In Österreich wurde im Jahr 2022 das erste Baby nach erfolgreicher Ovartransplantation geboren. Vor mehr als 15 Jahren erkrankte die Patientin an einem Non-Hodgkin-Lymphom und entschied sich zur Kryokonservierung von Ovarialgewebe. Diese wurde komplikationslos laparoskopisch durchgeführt und das Gewebe eingefroren. Als weitere fertilitätsprotektive Maßnahme erhielt die Patientin GnRH-Analoga. Es erfolgte daraufhin eine Hochdosischemotherapie mit Stammzelltransplantation gemäß dem derzeitigen Standard. Im Anschluss zeigte die Patientin eine persistierende Amenorrhö mit wiederholt deutlich erhöhten FSH-Werten und AMH-Werten unter der Nachweisgrenze.

Bei Kinderwunsch entschied sich die Patientin nach entsprechender Aufklärung zur Ovartransplantation. Einzelne Ovaranteile wurden laparoskopisch in eine Peritonealtasche in die Fossa ovarica auf beiden Seiten eingebracht. Unter anschließender Stimulation mit Clomifen konnten sechs reife Eizellen gewonnen und kryokonserviert werden.

Sechs Monate nach der Ovartransplantation kam es zum spontanen Eintritt einer Schwangerschaft und zur Geburt eines gesunden Kindes per Sectio.

Diese Erfolgsgeschichte hebt die Bedeutung fertilitätsprotektiver Beratung und Maßnahmen hervor. Selbst vor 15 Jahren kryokonserviertes Ovarialgewebe konnte die endokrine Funktion nach der Transplantation wiederaufnehmen und der Patientin trotz prämaturer Ovarialinsuffizienz nach Hochdosischemotherapie ein gesundes eigenes Kind ermöglichen.

Weltweit sind mittlerweile über 200 Kinder nach Ovarkryokonservierung und Transplantation [1] geboren worden. Diese Methode gilt mittlerweile als etablierte fertilitätsprotektive Maßnahme und wurde so als Empfehlung in die AMWF-Leitlinie „Fertilitätserhalt nach onkologischen Erkrankungen“ aufgenommen [2]. Der Vorteil dieser Maßnahme liegt in der schnellen Durchführbarkeit, unabhängig vom Zeitpunkt im Zyklus der jeweiligen Patientin. Ein weiterer positiver Effekt ist die Wiederaufnahme der eigenen Hormonproduktion. Diese wurde in aktuellen Daten bei 309 Transplantationen mit 64 % angegeben [3]. In diesen Daten ist eine Schwangerschaftsrate nach Kryokonservierung und Transplantation von 38 % beschrieben. Diese Zahlen sind für die Beratung der Patientinnen von großer Bedeutung. Allerdings müssen die Patientinnen über das Risiko einer ovariellen Metastasierung bei dieser fertilitätsprotektiven Methode aufgeklärt werden. Für keine Tumorart ist dieses Risiko ganz auszuschließen. Ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Metastasierung besteht bei Leukämie, Neuroblastom, Burkitt-Lymphom und Ovarialtumoren [2]. Ein moderates Risiko wird für das Mammakarzinom in Stadium IV, Darmkrebs, Endometrium- und Magenkarzinom, Adenokarzinom der Zervix, Ewing-Sarkom und das Non-Hodgkin-Lymphom angegeben. Ein geringes Risiko besteht beispielsweise für das Hodgkin-Lymphom und das Mammakarzinom. Diese Metastasierung wird auch als „minimal residual disease“ (MDR) bezeichnet. Verschiedene experimentelle Verfahren zur Vermeidung der Transplantation und zur Erkennung und Beseitigung maligner Zellen werden derzeit entwickelt. Eine mögliche Methode könnte hier die In-vitro-Maturation von Eizellen aus dem kryokonservierten Ovarialgewebe darstellen. Ein artifizielles Ovar könnte als Matrix für Präantralfollikel dienen. Die Xenotransplantation und die stammzellbasierte Oogenese sind weitere Methoden, an denen derzeit geforscht wird und weitere Ergebnisse zu erwarten sind [4,5,6].

Eine weitere fertilitätsprotektive Maßnahme bei Frauen ist die Kryokonservierung von Eizellen und/oder Embryonen. International setzt sich zunehmend die Eizellkryokonservierung durch, vor allem in Ländern, in denen „social egg freezing“ erlaubt ist und praktiziert wird. Dadurch liegt eine hohe Expertise vor, sodass die Erfolgsraten in der Kryokonservierung von Eizellen mit denen einer Embryonenkryokonservierung vergleichbar sind. Dies hat den Vorteil, dass die Patientin bei späterem Kinderwunsch und geplantem Kryotransfer nicht vom Einverständnis ihres damaligen Partners abhängig ist.

Die Ergebnisse sind bei elektiver und bei fertilitätsprotektiver Eizellkryokonservierung vergleichbar: Bei 367 Patientinnen im mittleren Alter von 37 Jahren und einem durchschnittlichen AMH-Wert von 1,5 µg/l konnten in verschiedenen Stimulationsprotokollen durchschnittlich in beiden Gruppen 6–7 Eizellen gewonnen werden [7, 8]. Ein zyklusunabhängiger Start („random start“), insbesondere in der Lutealphase, zeigt keine schlechtere Zahl an gewonnenen Eizellen [9].

Auch eine doppelte Stimulation („double stimulation“) nach verschiedenen Protokollen, bei denen nach einer Eizellentnahme nach einer wenige Tage dauernden Pause direkt eine zweite Stimulation mit Eizellentnahme angeschlossen wird, zeigt gute Ergebnisse [10].

Bei Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom sollte nach derzeitigem Kenntnisstand ein Stimulationsprotokoll mit dem Aromatasehemmer Letrozol angewandt werden, um die Östrogenspiegel niedrig zu halten. Es hat sich gezeigt, dass die Spiegel um etwa ein Drittel niedriger sind [11]. In zwei unterschiedlichen Studien war die Anzahl der gewonnenen Eizellen mit und ohne Letrozolgabe vergleichbar [11, 12]. Die Anzahl der Überstimulationssyndrome unterschied sich nicht.

In einer großen Kohortenstudie wurde bestätigt, dass bei Frauen mit Mammakarzinom nach fertilitätsprotektiver hormoneller Stimulation im Vergleich zu Frauen mit Mammakarzinom ohne hormonelle Stimulation keine erhöhte Mortalität und keine erhöhten Rezidivraten auftraten [13].

Als dritte fertilitätsprotektive Option bei Frauen kann die Gabe von GnRH-Analoga erfolgen, allerdings laut Leitlinie als Ergänzung zu einer oder den beiden anderen Methoden und nicht als alleinige Maßnahme [2]. Beim Mammakarzinom wird diese Maßnahme explizit auch in den Leitlinien empfohlen, für das Hodgkin-Lymphom, das eine häufige Indikation für eine fertilitätsprotektive Beratung darstellt, ist die Datenlage kontrovers [14].

Zunehmend werden auch bei benignen Erkrankungen fertilitätsprotektive Maßnahmen durchgeführt. Hier bestehen Indikationen aus unterschiedlichsten Bereichen. Zum einen können auch nichtonkologische Erkrankungen die Anwendung einer gonadotoxischen Therapie, eine Bestrahlung oder eine Stammzelltransplantation erforderlich machen. Zum anderen kann die Ovarialreserve eingeschränkt sein, sodass fertilitätsprotektive Maßnahmen diskutiert werden sollten. Dies kann durch operative Maßnahmen bei Erkrankungen des Ovars wie beispielsweise benignen Ovarialtumoren, Ovarialtorsionen oder bei ausgeprägter oder rezidivierender Endometriose der Fall sein. Bestimmte genetische Prädispositionen wie z. B. das Ullrich-Turner-Syndrom oder chronische Stoffwechselerkrankungen oder eine positive Familienanamnese für eine prämature Ovarialinsuffizienz können Indikationen für eine Fertilitätsprotektion darstellen. Auch Trans*personen nehmen diese zunehmend in Anspruch. Soziale Gründe wie das Verschieben der Familienplanung in eine spätere Lebensphase, z. B. bei Fehlen eines geeigneten Partners oder zur Verwirklichung der Karriere, können Frauen zur Kryokonservierung ihrer Eizellen veranlassen. Dies ist in Österreich gesetzlich derzeit allerdings nicht erlaubt.

Die erstgenannten Indikationen werden nun detaillierter erörtert:

Bei hämatologischen Erkrankungen wie der aplastischen Anämie, Thalassämie, Fanconi-Anämie, Diamond-Blackfan-Anämie oder der Sichelzellerkrankung kann – je nach Erkrankung – die Therapie mit Cyclophosphamid, Busulfan oder Hydroxycarbamid indiziert sein. Des Weiteren werden myeloablative Protokolle und eine Ganzkörperbestrahlung vor einer Stammzelltransplantation eingesetzt. Eine fertilitätsprotektive Beratung sollte in diesen Fällen angeboten werden, allerdings ist die Datenlage sehr limitiert. Von Vorteil ist, dass häufig wenig Zeitdruck besteht, sodass eine sorgfältige Planung und Vorbereitung erfolgen kann [15]. Bei einer Sichelzellanämie wird eine Ovarkryokonservierung und keine hormonelle Stimulation empfohlen. Ein je nach Erkrankung erhöhtes Blutungs- oder auch Thromboserisiko sollte berücksichtigt werden.

Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes, das CREST-Syndrom, multiple Sklerose, verschiedene Vaskulitiden wie auch das Sharp-Syndrom oder Granulomatosen können eine gonadotoxische Therapie, z. B. mit Cyclophosphamid, erforderlich machen. Hier ist die kumulative Dosis bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Bei diesen Erkrankungen kann von vornherein eine erniedrige ovarielle Reserve vorliegen [16,17,18]. Häufig ist für eine ovarielle Stimulation nicht genügend Zeit vorhanden, auch kann sich die Symptomatik unter hoch dosierten Hormongaben verschlechtern. Ein erhöhtes Thromboserisiko muss beachtet werden.

Bei der Endometriose kann sowohl ein direkter als auch ein indirekter Effekt auftreten: Die ovarielle Reserve kann durch einen intraovariellen Inflammationsprozess, vermehrtes follikuläres Burn-out mit Rekrutierung und anschließender Atresie der Follikel reduziert werden. Durch eine Reduktion des kortikalen Stromas mit Fibrose entsteht ein mechanischer Effekt, der zu einer geringeren Follikeldichte führen kann. Indirekt wird die ovarielle Reserve durch ausgedehnte Operationen am Ovar, insbesondere bei Rezidiven, reduziert [19]. Eine ovarielle Stimulation und Eizellkryokonservierung sollte insbesondere bei jüngeren Frauen vor einer geplanten Endometrioseoperation – je nach Ausdehnung der Endometriose und individueller Eizellreserve – bedacht werden [20]. Die rasche Umsetzung des Kinderwunschs sollte empfohlen werden. Als Entscheidungshilfe kann hierbei der Endometriosis Fertility Index (EFI) dienen [21].

Bestimmte genetische Prädispositionen, verschiedene chronische Erkrankungen und eine positive Familienanamnese können Risikofaktoren für eine prämature Ovarialinsuffizienz darstellen. Je nach Situation kann eine frühzeitige Eizellkryokonservierung empfohlen werden. Exemplarisch soll hier das Ullrich-Turner-Syndrom dargestellt werden. Bei diesem ist die Fertilität vom vorliegenden Karyotyp und Mosaik abhängig. Spontane Schwangerschaften sind bei 2–10 % der jungen Frauen mit Mosaiken beschrieben. Bei der Entscheidungsfindung sollten die jeweiligen Komorbiditäten und mögliche Risiken und Kontraindikationen gegen eine Schwangerschaft mitberücksichtigt werden. Problematisch ist der Zeitpunkt der fertilitätsprotektiven Maßnahmen, da nicht einzuschätzen ist, wie schnell die Follikelatresie fortschreitet und wann der beste Zeitpunkt für entweder eine Eizell- oder eine Ovarkryokonservierung ist. In den Empfehlungen des FertiPROTEKT-Netzwerks wird hier der Zeitraum zwischen dem 14. und 16. Lebensjahr genannt und eine Eizellkryokonservierung gegenüber einer Ovarkryokonservierung bevorzugt. Die Möglichkeit einer Eizellspende sollte als Alternative nicht vernachlässigt werden.

Zunehmend ziehen auch Trans*personen fertilitätsprotektive Maßnahmen in Betracht. In Umfragestudien zeigten sich ein hohes Interesse und großer Informationsbedarf, allerdings ist die Inanspruchnahme von Maßnahmen in Relation zum hohen Interesse hieran sehr gering. Dies ist sicherlich auch in unterschiedlichen Rechtslagen und Kostenübernahmeregelungen begründet. Insgesamt hat der rasche Beginn der gegengeschlechtlichen Hormontherapie einen deutlich höheren Stellenwert als die Fertilität [22,23,24]. Trans*frauen können Spermien kryokonservieren, Trans*männer können sich zur Kryokonservierung von Eizellen oder/und Ovargewebe vorstellen. Die Ergebnisse einer ovariellen Stimulation sind mit Cis-Frauen vergleichbar [25]. Als problematisch können die erforderlichen wiederholten vaginalen Untersuchungen empfunden werden. Möglicherweise kann die Gabe eines Aromatasehemmers die unerwünschten östrogenen Wirkungen während einer Stimulation vermindern. Eine langfristige Testosterontherapie scheint keinen negativen Effekt auf die Fertilität zu haben. Es gibt bisher keine Empfehlung, wie lange vor einer hormonellen Stimulation die Testosterontherapie abgesetzt werden sollte [26, 27].

Fazit für die Praxis

Fertilitätsprotektive Maßnahmen können Frauen und Männern bei malignen Erkrankungen, die eine gonadotoxische Therapie erfordern, aber auch bei benignen Erkrankungen und genetischen Prädispositionen die Verwirklichung eines späteren Kinderwunschs ermöglichen. Hierfür ist die Aufklärung und Beratung dieser Patient:innen, aber auch die Regelung der Kostenübernahme in Österreich von essenzieller Bedeutung.