1 Einleitung

Im Januar und Februar 2021 fand unter der Schirmherrschaft des damaligen Bundestagspräsidenten Schäuble ein bundesweiter Bürgerrat statt, dessen 169 Teilnehmende in zehn Online-Sitzungen wirtschafts-, europa- und demokratiepolitische Fragestellungen sowie Probleme der nachhaltigen Entwicklung der Bundesrepublik im Kontext globaler Herausforderungen diskutierten. Dazu sollte die Rekrutierung der Teilnehmenden zufallsbasiert erfolgen, um eine möglichst genaue Abbildung sozialstruktureller Eigenschaften der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik durch die Teilnehmenden des Bürgerrats zu gewährleisten (Deutscher Bundestag 2021; Mehr Demokratie e. V. 2021).

Zwar wird an vielen Stellen der öffentlichen Berichterstattung und in den Begleitpublikationen von einem Zufallsmechanismus gesprochen, der dem Auswahlprocedere der Teilnehmenden zugrunde gelegen habe (Deutscher Bundestag 2021; Mehr Demokratie e. V. 2021; Schäuble 2021; Siefken und Kühne 2021). Bei genauerer Betrachtung der Begleitpublikationen und unter Berücksichtigung stichprobentheoretischer, frequentistischer Wahrscheinlichkeitsannahmen (Kauermann und Küchenhoff 2011) ist dies jedoch nur teilweise der Fall. So werden beispielsweise im Zuge einer „aufsuchenden Beteiligung“ (Deutscher Bundestag 2021, S. 12) Personen in sozial prekären Lagen bewusst durch die Rekrutierer_innen zur Teilnahme aufgesucht und angesprochen statt durch eine Zufallsauswahl bestimmt, um deren Unterrepräsentation auszugleichen (Binnema und Michels 2022; Fishkin 2009, S. 98; Jacquet 2017; Smith 2009, S. 21). Damit entspricht das Rekrutierungsprocedere des Bürgerrats jedoch nicht mehr einer Zufalls-, sondern einer bewussten Auswahl mit all ihren methodischen Problemen wie beispielsweise Nicht-Replizierbarkeit und fehlende intersubjektive Kontrollierbarkeit des Ziehungsprocederes (Schnell 2012).

Aus demokratietheoretischer Sicht büßen durch bewusste Auswahlen zusammengestellte partizipative Gremien, die ursprünglich als zufallsbasierte konzipiert wurden, damit empfindlich an Legitimität ein. Denn durch bewusste Auswahlen – wenn auch nur eines Teils der Teilnehmenden – so die Ausgangsthese dieses Beitrags, wird das Gebot politischer Chancengleichheit,Footnote 1 auf dem die Input-Legitimität zufallsbasierter Beteiligungsverfahren beruht, (Buchstein 2009; Fishkin 2018; Schäfer und Schoen 2013) empfindlich eingeschränkt. Wenngleich bewusste Auswahlen mit dem löblichen Ziel einer Stärkung politikferner Bevölkerungsgruppen erfolgten, sind sie kein geeignetes Mittel, um eine politisch faire, sozialstrukturelle Repräsentativität zufallsbasierter Gremien zu gewährleisten.

Stattdessen, so der im Laufe dieses Beitrags weiter auszuführende Vorschlag, sollte im Rahmen zukünftiger Varianten des zufallsbasierten Bürgerrats „Deutschlands Rolle in der Welt“ stärker von methodisch fundierten, intersubjektiv nachvollziehbaren Techniken im Sinn einer frequentistischen Stichprobentheorie Gebrauch gemacht werden (Rohwer und Pötter 2002). Hierzu zählen geschichtete Stichprobenziehungen (Kauermann und Küchenhoff 2011; Schnell 2012), die im Zusammenspiel mit Incentives (Blohm und Koch 2021), wiederholten Kontaktaufnahmen (Fishkin 2009, S. 111) und transparenter Darlegung der Durchführungsbedingungen, die sozialstrukturellen Verzerrungen zufallsbasierter Gremien methodisch kontrolliert und unter Wahrung des Gebots der politischen Chancengleichheit entgegenwirken können.Footnote 2

Zunächst wird im Anschluss an die Darlegung der Ziele und Vorgehensweise des bundesweiten Bürgerrats in Anknüpfung an stichprobentheoretische Grundlagen genauer dargelegt, warum es sich bei den Rekrutierungen von Teilnehmenden des bundesweiten Bürgerrats nicht um ein zufallsrekrutiertes Verfahren im frequentistischen Sinne handelte (Rohwer und Pötter 2002). Ein solches Wahrscheinlichkeitsverständnis ist erforderlich, um mögliche Repräsentations- und Legitimitätsdefizite im Zuge zufallsbasierter Beteiligungsverfahren intersubjektiv überprüfen und aufdecken zu können. Zur empirischen Plausibilisierung dieser These werden exemplarische stochastische Simulationen durchgeführt (Ripley 1987). Abschließend werden Potenziale intersubjektiv nachvollziehbarer, stichprobentheoretisch fundierter Methoden zur Sichtbarmachung partizipationsferner Bevölkerungsgruppen wie beispielsweise Incentives und Gewichtungen diskutiert.

2 Ziele und Merkmale des bundesweiten Bürgerrats

Zufallsgestützte Beteiligungsverfahren werden auf verschiedenen Ebenen des politischen Systems durchgeführt mit dem Ziel, soziale Selektivitäten der Teilnahme an traditionellen Beteiligungsverfahren zu verringern und damit die Input-Legitimation politischer Diskussions- und Entscheidungsprozesse zu erhöhen (Buchstein 2009, 2018a). So zeigt sich vor allem bei Wahlen zu Bundes‑, Landes- und Kommunalparlamenten seit mehreren Jahren eine Überrepräsentation von Höhergebildeten, Älteren und Menschen in gesicherten Berufspositionen unter der Wählerschaft, während Personen in prekären Beschäftigungslagen, z. B. Arbeitslose, sowie Jüngere unterrepräsentiert sind (Schäfer und Roßteutscher 2015; Schäfer et al. 2016). Zufallsgestützte Bürgerräte wie auch andere zufallsbasierte Beteiligungsverfahren, so etwa Planungszellen auf der Kommunal- oder Mini Publics auf der europäischen Ebene sollen daher dazu beitragen, den in den letzten Jahren entstandenen sozialstrukturellen Beteiligungsbias auf Basis eines zufallsgesteuerten Rekrutierungsprozesses der teilnehmenden politischen Laien zu verringern (Buchstein 2009).

Mit dem Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“ war das Ziel verbunden, Laienexpertise in parlamentarische Diskussions- und Entscheidungsprozesse einzubringen und dabei ein sozialstrukturelles Abbild der Bevölkerung der Bundesrepublik mit deutscher Staatsangehörigkeit ab dem Alter von sechzehn Jahren zu generieren (Mehr Demokratie e. V. 2021, S. 66). Im Wortlaut heißt es dazu in einer entsprechenden Begleitpublikation: „Unter den 160 Teilnehmenden sollten die Geschlechter, Bundesländer, Ortsgrößen, aus denen die Teilnehmenden kommen, Bildungsabschlüsse und Migrationserfahrungen so abgebildet sein, wie sie in der Gesamtbevölkerung Deutschlands verteilt sind.“ (Deutscher Bundestag 2021, S. 11 f.). Der bundesweite Bürgerrat sollte damit einen Beitrag leisten, der Gefahr einer Ausgrenzung von Interessen und Standpunkten entgegenzuwirken und politischen Laien aus der ‚Mitte der Gesellschaft‘ die Chance zur aktiven Artikulation ihrer politischen Meinungen und Vorschläge zu ausgewählten Schwerpunktthemen (s. unten) zu eröffnen (Deutscher Bundestag 2021, S. 3). Diese Zielsetzungen knüpfen an Befunde experimenteller Studien an, wonach deliberative Gremien, sofern die Teilnehmenden die Meinungsspektren der Grundgesamtheit widerspiegeln, Polarisierungen politischer Meinungsspektren verringern und die Legitimität politischer Entscheidungsverfahren in parlamentarischen Demokratien steigern (Bächtiger und Parkinson 2019; Suiter et al. 2021).

Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Erhöhung der Legitimität politischer Entscheidungsprozesse durch zufallsgestützte, deliberative Gremien besteht darin, dass dort Themen diskutiert werden, die für die alltäglichen Lebenskontexte der Beteiligten relevant sind und zu denen diese sich ohne eine allzu lange Vorbereitungs- und Einarbeitungszeit fundierte Meinungen bilden können (Bächtiger und Goldberg 2020). Auf Vorschlag des Ältestenrats des Bundestags lautete das Oberthema des Bürgerrats „Deutschlands Rolle in der Welt“ (Mehr Demokratie e. V. 2021, S. 12). Es wurden fünf untergeordnete Schwerpunktthemen bestimmt, die in einer jeweiligen Untergruppe diskutiert wurden. Per Zufallsprinzip wurden die 169 Teilnehmenden des Bürgerrats auf diese fünf Untergruppen verteilt, die sich mit wirtschafts-, europa-, friedens- und demokratiepolitischen Fragen befassten (Mehr Demokratie e. V. 2021, S. 13 f.).

Ein Gutachten, in dem die Empfehlungen der einzelnen Untergruppen zusammengefasst wurden, wurde nach Beendigung des Bürgerrats dem Bundestagspräsidenten als Schirmherren sowie Abgeordneten aller im Bundestag vertretenen Fraktionen ausgehändigt (Deutscher Bundestag 2021, S. 18). Eine Verpflichtung zur Umsetzung der im Gutachten zusammengefassten Empfehlungen besteht nicht, sie sollten zukünftige Gesetzgebungs- und Entscheidungsprozesse hingegen informieren (Ziekow 2021).

3 Methodische und konzeptionelle Einordnung

Für den Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“ wurden die meisten der 169 Teilnehmenden per Zufallsauswahl, ein gewisser, nicht genauer benannter, Teil dagegen mittels „aufsuchender Beteiligung“, d. h. durch bewusste Auswahl durch die Rekrutierenden ausgewählt (Deutscher Bundestag 2021, S. 12). Als Kriterien dieser Auswahlen, die durch die örtlichen Behörden vorgenommen wurden, galt ein Mindestalter von 16 Jahren, eine deutsche Staatsbürgerschaft und dass jeweils 50 % der in jeder Gemeinde gezogenen Personen weiblichen und 50 % männlichen Geschlechts waren. Ferner wurde festgelegt, dass sich die Anzahl der ausgewählten Personen nach dem „Anteil [richtet], den die jeweilige Gemeindegrößenklasse an der Bevölkerung des Bundeslandes hat.“ (Mehr Demokratie e. V. 2021, S. 66).

Aus den positiven Rückmeldungen der insgesamt rund 4370 kontaktierten Personen wurden anschließend nach den oben genannten Kriterien die Teilnehmenden am Bürgerrat per Zufall ausgewählt. Personen mit niedrigen Bildungsabschlüssen wurden dabei gezielt angesprochen und zur Teilnahme aufgefordert, um eine Unterrepräsentation dieser Gruppe im Bürgerrat zu vermeiden (Deutscher Bundestag 2021, S. 12). Für diese bewussten Auswahlen wurden Quoten festgelegt, um zentrale sozialstrukturelle Merkmale der erwachsenen Bevölkerung in der Bundesrepublik durch die Teilnehmenden an den deliberativen Gremien abzubilden (Mehr Demokratie e. V. 2021, S. 66). Genauere Angaben darüber, inwieweit methodische Standards zufallsbasierter Stichprobenziehungen angelegt wurden, auf die sich etwa die einschlägigen Sozial- und Meinungsforschungsinstitute in Deutschland fortwährend verständigen (Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. 2014; Häder et al. 2019), finden sich in den Begleitpublikationen zum Bürgerrat nicht. Auch auf entsprechende Schulungen des Rekrutierungspersonals wird nicht eingegangen. Auf den Online-Seiten zum Bürgerrat finden sich zwar Begleitpublikationen, die das generelle Procedere der Initiierung und Arbeit des Bürgerrats darlegen, Angaben über die Größe der Auswahlgesamtheit, Ausschöpfungsquoten, Auswahlwahrscheinlichkeiten oder anderweitige grundlegende Informationen zur Stichprobengüte (Schnell 2012) finden sich dort jedoch nicht.Footnote 3

Abgesehen von den widersprüchlichen Darstellungen über die Anzahl kontaktierter Personen in den jeweiligen Begleitpublikationen steht keine der dargelegten Vorgehensweisen in Einklang mit Kriterien methodisch fundierter Zufallsauswahlen, wie sie etwa in sozialwissenschaftlichen Bevölkerungsumfragen seit vielen Jahren durchgeführt werden (Kauermann und Küchenhoff 2011; Schnell 2012). Diese stützen sich auf ein frequentistisches Wahrscheinlichkeitsverständnis, demzufolge Stichprobenziehungen kontrollierte Zufallsexperimente darstellen (Kendall 1949). Die Wahrscheinlichkeit eines interessierenden Ereignisses – hier: die zufallsbasierte Auswahl eines bzw. einer Teilnehmenden an einem Bürgerrat – wird dabei definiert als die relative Häufigkeit dieses einen Ereignisses an der Anzahl aller möglichen Ereignisse – hier: die Menge der Personen, die gemäß dem Auswahlrahmen der Grundgesamtheit aller potenziell möglichen Teilnehmenden angehören (Kish 1965). Der Auswahlrahmen wird anhand von Kriterien definiert, die die potenziellen Teilnehmenden erfüllen sollen, z. B. ein Mindestalter, Staatsangehörigkeit usw. Die zufallsbasierte Auswahl der Teilnehmenden erfolgt anschließend aus amtlichen Registerdaten, Wähler‑, Telefonnummern- oder anderweitigen Verzeichnissen, die eine intersubjektiv nachvollziehbare Umsetzung des zuvor festgelegten Auswahlrahmens erlauben (Schnell et al. 2013).

Die Auswahlwahrscheinlichkeit eines jeden Elements der Grundgesamtheit sollte gemäß dieses frequentistischen Wahrscheinlichkeitsverständnisses angebbar, das heißt: berechenbar sein, um intersubjektiv vergleichbar überprüfen zu können, inwieweit der angestrebte Auswahlrahmen umgesetzt wurde (Kauermann und Küchenhoff 2011, S. 12 f.). Da ein Teil der Teilnehmenden des Bürgerrats „Deutschlands Rolle in der Welt“ jedoch bewusst aus dem Pool der Rekrutierten statt unter Anwendung des Zufallsprinzips aus den zugrundeliegenden amtlichen Verzeichnissen aller potenziell Rekrutierbaren ausgewählt wurden, lassen sich diese Auswahlwahrscheinlichkeiten jedoch nicht ermitteln. Erschwerend kam hinzu, dass die Festlegung von Kriterien der bewussten Auswahl von zur Erreichung des Ziels der sozialstrukturellen Repräsentativität fehlenden Personen dabei ganz den Rekrutierenden oblag und zudem zum Rekrutierungsprocedere in den Gemeindeverwaltungen keine näheren Informationen in den Begleitpublikationen vorliegen.Footnote 4 Damit lässt sich der Rekrutierungsprozess jedoch weder intersubjektiv nachvollziehen noch replizieren.

Dies hat nicht nur statistisch-methodische, sondern auch nachteilige Konsequenzen für die politische Legitimität des Bürgerrats „Deutschlands Rolle in der Welt“ und ähnlicher deliberativer Gremien (Fishkin 2009, 2018). Denn neben dem Gebot der intersubjektiven Nachvollzieh- und Replizierbarkeit von Zufallsauswahlen wird mit der „aufsuchenden Beteiligung“ im Zuge des Bürgerrats „Deutschlands Rolle in der Welt“ und auch in vielen ähnlichen deliberativen Gremien (Binnema und Michels 2022; Fishkin 2009; Jacquet 2017) das zentrale politische Prinzip der Chancengleichheit verletzt, das partizipativen Verfahren zugrunde liegt (Fishkin 2018; Schäfer und Schoen 2013). Zur Wahrung dieses Gebots genügt es auch nicht, dass sich die Teilnehmenden als zufällig ausgewählt fühlen oder aber die Rekrutierer_innen glauben, sie setzten mit ihrer bewussten Auswahl sozialstrukturell unterrepräsentierter Gruppen ein Zufallsprinzip im frequentistischen Sinne um.

Ein fiktives Beispiel verdeutlicht dies: Der letzte freie Platz in einem 169 Personen umfassenden Bürgerrat sei gemäß Quotenvorgaben zur Einhaltung des sozialstrukturellen Repräsentativitätsgebots einer weiblichen Person im Alter zwischen 30 und 40 Jahren und mit Hauptschulabschluss vorbehalten. Die bis dahin auf Basis des Zufallsprinzips kontaktierten Personen haben alle eine Teilnahme verweigert und die Verfahrensrichtlinien sehen nun eine bewusste, „aufsuchende Beteiligung“ (s. oben) vor. Ein_e Rekrutierer_in, dessen bzw. deren Ehefrau die genannten Selektionsvorgaben erfüllt, könnte nun auf den Gedanken kommen, eben diese zu kontaktieren und sie um Teilnahme zu bitten. Weder ist in diesem Falle eine Auswahlwahrscheinlichkeit für die Ehefrau angebbar, noch sind intersubjektiv nachvollziehbare Gründe vorhanden, die im Sinne politischer Chancengerechtigkeit eine Auswahl eben jener Ehefrau rechtfertigen. Da das Prinzip „aufsuchender Beteiligung“ bzw. der Quotenauswahl vielfach angewendet wird und in entsprechenden Handreichungen (Bertelsmann Stiftung 2017, S. 14) gar empfohlen wird, ist von einer systematischen Verletzung des ursprünglich angestrebten politischen Gleichheitsgebots im Zuge (scheinbar) zufallsbasierter Beteiligungsverfahren auszugehen. Dieses politische Gleichheitsgebot drückt sich im Rahmen zufallsbasierter Beteiligungsverfahren u. a. in der transparenten, intersubjektiv nachvollziehbaren Festlegung eines Auswahlrahmens und in der Angabe objektiver Auswahlwahrscheinlichkeiten für prinzipiell alle Personen in diesem Auswahlrahmen aus – hier im Beispiel: alle Frauen in Deutschland mit einem Hauptschulabschluss und im Alter von 30–40 Jahren. Beide Voraussetzungen werden im Zuge bewusster Auswahlen verletzt.Footnote 5

Die Verletzung des Gleichheitsgebots fällt zudem mit jeder weiteren bewusst ausgewählten Person gravierender aus, denn der Ermessensraum für willkürliche Rekrutierungsentscheidungen vergrößert sich. Und wenngleich bewusste und Quotenauswahlen aus subjektiv bester Absicht – Wahrung des Gebots der sozialstrukturell spiegelbildlichen Repräsentativität (Buchstein 2009) – erfolgen mögen, so sind sie einer transparenten, methodisch kontrollierbaren und politisch fairen Beteiligung abträglich. Nun kann eingewendet werden, dass ein frequentistisches Verständnis von Zufallsziehungen komplexen Beteiligungsverfahren wie einem bundesweiten Bürgerrat nicht gerecht wird. So argumentiert etwa Peter Stone (Stone 2010) in seiner Diskussion verschiedener Wahrscheinlichkeitsbegriffe – neben dem frequentistischen sind dies vor allem der subjektive und der logische Wahrscheinlichkeitsbegriff –, dass erstgenannter keine Rolle spielen sollte für zufallsgestützte Entscheidungs- und Beteiligungsverfahren, da sich mithilfe von Zufallsexperimenten Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten singulärer Ereignisse nicht exakt angeben ließen (Stone 2010, S. 160). Stattdessen fuße jede Wahrscheinlichkeitsaussage auf individuellen Idiosynkrasien, so dass prinzipiell so viele Wahrscheinlichkeitsaussagen bezüglich eines Elementarereignisses existierten wie es Menschen gebe (subjektiver Wahrscheinlichkeitsbegriff) (Stone 2010, S. 166). Stone plädiert daher für ein logisches Wahrscheinlichkeitsverständnis im Rahmen zufallsbasierter Beteiligungsverfahren (Stone 2010, S. 166 f.).

Dieses besagt, dass unterschiedliche Personen bei gleichem Informationsstand zur selben Wahrscheinlichkeitsaussage über das Eintreten eines interessierenden Ereignisses kommen, gegeben, dass sie anhand von Beobachtungen früherer, gleichartiger Ereignisse genügend Informationen gesammelt haben (Keynes 1921). Diese Wahrscheinlichkeitsaussagen, so Stone (Stone 2010, S. 167) weiter, können im Falle zufallsbasierter Rekrutierungsverfahren nie wahr im objektiven, frequentistischen Sinne sein, da Informationen aus früheren Zufallsziehungen nicht ausreichen, um den Ausgang gegenwärtiger Ziehungen anhand von Wahrscheinlichkeitsaussagen punktgenau vorherzusagen. Bereits Kendall (1949) hat plausibel aufgezeigt, dass der logische vereinbar ist mit dem frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriff. Es trifft zu, dass die Beobachtung früherer Zufallsrekrutierungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für sichere Wahrscheinlichkeitsaussagen bezüglich der Ausgänge gegenwärtiger bzw. zukünftiger Zufallsziehungen bereithalten. Und auch die Angabe punktgenauer Wahrscheinlichkeiten sind unter stetigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen nicht möglich bzw. sehr unwahrscheinlich (Kühnel und Krebs 2018, S. 234). Darum geht es bei Zufallsrekrutierungen im Sinne eines frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriffs auch gar nicht. Es soll schließlich nicht von irgendwelchen früheren Zufallsrekrutierungen auf die wahrscheinlichen Ausgänge gegenwärtiger Ziehungen sicher geschlossen werden. Es genügt vielmehr, Wahrscheinlichkeitsaussagen über die aktuell durchgeführte Zufallsrekrutierung – beispielsweise den Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“ – unter vereinfachten wahrscheinlichkeitstheoretischen Annahmen und unter Angabe statistischer VertrauensbereicheFootnote 6 statt Punktschätzungen zu treffen (Kühnel und Krebs 2018, S. 234ff.).

4 Stichprobentheoretische Einordnung

Für intersubjektiv nachvollziehbare Rekrutierungsverfahren im Rahmen zufallsgestützter Bürgerräte liefert die empirische Umfrageforschung lange erprobte methodische Gütekriterien und Durchführungsstandards. So verweist in jüngerer Zeit neben James S. Fishkin (2009, 2018) auch Oliver Dowlen (2010) auf die in den empirischen Sozialwissenschaften oft zurate gezogene Sampling TheoryFootnote 7 sowie entsprechende Verfahren – einfache und geschichtete Stichprobenziehungen – mit deren Hilfe (annähernd) spiegelbildliche Abbildungen von Grundgesamtheiten durch Stichproben realisiert bzw. Abweichungen zwischen (sozialstrukturellen) Merkmalen von Grundgesamtheiten und Stichproben empirisch beschrieben und quantifiziert werden können. Die entsprechenden Annahmen werden nachfolgend aufgegriffen und anhand empirischer Beispiele im Rahmen einer Simulationsstudie veranschaulicht. Aus deren Resultaten sowie aus den zugrundeliegenden Annahmen werden Empfehlungen für zukünftige Varianten des Bürgerrats „Deutschlands Rolle in der Welt“ formuliert, um der Unterrepräsentation jener Personen entgegenzuwirken, die im Rahmen partizipativer Verfahren unterproportional politisch aktiv sind – geringer gebildete, ärmere und politisch weniger interessierte Bürger_innen, die zudem über geringere Zeitbudgets als die Durchschnittsbevölkerung verfügen (Brady et al. 1995; Schäfer und Schoen 2013).

Zunächst sei angemerkt, dass zufallsbasierte Verfahren, wie sie in der empirischen Sozialforschung verbreitet sind, spiegelbildliche Repräsentation keineswegs garantieren können. Schon der Begriff der Repräsentativität ist in entsprechenden Fachdiskussionen umstritten (Gabler und Häder 2019; Kruskal und Mosteller 1979; Schnell et al. 2013). Pragmatisch wird hierunter verstanden, dass sich personenbezogene Merkmale in einer Stichprobe annähernd genauso verteilen wie in der zugrunde liegenden Grundgesamtheit (Kauermann und Küchenhoff 2011, S. 9). Mit diesem Repräsentativitätsbegriff wird an das spiegelbildliche Repräsentationsideal im Kontext zufallsrekrutierter Bürgerräte und deren konzeptionellen Grundlegung beispielsweise im Rahmen einer aleatorischen Demokratietheorie angeknüpft (Buchstein 2009).

Ausgangspunkt für Samplingverfahren ist das Prinzip der einfachen Stichprobenziehung. Von einer solchen spricht man, wenn alle Personen einer GrundgesamtheitFootnote 8 dieselbe angebbare Auswahlwahrscheinlichkeit \(\pi =n/N\) bei Ziehungen ohne Zurücklegen aufweisen (Kauermann und Küchenhoff 2011, S. 13). Oft weichen die Merkmalsverteilungen bei einfachen Zufallsziehungen jedoch recht stark von denen der Grundgesamtheit ab (Kauermann und Küchenhoff 2011, S. 47 ff..). Man spricht hierbei von verzerrten Stichprobenziehungen bzw. Schätzern für die Sachverhalte in der Grundgesamtheit, so etwa Anteils- oder Mittelwerten (Kauermann und Küchenhoff 2011, S. 51 ff..). Um diese Verzerrungen zu verringern bieten sich geschichtete Stichprobenziehungen an, mit deren Hilfe sich geringere Abweichungen zwischen den Merkmalsverteilungen in Stichproben und Grundgesamtheiten als bei einfachen Zufallsziehungen ergeben (Kauermann und Küchenhoff 2011, S. 137–160; Schnell et al. 2013, S. 169 f.). Dazu werden eines oder mehrere Schichtungsmerkmale wie etwa das Alter oder das Geschlecht im Vorfeld der Ziehung festgelegt. Anschließend werden für dieses Merkmal mehrere Schichten gebildet (z. B. jünger als 18 Jahre, 18–29 Jahre, 29–39 Jahre usw.). Das Ziel des Ziehungsprozesses besteht nun darin, dass die Anzahlen der Personen in diesen einzelnen Schichten der Stichprobe – hier: Altersgruppen – proportional zu den schichtenspezifischen Anzahlen in der Grundgesamtheit ausfallen (Kauermann und Küchenhoff 2011, S. 138).Footnote 9 Nachdem die Auswahlschichten definiert wurden, werden innerhalb jeder einzelnen Schicht jeweils einfache Zufallsziehungen vorgenommen (Kauermann und Küchenhoff 2011, S. 141).

Auch für den bundesweiten Bürgerrat wurden mithilfe von Mikrozensusdaten des Jahres 2018 Abgleiche zwischen den Verteilungen einzelner Merkmale in der Stichprobe und in der Grundgesamtheit vorgenommen (Mehr Demokratie e. V. 2021). Dabei zeigten sich hinsichtlich des Geschlechts, Alters, Migrationshintergrunds, Bundeslands und der Gemeindegröße der 169 Teilnehmenden des Bürgerrats kaum Unterschiede zu den entsprechenden Verteilungen der Grundgesamtheit. Hingegen fanden sich deutliche Unterrepräsentationen von Personen mit Hauptschulabschluss und Überrepräsentationen von Personen mit Abitur und Fachhochschulreife (Mehr Demokratie e. V. 2021, S. 68).Footnote 10 Dies wurde als Beleg dafür interpretiert, der Bürgerrat habe dank des zugrundeliegenden Auswahlprinzips dafür gesorgt, dass die interessierende Grundgesamtheit – hier: Personen im Alter von sechzehn Jahren oder älter mit deutscher Staatsangehörigkeit – recht genau durch die Sozialstruktur des Gremiums abgebildet wird (Deutscher Bundestag 2021, S. 11 f.; Mehr Demokratie e. V. 2021, S. 66 ff..). Diese Folgerung ist jedoch irreführend, denn eine methodisch fundierte Beurteilung jener Phasen des Rekrutierungsprocedere, in denen offenbar Zufallsziehungen eine Rolle spielten, ist angesichts fehlender oder aber nicht zugänglicher Berichtlegungen nicht möglich (s. oben). Es bleibt bei dem bereits vorhin dargelegten Befund: Weder sind genaue Ziehungswahrscheinlichkeiten und Responseraten noch Schilderungen des Ablaufs der bewussten („aufsuchenden“, s. oben) Auswahl von Personen ohne Schulabschluss bzw. mit Hauptschulabschluss einsehbar.

Nun könnte man einwenden, dass auch standardisierte Ziehungsverfahren in der empirischen Sozialforschung nicht in allen Phasen gänzlich auf Zufall, sondern auf individueller Gestaltung durch Interviewer_innen und deren Geratewohl beruhten. Dies ist etwa der Fall bei Erstkontakten, in denen es darum geht, die kontaktierte Person zur Teilnahme an einem Interview zu motivieren (von Hermanni 2019, S. 202ff.). Bevor es zu diesem Erstkontakt kommt, ist in standardisierten Ziehungsverfahren jedoch immer das Zufallsprinzip im Einsatz: Die Generierung bzw. Auswahl der Telefonnummer oder einer Kontaktadresse aus einem Melderegister beruht ebenso auf dem Zufallsprinzip wie ggf. die Auswahl der zugrundeliegenden Gemeinde oder einer anderweitigen Gebietskörperschaft (Schnell et al. 2013, S. 269 f.). Genau dieser Schritt der Teilnehmendenauswahl sollte auch im Rahmen zufallsbasierter Beteiligungsverfahren methodisch kontrollier- und replizierbar sein, um dem Gebot politischer Chancengleichheit in einem Auswahlrahmen gerecht zu werden.

5 Empirische Darstellungen

Für die Auswahl von Stichproben, die inhaltlich relevante sozialstrukturelle Merkmale in der Grundgesamtheit möglichst genau abbilden, haben sich in der sozialwissenschaftlichen Umfrageforschung proportional geschichtete Zufallsziehungen etabliert (Kish 1965). Wie hätte nun eine geschichtete Stichprobenziehung gemäß den in sozialwissenschaftlichen Bevölkerungsumfragen angewandten Kriterien aussehen können, die eine Annäherung an das spiegelbildliche Repräsentationsideal in gelosten Bürgerräten ermöglicht? Und woran lassen sich die Vorzüge proportional geschichteter Ziehungen gegenüber bewussten sowie einfachen Zufallsziehungen empirisch festmachen? Zur Beantwortung dieser Fragen wird auf Basis von Daten der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) des Jahres 2021 eine zufallsbasierte Rekrutierung von Teilnehmenden eines fiktiven Bürgerrats stochastisch simuliert.Footnote 11 Die Befragten in der Allbus-Stichprobe dienen dabei als fiktive Grundgesamtheit, aus der eine 169 Personen umfassende (simulierte) Stichprobe auf Basis einer einfachen Zufallsziehung und anschließend eine proportional geschichtete Stichprobe unter Verwendung der Schichtungsmerkmale Geschlecht, Alter, Bildungsstand, Gemeindegrößenklasse, Migrationshintergrund und Bundesland (in dieser Reihenfolge) gezogen werden.Footnote 12 Diese Merkmale lagen auch den zufälligen und bewussten Auswahlen zum bundesweiten Bürgerrat des Jahres 2021 zugrunde.

In einem zweiten Schritt werden die Verteilungen zentraler Einstellungsvariablen – politische Links-Rechts-Selbsteinschätzung und politisches Interesse – in den einfachen und geschichteten Stichproben mit jener der fiktiven Allbus-Grundgesamtheit verglichen. Darauf basierend werden die Standardfehler und Konfidenzintervalle im Rahmen einer 1000 Iterationen umfassenden Stichprobensimulation für die hier interessierenden sozialstrukturellen und Einstellungsmerkmale ermittelt und verglichen. Bei diesen Simulationen wird jedoch auf das Bundesland als Schichtungsmerkmal aus methodischen Gründen verzichtet (Näheres dazu in den späteren Ausführungen).

Bei allen Analysen stellt, so wie beim Bürgerrat, die Bevölkerung mit deutscher Staatsangehörigkeit und einem Alter ab sechzehn Jahren den Auswahlrahmen dar, anhand dessen die simulierten Stichproben rekrutieren wurden. Für die exemplarischen Darstellungen ist die recht kleine Fallzahl in der ALLBUS-Befragung (n = 4584) nicht von Nachteil, da die avisierten Stichprobengrößen (n = 169) erstgenannte deutlich unterschreiten. Ferner werden alle nachfolgend berichteten deskriptiven Statistiken (Mittelwerte, Standardabweichungen, Anteile) mit einem Designgewicht versehen, um die nach Ost- und Westdeutschland differenziert gewichtete Stichprobenrekrutierung des Allbus-Samples auszugleichen (GESIS 2021). Mitunter treten auch in den Allbus-Stichproben Verzerrungen infolge etwa von Selbstselektionen der Teilnehmenden auf, die jedoch hier nicht weiter berücksichtigt werden, da es sich um exemplarische Darstellungen handelt.Footnote 13

In der Spalte Fiktive Grundgesamtheit in Tab. 1 sind die Häufigkeitsverteilungen für die hier interessierenden soziodemographischen Merkmale der Allbus-Stichprobe 2021 aufgeführt. In den Spalten Einfache Zufallsauswahl und Proportional geschichtete Zufallsauswahl sind die Verteilungen in den jeweils aus 169 Personen bestehenden simulierten Stichproben aufgeführt. Es zeigt sich anhand der jeweiligen Prozentwerte (fett hervorgehoben), dass die Verteilungen in der proportional geschichteten Zufallsstichprobe stärker jenen in der fiktiven Allbus-Grundgesamtheit ähneln als jene in der einfachen Zufallsstichprobe. Insgesamt zeigt sich der bekannte Befund, wonach geschichtete Stichproben sich besser als einfache Zufallsauswahlen dazu eignen, die Sozialstruktur in der Grundgesamtheit darzustellen (Kauermann und Küchenhoff 2011). Zufallsbasierte Verfahren wie der Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“ sollten ausschließlich auf dieses Procedere zurückgreifen.

Tab. 1 Vergleich Sozialstruktur einfacher und geschichteter Stichproben mit fiktiver Grundgesamtheit. (Quelle: Allbus 2021; Bürgergutachten 2021)

Allerdings sind in keiner der beiden simulierten Zufallsstichproben Personen aus dem Bundesland Bremen sowie Personen diversen Geschlechts vorhanden. Auch sind Personen ohne Schulabschluss in der einfachen Zufallsziehung nicht vertreten. Da die Prävalenz dieser Kategorien bereits in der Grundgesamtheit recht gering ist, ist eine Auswahl von Personen angesichts der angestrebten Stichprobengröße von 169 erschwert. Im Falle der geschichteten Zufallsauswahl kommt hinzu, dass das Schichtungsmerkmal Bundesland sechzehnfach gestuft ist, was wiederum eine Auswahl seltener Teilpopulationen – hier: Personen im Bundesland Bremen – unwahrscheinlicher macht (Baillargeon und Rivest 2011).

Als nächstes wurden die Verteilungen der politischen Links-Rechts-Selbsteinschätzung und dem politischen Interesse in den einfachen und geschichteten Zufallsauswahlen mit der fiktiven Allbus-Grundgesamtheit verglichen (vgl. Tab. 2). Für erstgenannte wurde eine etablierte zehnstufige Skala verwendet mit den Skalenwerten 1 = Links bis 10 = Rechts (Dippel et al. 2022), für das politische Interesse eine fünfstufige Skala (1 = Überhaupt nicht bis 5 = Sehr stark). Auch hier zeigt die geschichtete Stichprobe Anteile, die näher an denen der fiktiven Allbus-Grundgesamtheit liegen als jene der einfachen Zufallsauswahl. Zu berücksichtigen ist, dass diese – und weitere Einstellungsmerkmale wie beispielsweise Issue-Positionen – nicht als Schichtungsmerkmale verwendet wurden und auch nicht als solche eingesetzt werden sollten. Denn das spiegelbildliche Repräsentationsideal beschränkt sich auf sozialstrukturelle Merkmale, Ausprägungen von Einstellungen und Issue-Positionen sind hingegen Gegenstand und Resultat substantieller Repräsentationsbeziehungen, die im Laufe von Beteiligungsverfahren ausgeprägt und institutionalisiert werden (Pitkin 1967). Angelehnt an die US-amerikanischen Deliberative Opinion Polls sollten zukünftige Bürgerräte jedoch entsprechende Einstellungen und Issue-Positionen unter den Teilnehmenden wiederholend erheben, um deren Veränderungen im Laufe der Beteiligung zu beschreiben und zu erklären (Fishkin 1995).

Tab. 2 Vergleich Einstellungen in einfachen und geschichteten Stichproben mit fiktiver Grundgesamtheit. (Quelle: Allbus 2021)

Da es sich hier um jeweils eine einfache und eine geschichtete Zufallsziehung von prinzipiell unendlich vielen möglichen Ziehungen handelt, ist zu erwarten, dass sich bei wiederholten Ziehungen mit dem jeweils gleichen Auswahlrahmen andere Verteilungen ergeben. In anderen Ziehungen mit demselben Auswahlrahmen hätten also durchaus Personen mit geringem Bildungsniveau in der Stichprobe vertreten sein können. Ein genaueres Maß für die Beurteilung der Güte von Stichprobenziehungen als Anteilswerte stellen vor diesem Hintergrund Standardfehler und Konfidenzintervalle für Anteilswerte und Mittelwerte dar (Mittag und Schüller 2020). Das Ausmaß eines Standardfehlers hängt, unter anderem, von der Stichprobengröße und der Streuung des interessierenden Merkmals ab: Je größer die Stichprobe und je kleiner die Streuung, desto genauer die Schätzung des interessierenden Merkmals (Mittag und Schüller 2020, S. 241ff.). Mittels Simulationsstudien lässt sich nachweisen, dass die Standardfehler bei geschichteten Stichprobenziehungen durchweg geringer ausfallen als für einfache Ziehungen (Kauermann und Küchenhoff 2011, S. 138). Anhand der vorherigen simulierten Zufallsziehungen von jeweils 169 Personen für eine simulierte Stichprobenziehung aus der Allbus-Stichprobe des Jahres 2021 lässt sich dies aufzeigen (vgl. Tab. 3). In beiden Ziehungssimulationen wurden jeweils 1000 Stichproben iteriert. Aufgrund der hohen Kategorienanzahl wurde das Bundesland als Schichtungsmerkmal ausgeschlossen, so dass die Schichtung entlang der fünf Merkmale Geschlecht, Alter, Bildungsstand, politische Gemeindeklasse und Migrationshintergrund erfolgt. Zusätzlich werden die Statistiken für die beiden Einstellungsmerkmale Links-Rechts-Selbsteinschätzung und politisches Interesse ermittelt. Alle kategorialen Merkmale wurden dichotomisiert, um Standardfehler und Konfidenzintervalle durchgängig für Mittelwerte angeben zu können.Footnote 14 Die stetigen Merkmale (Alter, Selbsteinschätzung, politisches Interesse) wurden in ihrer metrischen Form belassen.

Tab. 3 Vergleich Sozialstruktur einfacher und geschichteter Stichproben mit fiktiver Grundgesamtheit. (Quelle: Allbus 2021)

Zunächst fällt auf, dass sich die Standardabweichungen in den iterierten Stichprobenziehungen von jenen der fiktiven Allbus-Stichprobe recht deutlich unterscheiden. Dies verwundert nicht, denn hier liegen sogenannte Kennwerteverteilungen vor, also Verteilungen von Mittelwerten aus den jeweils eintausendmal simulierten Stichprobenziehungen (Kühnel und Krebs 2018, S. 146) – und nicht, wie anzunehmen wäre, Standardabweichungen für eine empirische Verteilung von Messwerten (zum Beispiel zum Geschlecht, Alter usw.). Basierend auf diesen Kennwerteverteilungen werden die Standardfehler (SE) und Konfidenzintervalle (KI) berechnet, die als Gütemaße der Schätzer der Populationsparameter fungieren. Bis auf die beiden Einstellungsmerkmale fallen die Schätzungen im Zuge geschichteter Zufallsauswahlen demnach genauer aus als bei einfachen Zufallsauswahlen, was an den geringeren Standardfehlern und engeren Konfidenzintervallen bei den sozialstrukturellen Merkmalen ablesbar ist.

Allgemein gilt, dass Schätzungen von Populationsmittelwerten durch Stichprobenkennwerte, umso genauer werden, je größer die Fallzahl, also die Anzahl von in Bürgerräten gelosten Personen, und je geringer die Streuung des Merkmals um diesen Mittelwert ist.Footnote 15 Je niedriger der Quotient dieser beiden Größen, desto kleiner der Standardfehler und desto schmaler das entsprechende Konfidenzintervall bei gleicher gewählter Irrtumswahrscheinlichkeit.

Allerdings bleibt bei all diesen Sachverhalten eine Unsicherheit darüber, dass tatsächlich mit jeder Stichprobenziehung die Sozialstruktur in der Grundgesamtheit durch das jeweilige Zufallsgremium zufriedenstellend genau abgebildet wird. Diese Irrtumswahrscheinlichkeit bedingt ebenfalls den Vertrauensbereich: Je höher sie veranschlagt wird, desto schmaler fällt das jeweilige Konfidenzintervall aus (Schnell 2012, S. 381ff.). Geschichtete Stichprobenziehungen im Rahmen von Bürgerräten und anderen zufallsbasierten Beteiligungsverfahren müssen also immer dahingehend abgewogen werden, wie hoch die noch zu vertretende Irrtumswahrscheinlichkeit (α) ausfallen soll. Bei einer konventionellen Festlegung auf α = 0,05 bzw. 5 % wird also in Kauf genommen, dass in fünf von einhundert Zufallsziehungen der wahre Mittelwert eines interessierenden Merkmals nicht durch die Stichprobe repräsentiert wird. Allein diese Unsicherheit ist empirisch bedingt und sollte im Zuge zufallsbasierter Beteiligungsverfahren nicht durch bewusste („aufsuchende“) Auswahlen eines Teils der Teilnehmenden überdeckt werden. Der damit einhergehende politische Legitimitätsverlust zufallsbasierter Beteiligungsverfahren infolge der Preisgabe politischer Chancengleichheit – ausgedrückt in der Angebbarkeit von Auswahlwahrscheinlichkeiten und Nonresponse-Raten – wiegt schwerer als eine Verletzung des im Rahmen aleatorischer Demokratiekonzepte propagierten spiegelbildlichen Repräsentationsideals (Buchstein 2009).

Eine höhere Güte der Stichprobenziehung ließe sich andernfalls durch die Vergrößerung der Fallzahlen erreichen. Dieser sind bisweilen enge Grenzen gesetzt angesichts von Budgetbeschränkungen, die umso stärker ins Gewicht fallen, je höher die den Teilnehmenden ausgezahlten Incentives sind (s. unten). Ferner erhöht sich der Ressourcenaufwand durch die mit steigender Teilnehmendenzahl wachsenden Kosten für die Moderation der Gruppendiskussionen, für erforderliche Informationsmaterialien, Räumlichkeiten und Dokumentationen. Da für verlässliche Bestimmungen der Mindestgröße geschichteter Stichproben neben diesen Budgetbeschränkungen u. a. detaillierte Informationen über den jeweiligen Auswahlrahmen, die interessierenden Schichtungsmerkmale und die gewünschte Genauigkeit von Schätzungen zu berücksichtigen sind, muss sich die Darstellung hier auf diese allgemeinen Hinweise beschränken.Footnote 16 Grundlegende empirische, theoretisch gestützte Untersuchungen hierzu, die über Daumenregeln hinausgehen (Bertelsmann Stiftung 2017, S. 11), sollten zukünftigen zufallsbasierten Bürgerräten jedoch in jedem Fall vorgeschaltet werden. Weitere Hilfsmittel für die Beurteilung der Stichprobengüte könnten dabei die durch die Europäische Union geförderte Forschungen zu sogenannten Repräsentativitätsindikatoren („R-Indikatoren“) bereitstellen, die bislang noch auf die sozialwissenschaftliche Umfrageforschung beschränkt sind. Diese legen ein Augenmerk sowohl auf methodisch bedingten Auswahl- als auch auf Schätzungen individueller Response-Wahrscheinlichkeiten (Bethlehem et al. 2009; Schnell 2012, S. 173). Damit rücken Selbstselektionseffekte in den Fokus, die für die Erklärung verzerrter Stichprobenauswahlen zentral sind und die auch für die Unterrepräsentation politisch weniger affiner Bevölkerungsgruppen eine zentrale Rolle spielen dürften (Smith 2009).

6 Wie kann die Teilnahme partizipationsferner Gruppen gestärkt werden?

Wenngleich all diese Forschungslücken hier nicht geschlossen werden könne, bleibt nun zu erörtern, wie die Teilnahme partizipationsferner Gruppen (Brady et al. 1995; Schäfer und Schwander 2019) gestärkt werden kann, der im Kontext des Gebots politischer Chancengleichheit zufallsbasierter Beteiligungsverfahren eine wichtige Rolle zukommt. Allgemeine Maßnahmen hierzu sind etwa schriftliche Ankündigungen und wiederholte Kontaktaufnahmen zu Personengruppen mit niedriger Teilnahmebereitschaft (Callbacks) sowohl in der sozialwissenschaftlichen Umfrageforschung als auch bei zufallsbasierten Beteiligungsverfahren (Bethlehem et al. 2009, S. 4; Fishkin 2009; Schnell 2012, S. 181). Um speziell die Teilnahmebereitschaft partizipationsferner Gruppen zu erhöhen, bietet sich zudem der Einsatz monetärer Incentivierungen an. Derartige Anreize und Kompensationen haben sich beispielsweise in stichprobengestützten Umfragestudien bewährt, um Non-Responseraten oder aber Interviewabbrüche zu verringern (Blohm und Koch 2021; Singer und Ye 2012). Sie kamen auch beim Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“ zum Einsatz, allerdings wurde nicht näher erörtert, in welchem Umfang und in welcher Form Incentivierungen erfolgten. Zu anderen zufallsbasierten Beteiligungsverfahren wird berichtet, dass Incentivierungen in Form von Aufwandsentschädigungen bis hin zur Organisation von Arbeitskräften erfolgten, die teilnehmende Landwirte auf ihrem Landwirtschaftsbetrieb vertraten (Fishkin 2009, 2018).

Eine transparente Berichtlegung über derartige Incentives wäre erforderlich, um deren Auswirkungen auf das Ziehungsprocedere abschätzen zu können und politische Entscheidungen über deren effizienten Einsatz auf eine empirische Basis zu stellen. Sofern potenziellen Gremienteilnehmenden je nach sozialer und wirtschaftlicher Situation unterschiedliche Incentives bzw. Aufwandsentschädigungen angeboten wurden, sollte dies ebenfalls dargelegt und vor dem Hintergrund des Gebots politischer Chancengleichheit diskutiert werden. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, Eltern mit Kindern sowie Alleinerziehenden eine höhere Kompensation als Kinderlosen zukommen zu lassen, um externe Betreuungen der Kinder während der Gremiensitzungen zu ermöglichen.

Ein weiterer Weg zur stärkeren Sichtbarmachung partizipationsferner Gruppen könnte in der Verwendung von Redressment-Gewichtungen bestehen, die in der Umfrageforschung bisweilen eingesetzt werden, um durch Nonresponse verzerrte Stichproben nachträglich zu korrigieren (von der Heyde 1999). Im Rahmen zufallsbasierter deliberativer Gremien würden bei Verabschiedung politischer Empfehlungen die Stimmen jener Gruppen stärker gewichtet, die im jeweiligen Gremium unterrepräsentiert sind. Dies setzt jedoch voraus, dass die Kriterien einer Zufallsausauswahl erfüllt und genaue Kenntnisse über die tatsächlichen Mechanismen vorhanden sind, die den individuellen Nichtteilnahmen zugrunde liegen (Schnell 1993, 2012, S. 175). Da vor allem letztgenannte häufig unzureichend sind, werden Redressments in der standardisierten Survey-Methodologie äußerst kritisch betrachtet (Diekmann 2007; Häder 2006; Schnell et al. 2013), so dass sie auch im Zuge von Bürgerräten mit größter Vorsicht gehandhabt werden sollten. Vor allem wäre genauer zu diskutieren, inwieweit die Verwendung von Redressment-Gewichten mit dem Gebot gleicher Beteiligung innerhalb zufallsgestützter Gremien und dem der Stimmengleichheit vereinbar ist (Bächtiger und Parkinson 2019; Suiter et al. 2021).

Darüber hinaus wäre auch eine Pflicht zur Teilnahme an partizipativen Verfahren denkbar. Diese sollte jedoch vor dem Hintergrund ethischer Gesichtspunkte wohlüberlegt sein (Baron 2014a; Schäfer und Schoen 2013). Es müsste abgewogen werden, inwiefern eine zeitaufwendige, verpflichtende Teilnahme an derartigen Verfahren im Kontext der individuellen Lebenssituation und (nicht) vorhandener Ressourcen vertretbar wäre. Auch sollte diskutiert werden, ob und inwieweit zufallsgestützte deliberative Gremien in einer hauptsächlich elektoral organisierten parlamentarischen Demokratie von derart großer Relevanz sind, dass eine Teilnahme daran zwingend erforderlich wäre (Baron 2014a). Vor dem Hintergrund der liberalen Tradition politischer Beteiligungsverfahren in der Bundesrepublik seit 1949 wäre ein solcher Zwang zur Beteiligung an zufallsbasierten Gremien eher skeptisch zu bewerten, weshalb Incentives für die Aktivierung unterrepräsentierter Personengruppen präferiert werden sollte.

Eine besondere Herausforderung, die bislang in der methodischen und empirischen Literatur zu Bürgerräten und anderen zufallsbasierten Beteiligungsverfahren kaum adressiert wird, stellt das sogenannte Coverage-Problem dar. Beispielsweise werden in Wohn- und Pflegeheimen lebende Bevölkerungsgruppen untererfasst, wenn sich ein Auswahlrahmen auf die in Melderegistern hinterlegten individuellen Postanschriften stützt (Schnell 1991). Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich zudem bei kasernierten Bevölkerungsgruppen, Strafgefangenen oder Obdachlosen (ebd.). Je nach inhaltlicher Fragestellung, die in einem Bürgerrat oder anderem zufallsbasierten Gremium diskutiert werden, könnte eine Beteiligung dieser Bevölkerungsgruppen jedoch sehr vorteilhaft sein für eine möglichst umfassende substantielle Repräsentation politischer Einstellungen und Issue-Positionen (Pitkin 1967). Sofern nicht anderweitig zufallsgestützte Rekrutierungen möglich sind, böten sich ggf. advokatorische Repräsentationen durch nahestehende Personengruppen, z. B. Familiengehörige oder Pflegepersonal an, die jedoch ebenso wenig auf zufallsgestützten Auswahlen beruht wie eine „aufsuchende Beteiligung“ im Rahmen von Bürgerräten (Baron 2014b).

7 Fazit und praktische Empfehlungen

Zwar stellt die Annäherung an ein spiegelbildliches Repräsentationsideal aus demokratietheoretischer Sicht noch keine Garantie dafür dar, dass eine substantiell gehaltvolle Repräsentationsbeziehung zwischen Teilnehmenden an Bürgerräten und nicht-beteiligten Laien besteht (Pitkin 1967). Wenn aber (echte) Zufallsziehungen zukunftsträchtig und politisch legitim vor dem Hintergrund des Gebots der politischen Chancengleichheit sein sollen, dann sollten die statistischen und methodischen Voraussetzungen im Sinne eines frequentistischen Wahrscheinlichkeitsverständnisses im Rahmen der Rekrutierung zukünftiger Bürgerräte und anderer zufallsgestützter deliberativer Gremien deutlich stärker als bislang berücksichtigt werden. Folgende methodische Empfehlungen werden daher für zukünftige, auf Zufallsziehungen beruhende, (bundesweite) Bürgerräte gegeben:

  • Die einen Bürgerrat begleitende Evaluierung und Berichtlegung sollte einen separaten Methodenbericht umfassen, in dem der Rekrutierungsmechanismus sowie die beteiligten Institutionen benannt werden.

  • In diesem Methodenbericht sollten die avisierte Grundgesamtheit und der Auswahlrahmen, der der Rekrutierung der Teilnehmenden zugrunde lag, benannt werden. Dabei sollte auch dargelegt werden, auf welchem Weg und wie häufig eine Kontaktaufnahme mit potenziellen Teilnehmenden erfolgte (postalisch, telefonisch, online usw.) und wer für die Kontaktaufnahme zuständig war. Dabei sollte dargelegt werden, ob und inwieweit die Rekrutierenden für diese Tätigkeit geschult wurden bzw. welche Expertise für diesen Rekrutierungsprozess erforderlich war und wie das Rekrutierungsprocedere durch beteiligte Institutionen methodisch kontrolliert wurde. Incentivierungen und evtl. weitere Maßnahmen zur Motivierung partizipationsferner Gruppen sollten klar dargelegt werden. Bewusste Auswahlen, Quotenverfahren o. ä. – auch wenn sie nur der Ergänzung verzerrter Stichproben dienen – sind im Zuge (frequentistischer) zufallsbasierter Beteiligungsverfahren unzulässig, denn sie delegitimieren diese politisch, verhindern die intersubjektive Nachvollziehbarkeit und damit Replikationen zufallsgestützter Bürgerräte oder ähnlicher Beteiligungsverfahren.Footnote 17

  • Es sollte das Design der Stichprobenziehung benannt werden: Handelt es sich um eine einfache, geschichtete oder anderweitige (Zufalls‑)Stichprobe? Sofern das Schichtungsprinzip angewendet wird, sollte klar dargelegt werden, ob es sich um proportionale oder disproportionale Ziehungen handelt. Bei geschichteten Stichproben sollten zudem die Auswahlschichten benannt werden. Die Auswahlwahrscheinlichkeiten sollten dargelegt werden bzw. durch Angabe entsprechender Statistiken (Anzahl der rekrutierten Personen, Anzahl der Personen in der Grundgesamtheit, Schichtgrößen) deren Berechnung ermöglicht werden. Neben deskriptiven Samplestatistiken ist die Angabe von Responseraten, Standardfehlern und Konfidenzintervallen obligatorisch.

  • Es sollte neben der Anzahl der rekrutierten Teilnehmenden auch die Anzahl der insgesamt kontaktierten Personen und der gescheiterten Kontaktversuche in der Berichtlegung aufgeführt werden. Zusätzlich wäre die Anzahl der systematischen und neutralen Stichprobenausfälle sowie Gründe für und Ausmaße von gescheiterten Kontaktversuchen zu dokumentieren.

Seit jeher sind zufallsbasierte Rekrutierungen deliberativer Gremien eingebettet in unterschiedliche politisch-kulturelle Kontexte und Narrative, die die Vielfalt der ihnen zugrundeliegenden Zufallsverständnisse thematisieren (Sintomer 2016). Vertreter_innen der aleatorischen Demokratietheorie gehen davon aus, dass sich durch Zufallsziehungen zur Rekrutierung deliberativer Gremien die politischen Kompetenzen und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Beteiligten (Baron 2014a, S. 267ff.; Buchstein 2018b) sowie die Input-Legitimität demokratischer Verfahren erhöhen lassen (Buchstein 2009). Experimentelle Ansätze vor allem im angloamerikanischen Raum weisen hierzu bereits ermutigende Befunde auf (Bächtiger und Parkinson 2019; Steiner 2012).

Dabei nimmt die hier vorgestellte frequentistische Perspektive auf Zufallsziehungen eine zentrale Stellung ein, denn sie ermöglicht die methodisch kontrollierte Rekrutierung sowohl partizipationsnaher als auch -ferner Bevölkerungsgruppen für Bürgerräte und andere zufallsbasierte Gremien. Die politische Legitimität zukünftiger Bürgerräte und anderer zufallsbasierter Beteiligungsverfahren dürfte von diesem frequentistischen Wahrscheinlichkeitsverständnis und den daran anknüpfenden methodischen Standards profitieren.