1 Einleitung

In den Sozial- und Kulturwissenschaften ist ein steigendes Interesse an religionsbezogenen Fragen zu verzeichnen (Pickel und Sammet 2014, S. 11). Dies spiegelt sich auch in der Integrationsforschung wider, in der zunehmend dem Einfluss religiöser Zugehörigkeiten und von Religiosität bei Zugewanderten sowie deren in Deutschland geborenen Angehörigen auf verschiedene Aspekte der gesellschaftlichen Teilhabe nachgegangen wird. Insbesondere muslimische Religionsangehörige sind in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt und bilden verstärkt die Zielgruppe empirischer Studien in Deutschland (Sauer und Halm 2019, S. 10; Spielhaus 2013, S. 174). Zur Erhebung belastbarer Daten im Rahmen einer quantitativen Befragung stellt sich damit die Herausforderung, ein geeignetes Stichprobenverfahren umzusetzen, das vorzugsweise auf Basis einer Zufallsauswahl erfolgt (Diekmann 2003, S. 330ff.; Pickel und Sammet 2014, S. 122ff.).

Klassische zufallsbasierte Auswahlverfahren, die bei allgemeinen Bevölkerungsumfragen eingesetzt werden, so etwa das Random-Route-Verfahren zur Durchführung von face-to-face Befragungen oder das Dual-Frame-Verfahren bei telefonischen Interviews (Häder et al. 2009, S. 25; Diekmann 2003, S. 330ff.), sind zur Erfassung von Muslim*innen wenig geeignet. Muslimische Religionsangehörige bilden mit einem geschätzten Anteil von 6 bis 7 % an der Gesamtbevölkerung eine relativ kleine Gruppe (Pollack 2020, S. 532; Pfündel et al. 2021, S. 37f.). Beim Sampling wären daher sehr viele sogenannte Screening-Interviews erforderlich, um eine Zielperson zu erreichen. Bei der Ziehung von Zufallsstichproben aus amtlichen Registern oder anderen Listen, so etwa dem Telefonbuch, stellt sich ein ähnliches Problem. Die Zugehörigkeit zum Islam ist in der Regel nicht als Information enthalten, Muslim*innen können bei der Stichprobenziehung anhand dieses Merkmals daher nicht herausgefiltert werden.

Vor diesem Hintergrund werden in den Sozialwissenschaften zur Untersuchung schwer erreichbarer und/oder kleiner Bevölkerungsgruppen in den letzten Jahren verstärkt auch innovative nicht zufallsbasierte Erhebungsverfahren entwickelt, die beanspruchen, mit vertretbarem Aufwand belastbare quantitative Daten zu generieren (Herzing et al. 2019, S. 7). Insbesondere das Respondent Driven Sampling (RDS), das auf Annahmen der Netzwerkforschung basiert, wird bei der Befragung migrantischer Teilpopulationen zunehmend angewendet (Johnston und Tyldum 2014, S. 4). Um die Grundgesamtheit besser zu repräsentieren, werden die Auswahlwahrscheinlichkeiten der Zielpersonen durch Netzwerkfragen nachträglich berechnet (Johnston 2014, S. 11ff.). Das RDS-Verfahren ist allerdings an verschiedene Prämissen gebunden. So wird vorausgesetzt, dass Angehörige der Zielpopulation durch dichte persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind, so dass ihre Erreichbarkeit durch Intragruppenkontakte prinzipiell gewährleistet ist (Friberg und Horst 2014, S. 21ff.). Zur Erhebung belastbarer Daten über die außerordentlich heterogen zusammengesetzte muslimische Bevölkerungsgruppe scheint das RDS-Verfahren vor diesem Hintergrund kaum geeignet zu sein.

Ein anderes Vorgehen, dass sich bei der Erhebung von Daten über Personen mit Migrationshintergrund etabliert hat, ist die Ziehung namensbasierter bzw. sogenannter onomastischer Zufallsstichproben (Gramlich 2015, S. 66f.; Mateos 2007, S. 256f.; Salentin 2014, S. 40ff.; Martin et al. 2016, S. 26). Durch diese Methode wird auf Basis der Vor- und Nachnamen, Namenskombinationen oder Buchstabenfolgen auf den voraussichtlichen Migrationshintergrund einer Person geschlossen (Humpert und Schneiderheinze 2000, S. 38ff.; Schnell et al. 2013, S. 10ff.). Ob der onomastisch vermutete Migrationshintergrund tatsächlich zutrifft und die betreffende Person zur Zielpopulation gehört, muss dann in einem sogenannten Screening-Interview geprüft werden. Onomastische Verfahren die beanspruchen, Angehörige bestimmter Religionen (weitgehend) sicher zu identifizieren, sind indessen nicht bekannt. Damit ist es zwar möglich, Personen mit einem Migrationshintergrund aus Ländern zu identifizieren, die einen hohen muslimischen Bevölkerungsanteil haben, nicht aber die eigentliche Zielgruppe der Muslim*innen.

Vor diesem Hintergrund soll untersucht werden, wie gut sich onomastische Verfahren zum Sampling von muslimischen Religionsangehörigen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern eignen. Für die Analysen werden Daten herangezogen, die in der vom BAMF-Forschungszentrum (BAMF-FZ) durchgeführten Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020 (MLD 2020)“ erhoben wurden. Zielgruppe der Studie bilden (muslimische) Menschen mit Migrationshintergrund aus 23 muslimisch geprägten Ländern (Abschn. 2). Im Rahmen des Stichprobenverfahrens zur Durchführung der MLD-Studie 2020 wurden 1,7 Mio. Adressen per Zufallsverfahren aus 288 Einwohnermelderegistern (EMR) in Deutschland gezogen (Pfündel et al. 2021, S. 21ff.). Die onomastische Zuordnung der abgefragten Adressen übernahm ein externer Dienstleister, die Dr. Andreas Humpert und Klaus Schneiderheinze GbR (Humpert und Schneiderheinze). Die Face-to-Face Befragung erfolgte durch standarisierte Interviews und wurde von der Kantar GmbH – Public Division Deutschland (Kantar) zwischen Juli 2019 und März 2020 durchgeführt. Insgesamt wurden 4538 verwertbare Interviews mit Personen aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland realisiert (Pfündel et al. 2021, S. 28).Footnote 1

Im Unterschied zu anderen Untersuchungen über Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund, die sich zumeist auf onomastisch gut voneinander abgrenzbare Herkunftsgruppen konzentrieren, zeichnet sich die betrachtete Zielgruppe dadurch aus, dass sich die Namensgebung vieler muslimisch geprägter Herkunftsländer nicht trennscharf voneinander abgrenzen lässt. Bei einem Teil der Personen kann daher zwar vorausgesagt werden, dass sie vermutlich aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland stammen, nicht aber um welches Land es sich handelt (Abschn. 3). Diese teilweise mangelnde Trennschärfe kommt bei der MLD-Studie 2020 zum Tragen, da ein nach Herkunftsregionen geschichtetes Stichprobenkonzept mit festen Quotenvorgaben für fünf Teilstichproben umgesetzt wurde (Länder im Mittleren Osten, im Nahen Osten, in Nordafrika, in Südosteuropa und die Türkei). Die nachfolgenden Analysen geben daher nicht nur Aufschluss über die Eignung in Bezug auf die Gesamtgruppe der Personen mit Migrationshintergrund aus den berücksichtigten muslimisch geprägten Herkunftsländern. Vielmehr können auch Ableitungen für die fünf Teilstichproben getroffen werden (Abschn. 4).

In dem Beitrag wird im Folgenden beleuchtet:

  • inwieweit potenzielle (muslimische) Zielpersonen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern keine Chance haben, in die Stichprobe zu gelangen, da ein bestehender Migrationshintergrund durch das onomastische Verfahren nicht erkannt wird,

  • wie effizient das Verfahrens bei Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern bzw. wie hoch der einzuplanende Screening-Aufwand durch falsch positive onomastische Zuordnungen ist,

  • inwieweit sich nicht eindeutig zuordnungsbare Personen mit relevantem Migrationshintergrund auf die Zusammensetzung der Teilstichproben auswirken und

  • wie hoch der zu erwartende Anteil an muslimischen Religionsangehörigen unter den befragten Zielpersonen mit entsprechendem Migrationshintergrund ist.

Abschließend werden auf Grundlage der empirischen Ergebnisse alternative Vorgehensweisen insbesondere durch die Zusammenfassung sich namentlich überlappender Teilstichproben erörtert.

2 Definition der Zielpopulation

Zielgruppe der MLD-Studie 2020 bilden Menschen bzw. muslimische Religionsangehörige „mit einem Migrationshintergrund aus insgesamt 23 berücksichtigten muslimisch geprägten Herkunftsländern“ (Tab. 1).Footnote 2 Die wenig griffige Bezeichnung verweist darauf, dass die Festlegung des zu berücksichtigenden Personenkreises auf einem Kompromiss beruht. Dieser ist auf der einen Seite durch den Wunsch geprägt, belastbare Daten über „die“ muslimischen Religionsangehörigen in Deutschland zu erheben. Die andere Seite ist durch die Grenzen des empirisch Machbaren in Ermangelung adäquater Sichtprobenverfahren gekennzeichnet (Müller und Pickel 2018, S. 262). Muslimische Religionsangehörige aus Ländern mit einem geringen muslimischen Bevölkerungsanteil, die bei Anwendung eines zufallsbasierten Stichprobenverfahrens nur nach Durchführung sehr vieler Screeninginterviews auffindbar sind, werden daher explizit nicht berücksichtigt, so etwa zum Islam konvertierte Personen ohne Migrationshintergrund.

Tab. 1 Berücksichtigte Herkunftsländer nach Regionengruppen sowie Anzahl der geplanten und verwertbaren Interviews

Das zur Festlegung der Zielgruppe genutzte Konzept des sogenannten „Migrationshintergrundes“ versucht der Vielschichtigkeit des Migrationsgeschehens in Deutschland gerecht zu werden. Seit der Jahrtausendwende wird es in Deutschland in der Integrationsforschung zunehmend genutzt, da es ermöglicht, Integrationsprozesse umfassend abzubilden (Petschel und Will 2020, S. 79; Salentin und Wilkening 2003, S. 294ff.). Neben der zuvor üblichen Unterscheidung zwischen deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, erlaubt es, auch Eingebürgerte und in Deutschland geborene Kinder von Zugewanderten unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit in die Analysen einzubeziehen. Im Mikrozensus, der größten jährlich durchgeführten Haushaltsumfrage des statistischen Bundesamtes, werden seit 2005 differenzierte Informationen über die sogenannte Bevölkerung mit Migrationshintergrund in der jährlichen Berichterstattung ausgewiesen (Will 2018, S. 2).

Nachteil des Konzepts ist, dass sich hinter dem Begriff „Migrationshintergrund“ kein im Interview erfragbares, standardisiertes Merkmal verbirgt. Vielmehr handelt es sich um eine Zuschreibung, die einer Person in der Regel erst im Rahmen der Datenaufbereitung auf Basis verschiedener erhobener Merkmale zugeordnet wird. Je nach Fragestellung und in Abhängigkeit der im Rahmen einer Untersuchung verfügbaren Informationen kann die Definition variieren (Petschel und Will 2020, S. 79). Oftmals berücksichtigte Indikatoren sind (ehemalige) Staatsangehörigkeit(en), Geburtsland sowohl der befragten Person als auch beider Elternteile oder der Sprachgebrauch (Maehler et al. 2016, S. 264). Mittlerweile ist der Begriff Migrationshintergrund in die Kritik geraten, u. a. aufgrund mangelnder Eindeutigkeit und da die Zuschreibung als ausgrenzend wahrgenommen wird. Von der Fachkommission der Bundesregierung zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit wurde daher eine inhaltliche und terminologische Neugestaltung gefordert. Sie empfiehlt, den Begriff „Eingewanderte und ihre (direkten) Nachkommen“ zu verwenden (Fachkommission der Bundesregierung zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit 2020, S. 218ff.).

In der MLD-Studie 2020 wurden zur Definition des Migrationshintergrundes die Merkmale (ehemalige) Staatsangehörigkeit(en) und Geburtsland sowohl der befragten Person als auch beider Elternteile verwendet (Pfündel et al. 2021, S. 20).Footnote 3 Mit dem Ziel der Vergleichbarkeit wurde die Definition aus der Vorgängerstudie von 2008 übernommen, die sich an der damaligen im Mikrozensus geltenden Festlegung orientiert (Haug et al. 2009, S. 50ff.; Will 2018, S. 6). Nach der Bestimmung des jeweiligen Migrationshintergrundes wurden die erreichten Zielpersonen einer der im Rahmen des Stichprobenkonzepts vorgesehenen fünf Regionengruppen zugeordnet (Tab. 1). Durch feste Quotenvorgaben über die Zahl der pro Teilstichprobe zu realisierenden Interviews wurde gewährleistet, dass im Datensatz auch für Angehörige selten vertretener Bevölkerungsgruppen ausreichend Fallzahlen zur Verfügung stehen (Diekmann 2003, S. 337).

Im Fokus der MLD-Studie 2020 stehen muslimische Religionsangehörige einschließlich der Alevit*innen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern.Footnote 4 Ein eindeutiges Merkmal über die Zugehörigkeit wird durch die wenig formalisierte Struktur des Islam erschwert. So sind formale Mitgliedschaften in einer islamischen Gemeinde oder einer übergeordneten islamischen Organisation nicht erforderlich. Auch der Aufnahmeakt wird nicht zwangsläufig schriftlich fixiert (Rohe 2016, S. 75ff.). Schließlich ist auch der Austritt aus der islamischen Religionsgemeinschaft nicht vorgesehen. Eigen- und Fremdwahrnehmung über die Zugehörigkeit zum Islam können vor diesem Hintergrund voneinander abweichen. In der MLD-Studie 2020 wurde die Religionszugehörigkeit daher per Selbstdefinition ermittelt. Die erreichten Zielpersonen wurden im Interview gefragt, ob sie einer Religionsgemeinschaft angehören und falls ja, welcher.Footnote 5 Weitere Merkmale wurden zur Bestimmung der Religionszugehörigkeit explizit nicht herangezogen, so etwa GläubigkeitFootnote 6, frühere ReligionszugehörigkeitenFootnote 7 o. ä. (Pfündel et al. 2021, S. 30). Das gewählte Vorgehen gewährleistet, dass die Befragten im Sinne des Selbstbestimmungsrechts die Deutungshoheit über ihre Religionszugehörigkeit behalten (De Wall 2015, S. 165f.).

Im Unterschied zum Vorliegen eines relevanten Migrationshintergrundes stellte die Zugehörigkeit zum Islam in der MLD-Studie jedoch kein Auswahlkriterium dar. Menschen, die keiner oder einer anderen Religion als dem Islam angehören, wurden ebenfalls befragt. Ein Grund für das gewählte Vorgehen ist, dass die Frage nach der Religionszugehörigkeit nicht im Screening-Interview gestellt werden musste. Ergebnisse über die Beteiligungsbereitschaft an der telefonischen Befragung zur MLD-Studie 2016 deuten darauf hin, dass sich die frühzeitige Abfrage bei Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern akzeptanzmindernd auswirkt (Volkert 2017, S. 13ff.). Hinzu kommt, dass erst hierdurch Analysen darüber möglich sind, ob von der Religionszugehörigkeit ein eigenständiger Einfluss auf integrationsrelevante Aspekte ausgeht. Auf die Notwendigkeit solch versachlichender Analysen verweisen in öffentlichen und medialen Diskursen verbreitete Stereotype über Muslim*innen, die diesem Personenkreis eine hohe kulturelle Distanz zu westlichen Werten aufgrund ihrer Religion unterstellen, mangelnde Integrationsfähigkeit attestieren und ihre Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft negieren (Shooman 2014, S. 220ff.).

3 Möglichkeiten und Grenzen des onomastischen Verfahrens

Onomastische Verfahren werden in der sozialwissenschaftlichen Forschung weltweit eingesetzt, um ethnische Minderheiten zu identifizieren (Mateos 2007, S. 247ff.). Neben der Ziehung von Zufallsstichproben kann das onomastische Verfahren unter anderem auch zur Bestimmung des Anteils ethnischer Minderheiten in sozialen Umgebungen, so etwa in Nachbarschaften (Kruse und Dollmann 2017, S. 435) oder in der Familienforschung (Schnell 2020, S. 288f.) genutzt werden.

In Deutschland kam das onomastische Verfahren zunächst vorrangig bei der Stichprobenziehung aus dem Telefonbuch zum Einsatz (Humpert und Schneiderheinze 2002, S. 208; Salentin 1999, S. 126ff.). Mittlerweile ist eine breite Abdeckung der Bevölkerung aus dieser Quelle in Deutschland nicht mehr gewährleistet (Häder 2015, S. 1; Sand 2014, S. 1f.). Ähnliches gilt auch für Österreich (Prandner und Weichbold 2019, S. 7f.). Vor diesem Hintergrund stammen die für Bevölkerungsumfragen onomastisch zu klassifizierenden Personen zunehmend aus anderen Listen, so etwa aus EMR. Beispiele hierfür sind neben der MLD-Studie 2020 die „Repräsentativuntersuchung ausgewählte Migrantengruppen“ von 2015 (Pupeter et al. 2015, S. 9f.), die Wiederholungsbefragung des „Childen of Immigrants Longitudinal Survey in Four European Countries (CILS4EU)“ von 2016 (Schiel et al. 2016, S. 14f.) oder die „Immigrant German Election Study (IMGES)“ von 2017 (Goerres et al. 2018, S. 1). Zur Adresssortierung ist das von Humpert und Schneiderheinze entwickelte onomastische Verfahren stark verbreitet, bei dem die Identifikation potenzieller Zielpersonen auf Basis der Vor- und Nachnamen sowie von Namenskombinationen erfolgt (Gramlich 2015, S. 67). Es kam auch in der MLD-Studie 2020 zum Einsatz.

Eine zentrale Fehlerquelle, die bei der Kategorisierung von Namen durch das onomastische Verfahren auftreten kann, ist, dass Zielpersonen mit einem relevanten Migrationshintergrund nicht als solche erkannt werden. Diese falsch negativ klassifizierten Fälle haben keine Chance, in die Stichproben für die Feldarbeit zu gelangen. Ein Grund können unvollständige zum Abgleich verwendete Positivlisten sein. Da – sofern verfügbar – sowohl Vor- als auch Nachnamen berücksichtigt werden, kommt dies in der Praxis vergleichsweise selten vor (vgl. Liebau et al. 2018, S. 12). Auch bei der MLD-Studie 2020 beträgt der Anteil bei 1,7 Mio. sortierten Adressen nur 2 % (Tab. 2). Weitere technische Fehlerquellen bilden abweichende Schreibweisen, die etwa bei Transkriptionen nicht lateinischer Schriften entstehen. Häufig vorkommende Abweichungen können durch entsprechende Programmierungen jedoch vorweggenommen werden (ebenda). Auch soziale Gründe können eine Ursache sein. Dies ist etwa der Fall, wenn Angehörige ethnischer und/oder religiöser Minderheiten eines Herkunftslandes vermehrt Namen haben, die etwa in einem Nachbarland verbreitet sind (Liebau et al. 2018, S. 20). Auch interethnische Ehen tragen dazu bei, dass der Migrationshintergrund einer Person nicht (richtig) zuordnungsbar ist. Dies gilt insbesondere bei Frauen, die den Nachnamen ihres Partners annehmen. Bei in Deutschland geborenen Kindern mit Migrationshintergrund steigt die Wahrscheinlichkeit einer ungenauen oder falschen Zuordnung durch wenig eindeutige Vornamen. So wählen etwa interethnische Paare und Eltern mit Migrationshintergrund, die eingebürgert und/oder gut gebildet sind, häufiger Vornamen für ihre Kinder aus, die sowohl in Deutschland als auch im Herkunftsland üblich sind (Becker 2009, S. 217ff.; Gerhards und Hans 2008, S. 481f.). Vor allem die letztgenannten sozialen Gründe können zu sozial selektiven Verzerrungen onomastischer Stichproben beitragen und zu einer schlechteren Bilanz bei inhaltlichen Analysen zu integrationsrelevanten Aspekten führen, wenn sie in relevantem Umfang auftreten (Liebau et al. 2018, S. 16ff.; Schnell et al. 2014, S. 241ff.).

Tab. 2 Onomastische Zuordnung der in den EMR ermittelten Personen (absolut und in %)

Eine weitere Frage, die sich im Zusammenhang mit der Anwendung onomastischen Stichprobenverfahren stellt, ist die Effizienz des Verfahrens. Diese lässt sich an dem Anteil der Personen bemessen, bei denen onomastisch ein relevanter Migrationshintergrund vermutet wird, obgleich ein solcher nicht besteht, oder mit anderen Worten: an dem Anteil falsch positiver Zuordnungen. Sie führen zu einem erhöhten Befragungsaufwand, da das Interview nach den Screening-Fragen zur Ermittlung des Migrationshintergrundes abgebrochen werden muss. Der Grad der Effizienz des onomastischen Verfahrens unterscheidet sich nach Herkunftsländern. Besonders hoch ist der Anteil passgenauer Zuordnungen bei türkischen Namen (Liebau et al. 2018, S. 13f.). Besonders niedrig sind diese bei Personen mit einem Migrationshintergrund aus Ländern,

  • die zu einem länderübergreifenden Sprachraum gehören (z. B. arabischsprachige Länder),

  • die aus einem zerfallenen Staat hervorgegangen sind, so dass übliche Namen in mehreren Ländern vorkommen (z. B. Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens),

  • in denen auch im Aufnahmeland verbreitete Namen vorkommen (in Bezug auf Deutschland z. B. Österreich oder Länder mit einer deutschsprachigen Minderheit).

Für die MLD-Studie 2020 sind insbesondere die beiden erstgenannten Punkte relevant.

Um für die Befragung ausreichend Adressen von Personen der fünf berücksichtigten Herkunftsregionen zu erhalten, hat das BAMF-FZ bei 288 Einwohnermeldeämtern (EMA) die Adressen von 1,7 Mio. von Personen im Alter ab 16 Jahren abgefragt (Pfündel et al. 2021, S. 21ff.). Um Verzerrungen zu vermeiden, erfolgte die von Humpert und Schneiderheinze durchgeführte onomastische Zuordnung alleine auf Basis der Vor- und Nachnamen sowie Namenskombinationen. Ebenfalls von den EMA gelieferte Angaben über Staatsangehörigkeiten wurden nicht berücksichtigt.

Die Adressen wurden onomastisch so passgenau wie möglich sortiert, das heißt, das vermutete Herkunftsland wurde präzise benannt. In Fällen, in denen Namen nicht eindeutig bestimmt werden konnten, wurden die Adressen übergeordneten Kategorien zugeordnet, die Sprachräume bzw. Regionengruppen abbilden. Zwei dieser übergeordneten onomastische Kategorien beziehen mehrere Teilstichproben ein und werden im Folgenden als „überlappende“ Kategorien bezeichnet (s. Tab. 2). So kann die onomastische Kategorie „arabischsprachige Länder“ Länder aus den Teilstichproben „Nordafrika“ und „Naher Osten“ enthalten. Die überlappende onomastische Kategorie „muslimische Länder“ ist sogar noch breiter gefasst und deckt zusätzlich auch Personen aus der Teilstichprobe „Mittlerer Osten“ mit ab. Anders gelagert ist es bei der übergeordneten Kategorie „Länder des ehemaligen Jugoslawiens“, da sie auch nicht berücksichtigte Herkunftsländer umfasst (Kroatien und Slowenien). Hierdurch kann es zu Screening-Abbrüchen kommen, wenn keine Zielperson erreicht wurde.

Bei 74 % der aus den EMR per Zufallsverfahren für die MLD-Studie 2020 ermittelten Personen lässt die onomastische Zuordnung erwarten, dass kein Migrationshintergrund besteht (Tab. 2). Dies entspricht weitgehend dem Anteil von 75 %, der im Mikrozensus 2018 ausgewiesen wird, dem Jahr in dem die Adressabfrage erfolgte (Statistisches Bundesamt 2019, S. 36). Auch in Bezug auf alle Personen, die aus einem muslimischen geprägten Land stammen, sind die Anteilswerte vergleichbar. Nach den Ergebnissen der onomastischen Zuordnung haben knapp 10 % der gezogenen Personen einen für die MLD-Studie 2020 relevanten Migrationshintergrund. Im Mikrozensus 2018 sind es 7 % (Pfündel et al. 2020, S. 16). Insgesamt sprechen diese Verteilungen dafür, dass sowohl die Stichprobenziehung als auch die onomastische Zuordnung gut funktioniert haben.

Differenziert man nach Herkunftsregionen wird deutlich, dass die onomastische Zuordnung „Naher Osten“ außerordentlich selten vorkommt. Laut Mikrozensus stellten Personen aus dieser Region 2018 einen Anteil von 1 % an der Gesamtbevölkerung (ebenda). Auch der Anteil der Menschen aus dem Mittleren Osten und Nordafrika ist tendenziell zu niedrig. Eine Erklärung ist in dem hohen Anteil an Adressen in den beiden überlappenden Kategorien arabischsprachige sowie muslimische Ländern zu suchen (26,4 %).

Um Selektivitätseffekte zu vermeiden, waren bei der Befragung Personen, bei denen die muslimisch geprägte Herkunftsregion onomastisch nicht eindeutig bestimmt werden konnte, gleichermaßen zu berücksichtigen. Bei Bildung der Teilstichproben für die Feldarbeit wurden von Kantar die als arabischsprachig klassifizierten Fälle den regionenspezifisch zugeordneten Adressen „Naher Osten“ zugerechnet und auch entsprechend umbenannt (Pupeter et al. 2020, S. 9ff.). Die noch stärker überlappende Kategorie „muslimische Länder“ wurde hingegen beibehalten und bei Ziehung der Adressen für die drei Teilstichproben Mittlerer Osten, Naher Osten sowie Nordafrika einbezogen. Vor dem Hintergrund das bei den in der MLD-Studie 2020 berücksichtigten Teilstichproben onomastisch keine hinreichende Trennschärfe besteht, wurden bei der Befragung Wechsel zwischen den Teilstichproben erlaubt. Durch dieses Vorgehen sind Screening-Ausfälle erst dann verstärkt aufgetreten, als die Quoten einiger Teilstichproben bereits erfüllt waren.

4 Empirische Ergebnisse

In den folgenden Abschnitten wird anhand der im Rahmen der MLD-Studie 2020 erhobener Daten untersucht, wie geeignet das onomastische Verfahren ist, um belastbare Angaben über Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern und letztlich über muslimische Religionsangehörige zu erheben. Hierbei werden im Rahmen der MLD-Studie verfügbare Daten miteinander abgeglichen und untersucht, inwieweit der nach der onomastischen Zuordnung vermutete Migrationshintergrund tatsächlich zutreffend ist.

4.1 Onomastisch falsch negativ zugeordnete Fälle: Ausfälle von Zielpersonen

In einem ersten Schritt soll geprüft werden, inwieweit die durch das onomastische Verfahren identifizierten potenziellen Zielpersonen die Grundgesamtheit der Personen, die einen Migrationshintergrund aus den berücksichtigten muslimisch geprägten Herkunftsländern haben, tatsächlich abbilden oder ob es Zielpersonen gibt, die keine Chance hatten, in die Stichprobe zu gelangen. Diese Prüfung wird durch den Umstand erschwert, dass das onomastische Verfahren gerade dann genutzt wird, wenn der Migrationshintergrund einer Person nicht bekannt ist. So enthalten auch die von den EMA zur Stichprobenziehung für die MLD-Studie 2020 zufällig ausgewählten 1,7 Mio Adressdaten (Tab. 2) keine Variablen, die den Migrationshintergrund einer Person hinreichend abbilden. Ein Abgleich zwischen vermutetem Migrationshintergrund gemäß der onomastischen Zuordnung und einer entsprechenden Klassifikation in den EMR-Daten, der sich auf die Gesamtgruppe der Personen mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland bezieht, ist daher nicht möglich.

Allerdings wurden von den EMA Informationen über die Staatsangehörigkeiten übermittelt. Anhand der im Rahmen der MLD-Studie 2020 genutzten Registerdaten kann somit bei 127.006 Personen, die mindestens eine ausländische Staatsangehörigkeit aus den berücksichtigten muslimisch geprägten Herkunftsländern haben, exemplarisch geprüft werden, ob sie durch das onomastische Verfahren als Zielpersonen für die Befragung erkannt oder falsch negativ klassifiziert wurden (Tab. 3).Footnote 8 Bei Personen, die keine relevante ausländische Staatsangehörigkeit haben, war eine Überprüfung falsch negativer onomastischer Zuordnungen hingegen nicht möglich, da das EMR keine weiteren Referenzvariablen zum Abgleich enthält. Betroffen sind insbesondere Personen mit ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit.

Tab. 3 Zuverlässigkeit der onomastischen Zuordnung bei Personen mit einer Staatsangehörigkeit aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland gruppiert nach Regionen (in %)

Der zur Untersuchung der falsch negativen Fälle verwendete Datensatz enthält Variablen über das Ergebnis der onomastischen Zuordnung von Humpert und Schneiderheinze sowie die von den EMA übermittelten Angaben zu den deutschen und/oder ausländischen Staatsangehörigkeiten der ermittelten Personen. Weitere befragungsrelevante Informationen, die von den EMA übermittelt wurden, so etwa Namen, Anschrift, Geburtsdatum oder Geschlecht, wurden nach Weitergabe der für die Durchführung der Befragung erforderlichen Adressdaten an das Befragungsinstitut im Zusammenhang mit datenschutzrechtlichen Regelungen unwiderruflich gelöscht. Auf Basis der vorliegenden Informationen kann daher zwar der Umfang falsch negativ klassifizierter Fälle bei Personen aus verschiedenen muslimisch geprägten Herkunftsländern abgeschätzt werden, die (auch) eine ausländische Staatsangehörigkeit haben. Vertiefende Analysen über mögliche Selektionseffekte durch die hierdurch entstandenen Ausfälle von Zielpersonen, sind hingegen nicht möglich.

Die Analysen zur Zuverlässigkeit des onomastischen Verfahrens zeigen, dass bei 89 % der Personen mit mindestens einer Staatsangehörigkeit aus den berücksichtigten muslimisch geprägten Herkunftsländern durch das onomastische Verfahren richtigerweise ein relevanter Migrationshintergrund vermutet wird (Tab. 3). Differenziert man weiter nach der Genauigkeit der Zuordnung wird deutlich, dass dieser bei 62 % der Personen passgenau ist, d. h. die Staatsangehörigkeit der Person korrespondiert mit einem Land, dass in der onomastisch identifizierten Zuordnungsgruppe enthalten ist. 25 % der Personen mit einer relevanten ausländischen Staatsangehörigkeit sind onomastisch den beiden überlappenden Gruppen arabischsprachige oder muslimische Länder zugeordnet. Die erfolgte Klassifizierung ist damit zwar richtig, aber ungenau. Bei 1,5 % der Personen weist der ausländische Pass auf die Herkunft aus einer anderen muslimisch geprägten Region hin als die onomastische Klassifikation. In diesen Fällen ist die onomastische Zuordnung falsch, der bestehende Migrationshintergrund gemäß der Staatsangehörigkeit aber dennoch relevant. Zusammengenommen wird damit bei mehr als einem Viertel der Personen mit einer relevanten Staatsangehörigkeit zwar nicht die genaue Herkunftsregion aber die Zugehörigkeit zur eigentlichen Zielpopulation erkannt.

Werden Personen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit aus einem muslimisch geprägten Land nach Herkunftsregionen differenziert, zeigen sich in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Zuordnungen deutliche Unterschiede. Der Anteil der auf Basis ihrer Vor- und Nachnamen passgenau als türkeistämmig klassifizierten Personen ist mit 96 % besonders hoch.

Bei Menschen mit einer relevanten südosteuropäischen Staatsangehörigkeit besteht hingegen ein erhöhtes Risiko, dass sie nicht als Zielpersonen erkannt werden (32 %). Die vertiefende Auswertung zeigt, dass mehr als einem Drittel dieser nicht als relevant klassifizierten Fälle onomastisch ein kroatischer Migrationshintergrund zugeordnet wurde (nicht in der Tabelle abgebildet). Hier spiegelt sich wider, dass das onomastische Verfahren in Hinblick auf Nachfolgestaaten der ehemaligen Republik Jugoslawien wenig trennscharf ist. Durch die Einbindung aller Nachfolgestaaten Jugoslawiens in die onomastische Kategorie Südosteuropa – also auch Kroatiens und Sloweniens – hätte der Anteil der falsch negativ klassifizierten Fälle bei den in der für die MLD-Studie 2020 gezogenen Personen mit einer relevanten ausländischen Staatsangehörigkeit aus Südosteuropa um mehr als 12 Prozentpunkte auf einen Anteil von 20 % reduziert werden können. Um Verzerrungen durch falsch negative Zuordnungen zu reduzieren, scheint es angeraten, bei dieser Gruppe einen höheren Screening-Aufwand in Kauf zu nehmen und auch Personen aus nicht relevanten Nachfolgestaaten bei Bildung der Feldstichprobe zu berücksichtigen. Gegenüber anderen muslimisch geprägten Herkunftsländern lässt sich die Regionengruppe Südosteuropa onomastisch hingegen sehr gut abgrenzen.

Die Anteile der überlappenden Kategorie sind erwartungsgemäß bei Personen, die eine Staatsangehörigkeit aus einem Land im Mittleren Osten (36 %), im Nahen Osten (82 %) oder in Nordafrika (57 %) haben, größer als in den anderen beiden Herkunftsgruppen. Um Selektionseffekte zu vermeiden, ist daher die Berücksichtigung von Namen, die nicht trennscharf zugeordnet werden können bzw. in allen drei Regionen vorkommen, unumgänglich. Um Ausfälle durch regional nicht korrekt zugeordnete Fälle zu reduzieren, empfiehlt sich zumindest bei diesen drei wenig trennscharfen Regionengruppen zudem, im Feld Wechsel zwischen den Teilstichproben zuzulassen, wenn sich im Screening-Interview ein anderer relevanter Migrationshintergrund als der onomastisch vermutete zeigt.

Bei einem Teil der Personen mit einer relevanten Staatsangehörigkeit wurde dahingegen onomastisch nicht erkannt, dass sie der Zielgruppe angehören. Hierunter fallen 9 %, bei denen ein anderer, für die Studie nicht relevanter Migrationshintergrund festgestellt wurde, 2 % bei denen auf Basis des onomastischen Verfahren kein Migrationshintergrund vermutet wurde und 1 %, deren Namen nicht codiert werden konnten, da keine Rückschlüsse auf die Herkunftsregion möglich waren. Somit hatten gut 11 % der Personen mit einer relevanten ausländischen Staatsangehörigkeit keine Chance, in die Stichprobe für die Befragung zu gelangen. Analysen mit Daten des Panels Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (Schnell et al. 2014) sowie des sozio-oekonomischen Panels (Liebau et al. 2018) geben Aufschluss darüber, ob es durch den Ausschluss falsch negativ zugeordneter Fälle bei der Untersuchung verschiedener Integrationsindikatoren zu verzerrten Ergebnissen kommt. Beide Untersuchungen verdeutlichen, dass der Grad der Verzerrung erheblich durch den Anteil falsch negativ zugeordneter Fälle beeinflusst wird (Schnell et al. 2014, S. 241; Liebau et al. 2018, S. 16ff.). Werden anteilig nur vergleichsweise wenige Personen von der Befragung ausgeschlossen, wirkt sich dies auf das Gesamtergebnis kaum aus. Dies gilt auch dann, wenn sich die Gruppe der nicht erkannten Personen im direkten Vergleich deutlich von der Gruppe der erkannten Personen in Hinblick auf sozialstrukturelle Merkmale unterscheidet.

Für eine Gesamtbewertung stellt sich außerdem die Frage, ob Analysen über falsch negative Zuordnungen in Bezug auf die Gesamtgruppe der Personen mit einem Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Land – also einschließlich der Personen mit nur deutscher Staatsangehörigkeit – ein anderes Ergebnis erbringen würden, als die dargelegte exemplarische Prüfung in Bezug auf Personen mit (auch) einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Stärkere Selektivitätseffekte sind hierbei vor allem dann zu erwarten, wenn sich innerhalb der Teilgruppe von Personen mit nur deutscher Staatsangehörigkeit anteilig deutlich mehr Menschen mit einem onomastisch schwer erkennbaren Namen befinden, als in der untersuchten Teilgruppe der Personen mit (auch) einer ausländischen Staatsangehörigkeit, so etwa Frauen, die mit einem Mann ohne Migrationshintergrund verheiratet sind oder aus interethnischen Ehen hervorgegangene Kinder. Gegen diese Annahme spricht, dass Ehen zwischen Personen mit einem Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Land und Personen ohne Migrationshintergrund noch immer relativ selten sind. Analysen aus dem Mikrozensus 2019 zufolge sind 61 % der Personen mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Land im Alter ab 18 Jahren verheiratet. Von diesen haben 8 % einen Partner ohne Migrationshintergrund (Pfündel et al. 2020, S. 33f.). Vor diesem Hintergrund ist ein sehr viel höherer Anteil falsch negativer Zuordnungen in der Teilgruppe der Personen mit nur deutscher Staatsangehörigkeit, der sich auch auf den Anteil in der Gesamtstichprobe auswirkt, wenig plausibel. Dies lässt zugleich den Rückschluss zu, dass sich das onomastische Verfahren gut eignet, um eine belastbare Stichprobe über Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern zu generieren.

4.2 Onomastisch falsch positiv zugeordnete Fälle: Höherer Aufwand in der Feldarbeit

In einem zweiten Schritt wird die Effizienz des onomastischen Verfahrens bei der Befragung von Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern untersucht. Geprüft wird, inwieweit die onomastische Zuordnung über die vermutete Herkunftsregion einer Person mit dem im Rahmen der Feldarbeit ermittelten Migrationshintergrund übereinstimmt. Es wird also ein Perspektivwechsel vollzogen, der darauf abzielt, den Anteil der onomastisch falsch positiv zugeordneten Fälle zu beziffern. Sie bilden einen wichtigen Indikator zur Abschätzung des Befragungsaufwandes, da das Interview nach Feststellung des für die Studie nicht relevanten Migrationshintergrundes abgebrochen werden muss (Screening-Ausfälle). Weiterhin wird der Migrationshintergrund derjenigen Personen beleuchtet, die onomastisch keiner muslimisch geprägten Region eindeutig zugeordnet werden konnten und der Anteil der zu einer anderen Teilstichprobe Wechselnden bestimmt. Beide Gruppen führen insbesondere am Ende der Befragung zu einem erhöhten Screening-Aufwand, wenn die Quote einer schwer abgrenzbaren Teilstichprobe bereits erfüllt ist.

Für die Analysen werden die Befragungsdaten herangezogen. Berücksichtigt werden die insgesamt 4957 Fälle mit den vollständig interviewten Zielpersonen sowie den Personen, die nach dem Screening-Interview ausgeschieden sind, da sie nicht zur Zielpopulation gehören.Footnote 9 Bei 93 % der im Rahmen der MLD-Studie 2020 befragten Personen, bei denen durch das onomastische Verfahren ein relevanter Migrationshintergrund identifiziert wurde, hat sich diese Annahme bestätigt (Tab. 4). Bei den verbleibenden 7 % der Fälle mit denen mindestens ein Vorinterview zustande kam, trifft die Annahme nicht zu, so dass das Interview nach den Screening-Fragen abgebrochen wurde. In Bezug auf die Gesamtgruppe der Zielpersonen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern ist das onomastische Verfahren damit außerordentlich effizient.

Tab. 4 Effizienz der onomastischen Zuordnung nach Herkunftsregionen (in %)

Betrachtet man die Richtigkeit der onomastischen Vorhersage differenziert nach den Regionengruppen zeigen sich zum Teil deutliche Unterschiede. Bei über 90 % der Menschen, denen auf Basis ihrer Namen ein Migrationshintergrund aus dem Mittleren Osten oder der Türkei zugeordnet wurde, ist die regionale Zuordnung passgenau, d. h. die onomastisch prognostizierte und im Interview ermittelte regionale Herkunft entsprechen sich. Bei den beiden arabischsprachigen Regionengruppen Naher Osten und Nordafrika sind passgenaue Zuordnungen seltener (81 % bzw. 77 %). Gleichzeitig wurde onomastisch vergleichsweise häufig die jeweils andere arabischsprachige Herkunftsregion identifiziert. Hier spiegelt sich erneut wider, dass viele arabischsprachige Namen nicht trennscharf einer Region zugeordnet werden können. Fasst man die Fälle mit einem onomastisch vorhergesagten Migrationshintergrund aus einem arabischsprachigen Land im Nahen Osten oder Nordafrika zusammen, steigt der Anteil der in der MLD-Studie 2020 passgenau vorhergesagten Fälle in dieser breiter gefassten Gruppe auf etwas über 90 %. Die Effizienz des onomastischen Verfahrens könnte hierdurch also deutlich gesteigert werden.

Bei Personen, denen onomastisch ein Migrationshintergrund aus einem berücksichtigten südosteuropäischen Herkunftsland zugeordnet wurde, kam es tendenziell häufiger zu Screening-Abbrüchen (11 %). Bei mehr als der Hälfte handelt es sich um Personen kroatischer Herkunft. Damit bestätigt sich, dass es bei Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens zu Namensüberlappungen kommt, so dass einzelne Länder nicht trennscharf identifiziert werden können. Mögliche Ursachen hierfür sind, dass es Namen gibt, die in verschiedenen ethnisch-religiösen Gruppen des ehemaligen Vielvölkerstaates verbreitet sind, dass die Zugehörigkeit zu einer ethnisch-religiösen Gruppe nicht zwangsläufig an den Geburtsort oder die Staatsangehörigkeit einer Person gekoppelt ist oder ein Namenswechsel nach einer Eheschließung insbesondere bei Frauen. Insgesamt betrachtet blieb der Screening-Aufwand jedoch auch innerhalb der Regionengruppe Südosteuropa überschaubar.

Weiterhin verdeutlichen die in Tab. 4 ausgewiesenen Fallzahlen, dass bei 884 der eingesetzten Adressen, die zu einem (Screening‑)Interview geführt haben, vorab lediglich prognostiziert wurde, dass voraussichtlich ein Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Land vorliegt. Bei 89 % der Fälle dieser überlappenden Gruppe konnte diese Vermutung durch die Angaben im Interview verifiziert werden. Dieser Befund bestätigt das bereits bei den Analysen über falsch negative Fälle diskutierte Ergebnis, nämlich, dass eine Aussparung solcher unpräzise zugeordneten Adressen zu einem Ausschluss zahlreicher Zielpersonen führen würde. Analysiert man den Migrationshintergrund dieser Personen gemäß der im Screening erhobenen Angaben, wird deutlich, dass vor allem die Regionengruppen Mittlerer Osten, Naher Osten und Nordafrika betroffen sind. Menschen aus den beiden Regionengruppen Türkei und Südosteuropa sind mit einem Anteil von insgesamt weniger als 2 % hingegen kaum in der sich überlappenden onomastischen Kategorie enthalten.

4.3 Exkurs: Unterschiede zwischen onomastisch passgenau und ungenau zugeordneten Stichproben auf ausgewählte Integrationsindikatoren

Sowohl bei der Untersuchung der Selektivität als auch der Effizienz des onomastischen Verfahrens wurde deutlich, dass sich die drei Teilstichproben Mittlerer Osten, Naher Osten sowie Nordafrika nicht trennscharf voneinander abgrenzen lassen. Im Folgenden wird daher beleuchtet, ob sich Personen, die einen für ihre Herkunftsregion passgenau identifizierbaren Namen tragen, systematisch von Personen aus dieser Region unterscheiden, die einen weniger eindeutigen Namen haben. Mit anderen Worten: Es soll abgeschätzt werden, ob der Ausschluss nicht passgenau zugeordneter Fälle zu inhaltlichen Verzerrungen bei den Teilstichproben mit Menschen verschiedener muslimisch geprägter Herkunftsländer führt. Für die Analysen wird der Nettodatensatz herangezogen, in dem die befragten Personen im Alter ab 16 Jahren enthalten sind, mit denen ein vollständiges Interview geführt wurde. Die Auswertungen werden auf Basis ungewichteter Daten durchgeführt.

Um den Einfluss der Zuordnungsgenauigkeit auf verschiedene soziodemographische Indikatoren bei den vollständig befragten Zielpersonen zu beleuchten, werden Personen aus der onomastisch unscharfen Kategorie „Muslimische Länder“ sowie Personen, die nach dem Interview die Teilstichprobe gewechselt haben, da ihr Herkunftsland onomastisch falsch vorhergesagt wurde, zusammengefasst. Anschließend werden die Befragten mit einer nicht passgenauen und passgenauen Zuordnung differenziert nach Herkunftsregionen miteinander verglichen. Deutliche Unterschiede bedeuten, dass durch den Ausschluss der Personen, die nicht passgenau zugeordnet werden können, eine Verzerrung der Befragungsdaten entsteht. Die gegenüberstellenden Betrachtungen werden hierbei auf die drei onomastisch wenig trennscharfen Regionen Mittlerer Osten, Naher Osten sowie Nordafrika begrenzt. Bei den beiden Herkunftsregionen Südosteuropa und Türkei sind die Fallzahlen mit ungenau oder falsch zugeordneter Personen zu gering (Tab. 4).

In Bezug auf die Abweichungen zwischen passgenau und den nicht passgenau zugeordneten Personen zeigt sich kein eindeutiges Bild. Bei einem Großteil der untersuchten Merkmale sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen feststellbar (Tab. 5).

Tab. 5 Vergleich integrationsrelevanter Merkmale bei Befragten nach Herkunftsregion und Genauigkeit der onomastischen Zuordnung (Durchschnittwerte bzw. Anteil in %)

Bei Betrachtung der Generationenzugehörigkeit treten jedoch bei den Herkunftsgruppen Mittlerer und Naher Osten Abweichungen auf. Bei den passgenau Zugeordneten ist der Anteil der in Deutschland Geborenen signifikant kleiner als bei den nicht passgenau Zugeordneten. Eine aus anderen Studien bekannte Erklärung hierfür dürfte sein, dass zugewanderte Eltern für ihre in Deutschland geborenen Kinder teilweise Vornamen auswählen, die (auch) im Aufnahmeland üblich sind und hierdurch die Zuordnung des Migrationshintergrundes erschwert wird (Becker 2009, S. S. 217ff.; Gerhards und Hans 2008, S. 481f.).

Auch bei dem zentralen Merkmal der Religionszugehörigkeit bestehen bei den Herkunftsgruppen Mittlerer und Naher Osten signifikante Unterschiede. Bei nicht passgenau zugeordneten Personen aus dem Mittleren Osten ist der Anteil der muslimischen Religionsangehörigen rund 10 Prozentpunkte höher als bei passgenau zugeordneten Personen aus der gleiche Herkunftsregion. Ein umgekehrtes Bild zeigt sich bei Personen aus dem Nahen Osten. Hier ist der Anteil der muslimischen Personen bei passgenauer Zuordnung rund 9 Prozentpunkte höher. In dieser Herkunftsgruppe zeigt sich zudem eine signifikante Abweichung in Bezug auf das Merkmal Gläubigkeit. So geben 92 % der passgenau zugeordneten Religionsangehörigen an, stark oder eher gläubig zu sein, während es bei den nicht passgenau Zugeordneten 88 % sind.

Die Analysen in Tab. 6 verdeutlichen erneut, wie wichtig es ist, eine überlappende Kategorie für muslimische Länder zu berücksichtigen, in der Namen aus verschiedenen Herkunftsregionen enthalten sind. Zwar ist nur bei einem kleinen Teil der betrachteten Faktoren ein signifikanter Unterschied zwischen passgenau und nicht passgenau zugeordneten Personen feststellbar. Diese betreffen aber u. a. die höchst relevanten Merkmale Religionszugehörigkeit und Gläubigkeit.

Tab. 6 Religionszugehörigkeit der Befragten nach den in der MLD-Studie 2020 berücksichtigten Herkunftsgruppen (in %)

4.4 Erreichbarkeit muslimischer Personen durch das onomastische Verfahren nach Herkunftsregionen

Der Grund für die Verwendung des onomastischen Verfahrens war, dass weder der Migrationshintergrund noch die Zugehörigkeit zu einer nicht öffentlich-rechtlichen Religion in den EMR hinterlegt sind. Das onomastische Verfahren ermöglicht es (auch) Personen mit einem Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern zu identifizieren. Es stellt sich jedoch die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe muslimische Religionsangehörige zu erreichen. Aus den Herkunftsländern bekannte Angaben über die religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung können hierfür nicht ohne weiteres herangezogen werden. Zum einen wandern insbesondere aus Ländern mit einer heterogenen Bevölkerung verstärkt (religiöse) Minderheiten aus (Brown 2000, S. 97f.). Zum anderen kann es nach der Zuwanderung zu Konversionen oder zu einer (offenen) Lossagung von der ursprünglichen Religion kommen. Deshalb sollen im Folgenden die Ergebnisse der Studie MLD 2020 über den Anteil der muslimischen Religionsangehörigen unter in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern verschiedener Regionen aufgezeigt werden. Die Angaben ermöglichen, die jeweils erforderlichen Stichprobengrößen abzuschätzen, um ausreichend Interviews mit muslimischen Religionsangehörigen zu erhalten. Für die Analysen wird wieder der ungewichtete Nettodatensatz mit den vollständig interviewten Personen herangezogen.

Wird die Verteilung der religiösen Zugehörigkeiten differenziert nach Herkunftsregionen betrachtet, zeigt sich, dass der Anteil der muslimischen Personen in den onomastischen Gruppen Nordafrika und Türkei mit jeweils 87 % sehr hoch ist (Tab. 6). Am geringsten ist der Anteil in den beiden Regionengruppen Mittlerer Osten sowie Südosteuropa mit jeweils rund 70 %. Um eine ausreichend hohe Anzahl an muslimischen Religionsangehörigen zu erreichen, ist bei den Regionengruppen Mittlerer Osten sowie Südosteuropa ein entsprechend höherer Ansatz an zu realisierenden Nettointerviews oder – falls nicht muslimische Religionsangehörige von der Befragung ausgeschlossen werden sollen – ein höherer Screening-Aufwand einzuplanen.

Die Verteilung religiöser Zugehörigkeiten in Bezug auf die Gesamtgruppe der befragten Personen mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland wird in Tab. 6 nicht dargestellt. Da in der MLD-Studie 2020 ein geschichtetes Stichprobendesign gewählt wurde, spiegeln die ungewichteten Befragungsdaten nicht die Verteilung der Grundgesamtheit aller Personen aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland wider.

4.5 Vor- und Nachteile alternativer Stichprobendesigns durch Zusammenlegung von Herkunftsregionen

Das in der MLD-Studie 2020 gewählte Design einer geschichteten Stichprobe mit Quotenvorgaben für die Herkunftsregionen wurde gewählt, um die Heterogenität der muslimischen Bevölkerung abzubilden. Die vorhergehenden Analysen haben allerdings gezeigt, dass die berücksichtigten Regionengruppen aufgrund teilweise bestehender Namensüberlappungen nicht optimal für die Feldarbeit sind. Vor diesem Hintergrund werden alternative Herangehensweisen durch die Zusammenlegung verschiedener in der MLD-Studie 2020 berücksichtigter Regionengruppen diskutiert. Dabei werden die Vorteile bei der Anwendung des onomastischen Verfahrens und inhaltliche Konsequenz beleuchtet.

Die am einfachsten zur realisierende Möglichkeit zur Befragung von Menschen verschiedener muslimisch geprägter Herkunftsländer besteht in der Bildung einer einfachen Gesamtstichprobe ohne Quotenvorgaben. Da sich Namen von Menschen aus muslimisch geprägten Ländern relativ gut identifizieren lassen, kann eine hohe Abdeckung erzielt werden. Unscharfe regionale Zuordnungen im Zusammenhang mit sich überlappenden onomastischen Kategorien würden entfallen. Wesentlicher Nachteil dieses Vorgehens ist, dass differenzierte Auswertungen nach Herkunftsregionen dann nur noch bei Realisierung sehr großer Fallzahlen möglich sind. Bei einer reinen Zufallsauswahl sollte knapp die Hälfte der erreichten (muslimischen) Zielpersonen einen türkischen Migrationshintergrund haben.Footnote 10 Vor allem bei (muslimischen) Personen, die einen Migrationshintergrund aus dem Mittleren Osten oder Nordafrika haben, besteht bei einer ungeschichteten Stichprobe das Risiko zu knapper Fallzahlen. Die Anteilswerte an der jeweiligen Grundgesamtheit liegen zwischen 8 und 11 %. Weiterhin ist bei Planung der Stichprobengröße zu berücksichtigen, dass nicht alle Personen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern muslimisch sind. Nach den nunmehr gewichteten Ergebnissen auf Basis der Befragungsdaten der MLD-Studie 2020 gehört etwa jede fünfte Person keiner oder einer anderen Religion als dem Islam an (Tab. 7).Footnote 11

Tab. 7 Religionszugehörigkeit der Befragten nach erweiterten Herkunftsregionen (in %)

Ein Mittelweg zwischen dem in der MLD-Studie 2020 gewählten Vorgehen mit Quotenvorgaben für fünf Regionengruppen und der Bildung einer ungeschichteten Gesamtstichprobe besteht in der Zusammenlegung sich überlappender onomastischer Teilgruppen. Dieses Vorgehen ermöglicht die Bildung sich weitgehend voneinander abgrenzbarer Stichproben. Gleichzeitig können regionenspezifische Analysen besser als in einer Gesamtstichprobe gewährleistet werden. Eine aus Sicht der Onomastik naheliegende Alternative besteht darin, aus den beiden Teilstichproben Naher Osten und Nordafrika eine gemeinsame Gruppe arabischsprachiger Länder zu bilden. Dominiert würde diese Gruppe durch Personen mit einem Migrationshintergrund aus dem Nahen Osten, denn ihr Anteil liegt sowohl unter arabischsprachigen Menschen als auch unter arabischsprachigen muslimischen Religionsangehörigen gemäß der ungewichteten MLD-Daten 2020 bei über 70 %. In Bezug auf die Religionszugehörigkeiten der Befragten aus arabischsprachigen Herkunftsländern ist zu erwarten, dass rund 80 % muslimisch sind (Tab. 7).

Auch die Zusammenlegung der drei Regionengruppen Mittler Osten, Naher Osten und Nordafrika liegt aus pragmatischen Gründen nahe. Die beiden anderen Regionengruppen Türkei und Südosteuropa lassen sich onomastisch relativ gut von dieser neu gebildeten Gruppe abgrenzen. Rund die Hälfte der (muslimischen) Personen aus diesen Ländern stammt nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2019 bzw. der MLD-Studie 2020 aus dem Nahen Osten. Wird keine ausreichend große Quote für diese Gruppe vorgegeben, besteht daher das Risiko, dass die Fallzahlen zwar für separate Analysen über Menschen aus dem Nahen Osten ausreichen, nicht aber für Personen aus dem Mittleren Osten und Nordafrika. Der Anteil der muslimischen Religionsangehörigen innerhalb dieser breit gefächerten Herkunftsgruppe beträgt den gewichteten Ergebnisse der MLD-Studie 2020 zufolge 77 % (Tab. 7).

Eine weitere denkbare Möglichkeit, um das Sampling von Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern zu erleichtern, besteht in dem Ausschluss von Personen aus der Herkunftsregion Südosteuropa. Zum einen ist die Stichprobe onomastisch gut von anderen muslimisch geprägten Herkunftsländern abgrenzbar. Zum anderen könnte der Screening-Aufwand reduziert werden, da deutliche Namensüberschneidungen insbesondere zu nicht relevanten Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens bestehen. Hinzu kommt, dass der Anteil der muslimischen Religionsangehörigen in dieser Teilgruppe geringer ist als in anderen Herkunftsregionen. Allerdings würde ein entsprechendes Vorgehen die Ergebnisse über die Gesamtgruppe der muslimischen Religionsangehörigen verzerren. Fast jeder fünfte muslimische Religionsangehörige mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Land in Deutschland stammt aus Südosteuropa (Pfündel et al. 2021, S. 44). In Hinblick auf Religiosität und religiöse Alltagspraxis heben sich südosteuropäische Muslim*innen deutlich von muslimischen Religionsangehörigen anderer Herkunftsregionen ab. So gibt ein überproportional hoher Anteil an, eher nicht oder gar nicht gläubig zu sein (Pfündel et al. 2021, S. 85).

5 Fazit

In der Gesamtbetrachtung wird deutlich, dass das onomastische Verfahren bei der Generierung belastbarer Daten von (muslimischen) Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern sinnvoll eingesetzt werden kann. Zwar wird die muslimische Religionszugehörigkeit onomastisch nicht erkannt, sehr wohl aber der Migrationshintergrund aus den wesentlichen Herkunftsländern. Aufgrund des hohen Anteils muslimischer Religionsangehöriger unter den Zielpersonen, ist der zusätzliche Aufwand durch die Befragung von nicht muslimischen Menschen mit relevantem Migrationshintergrund überschaubar. In Bezug auf die Gesamtgruppe sind 80 % muslimisch, bei den fünf gebildeten Teilstichproben Mittlerer Osten, Naher Osten, Nordafrika, Südeuropa und der Türkei liegt der Anteil zwischen 69 % und 87 %.

Gleichzeitig ist festzuhalten, dass die Ziehung einer bundesweiten Stichprobe aus den EMR nach dem onomastischen Verfahren im Zusammenhang mit deren dezentraler Struktur aufwendig und teuer ist. So muss bei allen berücksichtigten Ämtern bzw. übergeordneten Rechenzentren eine separate Anfrage zur Adressermittlung gestellt werden. Für die Ziehung einer Stichprobe kann von den EMR eine Gebühr erhoben werden. Ein weiterer Nachteil der dezentralen Struktur ist, dass die Etablierung einheitliche Standards zur onomastischen Sortierung der Adressen vor Ort kaum gewährleistet werden kann. Bei der MLD-Studie wurden vor diesem Hintergrund sehr viele Adressen gezogen und den EMR als Auswahlkriterium lediglich das Mindestalter der zu berücksichtigten Personen im Alter ab 16 Jahren vorgegeben. Die onomastische Sortierung bzw. Herausfilterung potenzieller Zielpersonen mit einem voraussichtlich relevanten Migrationshintergrund erfolgte erst aus der nach den Abfragen erstellten Gesamtliste mit allen 1,7 Mio. ermittelten Adressen durch einen externen Dienstleister.

Den Analysen zur Selektivität zufolge, ist der Anteil der Zielpersonen, die keine Chance haben, in die Stichprobe zu gelangen, mit 11 % gering. Einschränkend sei angemerkt, dass der Anteil falsch negativ klassifizierter Fälle ausschließlich bei Personen bestimmt werden konnte, die gemäß den Angaben aus den EMR (auch) eine relevante Staatsangehörigkeit aus einem muslimisch geprägten Land haben. Gleichzeitig liegen allerdings wenige plausible Anhaltspunkte darüber vor, dass Personen mit entsprechendem Migrationshintergrund, die ausschließlich eine deutsche Staatsangehörigkeit haben, namentlich schlechter identifizierbar sind, als Personen mit (auch) einer ausländischen Staatsangehörigkeit. In der Forschungsliteratur genannte Ursachen (Liebau et al. 2018, S. 20) sind in Bezug auf die Zielgruppe wenig wahrscheinlich oder kommen nicht häufig vor. So gehen Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern vergleichsweise selten eine interethnische Ehe mit einem Partner oder einer Partnerin ohne Migrationshintergrund ein, durch die es insbesondere bei Frauen zur Annahme eines „deutsch klingenden“ Nachnamens kommen kann. Ausgeprägte verfahrensbedingte Selektivitätseffekte aufgrund falsch negativ klassifizierter Personen sind in Bezug auf die Gesamtgruppe der Personen mit relevantem Migrationshintergrund demnach nicht zu erwarten.

Differenziert man nach Herkunftsregionen ergeben sich jedoch Einschränkungen. Vor allem Menschen aus berücksichtigten südosteuropäischen Herkunftsländern hatten in der Studie MLD 2020 vermehrt keine Chance in die Stichprobe zu gelangen. Hintergrund ist, dass Personen, denen onomastisch ein Migrationshintergrund aus Kroatien oder Slowenien vorhergesagt wurde, aus der Feldstichprobe ausgeschlossen wurden, da sie nicht zur Zielgruppe gehören. Die Analysen verdeutlichen jedoch, dass entsprechend ländergenaue onomastische Zuordnungen bei Personen aus dieser Region teilweise nicht zutreffen. Bei der Teilstichprobe Südosteuropa scheint es daher angeraten, einen höheren Screening-Aufwand einzuplanen und Personen mit einem onomastisch vermuteten kroatischen oder slowenischen Migrationshintergrund ebenfalls in den Feldstichproben zu berücksichtigen.

Bei den Menschen aus dem Mittleren Osten, Nahen Osten sowie Nordafrika kommen wiederrum verstärkt Namensüberlappungen mit den jeweils anderen Herkunftsregionen vor. Eine erhebliche Anzahl der Adressen muss onomastisch daher einer übergreifenden, nicht passgenauen Kategorie zugeordnet werden. Um Selektivitätseffekte zu vermeiden, ist es bei Bildung der regionenspezifischen Feldstichproben erforderlich, auch diese nicht trennscharf klassifizierten Fälle einzubeziehen.

Die Analysen über die Effizienz des onomastischen Verfahrens verweisen darauf, dass dieses in Bezug auf muslimisch geprägte Länder sehr gut funktioniert. Lediglich bei 7 % der Fälle, denen onomastisch ein Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Land attestiert wurde, erwies sich diese Vermutung als falsch. Die hohe Trefferquote in Bezug auf die Gesamtgruppe hängt auch damit zusammen, dass Namensüberlappungen zwischen verschiedenen muslimisch geprägten Ländern durch die Zusammenfassung entfallen.

Betrachtet man die Regionengruppen zeigen sich auch in Hinblick auf Effizienz Unterschiede. Vor allem bei den Regionengruppen Mittlerer Osten, Naher Osten sowie Nordafrika sind falsch positive Zuordnungen auf Namensüberlappungen mit anderen muslimisch geprägten Ländern zurückzuführen. Der Anteil der Personen mit einem zwar in Hinblick auf die Gesamtgruppe relevanten Migrationshintergrund, die onomastisch aber nicht in der zutreffenden Region verortet wurden, liegt bei diesen drei Teilstichproben zwischen 7 % und 18 %. Durch die Zusammenlegung zumindest der beiden arabischsprachigen Teilstichproben kann die Effizienz des onomastischen Verfahrens durch eine dann häufiger passgenaue Prognose deutlich erhöht werden. Nachteil dieses Vorgehens ist, dass durch den Verzicht auf Quoten das Risiko besteht, dass die erreichten Fallzahlen bei nordafrikanischstämmigen Personen für differenzierte Analysen nicht mehr ausreichen. Eine andere Möglichkeit zur Reduktion des Screening-Aufwandes besteht darin, Wechsel zwischen sich namentlich überlappenden Teilstichproben zuzulassen.

Bei der Regionengruppe Südosteuropa bestehen Namensüberschneidungen insbesondere mit den in der MLD-Studie 2020 nicht berücksichtigten Nachfolgestaaten der ehemaligen Republik Jugoslawien Kroatien und Slowenien. Gleichzeitig ist die Trennschärfe gegenüber anderen muslimisch geprägten Ländern anderer Herkunftsregionen hoch. Mit einem Anteil von 87 % passgenau identifizierten Fällen, kann das onomastische Verfahren auch für diese Herkunftsregion als effizient eingestuft werden, so dass sich der einzuplanende Screeningaufwand in einem bewältigbaren Rahmen bewegen sollte.

Abschließend sei festgehalten, dass die onomastische Sortierung kein genormtes Verfahren ist. Bei dem von Humpert und Schneiderheinze gewählten Vorgehen, bei dem die Klassifizierung auf Basis von Vor- und Nachnamen sowie Namenskombinationen erfolgt, hängt das Ergebnis stark von dem für den Abgleich verwendeten Positivlisten ab. Bei einer sich verändernden Bevölkerung ist eine Pflege und Fortschreibung der hierfür genutzten Datenbank unumgänglich. Zum anderen kann sich aber auch die Qualität der Listen mit den zu sortierenden Namen unterscheiden. Wichtig für eine passgenaue Zuordnung ist die Verfügbarkeit vollständig ausgeschriebener Vor- und Nachnamen.