserer Patientin lag eine normale Schilddrüsenfunktion und kein Anhalt für einen β‑HCG-produzierenden Tumor vor. Am wahrscheinlichsten ist daher von einem FSH-Rezeptor(FSHR)-Polymorphismus auszugehen. Es sind über 700 Single-Nukleotide und Mutationen des FSHR-Gens bekannt. Eine Mutation – oder häufiger eine Kombination von spezifischen Mutationen –, wie zum Beispiel eine Mutation, bei der Asparagin am zytoplasmatischen Ende der Transmembranhelix VI durch Aspartat im Codon 567 ersetzt ist, macht den Rezeptor besonders sensitiv für HCG (Choriongonadotropin).

Andere Mutationen, wie zum Beispiel der Ersatz von Alanin durch Threonin im Codon 449, erhöhen die Sensitivität des Rezeptors für HCG und TSH [1, 2].

Fazit

  • Das spontane ovarielle Hyperstimulationssyndrom (OHSS) ist ein seltenes Krankheitsbild, für das es bisher nur Einzelfallberichte gibt.

  • Es können mehrere Tage bis zur korrekten Diagnosestellung und adäquaten Therapie vergehen mit gefährlichen Folgen für die Patientinnen.

  • Die Ätiologie ist nicht genau geklärt. TSH- und β‑HCG-Spiegel sind zu berücksichtigen.

  • Im Vergleich zum iatrogenen OHSS tritt das spontane OHSS in der 8.–14. Gestationswoche auf, das iatrogene OHSS hingegen bereits in der 3.–8. SSW.

  • Meistens sind analog dem iatrogenen OHSS junge Frauen < 35 Jahren mit polyfollikulären Ovarien betroffen.

  • Die Therapie erfolgt analog dem iatrogenen OHSS.