Einleitung

Die menopausale Hormonersatztherapie (MHT) ist ein Thema von großer Bedeutung, da immerhin 85 % aller peri- bzw. postmenopausalen Frauen mehr oder weniger ausgeprägte klimakterische Beschwerden haben. Dementsprechend erhielten in der Vergangenheit 25–30 % aller Frauen auch eine MHT [1, 2], welche diese Beschwerden sehr effektiv lindern kann [3]. Mit dem Erscheinen der Women’s Health Initiative (WHI)-Studie 2002 hat sich diese Verschreibungspraxis massiv geändert, sodass mittlerweile nur noch ca. 3 % aller betroffenen Frauen eine MHT erhalten [4]. Da im Rahmen des klimakterischen Syndroms eine Vielzahl von Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmung bis hin zu Muskel- und Gelenkschmerzen auftreten, die sowohl die Lebensqualität beeinträchtigen als auch das Risiko für diverse chronische Erkrankungen erhöhen können [5], stellt sich die Frage, ob dieses Vorgehen gerechtfertigt ist.

Die WHI-Studie

Um diese Frage beantworten zu können, sollen an dieser Stelle die Eckdaten der Studie beschrieben werden. Bei der WHI-Studie handelt es sich um eine randomisierte kontrollierte Studie, bei der 16.608 Frauen im Alter von 50–79 Jahren entweder eine kombinierte MHT (0,625 mg konjugiertes equines Östrogen/Tag plus 2,5 mg Medroxyprogesteronacetat [MPA]/Tag) oder Placebo erhielten [4]. Primäre Endpunkte waren die koronare Herzkrankheit (KHK), das invasive Mammakarzinom und das primäre „adverse outcome“. Des Weiteren wurde eine Nutzen-Risiko-Analyse bzgl. der primären Endpunkte sowie des Risikos für Insult, Pulmonalarterienembolie (PAE), Endometriumkarzinom, kolorektales Karzinom, Hüftfraktur und Todesfälle aus anderer Ursache durchgeführt. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da das Risiko für KHK und das invasive Mammakarzinom in der MHT-Gruppe signifikant höher war als in der Placebo-Gruppe. Dazu ist anzumerken, dass das durchschnittliche Alter der Frauen, in dem die Therapie gestartet wurde, bei > 63 Jahren gelegen ist, 45,3 % der Frauen waren zwischen 60 und 69 Jahre und 21,3 % sogar zwischen 70 und 79 Jahre alt zum Zeitpunkt des Therapiestarts. Weiter muss berücksichtigt werden, dass es sich um ein synthetisches Gestagen gehandelt hat. Wenn man die Gruppe der Frauen zwischen 50 und 59 Jahren analysiert, dann zeigt sich trotz des aus heutiger Sicht unphysiologischen Therapieregimes eine Risikoreduktion für das kolorektale Karzinom, das Lungenkarzinom, Frakturen, Diabetes mellitus sowie die allgemeine Sterblichkeit.

Definition und Prävalenz

Der Zeitpunkt der Menopause ist ein Indikator der ovariellen Funktion und hat wichtige Auswirkungen auf die Gesundheit einer Frau. Die natürliche Menopause ist definiert als 12 aufeinanderfolgende Monate ohne Menses ohne offensichtlichen Grund wie beispielsweise eine bilaterale Ovarektomie, Chemotherapie oder Radiatio aufgrund einer Krebserkrankung [6]. Das durchschnittlicher Alter der Menopause liegt zwischen 48 und 53 Jahren und ist unter anderem abhängig vom ethnischen Hintergrund und reicht von durchschnittlich 48 Jahren bei Frauen mit südasiatischem Hintergrund über 50 Jahre bei kaukasischen Frauen, die in Europa oder Australien leben, bis hin zu 52 Jahren bei japanischen Frauen [7, 8].

Als Klimakterium praecox oder vorzeitige Menopause wird eine Menopause bei Frauen < 40 Jahren bezeichnet. Die Bezeichnung POI („premature ovarian insufficiency“) wird als zutreffenderer Begriff erachtet, da hier auf den fortschreitenden Verlust der ovariellen Funktion hingewiesen wird, was nicht zwangsläufig mit einem plötzlichen definitiven Ende der ovariellen Funktion einhergeht [9]. Gemäß den Leitlinien der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) [10] ist die POI ein klinisches Syndrom, welches durch einen Verlust der ovariellen Aktivität im Alter von < 40 Jahren definiert ist und durch Zyklusunregelmäßigkeiten (Oligo- oder Amenorrhö) mit erhöhten Gonadotropinen und niedrigem Östradiolspiegel charakterisiert wird.

So ist eine POI auf längere Sicht mit einem erhöhten Risiko für Osteoporose, kognitive Veränderungen und kardiovaskuläre Erkrankungen bis hin zu einer erhöhten Mortalität verbunden [8, 10, 11].

Eine Menopause, welche im Alter zwischen 40 und 45 Jahren eintritt, wird als frühe Menopause („early menopause“) bezeichnet. Gemäß den Daten des InterLACE-Konsortiums (International collaboration on the Life course Approach of reproductive health and Chronic disease Events) liegt die Häufigkeit eines Klimakterium praecox bei 1–2 % und die Prävalenz einer frühen Menopause bei ~8 %, somit ist jede 10. Frau von einer frühen oder vorzeitigen Menopause betroffen [7, 12]. Eine exakte Definition und Diagnose erscheint wichtig, da Frauen mit einer POI im Vergleich zu Frauen mit einer natürlichen Menopause meist eine andere bzw. höher dosierte Therapie benötigen, da über vasomotorische und Östrogenmangel-Symptome hinausgehende Probleme wie z. B. Infertilität und psychologische Probleme die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und durch ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Osteoporose-assoziierte Frakturen auch die Lebenserwartung verkürzt sein kann.

Daher sollte zwischen einer HRT („hormone replacement therapy“), die im Alter von < 45 Jahren eingeleitet wird und für die es eine klare Indikation gibt, und einer MHT, die im Falle von klimakterischen Beschwerden eingeleitet werden sollte, unterschieden werden. Die HRT sollte zumindest bis zum natürlichen Menopausenalter (d. h. 50–52 Jahre) fortgeführt werden. Weiter sollte jedenfalls berücksichtigt werden, dass das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen wie KHK und Insult umso größer ist, je früher die Menopause eintritt.

Bei der MHT spricht man von einem „window of opportunity“, in dem eine MHT eingeleitet werden kann. Dies sind im Wesentlichen die ersten 10 Jahre nach der letzten Menses [5]. Für Frauen, die < 60 Jahre alt sind oder bei denen die letzte Menses innerhalb der letzten 10 Jahre stattgefunden hat, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis günstig bzgl. der Behandlung klimakterischer Beschwerden und der Prävention eines Verlusts von Knochenmasse. Bei älteren Frauen, oder wenn die Menopause länger zurückliegt, ist dieses Verhältnis weniger günstig, da das absolute Risiko für eine KHK, Insulte, eine venöse Thromboembolie und Demenz höher ist.

Das Ziel der MHT ist die Reduktion von Hitzewalllungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Depressionen, Gelenk- und Muskelschmerzen. Die Primärprävention von chronischen Erkrankungen wie z. B. der Osteoporose oder einer KHK ist hingegen keine Indikation zum Einleiten einer MHT. Diese klimakterischen Beschwerden sowie deren Ausprägung können mithilfe verschiedener Scores wie z. B. dem Menopause Rating Scale II-Fragebogen erfasst werden [13]. Mögliche Beschwerden, die mit der Menopause verbunden sein können, umfassen neben den klassischen Hitzewallungen auch Herzbeschwerden, Schlafstörungen, depressive Verstimmung, Erschöpfung, kognitive Beeinträchtigungen, urogenitale Beschwerden sowie Gelenk- und Muskelschmerzen (siehe auch Tab. 1). Diese Beschwerden lassen sich durch eine MHT günstig beeinflussen [5].

Tab. 1 Mögliche klimakterische Beschwerden

Darüber hinaus scheint die MHT, wenn diese in der frühen Menopause eingeleitet wird, die Progression der Arteriosklerose zu verzögern, wodurch sich das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Mortalität reduziert [1]. Zudem kann die MHT auch protektiv hinsichtlich eines kognitiven Abbaus wirksam sein [1].

Therapie

Prinzipiell muss bei allen Frauen mit intaktem Uterus eine kombinierte MHT erfolgen, das heißt zusätzlich zur Östrogentherapie muss auch ein Gestagen verabreicht werden, um eine Hyperplasie des Endometriums zu verhindern [5]. Einzig bei St. p. Hysterektomie sollte eine Östrogenmonotherapie erfolgen. Vor dem Einleiten der Therapie sollten im Rahmen der Anamneseerhebung mögliche Kontraindikationen erhoben bzw. ausgeschlossen werden, eine gynäkologische Untersuchung sowie eine Mammographie sollten ebenfalls durchgeführt werden [14]. Bei allen Frauen sollte ein Basislabor, das zumindest ein Blutbild, Elektrolyte, Nieren- und Leberwerte, Nüchternblutzucker, HbA1c und einen Lipidstatus beinhaltet, abgenommen werden. Bei jüngeren Frauen sollten FSH, LH, Östradiol und Prolaktin bestimmt werden, um andere Ursachen von Zyklustempoanomalien ausschließen zu können bzw. die Diagnose einer vorzeitigen oder frühen Menopause stellen zu können. Eine Osteodensitometrie sollte im Falle einer frühen oder vorzeitigen Menopause jedenfalls durchgeführt werden und erscheint aus klinischer Sicht auch bei älteren Frauen sinnvoll, da es aufgrund des vermutlich positiven Effekts auf das Frakturrisiko eine zusätzliche Entscheidungshilfe darstellen kann bzw. das Einleiten von basistherapeutischen Therapiemaßnahmen wie z. B. einer Kalziumsupplementierung bei peri- und postmenopausalen Frauen natürlich unabhängig vom Einleiten einer MHT sinnvoll ist.

Präparate, die im Rahmen einer MHT bevorzugt zur Anwendung kommen sollten, werden in Tab. 2 angeführt. Entweder kann eine zyklische Therapie erfolgen, das heißt, während Östrogen täglich zugeführt wird, erfolgt die Gestageneinnahme an 10–14 Tagen pro Zyklus, um quasi den natürlichen Zyklus nachzuahmen. In diesem Fall sollten 200 mg eines natürlichen mikronisierten Progesterons verabreicht werden [15]. Sollte es unter diesem Regime zu Blutungen kommen bzw. die Frau eine kontinuierliche Therapie bevorzugen, dann kann Progesteron auch durchgehend eingenommen werden. In diesem Fall sollten dann nur 100 mg Progesteron tgl. eingenommen werden [15]. Wichtig ist, dass Progesteron abends eingenommen wird, da Müdigkeit und Schwindel zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören. Sollte die Patientin diese orale Gestagenzufuhr aufgrund von Nebenwirkungen, zu denen auch Brustschmerzen und Kopfschmerzen gehören, nicht tolerieren, sollte versuchsweise eine vaginale Progesteronapplikation erfolgen. Sollte auch diese Therapie nicht toleriert werden, kann in Einzelfällen auch eine Kombination einer Östrogenmonotherapie mit einer Hormonspirale erfolgen.

Tab. 2 Empfohlene Präparate im Rahmen der menopausalen Hormonersatztherapie (MHT) [3, 15, 16]

Während im Falle einer vorzeitigen oder frühen Menopause jedenfalls eine transdermale Östrogengabe bevorzugt werden sollte, gilt diese generelle Vorgabe bei der MHT nicht unbedingt. Je nach Präferenz der Patientin kann auch eine orale Therapie erfolgen. Das Östrogen der Wahl ist in jeden Fall 17β-Östradiol. Eine Therapie kann z. B. mit Estrofem 1 mg tgl. oder einem Hub Estrogel tgl. gestartet werden [3, 16]. Orale Östrogene sollten im Falle einer Hypertriglyzeridämie, Erkrankungen der Gallenblase sowie einer Gerinnungsstörung eher vermieden werden. Auf das HDL- und LDL-Cholesterin ist die Wirkung der oralen Östrogeneinnahme günstig. Weiter muss der Effekt oraler Östrogene auf das SHBG berücksichtigt werden, da sich durch die Steigerung des SHBG und die damit verbundene Reduktion des freien und aktiv wirksamen Testosterons ein negativer Effekt auf Antrieb und Libido ergeben kann. Weiter ist anzumerken, dass eine niedrigere Dosis mit einer tendenziell geringeren Effektivität bzgl. der Linderung der Beschwerden, wie z. B. die Reduktion der Hitzewallungen, jedoch auch mit einem niedrigeren Risiko für Nebenwirkungen wie Blutungen oder Brustschmerzen verbunden ist. Generell empfiehlt es sich, mit einer niedrigen Dosis zu beginnen und diese bei Bedarf zu steigern.

Sollten vor allem urogenitale Probleme im Vordergrund stehen, kann eine lokale Therapie mit Estriol (Ovestin Creme oder Zäpfchen) eingeleitet werden. Wenn trotz adäquater Therapie ausgeprägte Beschwerden hinsichtlich Libido und Antrieblosigkeit vorhanden sind, könnte in Einzelfällen auch eine Therapie mit einem 3 %-igen Testosterongel versucht werden, wobei die Patientin über den „off-label use“ aufgeklärt werden muss.

Alternativen

Eine Alternative zur klassischen MHT mit den genannten Wirkstoffen ist Tibolon. Tibolon ist bzgl. der Reduktion von Wallungen weniger effektiv, bzgl. der Wirkung auf Libido und die Knochendichte jedoch gut wirksam, bzgl. des Risikos für Insulte und Mammakarzinom ist die Substanz vermutlich eher ungünstig zur bewerten. Sollte eine Patientin im Alter der natürlichen Menopause nach wie vor ein klassisches orales Kontrazeptivum einnehmen und darunter beschwerdefrei sein, kann dieses nach Ausschluss von Kontraindikationen (wie Nikotinabusus, arterieller Hypertonus, Übergewicht/Adipositas, Migräne) auch weitergeführt werden. Vom Einsatz von Rimkus-Kapseln und anderen Präparaten ist aus endokrinologischer Sicht abzuraten aufgrund der unzureichenden Datenlage bzgl. Effektivität und Sicherheit, vor allem auch weil therapeutische Alternativen mit einer deutlich besseren Datenlage verfügbar sind.

Therapiedauer

Die Therapiedauer richtet sich unter anderem auch nach dem Abstand zur letzten Menses und dem Alter der Frau. Als Faustregel gilt: Je größer der Abstand zur letzten Menses (bzw. dem natürlichen Menopausenalter im Falle einer frühen oder vorzeitigen Menopause) ist bzw. je älter die Frau ist, desto eher sollte ein Absetzversuch unternommen werden. Entweder kann die tägliche Dosis reduziert werden oder nur mehr jeden zweiten Tag eingenommen bzw. appliziert werden. Sollte dieser Absetzversuch aufgrund von Beschwerden nicht toleriert werden, dann sollte die Therapie wieder auf die ursprüngliche Dosis gesteigert werden. Eine Therapiedauer von fünf Jahren gilt als sicher, nach fünf Jahren kann ein Absetzversuch, natürlich abhängig vom Alter der Patientin, unternommen werden. Eine Therapiedauer von > 10 Jahren sollte eher vermieden werden. Als Altersgrenze bzgl. des Einleitens einer MHT wird 60 Jahre bzw. in Ausnahmefällen auch 65 Jahre erachtet.

Kontraindikationen

Kontraindikationen zum Einleiten einer MHT sind ein Mammakarzinom in der Anamnese, eine KHK, eine venöse Thromboembolie, transitorische ischämische Attacke (TIA) oder Insult, eine aktive Lebererkrankung, eine ungeklärte vaginale Blutung sowie ein Endometriumkarzinom in der Vorgeschichte. Ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (> 10 %) bzw. ein Mammakarzinom (> 55) stellt eine relative Kontraindikation dar.

Fazit für die Praxis

Über 20 Jahre nach dem Erscheinen der Women’s Health Initiative (WHI)-Studie hat sich trotz der offensichtlichen Schwächen, die sich vor allem auf das Alter der eingeschlossenen Frauen, aber auch auf die eingesetzten Substanzen beziehen, das Verschreibungsverhalten bzgl. der menopausalen Hormonsersatztherapie (MHT) kaum geändert und stagniert auf einem niedrigen Niveau. Aufgrund der vielfältigen Beschwerden, die im Rahmen der Peri- und Postmenopause auftreten können und die ca. 85 % aller Frauen betreffen, erscheint die jetzige Situation, in der nur ein Bruchteil aller Frauen mit ausgeprägten Beschwerden eine Therapie erhält, nicht zufriedenstellend. Nach Berücksichtigung des Alters und Zeitpunkte der Menopause und nach dem Ausschluss etwaiger Kontraindikationen ist das Einleiten einer MHT bei Frauen mit Beschwerden jedenfalls sinnvoll, da es sich um eine effektive und sichere Therapie handelt. Im Falle einer frühen oder vorzeitigen Menopause besteht ohnehin eine klare Indikation zum Einleiten einer Hormonersatztherapie (HRT).