1 Entwicklungen und Desiderata im Schnittfeld von Organisations- und Professionsforschung der Weiterbildung

Das vorliegende Themenheft der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung hat sich zum Ziel gesetzt, neuere Entwicklungen in der Organisations- und Professionsforschung zu dokumentieren. Die Einladung zur Einreichung von Beiträgen ging aus von der Beobachtung, dass die Organisations- und Professionsforschung zu den etablierten und zugleich sich thematisch, theoretisch wie methodisch dynamisch entwickelnden Forschungsfeldern der Erwachsenen- und Weiterbildung gehören. Ihre wissenschaftliche wie auch praktische Relevanz lässt sich als Ausdruck einer fortschreitenden Institutionalisierung des lebenslangen Lernens interpretieren, wie sie u. a. durch die Inventare der Bildungsberichterstattung wie den Nationalen Bildungsbericht oder den Adult Education Survey (z. B. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022; BMBF 2021) dokumentiert wird. Wissenschaftsgeschichtlich kann die Professionsforschung auf eine Historie verweisen, die spätestens mit der Etablierung der Erwachsenenbildung an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts beginnt (Schulenberg 1972). Demgegenüber hat die Organisationsforschung erst seit den späten 1980er-Jahren größere Aufmerksamkeit gefunden (Dollhausen und Schrader 2014; Herbrechter und Schrader 2018; Schemmann und Herbrechter 2010). Seit einigen Jahren lassen sich in beiden Feldern jedoch nicht nur Weiterentwicklungen etablierter Forschungszugänge beobachten, sondern auch Bestrebungen, organisations- und professionsbezogene Forschungsfragen stärker miteinander zu verschränken.

Weiterentwicklungen in der Professionalisierungsforschung zeigen sich z. B. darin, dass nicht mehr nur die professionellen Kompetenzen des Lehrpersonals – teils im Anschluss an die Lehrerbildungsforschung – theoretisch modelliert (Strauch et al. 2021), sondern auch empirisch erfasst werden (Schmidt-Hertha et al. 2020; Marx et al. 2022). Zudem liegen inzwischen auch – teils daran anschließend – Vorschläge für Kompetenzmodelle für das planend-disponierende Personal in Einrichtungen der Weiterbildung vor (von Hippel 2019). Gleichzeitig werden in der Organisationsforschung nicht mehr nur interne Handlungen, Prozesse und Strukturen untersucht, etwa im Blick auf die Leitung und das Management von Einrichtungen (Herbrechter 2018). Mit der Kommission, später der Sektion Organisationspädagogik hat sich zudem unter Beteiligung von Forschenden aus der Weiterbildung eine wissenschaftliche Vereinigung innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft etabliert, die die Bildsamkeit und Lernfähigkeit von Organisationen mit den Mitteln pädagogischer Begleitung und Beratung in den Blick nimmt (Göhlich et al. 2018).

Während Organisation und Profession als soziale Phänomene unabweisbar aufeinander bezogen sind (Stichweh 2013), hat die Forschung diese Verwiesenheit oft ausgeblendet. In der Erwachsenen- und Weiterbildung mag dies noch dadurch verstärkt worden sein, dass ihre pädagogischen Leistungen i. d. R. arbeitsteilig in der Zusammenarbeit von zumeist vergleichsweise wenigen festangestellten Mitarbeitenden in Weiterbildungseinrichtungen mit Aufgaben im Management, in der Programmentwicklung und in der Verwaltung und einer vergleichsweise großen Zahl von neben- und freiberuflichen, oft auch ehrenamtlich tätigen Mitarbeitenden mit Aufgaben überwiegend in der Lehre erbracht werden – mit der Folge, dass auch in der Professionalisierungsforschung zunächst mehr die Planenden und erst seit einigen Jahren verstärkt auch die Lehrkräfte in den Blick genommen wurden (Schrader 2018). Wie die unterschiedlichen Gruppen von Mitarbeitenden interagieren und ihre Handlungen koordinieren, hat demgegenüber vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gefunden. Frühe, stark einer makrodidaktisch fokussierten Professionalisierungsforschung verpflichtete Arbeiten haben sich u. a. der Abstimmung von Aufgaben in der Programm- und Veranstaltungsplanung für den Bereich der öffentlich anerkannten Weiterbildung gewidmet. Sie zeigten u. a., dass Planende ihre Arbeit eher als organisatorische denn als pädagogische Aufgabe interpretierten, didaktischen Absprachen wenig Aufmerksamkeit widmeten (Gieseke 1989), dass sie die Verantwortung für das Lehr-Lerngeschehen weitgehend den Lehrkräften übertrugen und nur wenig über die konkrete Gestaltung und Wirkung der Bildungsarbeit wussten (Henze 1998) und dass die Entwicklung von Angeboten und Programmen nicht das Ergebnis eines Planungsprozesses, sondern eines Angleichungshandelns unterschiedlicher Gruppen von Mitarbeitenden war (Gieseke 2000).

Dass die Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Angeboten und Programmen eher der Logik von Konditional- denn von Zweckprogrammen (Schrader 2011, S. 349–358) zu folgen scheint, verweist auf den besonderen Bedarf an Analysen zur Koordination von Handlungen. So finden sich in der Tradition der Programmforschung bereits seit einigen Jahren Studien, die die Genese und Entwicklung von Angeboten und Programmen – empirisch die Perspektiven unterschiedlicher Akteure verschränkend – im Zusammenspiel von Leitenden, Planenden und Lehrenden untersuchen (Gieseke 2000, Robak et al. 2019). Stärker den Traditionen einer theoretisch fundierten Organisationsforschung verpflichtet ist die mehrebenenanalytisch angelegte Arbeit von Hartz (2011), die sich mit der Etablierung von Systemen des Qualitätsmanagements in Einrichtungen der Erwachsenen- und Weiterbildung beschäftigt. Während diese Studie insofern bildungspolitisch motiviert war, als sie aus der Evaluation eines Bund-Länder-Programms hervorging, finden sich aktuell auch stärker der Entwicklung der Forschung entstammende Vorhaben, die an den Möglichkeiten der ebenenübergreifenden Handlungskoordination im Blick auf die Qualität von Lehr-Lernprozessen interessiert sind (s. z. B. Jenner in diesem Heft). Exemplarisch dafür steht die Arbeit von Franz, die in einer multimethodischen, rekonstruktiven Studie zeigt, wie sich organisational differente Lehrkulturen (Lehrorientierungen und Lehrpraxen) als Ergebnis der Interaktion zwischen leitenden, planenden, lehrenden und verwaltenden Mitarbeitenden entwickeln (Franz 2016, 2017).

Auffallend ist, dass die Rekrutierung von Lehrkräften durch Organisationen der Weiterbildung bislang noch wenig theoretische und empirische Aufmerksamkeit gefunden hat (Goeze und Schneider 2014). Das ist gleich aus mehreren Gründen überraschend. Zunächst handelt es sich dabei angesichts der Arbeitsbedingungen und Funktionsweisen der Erwachsenen- und Weiterbildung (1) um eine Aufgabe, die konstitutiv ist für die Schaffung von Gelegenheitsstrukturen für organisiertes Lehren und Lernen (Kuper 2001), und zwar in allen Kontexten der Weiterbildung. In der betriebswirtschaftlichen Literatur, auf die sich die Forschung der Erwachsenenbildung seit dem Ende der 1990er-Jahre teils positiv (Schlutz 2006), teils abgrenzend (Robak 2004) bezieht, werden (2) Fragen des Personalmanagements, der Personalbedarfsplanung, der Personalbeschaffung und -auswahl, der Motivation und Bindung der Mitarbeitenden an die Organisation bis hin zu Fragen der Personalentwicklung explizit diskutiert, im Profit- wie im Non-Profit-Bereich, meist in anleitender Absicht (Stock-Homburg 2013; Jensen 2022). Schließlich sind, verschärft durch die Corona-Pandemie, (3) die Erwartungen an die Kompetenzen des Personals in der didaktisch reflektierten Nutzung digitaler Medien nicht nur zur Steigerung der Reichweite und zur Erhöhung zeitlicher Flexibilität, sondern auch zur Verbesserung der Qualität von Lehr-Lernprozessen deutlich gestiegen (Christ et al. 2021). Nicht zuletzt wird die Rekrutierung von Personal auch in der Erwachsenen- und Weiterbildung künftig bedeutsamer werden angesichts des (generellen) (4) Fachkräftemangels (s. Bellmann et al. 2012; Czepek et al. 2015), der nach anderen Bildungsbereichen (für die frühe Bildung s. Dudek und Gebrande 2012; für die Schule s. SWK 2023; für die wissenschaftliche Weiterbildung Wagner et al. 2020) auch die Weiterbildung erreicht zu haben scheint (Schrader und Kohl 2022; Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022).

Daher widmet sich der vorliegende Beitrag der Frage, wie Organisationen der Erwachsenen- und Weiterbildung Lehrkräfte rekrutieren, welche Rekrutierungswege sie nutzen, auf welche Auswahlverfahren sie sich stützen und auf der Basis welcher Kriterien sie Entscheidungen treffen. Dabei geht es insbesondere um die Frage, welche Rolle kontext- und organisationsbezogene Merkmale der Weiterbildungseinrichtungen spielen auf einem gering reglementierten Arbeitsmarkt, dessen Professionalisierung mal als „unabgeschlossen“, mal als „steckengeblieben“ beschrieben wird (Nittel 2000; Schütz 2018). Diesen Fragen gehen wir anhand von Daten der TAEPS-Studie (Teachers in Adult Education – A Panel Study) nach, die sich mit den Beschäftigungsbedingungen und den professionellen Kompetenzen des Lehrpersonals in der Erwachsenen- und Weiterbildung beschäftigt. Wir nutzen dazu Daten aus der standardisierten Befragung von 1000 Weiterbildungseinrichtungen, Betrieben und Soloselbständigen, die der Lehrkräftebefragung vorgeschaltet war.

2 Forschungen zur Rekrutierung von Lehrkräften durch Organisationen der Weiterbildung

Dass die Rekrutierung von Lehrkräften für das Gelingen von Weiterbildung nicht nur konstitutiv ist, sondern auch eine gleichsam alltäglich zu bewältigende Aufgabe darstellt, mögen einige wenige Daten illustrieren. Die Erwachsenen- und Weiterbildung ist in Deutschland inzwischen nach der Zahl der Teilnehmenden, der Organisationen und auch der Beschäftigten der größte unter den etablierten Bildungsbereichen. Folgt man amtlichen Statistiken sowie den Daten der Bildungsberichterstattung und der Bildungsforschung, so gehen wir von ca. 50.000 öffentlich-rechtlichen, gemeinwohlorientierten und kommerziellen Anbietern aus, auf die ca. 700.000 pädagogisch Beschäftigte entfallen, davon ca. 530.000 Lehrkräfte (Schrader 2019, S. 702). Das jüngst veröffentlichte DIE-Weiterbildungskataster (Schrader und Martin 2021) schätzt die Zahl der Organisationen und der Beschäftigungsverhältnisse mit knapp 60.000 überwiegend kommerziell arbeitenden, öffentlich-rechtlichen und gemeinschaftlichen Anbietern und mehr als 3 Mio. Beschäftigungsverhältnissen (nicht Beschäftigten!) noch höher ein. Hinzu kommen laut IAB-Betriebspanel ca. 700.000 weiterbildungsaktive Betriebe, für die die Zahl der pädagogisch Beschäftigten nicht bekannt ist (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022).

Die Rekrutierung von Lehrkräften der Weiterbildung zu erforschen, erfordert eine Kenntnis der institutionellen Strukturen einschließlich der Reglementierung von Beschäftigungsverhältnissen sowie des Standes der Professionalisierung. Die institutionelle Struktur der Weiterbildung wird zumeist als heterogen beschrieben, wobei sie – je nach bildungspolitischem oder theoretisch motiviertem Zugang – mal als quartärer Bildungsbereich (Wittpoth 2006, S. 107), als pluralistisches Institutionensystem (Faulstich und Zeuner 2008) oder als institutionelles Feld heterogener, zueinander in einem nicht-hierarchischen Verhältnis stehender Reproduktionskontexte von gemeinschaftlichen, öffentlich-rechtlichen, betrieblichen und kommerziellen Organisationen der Weiterbildung (Schrader 2010) interpretiert wird. Das Kontextmodell hat inzwischen auch Eingang in die Bildungsberichterstattung gefunden (für den Adult Education Survey s. Schrader, Strauß und Reichart 2017, für den Nationalen Bildungsbericht s. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022; für den Weiterbildungsatlas s. Martin et al. 2021). Besonderheiten zeigen sich aber nicht nur in der institutionellen Struktur, sondern, damit einhergehend, auch in dem geringen Grad der Reglementierung von Beschäftigungsverhältnissen. Solche Reglementierungen beschränken sich bislang auf ausgewählte Segmente des Weiterbildungssystems. Da sind zunächst die Weiterbildungsgesetze der Bundesländer zu nennen, die für die öffentlich anerkannte Erwachsenenbildung die Förderung von Einrichtungen an die Beschäftigung von akademisch qualifiziertem Personal binden. Zudem macht die Bundesagentur für Arbeit mit der „Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung“ (AZAV) Vorgaben für die (pädagogischen) Qualifikationen von beschäftigten Leitungs‑, Lehr- und Fachkräften in geförderten Maßnahmen. Auf dieses Segment konzentrieren sich bislang auch die Gewerkschaften, die Tarifverträge für pädagogisches Personal in Einrichtungen ausgehandelt haben, die überwiegend Maßnahmen nach SGB II und SGB III anbieten. Hier steht (seit 2012) die Sicherung eines Mindestlohns im Vordergrund; über einen umfassenden Branchentarifvertrag, der Mantelregelungen zu Arbeitszeit, Unterrichtsstunden, Weiterbildungsansprüchen und Entgelten, gestaffelt nach Qualifikationen und Erfahrung der Beschäftigten, konnte aber zwischen GEW, verdi und der Zweckgemeinschaft des Bundesverbands der Träger der Beruflichen Bildung (BBB) trotz mehrjähriger Verhandlungen noch keine Einigung erzielt werden. Auch das neue, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorbereitete Weiterbildungsgesetz enthält keinerlei spezielle Vorgaben zur Gewinnung oder Qualifizierung des Lehrpersonals in der Weiterbildung. Schließlich versuchen Berufsverbände von Coaches, Verkaufstrainern und Beraterinnen, die im Feld der betrieblichen Weiterbildung agieren und die im Dachverband der Weiterbildungsorganisationen zusammengeschlossen sind, den Berufszugang und die Berufsausübung über die Vergabe von Zertifikaten für Aus- und Weiterbildungen sowie durch die Verpflichtung auf ethische Standards zu reglementieren.

Diese Situation stellt die Professionalisierungsforschung der Erwachsenen- und Weiterbildung vor besondere Herausforderungen. Sie hat sich bislang eher übergreifend mit den Beschäftigungschancen des erziehungswissenschaftlich und/oder erwachsenenpädagogisch qualifizierten Personals beschäftigt. Während die Beschäftigten insgesamt zu etwa 2/3 über akademische Abschlüsse verfügen, ist der Anteil der erziehungswissenschaftlich Qualifizierten deutlich geringer (Martin et al. 2016). In der Forschung herrscht Konsens, dass die Professionalisierung der Erwachsenenbildung weniger weit fortgeschritten ist als in anderen Bildungsbereichen, schon gar im Vergleich zu den sogenannten klassischen Professionen (Nittel 2000; Schütz 2018). Die vorliegenden Arbeiten haben sich bislang zumeist am Stand, weniger an der Entwicklung der Professionalisierung interessiert gezeigt. Für die klassischen Professionen dagegen liegen historische Arbeiten ebenso vor wie für pädagogische Berufe jenseits der Erwachsenenbildung. Sie zeigen, dass Professionen beim Übergang von frühmodernen zu modernen Gesellschaften entstehen und auf einen strukturellen Bedarf an personenbezogenen Dienstleistungen reagieren, die sich auf die physische, psychische, juristische oder pädagogische Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der Integration von Individuen in die Gesellschaft richten (Stichweh 2013). Kollektive Professionalisierung vollzieht sich in langdauernden, diskontinuierlichen und tätigkeitsbezogen wie regional variierenden Prozessen, bei denen sich die Akteurskonstellationen und die institutionellen Reglementierungen von (Teil‑)Arbeitsmärkten deutlich unterscheiden. Allgemeine Phasenmodelle (Hauptberuflichkeit, wissenschaftlich-theoretische Fundierung von Ausbildungswegen, Gründung von Berufsverbänden, s. z. B. Wilensky 1972) liefern zwar eine hilfreiche Heuristik, berücksichtigen aber nicht hinreichend, dass kollektive Professionalisierung keineswegs einem einheitlichen Muster folgt. Variationen werden durch kulturelle (z. B. Anerkennung eines Berufs in der Öffentlichkeit), kognitive (vorhandene Qualifikationen und Kompetenzen der Berufstätigen) und sozialstrukturelle Faktoren (Regelungen zu Berufszugang, Berufsausübung, Honorarordnungen, Tarifverträge) beeinflusst (vgl. z. B. Weber 1976). Solche Phasenmodelle wurden in der Weiterbildungsforschung zwar rezipiert (vgl. Schrader und Loreit 2017), haben aber noch keine Längsschnittstudien motiviert. Inzwischen liegen allerdings Arbeiten vor, die sich der Frage widmen, wie intermediäre Akteure wie Träger- und Berufsverbände Berufsbilder etabliert haben; diese Studien stützen sich auf die Analyse von Stellenausschreibungen im Zeitverlauf, sind aber bislang auf die Volkshochschulen begrenzt (Alke et al. in diesem Heft).

Angesichts der Heterogenität der institutionellen Rahmenbedingungen, des geringen Grades der Reglementierung von Beschäftigungsverhältnissen und einer nur eingeschränkt gelungenen Professionalisierung mag es nicht verwunden, dass die Frage, wie Organisationen der Weiterbildung Lehrkräfte rekrutieren, bislang noch kaum empirisch untersucht worden ist. Einige wenige Arbeiten verdienen gleichwohl Beachtung. In einer qualitativen Interviewstudie in Unternehmen sowie, im zweiten Schritt, bei den mit ihnen kooperierenden kommerziellen Weiterbildungsanbietern hat Schmidt-Lauff (1999) untersucht, welche Anforderungen Unternehmen an freiberufliches Personal stellen. Zum einen zeigte sich, dass für die Unternehmen die Fach- und Sozialkompetenzen der Lehrkräfte im Vordergrund standen, idealerweise gestützt auf praktische Erfahrungen in der Weiterbildung sowie auf spezifische Unternehmens- und Branchenkenntnisse; demgegenüber betonten die Weiterbildungsanbieter zusätzlich zu den fachlichen Kompetenzen und Erfahrungen auch die Relevanz didaktisch-methodischer Kompetenzen. Während die Erwartungen der Unternehmen sich auf die Durchführung von Seminaren beschränkten, strebten Weiterbildungsanbieter eine umfassendere Zusammenarbeit an, die z. B. auch die Bedarfserhebung einschließt.

Die Studie von Schneider (2019) stützt sich auf problemzentriert geführte Interviews mit elf Kursleiterinnen und -leitern und Trainerinnen und Trainern, die über Erfahrungen mit Rekrutierungssituationen sowohl in Einrichtungen der öffentlich-anerkannten Erwachsenenbildung als auch in Unternehmen verfügen und die sich regelmäßig in Rekrutierungssituationen zum Themenbereich Kommunikation/Rhetorik befinden. In dieser Studie steht im Vordergrund, wie Lehrkräfte Einrichtungen rekrutieren; zugleich bietet sie aber auch Einblicke in die Rekrutierungsstrategien unterschiedlich kontextuierter Weiterbildungsanbieter. Untersucht werden Prozesse der Kontaktaufnahme und der Auswahlentscheidung. Die Befunde zeigen, dass sich eine in der erwachsenenpädagogischen Literatur programmatisch formulierte Aufgabenteilung zwischen Planenden und Lehrenden zwar finden lässt, gleichzeitig aber diverse Abweichungen von diesem Konzept beobachtbar sind: Planende übernehmen teils genuine Aufgaben der Lehrenden (machen bspw. didaktisch-methodische Vorschläge oder auch Vorgaben), Lehrende übernehmen teils Aufgaben der Planenden (sorgen bspw. für die Erschließung von Bedarfen und Bedürfnissen). Bei der Kontaktaufnahme wählen Kursleiterinnen und Trainer verschiedene Strategien, um Reputation bei den Weiterbildungseinrichtungen und Unternehmen aufzubauen. Diese Strategien beziehen sich primär auf die Selbstdarstellung, versuchen eine positive Fremdeinschätzung durch Dritte zu steuern oder eine positive eigene Trainingserfahrung des planend-disponierenden Personals zu ermöglichen. Unterschiedliche Praxen in der wechselseitigen Rekrutierung von Lehrkräften und Organisationen der Weiterbildung gehen in der Deutung von Schneider eher auf individuelle Merkmale der handelnden Personen als auf (Kontext‑) Merkmale der Einrichtungen zurück.

Im Unterschied zu den beiden qualitativen Studien zielte eine Befragung im Rahmen des wb-monitor darauf, die Rekrutierung von Lehrkräften durch Organisationen der Weiterbildung im Querschnitt zu erfassen. Der wb-monitor wird jährlich vom Bundesinstitut für Berufsbildung und vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung bei Weiterbildungseinrichtungen durchgeführt, wobei Unternehmen nicht berücksichtig werden. In der Befragung aus dem Jahr 2014 beschrieben 45 % der befragten Repräsentanten von Weiterbildungseinrichtungen die Gewinnung von Lehrkräften als schwierig oder sehr schwierig (Ambos et al. 2015, S. 10). Je nach Beschäftigungsform verfolgen die Einrichtungen unterschiedliche Strategien der Rekrutierung: Während Honorarbeschäftigte vielfach aufgrund persönlicher Empfehlungen und bestehender Netzwerkkontakte (wieder) beauftragt werden, werden Angestelltenpositionen in der Regel ausgeschrieben (intern und/oder extern). Das dominante Auswahlverfahren bei den Beschäftigtengruppen sind Bewerbungsgespräche, gefolgt vom Einholen von Zweit- oder Drittmeinungen. Tests oder Assessment-Center wurden hingegen vergleichsweise seltener eingesetzt (Bundesinstitut für Berufsbildung 2014). Blickt man auf die Kriterien, nach denen Lehrkräfte bewertet und ausgewählt wurden, so zeigte sich, dass vor allem sogenannte Soft Skills (Sozialkompetenz, Flexibilität) und die Passung zur Einrichtung (Loyalität gegenüber der Einrichtung, Identifikation mit Grundwerten der Einrichtung, Passung zum Team) hoch gewichtet wurden, deutlich vor formalen fachlichen Qualifikationen und praktischer Berufserfahrung sowie formalen pädagogischen Qualifikationen. Pädagogischen Weiterbildungen und zertifizierten erwachsenenpädagogischen Kompetenzen wurde ein nur geringes Gewicht zugeschrieben. Kriterien, die einen engen Bezug zu thematisch-inhaltlichen oder methodisch-didaktischen Anforderungen einer konkreten Lehrtätigkeit aufweisen und die, zumal für die Teilnehmenden, als Schlüsselfaktoren für die Weiterbildungsqualität betrachtet werden können, werden aus Sicht der Anbieter als weniger relevant eingeschätzt. Die hier dokumentierte Rangfolge an Auswahlkriterien zeigte sich auch in vorangehenden Studien (z. B. Niedermair 1997; für eine Übersicht Goeze und Schneider 2014). Insgesamt wird deutlich, dass die Erwartungshaltung der Bildungseinrichtungen eng mit dem verfügbaren Personalangebot verknüpft ist. Wegen des Fehlens einheitlicher pädagogischer Standards als Zugangsvoraussetzungen für Lehrpositionen und der Vielfalt der Qualifikationsprofile auf dem Markt, können Einrichtungen nicht zwingend formale pädagogische Qualifikationen als Auswahlkriterien für Lehrkräfte voraussetzen (Koscheck 2015).

Um Einblicke in das Weiterbildungsverhalten von Betrieben zu erhalten, hat die OECD mit einer aktuellen Studie (2021) 100 Betriebe in Österreich, Estland, Frankreich, Irland und Italien erfasst. Die Betriebe wurden u. a. gefragt, wie sie (externe) Weiterbildungsanbieter auswählen. Die befragten Betriebe verfügten zumeist über keine formalisierten Strukturen zur Auswahl von Weiterbildungsanbietern; üblicherweise wurden mehrere Angebote eingeholt, bevor ein Anbieter ausgewählt wurde. Als Auswahlkriterien galten die bisherige Erfahrung des Anbieters, der Inhalt, die Kosten sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis. In Einzelfällen schien auch die räumliche Nähe oder aber die Möglichkeit, langfristige Partnerschaften mit ausgewählten Anbietern zur Minimierung von Kosten aufzubauen, ausschlaggebend zu sein. Einige Betriebe griffen zudem auf Sozialpartner zurück aufgrund der fehlenden Transparenz auf dem Weiterbildungsmarkt (OECD 2021, S. 96 f.). Offen bleibt, ob die in der Studie identifizierten Kriterien auch auf den deutschen Kontext übertragen werden können und für die Rekrutierung von Lehrkräften gleichermaßen gelten wie für die Auswahl von Weiterbildungsanbietern.

Die Literatursichtung zeigt, dass sich nur wenige Studien bislang überhaupt diesem Thema gewidmet haben. Es handelt sich um teils qualitativ, teils quantitativ angelegte explorative und deskriptive Forschungen, die ausgewählte Phänomene wie z. B. Rekrutierungspraxen und Auswahlkriterien beschreiben, ohne den Rekrutierungsprozess umfassend in den Blick zu nehmen. Theoretische Bezüge zur Organisations‑, Personal- und Professionsforschung sind kaum entwickelt. Die Befunde verweisen auf Variationen von Rekrutierungspraxen in Abhängigkeit von Kontext- und Organisationsmerkmalen (z. B. Organisationstypen). Ob diese Befunde verallgemeinerbar sind, kann noch nicht beurteilt werden, da die vorliegenden Studien auf bestimmte Segmente der Erwachsenen- und Weiterbildung begrenzt bleiben. Noch fehlt es an quantitativen Studien, die es erlauben, Merkmale der Organisationen und solche der rekrutierten Lehrkräfte systematisch aufeinander zu beziehen. Vor diesem Hintergrund fragen wir im Folgenden danach, welche Rekrutierungsstrategien – Rekrutierungswege, Auswahlverfahren und Auswahlkriterien – von Weiterbildungsorganisationen favorisiert werden und ob sich dabei (theoretisch begründbare) kontext- und organisationsspezifische Unterschiede beobachten lassen.

3 Modelle, Theorien, und Forschungshypothesen

Der vorliegende Beitrag zielt auf eine quantitative und kontextübergreifende Studie zur Rekrutierung von Lehrkräften durch Organisationen der Weiterbildung, die es erlaubt, Rekrutierungswege, Auswahlverfahren und Rekrutierungskriterien differenziert zu beschreiben und zugleich Zusammenhänge zwischen Kontext- und Organisationsmerkmalen systematisch zu analysieren. Um die skizzierten Forschungsfragen beantworten zu können, schließen wir an zwei Modelle an: an ein (durch institutionenökonomische Überlegungen erweitertes) Modell der Reproduktionskontexte der Weiterbildung, das es ermöglicht, Typen von Weiterbildungseinrichtungen danach zu unterscheiden, welche vertraglichen Beziehungen sie zu ihren Lehrkräften aufbauen und welche Leistungen sie von ihnen erwarten; zum zweiten an berufs- und arbeitsmarktsoziologische Modelle, die Strategien und Mechanismen zur Schließung beruflich strukturierter Arbeitsmärkte unterscheiden, die differenziertere Annahmen über Rekrutierungsstrategien formulieren helfen, als dies mit Hilfe der Professionalisierungsforschung möglich ist. Beide Modelle nutzen wir, um Hypothesen zu Rekrutierungspraxen zu formulieren, die auf dem institutionell heterogenen, gering reglementierten und kaum professionalisierten Arbeitsmarkt der Erwachsenen- und Weiterbildung zu erwarten sind.Footnote 1

Wir gehen in einem ersten Schritt davon aus, dass Organisationen der Weiterbildung sich danach unterscheiden lassen, wie sie sich Ressourcen und Legitimationen beschaffen, um sich zu reproduzieren und ihre Arbeit auf Dauer zu stellen (Schrader 2010). Grundlegend ist die Annahme, dass in modernen Gesellschaften vor allem Organisationen den Austausch von Waren und Dienstleistungen übernehmen und dafür Ressourcen und Legitimationen benötigen. Ressourcen können sie beschaffen, indem sie Verträge schließen oder sich beauftragen lassen, Legitimationen, indem sie sich bei der Erbringung ihrer Leistungen auf private oder öffentliche Interessen berufen. Betrachtet man diese Dimensionen als Endpunkte stetiger, voneinander unabhängiger Skalen, so ergibt sich ein Koordinatensystem mit vier Feldern, das idealtypisch Reproduktionskontexte von Organisationen beschreibt (ebd.). Sie lassen sich als institutionelle Felder interpretieren, in denen unterschiedliche materielle und symbolische Institutionen bereitstehen, an die Organisationen anschließen können. Überträgt man diese Grundannahme auf die Weiterbildung, so erlaubt die spezifische Verknüpfung institutioneller Muster zur Beschaffung von Ressourcen über Verträge oder Aufträge und der Beschaffung von Legitimationen durch Berufung auf öffentliche oder private Interessen, die Reproduktionskontexte der (Werte- und Interessen‑)Gemeinschaften, des Staates, der Unternehmen und des Marktes zu unterscheiden. Im Kontext der Gemeinschaften reproduzieren sich Organisationen über Verträge und die Berufung auf öffentliche Interessen, im Kontext des Staates (bzw. des öffentlich-rechtlichen Sektors) werden (Bildungs‑) Aufträge zur Erfüllung öffentlicher Interessen erteilt, im Kontext der Unternehmen stehen (Qualifizierungs‑) Aufträge und private Interessen im Vordergrund, im Kontext des Marktes erfolgt Ressourcenbeschaffung über Verträge unter Berufung auf private Interessen. Diese institutionellen Felder rahmen den Akteursstatus von Adressaten und Teilnehmenden (als Mitglieder, Klienten, Mitarbeiter oder Kunden), halten unterschiedliche Medien für die Koordination sozialer Handlungen bereit (geteilte Werte und Interessen, Normen und Gesetze, Macht, Geld) und signalisieren unterschiedliche Leistungsversprechen (Weiterbildung als Mittel gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Integration, als öffentliches Gut, als Instrument sekundärer Rationalisierung, als Dienstleistung). Folgt man diesen Annahmen, so erscheinen Lehrkräfte aus Sicht der Organisationen mal als (an die Werte und Interessen der Gemeinschaften gebundene) „Honorar-“ Kräfte, mal als nebenberufliche Mitarbeiter, mal als (nicht nur kurzfristig verpflichtete) Lieferanten, mal als im Grundsatz gleichberechtigte, längerfristige Geschäftspartner.

Anzunehmen ist, dass Organisationen der Weiterbildung kontextspezifische Präferenzen für Formate der Vertrags- oder Auftragsgestaltung mit Lehrkräften entwickeln, die sie als Ressourcen ihrer Umwelten nutzen. Institutionenökonomisch betrachtet bieten sich im Anschluss an die grundlegende Arbeit von Coase (1937) für den Austausch von Waren und Dienstleistungen in modernen Gesellschaften folgende Optionen: über Märkte und kurzfristige Verträge, die für den Austausch einer einzigen Ware oder Dienstleistung abgeschlossen werden, so dass Lehrkräfte als nebenberufliche Mitarbeitende betrachtet werden; über mittel- bis längerfristige Verträge, die auf die Fortsetzung eines einmaligen Austausches angelegt sind, so dass Lehrkräfte als an Werte und Interessen gebundene Mitglieder einer sozialen Gemeinschaft oder als längerfristige Geschäftspartner betrachtet werden; organisationsförmig, indem Lehrkräfte als Arbeitnehmende dauerhaft in die Organisation integriert werden (wenn sie als Alternative zu mittel- oder längerfristig verpflichteten Lieferanten betrachtet werden). Neben institutionell geprägten Präferenzen werden die konkret bevorzugten Formen der Vertragsgestaltung vermutlich auch durch Kalküle darüber beeinflusst, welche Risiken für die Organisation mit welcher Form der Vertragsgestaltung einhergehen angesichts kaum schließbarer Informationsdefizite (z. B. im Blick auf die konkrete Seminargestaltung) und Informationsasymmetrien (z. B. im Blick auf die wechselseitigen Erwartungen von Auftraggebenden, Teilnehmenden und Lehrkräften) zwischen Organisationsmitarbeitenden und Lehrkräften.

Anzunehmen ist darüber hinaus, dass Organisationen der Weiterbildung je nach Kontext nicht nur unterschiedliche Vertragsformen favorisieren, sondern auch unterschiedliche Erwartungen an die Qualifikationen, Kompetenzen und Erfahrungen ihrer Lehrkräfte haben. Diese ergeben sich aus ihren differierenden Leistungsversprechen und den damit einhergehenden Leistungserwartungen an ihre Vertragspartner (Weiterbildung als Mittel gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Integration, als öffentliches Gut, als Instrument sekundärer Rationalisierung, als pure Dienstleistung). In der Formulierung dieser Erwartungen sind Organisationen allerdings nicht (immer) „frei“, sondern ggfls. gebunden an institutionelle Regelungen, die auf dem Arbeitsmarkt existieren und die mehr oder weniger verbindlich gehandhabt werden. Solche Regelungen ergeben sich z. B. aus rechtlichen Verpflichtungen, wie sie in Weiterbildungsgesetzen der Länder formuliert sind, durch etablierte Qualitätsstandards, wie sie etwa in der AZAV der Arbeitsförderung oder in zertifizierten Qualitätsmanagementsystemen vorgegeben sind, oder auch durch professionelle Standards zu Berufszugang und Berufsausübung, die Berufsverbände zu etablieren suchen. Solche institutionellen Regelungen variieren zwischen den Kontexten, insofern rechtlich verbindliche Vorgaben eher im öffentlich-rechtlichen Kontext und im Kontext der Gemeinschaften zu erwarten sind, teils auch im Kontext des Marktes, wenn Anbieter für die Arbeitsverwaltung arbeiten, während im Kontext der Unternehmen berufsständische Standardisierungsstrategien häufiger erwartbar sind.

Da in der Forschung Konsens besteht, dass der Professionalisierungsgrad der Weiterbildung (noch) gering ist, können Kriterien für die Rekrutierung des (Lehr‑) Personals nicht einfach aus existierenden Kompetenzmodellen abgeleitet werden, in denen z. B. berufspraktisches Wissen und Können, fach- und feldspezifisches Wissen, professionelle Werthaltungen und Überzeugungen und professionelle Selbststeuerung (vgl. Strauch et al. 2021) unterschieden werden. Um dennoch empirisch erfassen zu können, nach welchen Kriterien Organisationen der Weiterbildung Lehrpersonal rekrutieren, nutzen wir daher Modelle aus der Arbeitsmarkt- und Berufssoziologie, die sich, übergreifend und nicht beschränkt auf einzelne Berufe oder Professionen, mit der Schließung beruflich strukturierter Arbeitsmärkte beschäftigen. Diese Modelle gehen auf Max Webers (1976) Studien zu Prozessen sozialer Schließung zurück, die traditionell (über Herkunft), affektuell (über Beziehungen), wertrational (auf der Basis von Überzeugungen) oder zweckrational (gestützt auf gemeinsame Interessen) erfolgen kann. Dabei kann an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben, ob solche Schließungen in der Weiterbildung von den Beschäftigten, ihren Verbänden, dem Staat oder intermediären Akteuren wie Zertifizierungsagenturen oder von Auftraggebern und Kunden durchgesetzt worden sind.

Das Occupational-Closure-Modell (Weeden 2002) formuliert im Anschluss an die Arbeiten von Weber und Freidson (1994) Annahmen zur Festlegung, Anfechtung oder Verstärkung institutioneller Grenzen beruflich strukturierter Arbeitsmärkte, um u. a. Unterschiede im individuellen Einkommen erklären zu können. Das Modell differenziert Mechanismen und Strategien zur Schließung beruflicher Beschäftigungsmöglichkeiten. Als Mechanismen, die es erlauben, Beschäftigung und Einkommen zu verbessern, werden angeführt: (1) die Begrenzung des Arbeitskräfteangebots in einem Beruf, (2) die Erhöhung der Nachfrage nach einem Produkt oder einer Dienstleistung, (3) die Festigung des Anspruchs einer Berufsgruppe, einziger Anbieter der interessierenden Dienstleistung zu sein, sowie (4) die Signalisierung der besonderen Qualität einer Dienstleistung. Strategien zur Schließung von Arbeitsmärkten sind (1) Lizensierungen, (2) Beglaubigungen und Nachweise, (3) Zertifizierungen, (4) gewerkschaftliche Organisation sowie (5) Vertretung durch Verbände. Als „Lizenzierungen“ gelten (unterschiedlich) verbindliche staatliche oder öffentlich-rechtliche Vorgaben für die Ausübung einer Tätigkeit, z. B. im Blick auf Abschlüsse, Zertifikate oder den (praktischen) Nachweis von Kompetenz. Zu „Beglaubigungen und Nachweisen“ zählen Bescheinigungen, die pädagogische Einrichtungen (bei Weeden allgemeiner: das formale Bildungssystem) vergeben, wobei über die Verbindlichkeit dieser Nachweise durch organisationale Regeln, Normen und Rekrutierungspraxen der beschäftigenden Institutionen entschieden wird. „Zertifizierungen“ haben grundsätzlich freiwilligen Charakter; sie werden erworben durch die Teilnahme an Programmen mit einer Mischung aus Kursbesuch, Nachweis von Erfahrungen, dem Bestehen einer schriftlichen oder praktischen Prüfung, der Verpflichtung auf einen Ethikkodex und/oder der Mitgliedschaft in Berufsverbänden. Zertifikate können von rekrutierenden Organisationen beachtet oder auch ignoriert werden. Erwartet wird, dass die Mechanismen der Schließung durch unterschiedliche und unterschiedlich viele Schließungsstrategien erreicht bzw. unterstützt werden können. So fördern Lizenzierungen die Begrenzung des Arbeitskräfteangebots, kanalisieren die Nachfrage und signalisieren Qualität in der Erbringung einer Dienstleistung. Beglaubigungen und Nachweise zielen auf die Begrenzung des Angebots und die Signalisierung von Qualität. Zertifizierungen kanalisieren die Nachfrage und signalisieren ebenfalls Qualität. Gewerkschaften stimulieren die Nachfrage, kanalisieren das Angebot und signalisieren ebenfalls Qualität, berufliche Vereinigungen begrenzen die Nachfrage. Empirisch untersucht wird, welche Kombinationen von Schließungsmechanismen und Schließungsstrategien welchen Einfluss auf individuelle Einkommen in beruflich strukturierten Arbeitsmärkten haben (für Deutschland s. z. B. Giesecke et al. 2020).

Zu bedenken ist, dass das Occupational-Closure-Modell am Beispiel des amerikanischen Arbeitsmarktes entwickelt wurde. Das amerikanische Berufs- und Beschäftigungssystem unterscheidet sich jedoch teils grundlegend von dem in Deutschland etablierten. Es weist eine insgesamt geringere Strukturierung beruflicher Qualifizierung im Anschluss an die Sekundarschulbildung auf und ist stärker von regionalen Besonderheiten und betrieblich definierten, zumeist arbeitsplatznahen Ausbildungspraxen geprägt; gleichzeitig spielen Universitäten in der beruflichen Weiterbildung eine gewichtigere Rolle als in Deutschland. Dies führt zu einer insgesamt größeren Vielfalt an Lizenzen, Beglaubigungen und Zertifikaten im amerikanischen System (Lauterbach 1995; Kreysing 2002). Will man dieses Modell für die Analyse von Rekrutierungsstrategien auf dem gering reglementierten und durch Gewerkschaften und Berufsverbände nur segmentspezifisch mitgestalteten Arbeitsmarkt der Weiterbildung nutzen, muss es erweitert bzw. adaptiert werden. Hilfreich ist dazu der bereits bei Weeden formulierte, aber nicht operationalisierte Hinweis, dass die unterschiedenen institutionalisierten Schließungsstrategien durch soziale ergänzt werden können. Weeden (2002, S. 61) denkt z. B. an soziale Netzwerke („Beziehungen“ im Sinne Webers), die spezifische Arbeitskulturen mit entsprechenden Grenzen etablieren und damit Rekrutierung beeinflussen. Diesen Gedanken aufgreifend gehen wir davon aus, dass soziale Schließungsstrategien auf individuellen oder kollektiven Erfahrungen unterschiedlicher Art beruhen. Sie können sich stützen auf eigene Beobachtungen des Handelns von Berufstätigen; auf Urteile vertrauenswürdiger Dritter; auf den Nachweis mehrjähriger praktischer Berufserfahrung; auf die Annahme spezifischer Überzeugungen und Grundwerte.

Die adaptierten Modellannahmen nutzen wir im Folgenden, um Rekrutierungsstrategien von Organisationen der Weiterbildung empirisch zu erfassen. Für die Operationalisierung nutzen wir zudem Konzepte und Befunde der Personalwirtschaft (s. oben) sowie Befunde der bisherigen Rekrutierungsforschung. Als mögliche Rekrutierungswege erfassen wir: interne Ausschreibungen; Ausschreibungen auf der eigenen Homepage; Ausschreibungen in Internet-Jobbörsen; Stellenanzeigen in Printmedien; Beauftragung von Personalvermittlern; Recruitment-Veranstaltungen; eigene Ansprache nach abgelaufenem (Werk‑)Vertrag; eigene Ansprache auf Empfehlung Dritter; Reaktionen auf Initiativbewerbungen; Kontaktaufnahme über Social Media; Auswertung von öffentlichen Bewerber- oder Dozentinnendatenbanken; Kooperation mit anderen Einrichtungen. An Auswahlverfahren unterscheiden wir: Bewerbungsgespräche; Probeseminare; Begutachtungen einer Lehrveranstaltung (z. B. Arbeitsprobe); Prüfung eines schriftlichen Seminarkonzepts; Einholen von Meinungen anderer über die Lehrkraft; Assessment Center; Tests (Eignungstest, Persönlichkeitstest). Als Auswahlkriterien erfassen wir: formale pädagogische Qualifikation; formale fachliche Qualifikation; mehrjährige praktische Berufserfahrung; pädagogische Weiterbildung; zertifizierte erwachsenenpädagogische Kompetenzen; psychologische oder therapeutische Zusatzqualifikation; Ausbildung als Trainerin oder Coach; bestimmte pädagogische Grundüberzeugungen; Erfahrung mit der Zielgruppe, Methodenkompetenz; Lohn- und Honorarvorstellungen; fremdsprachige Kompetenzen.

Im Anschluss an das adaptierte Occupational-Closure-Modell nutzen wir vor allem die Fragen zu den präferierten Auswahlkriterien, um Hinweise darauf zu erhalten, auf welche Schließungsstrategien sich Rekrutierende in Organisationen der Weiterbildung beziehen. Ergänzend betrachten wir ausgewählte Aspekte bei Rekrutierungswegen und Auswahlverfahren. Von „Lizenzierung“ als Schließungsstrategie gehen wir dann aus, wenn Rekrutierende formale pädagogische oder formale fachliche Qualifikationen als Auswahlkriterien (hoch) gewichten. Institutionelle Beglaubigungen liegen vor, wenn die Teilnahme an pädagogischer Weiterbildung als Auswahlkriterium genannt wird. Von sozialer, erfahrungsgestützter Beglaubigung von Kompetenz und Passung gehen wir aus, wenn Erfahrungen mit der Zielgruppe, mehrjährige praktische Berufserfahrung oder pädagogische Werte und Grundüberzeugungen als Auswahlkriterien genannt werden. Soziale, erfahrungsbasierte Beglaubigungen unterstellen wir, wenn bei Rekrutierungswegen vor allem jene von Bedeutung sind, die auf eigene Ansprache von Lehrkräften nach abgelaufenem (Werk‑) Vertrag, auf eigene Ansprache auf Empfehlung Dritter sowie auf Kooperation mit anderen Einrichtungen abstellen. Bei den Auswahlverfahren beachten wir in dieser Hinsicht besonders die Nutzung von Probeseminaren, die Begutachtung einer Arbeitsprobe, die Prüfung eines schriftlichen Seminarkonzepts sowie das Einholen von Meinungen anderer über die Lehrkraft. Zu den „Zertifizierungen“ rechnen wir schließlich zertifizierte erwachsenenpädagogische Kompetenzen, psychologische oder therapeutische Zusatzqualifikation oder eine Ausbildung als Trainerin oder Coach.Footnote 2

Auf der Grundlage dieser modellbasierten Überlegungen formulieren wir im Folgenden einige Annahmen über Rekrutierungswege, Auswahlverfahren und Auswahlkriterien sowie zu etwaigen kontextspezifischen Unterschieden; dabei blicken wir zum einen auf die Häufigkeit, zum anderen auf die Rangfolge in der Nutzung spezifischer Strategien, um eine „gute Lehrkraft“ (Schrader 2018) mit einem möglichst hohen Person-Organization-Fit (Stock-Homburg 2013, S. 73–90) zu gewinnen. Aufgrund des rudimentären Forschungsstandes zur Rekrutierung von Lehrkräften durch Organisationen der Weiterbildung beschränken wir uns auf eher allgemein gehaltene Unterschiedshypothesen.

Im Blick auf Rekrutierungswege und Auswahlverfahren erwarten wir zunächst, dass Organisationen der Weiterbildung angesichts zumeist (mehr oder weniger) befristeter Vertragsbeziehungen breit rekrutieren und dabei Rekrutierungswege und Auswahlverfahren bevorzugen, die wenig zeitaufwändig und kostenintensiv sind und nur geringe Transaktionskosten verursachen (Coase 1937). Gleichzeitig sollten angesichts konstitutiver Informationsdefizite (z. B. im Blick auf das erwartbare Kursgeschehen) vor allem solche Rekrutierungswege und Auswahlverfahren bevorzugt werden, die auf erfahrungsgestützte Beglaubigungen von Kompetenz und Passung abstellen. Diese gezielteren, auf konkrete Personen bezogenen Rekrutierungswege sollten vor allem in jenen Kontexten häufiger genutzt werden, die mittel- oder längerfristige vertragliche Zusammenarbeit anstreben.

Im Blick auf die Auswahlkriterien erwarten wir zunächst, dass auf einem gering reglementierten, gleichwohl akademisierten Arbeitsmarkt sowohl institutionelle „Lizensierungen“ als auch sozial konstruierte, erfahrungsbasierte „Beglaubigungen“ als wichtige Auswahlkriterien genutzt werden, ohne dass wir konkrete Erwartungen im Blick auf Wichtigkeit und Rangfolge formulieren. Demgegenüber sollten „Zertifizierungen“ einen geringen Stellenwert einnehmen. Kontextspezifische Unterschiede erwarten wir insofern, als „Lizenzen“ vor allem in Einrichtungen des öffentlich-rechtlichen Kontexts hoch gewichtet werden, die sich explizit als Bildungseinrichtungen im öffentlichen Interesse verstehen bzw. dafür Legitimation durch ihre Auftraggeber erhalten, nicht jedoch in den Kontexten der Unternehmen und des Marktes, die von institutionellen Regelungen weithin frei sind. Im Kontext der Unternehmen sollten „Beglaubigungen“ berufspraktischer Erfahrungen vergleichsweise hoch gewichtet werden, ebenso wie im Kontext der Gemeinschaften pädagogische Werte und Grundüberzeugungen vergleichsweise wichtig genommen werden.

Darüber hinaus nehmen wir an, dass Merkmale auf der Organisationsebene wie z. B. die Anzahl der durchschnittlich rekrutierten Lehrkräfte, die Breite des thematischen Angebots sowie der Wettbewerbsdruck, unter dem Einrichtungen und Unternehmen sich sehen, die Rekrutierungsstrategien beeinflussen. Inwieweit sie über Kontextmerkmale hinaus zur zusätzlichen Varianzaufklärung beitragen, wir hier nur in einem ersten Zugang geprüft.

4 Datengrundlage: Zielsetzung und Erhebungsdesign der Einrichtungsbefragung

Als Datengrundlage für die nachfolgenden Analysen dienen die Informationen aus einer Befragung von insgesamt 1000 Weiterbildungsanbietern, die im Rahmen des Verbundprojekts „Professionalisierung und Förderung der Kompetenzentwicklung von Lehrenden in der Erwachsenen- und Weiterbildung – eine Längsschnittstudie mit randomisierten Feldexperimenten“ (TAEPS: Teachers in Adult Education – a Panel Study) erhoben wurden.

Die Panelstudie TAEPS, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung zusammen mit dem Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e. V. (LIfBi) durchgeführt, ist eine breit angelegte Bestandsaufnahme zu den Strukturen, Dynamiken und Entwicklungstendenzen der Beschäftigungsbedingungen und Kompetenzen des Lehrpersonals in der Erwachsenen- und Weiterbildung.Footnote 3 In diesem Zusammenhang wurde in einem ersten Schritt eine bundesweite Befragung von Weiterbildungseinrichtungen und weiterbildungsaktiven Betrieben durchgeführt. Es handelt sich hierbei um eine von mehreren Teilstudien innerhalb der TAEPS-Studie (nachfolgend „Einrichtungsbefragung“ genannt). Insgesamt liegen Angaben von 1000 Befragten aus Weiterbildungseinrichtungen vor, die sich unter die drei Organisationsformen Solo-Selbständige (N = 100, davon zwei Drittel mit Weiterbildung als Haupt-, ein Drittel als Nebenaufgabe), Einrichtungen (N = 437, davon 80 % mit Weiterbildung als Hauptaufgabe) und Betriebe (N = 463) subsumieren lassen. Im Folgenden werden Grundgesamtheit, Erhebungsdesign und Stichprobe näher erläutert.

4.1 Grundgesamtheit und Bruttostichprobe

Die Grundgesamtheit der gezogenen Stichprobe basiert zum einen auf dem DIE-Weiterbildungskataster, das als derzeit vollständigste Erfassung der Weiterbildungsanbieter in Deutschland gelten kann. Insgesamt umfasst dieses Kataster knapp 60.000 Weiterbildungsanbieter (Weiterbildungseinrichtungen und Soloselbständige) (Schrader und Martin 2021). Darüber hinaus wurden Daten aus dem Gemeinderegister sowie einer infas-internen Datenbank von Unternehmen genutzt. Mit dem Ziel, einerseits die Proportionen der Grundgesamtheit angemessen abzubilden und andererseits eine Stichprobe zu realisieren, die die Heterogenität der Weiterbildung abbildet, wurde zunächst eine geschichtete Zufallsstichprobe von 9996 Adressen auf Einrichtungsebene gezogen (~17 % der verfügbaren Einsatzadressen aus dem gesamten Weiterbildungskataster). D. h. der Stichprobenumfang der drei übergeordneten Weiterbildungsanbieter Einrichtungen, Verwaltungen und Betriebe wurde vorab definiert, sodass die Anzahl der Kontaktadressen für die drei Gruppen innerhalb der Einsatzstichprobe variierte.Footnote 4 Im Hinblick auf die realisierte Stichprobe ergaben sich zwar geringfügige Verschiebungen, bei denen eine höhere Repräsentanz von Einrichtungen und eine entsprechend geringere von Betrieben beobachtet wurden. Insgesamt entspricht die Verteilung der realisierten Stichprobe jedoch weitgehend den Vorgaben des Ziehungsplans (vgl. Tab. 1).

Tab. 1 Deskription von eingesetzter Bruttostichprobe und realisierter Nettostichprobe

4.2 Erhebungsdesign, Datenerhebung, realisierte Stichprobe und Datenqualität

Die Einrichtungsbefragung wurde als CATI-Erhebung in 1000 Organisationen durchgeführt (vgl. Tab. 1). Die Gründe für Ausfälle (Unit-Nonresponse) sind vielfältig, insbesondere Verweigerungen (34,5 % der Bruttostichprobe) und nicht-Erreichbarkeit (19,5 %) sind häufig zu beobachten (vgl. Tab. 2). Über die drei Subgruppen hinweg konzentrieren sich Verweigerungen vor allem auf Betriebe, deutlich weniger auf Weiterbildungseinrichtungen und Verwaltungen. Das ist insofern erwartbar, als sowohl das Thema Weiter- und Erwachsenenbildung als auch die Durchführung sozialwissenschaftlicher Forschungsvorhaben weniger üblich bzw. von geringerer Relevanz sind als in Einrichtungen, deren Hauptaufgabe im Angebot und in der Durchführung von Weiter- und Erwachsenenbildung verortet ist.

Tab. 2 Unit-Nonresponse (gerundete Angaben)

Von einer systematischen Verzerrung der realisierten Stichprobe, die durch Unit-Nonresponse bedingt wäre, ist aber dennoch nicht auszugehen, weil eine Nicht-Teilnahme insgesamt betrachtet vor allem auch auf Nicht-Erreichbarkeit der Kontakt- bzw. Zielperson zurückzuführen ist.Footnote 5 D. h. der Anteil an Organisationen, die zur relevanten Zielgruppe gehören und grundsätzlich erreichbar waren, aber aufgrund von Verweigerung der Auskunft nicht befragt wurden, ist kleiner, als es die bloßen Randverteilungen in den Ausschöpfungsquoten vermuten lassen. Da es sich bei den befragten Personen um eine schwer erreichbare Zielgruppe handelt, insbesondere in Betrieben, wurde die eingesetzte Bruttostichprobe unter Annahme einer Realisierungsquote von 10 % definiert.

Die Befragungsinhalte lassen sich grob unter die fünf Kategorien Strukturen (z. B. Einrichtungsform, Gründungsjahr, Anbietertyp), Weiterbildungsaktivitäten (z. B. Angebotsprofil, Teilnehmende, durchgeführte Formate, Förderinstrumente), Ressourcen (z. B. Gesamt- und Jahresumsatz, Einnahmeart, Konkurrenz), Lehrkräfte (z. B. Beschäftigte (mit Aufgaben in der Lehre), Beschäftigungsformen, Förderung von Weiterbildungsaktivitäten, Rekrutierungswege und Auswahlverfahren) und Auswirkungen von Corona (z. B. Umsatz und Kursvolumen relativ zu 2019) subsumieren. Die Zuordnung der Weiterbildungseinrichtungen und Unternehmen zu Reproduktionskontexten der Weiterbildung (vgl. Schrader 2011), basiert auf Selbstzuschreibungen auf der Grundlage eines vorgegebenen Katalogs von ca. einem Dutzend vorgegebenen Einrichtungstypen (Volkshochschule, kommerzielles Bildungsinstitut, Kammer, etc.). Diese Selbstzuschreibungen wurden im Anschluss durch Expertenurteile von Mitarbeitenden des Forschungsteams validiert.

Innerhalb der Feldzeit wurden 1000 vollständige Interviews realisiert (10 % der eingesetzten Bruttostichprobe). Die Realisierungsquoten der drei Subgruppen entsprechen dabei weitgehend den Relationen der Einsatzstichprobe (vgl. Tab. 1). Insgesamt sind 10 % aller Befragten Solo-Selbständige, jeweils 44 % bzw. 46 % der Angaben beziehen sich auf Informationen über Weiterbildungseinrichtungen bzw. Betriebe. Betrachtet man die Datenqualität im Blick auf Item-Nonresponse, so sind die Ausfälle in der Gruppe der Solo-Selbständigen insgesamt zu vernachlässigen, da für fast 90 % der Befragten vollständige Informationen vorliegen. Bei den Befragten aus Weiterbildungseinrichtungen liegen vergleichsweise vollständige Informationen mit höchstens 6 fehlenden Angaben bei einzelnen Fragen vor. Bei den Befragten aus Betrieben liegt der Anteil vollständiger Angaben bei 25 % der Befragten, weitere 54 % der Interviewpersonen haben bei maximal sechs Fragen keine Angaben gemacht. Am häufigsten sind es Angaben zu den finanziellen Ressourcen bzw. zur Personalstruktur, die unbeantwortet geblieben sind, sodass die Aussagekraft hier eingeschränkt ist.

Entsprechend der Zielsetzung, vornehmlich größere Betriebe und Verwaltungen zu befragen, liegt die Betriebsgröße in der realisierten Nettostichprobe über der anderer bekannter Randverteilungen. Zum Vergleich lässt sich das IAB-Betriebspanel heranziehen, welches jährlich rund 16.000 Betriebe befragt und repräsentativ für Betriebe aller Betriebsgrößen und Branchen in Deutschland Hochrechnungen vornimmt. Laut IAB-Betriebspanel waren von den rund 2,1 Mio. Betrieben in Deutschland im 1. Halbjahr 2021 etwa 720.000 weiterbildungsaktiv und damit vergleichbar mit den mit unserer Befragung erreichten Betrieben. Von diesen weiterbildungsaktiven Betrieben wiesen 50 % weniger als zehn Beschäftigte auf. Durchschnittlich waren 36 Personen in diesen Betrieben beschäftigt (Median: 10 Beschäftigte). Dagegen verfügen in unserer Einrichtungsbefragung 50 % der befragten Betriebe über 250 oder mehr Beschäftigte, da wir aus der Grundgesamtheit aller Betriebe eine Zufallsstichprobe jener Betriebe gezogen haben, die mindestens 200 Mitarbeitende beschäftigten. Der Durchschnitt der Beschäftigtenanzahl liegt bei 834 Personen (Median: 250). Aus Forschung und Berichterstattung ist bekannt, dass mit der Betriebsgröße auch der Grad der Institutionalisierung von Weiterbildung steigt, ablesbar an speziellen Organisationseinheiten für Weiterbildung und an tarifvertraglichen oder betrieblichen Vereinbarungen (Statistisches Bundesamt 2022). Bei den im Folgenden präsentierten Befunden muss daher berücksichtigt werden, dass in den hierfür befragten Betrieben und Verwaltungen Weiterbildung überdurchschnittlich stark institutionalisiert ist. Inwieweit die Befunde auf kleinere Betriebe übertragbar sind, ist derzeit offen.

Bei den befragten Weiterbildungseinrichtungen zeigt sich gegenüber bekannten Randverteilungen aus anderen Erhebungen eine vergleichsweise geringe Verzerrung im Blick auf die Einrichtungsgröße. Laut wbmonitor (Christ et al. 2021), einer jährlichen Einrichtungsbefragung von Anbietern öffentlich zugänglicher allgemeiner und beruflicher Weiterbildung, beschäftigten Weiterbildungseinrichtungen in Deutschland im Jahr 2021 durchschnittlich 17 Angestellte oder Beamte (Median: 8). Der Großteil der Einrichtungen verfügte über weniger als zehn Angestellte oder Beamte (57 %). Lediglich knapp 8 % der Weiterbildungseinrichtungen beschäftigten 50 oder mehr Angestellte oder Beamte. Demgegenüber liegt der Durchschnitt in der hier vorliegenden Einrichtungsbefragung bei etwa 31 Angestellten oder Beamten, jedoch mit einem deutlich darunter liegenden Median (6). Die Verzerrung gründet vornehmlich in dem etwas größeren Anteil der Einrichtungen, die über mehr als 50 Angestellte oder Beamte verfügen (14 %). Auch in der hier vorliegenden Einrichtungsbefragung wies der Großteil (61 %) weniger als zehn Angestellte oder Beamte auf.

5 Rekrutierungswege, Auswahlverfahren und Auswahlkriterien im Kontextvergleich

Bevor wir Rekrutierungswege, Auswahlverfahren und Auswahlkriterien im Kontextvergleich analysieren, sollen die erfassten Weiterbildungseinrichtungen sowie die Betriebe und Verwaltungen zunächst im Blick auf einige relevante organisationale Merkmale charakterisiert werden. Die Soloselbständigen werden nicht näher betrachtet, da sie selbst keine anderen Lehrkräfte rekrutieren und ihnen die einschlägigen Fragen daher nicht gestellt wurden.

Im Durchschnitt werden in Weiterbildungseinrichtungen, Betrieben und Verwaltungen knapp 50 Honorarkräfte mit Aufgaben in der Lehre beschäftigt. Der Median von 3,5 und die Spannweite von bis zu 3000 Lehrkräften verweisen auf eine linksgipflige Verteilung mit einigen wenigen sehr hohen Werten. Tab. 3 verweist zudem auf deutliche Differenzen zwischen den Kontexten, aber auch auf hohe Varianz innerhalb der Kontexte. Die Tabelle zeigt die Ergebnisse einer einfaktoriellen Varianzanalyse (ohne Soloselbständige), die statistisch hoch signifikante Unterschiede für mindestens einen kontextspezifischen Mittelwert ebenso dokumentiert wie beträchtliche Varianzen innerhalb der Kontexte. Die durchschnittliche Zahl der Honorarkräfte mit überwiegenden Aufgaben in der Lehre ist im öffentlich-rechtlichen Kontext ebenso am höchsten wie die Spannweite (vor allem bei Volkshochschulen). Bei Betrieben und Verwaltungen fallen beide Kennwerte am geringsten aus.

Tab. 3 Anzahl an Honorarkräften nach Reproduktionskontexten (ANOVA; ohne Solo-Selbständige)

Anzunehmen ist, dass für die präferierten Rekrutierungsstrategien nicht nur die Zahl der Beschäftigten mit Lehraufgaben relevant ist, sondern auch die Breite der Themenfelder, die von Organisationen der Weiterbildung vorgehalten werden. Die Themenfelder wurden in der Einrichtungsbefragung standardisiert erfasst, in Anlehnung an Kategorienschemata, wie sie in Programmanalysen für regionale Weiterbildungsmärkte entwickelt wurden (Schrader 2011) bzw. sich in Einrichtungs- und Beschäftigtenbefragungen bewährt haben (Ambos et al. 2015; Martin et al. 2016). Der Themenkatalog reichte von Angeboten der sprachlichen Grundbildung (berufsbezogenes Deutsch, Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache, Alphabetisierung und Grundbildung) über Schulabschlüsse, IT-Wissen, Fremdsprachen, kulturelle und politische Bildung bis hin zu fachspezifischen Weiterbildungen für den primären, sekundären und tertiären Sektor des Arbeitsmarktes; bis zu 20 Nennungen waren erlaubt, ergänzt um eine offene Antwortkategorie.

Abb. 1 zeigt auch hier deutliche Differenzen zwischen Weiterbildungseinrichtungen, die in unterschiedlichen Kontexten agieren. Das thematisch vielfältigste Angebot unterbreiten, den Vorgaben u. a. der Weiterbildungsgesetze der Länder folgend, Anbieter im öffentlich-rechtlichen Kontext (mit einem Mittelwert von etwa 11 Themenbereichen), gefolgt von Anbietern im Kontext der Gemeinschaften sowie von Betrieben und Verwaltungen (mit durchschnittlich 6–7 Themenbereichen), während kommerzielle Anbieter sich eher auf wenige Angebotsbereiche (4–5) konzentrieren. Innerhalb der Kontexte ist die Varianz vergleichsweise gering und variiert über die Kontexte hinweg kaum. Eine einfaktorielle Varianzanalyse belegt statistisch hochsignifikante Unterschiede für mindestens einen Kontext, die einhergehen mit einem beträchtlichen Anteil aufgeklärter Varianz von fast 20 % (Adj R‑squared = 0,1918). Dieser Befund bestätigt die Ergebnisse von Programmanalysen, die auf vollständig erfasste regionale Anbietermärkte gerichtet waren. So ließen sich in der längsschnittlichen Analyse von Struktur und Wandel des bremischen Weiterbildungsmarktes mit Hilfe von Clusteranalysen acht Gruppen von Weiterbildungseinrichtungen mit je spezifischen thematischen Schwerpunkten identifizieren (vgl. Schrader 2011, S. 313–323). Gleichzeitig zeigten sich statistisch signifikante kontextspezifische Unterschiede im Blick auf die jeweiligen Themenprofile. So waren Allround-Anbieter überrepräsentiert im öffentlich-rechtlichen Kontext, Spezialanbieter (mit Schwerpunkten z. B. in den Fremdsprachen, in der EDV-Grund- und Spezialbildung oder in der Vermittlung formaler Schlüsselqualifikationen) waren dagegen im Kontext des Marktes überrepräsentiert, während Mehr-Spartenanbieter vergleichsweise häufig im Kontext der Gemeinschaften und bei Unternehmen anzutreffen waren.

Abb. 1
figure 1

Anzahl genannter Themenbereiche (Mehrfachnennung) nach Reproduktionskontexten

Schließlich wurden die befragten Mitarbeitenden in Weiterbildungseinrichtungen und in Betrieben sowie Verwaltungen danach gefragt, wie hoch sie den aktuellen Wettbewerbsdruck einschätzen (von „kein Wettbewerbsdruck“ bis „hoher Wettbewerbsdruck“). Hier zeigen die statistischen Analysen zwar signifikante, allerdings nur moderate Zusammenhänge, die auf höheren Wettbewerbsdruck bei Betrieben und im Kontext des Marktes und geringeren Wettbewerbsdruck im öffentlich-rechtlichen Kontext sowie im Kontext der Gemeinschaften hindeuten.

5.1 Rekrutierungswege und Auswahlverfahren

Um einschätzen zu können, welche Rekrutierungswege, welche Auswahlverfahren und welche Auswahlkriterien Organisationen der Weiterbildung präferieren, ist es notwendig, nicht nur Indikatoren für ihre Größe und ihr Themenspektrum zu berücksichtigen, sondern auch das Tätigkeitsspektrum der verantwortlichen, zumeist hauptberuflichen Mitarbeitenden in den Blick zu nehmen. Bei den befragten Personen innerhalb der Weiterbildungseinrichtungen handelt es sich mehrheitlich um Einrichtungsleitungen, deren Tätigkeitsfelder sehr vielfältig sind. Innerhalb der Einrichtungen existieren vielfältige Mischungen von Aufgaben, wie ein Blick auf Abb. 2 verdeutlicht: Im Durchschnitt benennen die Befragten sieben von zehn angebotenen Tätigkeitsfeldern.

Abb. 2
figure 2

Tätigkeitsfelder der Auskunftspersonen der befragten Weiterbildungseinrichtungen (absolute Häufigkeiten, Mehrfachnennung)

Deutlich anders stellt sich die Situation in Betrieben dar. Dass in betrieblichen Kontexten eine höhere Spezialisierung der Funktionen bzw. Aufgabenbereiche vorliegt, zumal bei größeren Betrieben und Verwaltungen, wie sie in diese Stichprobe überrepräsentiert sind, ist durch Forschung und Bildungsberichterstattung vielfach bestätigt (s. oben). Entsprechend geben bei der Frage nach ihrer Funktion innerhalb des Betriebs über 90 % der befragten Personen nur eine einzige Funktion an. Gemäß der Zielgruppendefinition der telefonischen Einrichtungsbefragung konzentrieren sich die offen abgefragten Tätigkeitsfelder hauptsächlich auf den Bereich des Personalmanagements (z. B. „Personalabteilung“, „Personalleiter“, „Personalverwaltung“ u. ä.), der vermutlich mehrere konkrete Tätigkeiten umfasst.

Mit dem Tätigkeitsspektrum der Verantwortlichen in Weiterbildungseinrichtungen, Betrieben und Verwaltungen, der Zahl der zu rekrutierenden Lehrkräfte und der Breite des Themenspektrums variieren auch Zahl und Art der bevorzugten Rekrutierungswege.

Die durchschnittliche Anzahl der genannten Rekrutierungswege (bis zu 13 mögliche Nennungen) variiert je nach Kontext. Öffentliche-rechtliche Anbieter nutzen im Durchschnitt die höchste Anzahl an Rekrutierungswegen (6,83), gefolgt von Anbietern im Kontext der Gemeinschaften (5,66), im Kontext des Marktes (4,9) und im Kontext der Unternehmen (3,73). Die Unterschiede sind statistisch hoch signifikant, eine einfaktorielle Varianzanalyse verweist auf einen gemeinsamen Varianzanteil von nahezu 13 % (Adj R‑squared = 0,128).

Über Unterschiede in der Art der genutzten Rekrutierungswege informiert Tab. 4.

Tab. 4 Rekrutierungswege nach Reproduktionskontexten: Ja (= genannt)

Nimmt man das der Tabelle zugrundeliegende Ranking über alle Rekrutierungswege und Kontexte hinweg zum Ausgangspunkt, so fällt zunächst auf, dass zeitaufwändige und damit kostenintensive Rekrutierungswege wie die Beauftragung von Personalvermittlern oder die Durchführung von Recruiting-Veranstaltungen selten genutzt werden. Deutlich häufiger kommen auf einen breiten Kreis möglicher Bewerbungen zielende Verfahren wie Stellenanzeigen in Printmedien, im Internet, in sozialen Medien oder auf Homepages zum Einsatz. Besonders häufig aber werden jene Rekrutierungswege genutzt, die sich auf eigene (Ansprache nach Kursteilnahme oder nach einem bereits erfolgten Arbeits- oder Honorarvertrag) oder fremde (Kooperation mit Einrichtungen, Empfehlungen Dritter) Erfahrungen mit Lehrkräften stützen.

Zusätzlich zeigen die statistischen Tests unterschiedlich starke, teils mittlere, teils schwache signifikante Zusammenhänge, die darauf hindeuten, dass Kontextmerkmale der Anbieter mit der Art der Rekrutierungswege zusammenhängen. Dort, wo mehr Rekrutierungswege zum Einsatz kommen, wird auch unspezifischer rekrutiert (zusätzlich zu direkten Ansprachen im Anschluss an Empfehlungen Dritter oder bereits durchgeführte Lehraufträge) durch Ausschreibungen auf Homepages, im Internet, durch Reaktionen auf Initiativbewerbungen etc. Dort, wo weniger Rekrutierungswege genutzt werden, werden gezielte, auf unterschiedlich beglaubigte Erfahrungen gestützte Suchen nach Lehrkräften favorisiert (durch direkte Ansprache im Anschluss an konkrete Lehrerfahrungen oder aufgrund von Empfehlungen durch Dritte). Weiterbildungseinrichtungen im Kontext des Staates und der Gemeinschaften rekrutieren insofern ähnlich, als sie zusätzlich zu gezielter Ansprache auch breitenwirksame Rekrutierungswege einsetzen. Betriebe und Verwaltungen legen dagegen besonderes Gewicht auf eigene Ansprache im Anschluss an Empfehlungen Dritter, auf Kooperation mit anderen Einrichtungen oder auf die Ansprache im Anschluss an eigene Kursteilnahmen. Einrichtungen im Kontext des Marktes schließlich bevorzugen eigene Ansprachen von Lehrkräften auf Empfehlungen Dritter, reagieren häufig aber auch auf Initiativbewerbungen.

Tab. 5 präsentiert, ähnlich wie Tab. 4, die in der Befragung angebotenen Auswahlverfahren in der Rangfolge ihrer Nutzung und informiert damit zugleich über die präferierten Auswahlverfahren und die dabei beobachtbaren kontextspezifischen Differenzen im Blick auf die Zahl und die Präferenz für unterschiedliche Auswahlverfahren.

Tab. 5 Auswahlverfahren nach Reproduktionskontexten: Ja (= genannt)

Auch hier zeigt sich wieder, wie schon bei den Rekrutierungswegen, dass jene Verfahren, die zeit- und kostenaufwändig sind (Assessment Center, Eignungs- und Persönlichkeitstests), seltener, jene, die eigene Erfahrungen mit Lehrkräften nutzen (Probeseminare, Prüfung von Seminarkonzepten), häufiger, und jene, die auf beglaubigte Erfahrungen Dritter abstellen (Einholen von Meinungen anderer), insgesamt am häufigsten zum Einsatz kommen. Blickt man auf den Kontextvergleich, so zeigen sich insgesamt einige statistisch signifikante, zumeist schwache, gelegentlich mittlere Unterschiede. Im Kontext der Gemeinschaften werden, wie im öffentlich-rechtlichen Kontext, Bewerbungsgespräche favorisiert, im Kontext der Unternehmen ist es das Einholen der Meinungen anderer und im Kontext des Marktes sind es neben dem Einholen der Meinungen anderer auch Bewerbungsgespräche.

5.2 Auswahlkriterien

Wie in Kap. 3 erläutert, nutzen wir insbesondere die Auswahlkriterien, um Informationen darüber zu erhalten, welche Schließungsstrategien und welche Schließungsmechanismen Mitarbeitende in Organisationen der Weiterbildung verfolgen bzw. in Rechnung stellen (müssen), wenn sie Lehrkräfte rekrutieren. Wir unterscheiden auf der Basis eines adaptierten Occupational-Closure-Modells zwischen institutionalisierten und sozial konstruierten Auswahlkriterien: „Lizensierungen“ (formale pädagogische oder formale fachliche Qualifikationen), „Beglaubigungen und Nachweise“ (Teilnahme an pädagogischer Weiterbildung als institutionelle Beglaubigung, mehrjährige praktische Berufserfahrung, bestimmte pädagogische Grundüberzeugungen oder Erfahrungen mit der Zielgruppe als soziale Beglaubigungen) sowie „Zertifizierungen“ (zertifizierte erwachsenenpädagogische Kompetenzen; psychologische oder therapeutische Zusatzqualifikation; eine Ausbildung als Trainerin oder Coach).

Betrachtet man die Auswahlkriterien kontextübergreifend, so zeigt sich zunächst, dass „Zertifizierungen“ (zertifizierte erwachsenenpädagogische Qualifikationen, psychologische oder therapeutische Zusatzqualifikationen, eine Ausbildung als Coach oder Trainer) weniger wichtig genommen werden, ebenso wie fremdsprachige Kompetenzen oder die Teilnahme an pädagogischer Weiterbildung. Von teils sehr hoher, teils mittlerer Wichtigkeit sind erfahrungsgestützte, sozial konstruierte „Beglaubigungen“ von Kompetenz und Passung (Erfahrungen mit der Zielgruppe, damit in Verbindung stehend wohl auch Methodenkompetenz, pädagogische Werte und Grundüberzeugungen, mehrjährige Erfahrung als Lehrkraft, wichtiger noch: mehrjährige praktische Berufserfahrung). Aber auch „Lizensierungen“ (formale fachliche und formale pädagogische Qualifikationen) wird hohe Wichtigkeit zugeschrieben.

Kontextspezifische Unterschiede, die bei bivariater Betrachtung statistisch signifikant sind (zumeist schwach, gelegentlich aber auch eine mittlere Stärke erreichend), finden sich bei „Lizensierungen“ (formale pädagogische Qualifikationen, formale fachliche Qualifikationen), bei „Zertifizierungen“ (Nachweis von Weiterbildungen als Trainerin oder Coach) sowie bei sozial konstruierten „Beglaubigungen“ (pädagogische Werte und Grundüberzeugungen). Formale pädagogische Qualifikationen werden in den Kontexten des Staates und der Gemeinschaften, aber auch im Kontext des Marktes vergleichsweise wichtig genommen, während im Kontext der Betriebe (gleichsam als funktionales Äquivalent) eine Zertifizierung als Trainerin oder Coach stärker beachtet wird als in anderen Kontexten. Formale fachliche Qualifikationen werden in allen Kontexten sehr wichtig genommen, weniger jedoch im Kontext der Unternehmen, die wie Einrichtungen im Kontext des Marktes mehrjährige Berufserfahrung stärker gewichten. Pädagogische Werte und Grundüberzeugungen werden insbesondere bei Weiterbildungseinrichtungen von Werte- und Interessengemeinschaften sehr wichtig genommen, ebenso wie bei öffentlich anerkannten Weiterbildungseinrichtungen, während sie in Unternehmen keinen hohen Stellenwert als Auswahlkriterium haben. Die kontextspezifisch unterschiedliche Gewichtung fremdsprachiger Kompetenzen geht vermutlich auf ihre besondere Bedeutung im Kontext des Marktes zurück, wo Weiterbildungseinrichtungen agieren, die sich auf Sprachunterricht konzentriert haben. Keine statistisch signifikanten Unterschiede zeigen sich bei Kriterien wie mehrjähriger Tätigkeit als Lehrkraft, bei psychologischen oder therapeutischen Zusatzqualifikationen sowie bei Methodenkompetenzen.

Multivariate statistische Analysen, die schätzen, welche zusätzliche Varianz über die Kontextmerkmale hinaus durch Organisationsmerkmale wie die Zahl der Honorarkräfte, die Anzahl Rekrutierungswege oder den Wettbewerbsdruck aufgeklärt werden kann, erwiesen sich als unergiebig (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Wichtigkeit ausgewählter Auswahlkriterien nach Reproduktionskontexten

6 Interpretation der Befunde und offene Fragen

Die hier präsentierten Befunde erlauben erstmals eine kontextübergreifende Analyse der Rekrutierungsstrategien von Verantwortlichen in Organisationen der Weiterbildung und reichen damit über segmentspezifische Fallstudien hinaus. Rekrutierungswege, Auswahlverfahren und Auswahlkriterien können auf der Grundlage der TAEPS-Daten differenziert beschrieben und im Blick auf Zusammenhänge mit kontext- und organisationsbezogenen Merkmalen analysiert werden. Nach den hier präsentierten Befunden ist der Arbeitsmarkt für Lehrkräfte der Weiterbildung offensichtlich ebenso wenig ein „Jedermannsarbeitsmarkt“ wie er berufsfachlich oder gar professionell strukturiert ist (Sengenberger 1987), jedenfalls dann nicht, wenn man die Weiterbildung als Ganzes betrachtet. Vielmehr lassen sich unterschiedliche Teilarbeitsmärkte identifizieren, in denen institutionell definierte „Lizenzen“ und „Beglaubigungen“ für die Rekrutierung von Lehrkräften ebenso bedeutsam sind wie auf sozial geteilten Erfahrungen beruhende Zuschreibungen von Kompetenz und Passung. Unverzichtbar für eine Beschäftigung als Lehrkraft scheint jedoch weder das eine noch das andere; allerdings erhöht und mindert das Vorliegen dieser Kriterien die Wahrscheinlichkeit, rekrutiert zu werden. Demgegenüber spielen „Zertifizierungen“ als Auswahlkriterium nur eine geringe Rolle, wohl deshalb, weil sie nur von geringer quantitativer Bedeutung sind. Insofern entscheiden die Rekrutierenden in Organisationen der Weiterbildung in hohem Maße über Struktur und Entwicklung des Arbeitsmarktes der Weiterbildung. Theoretisch bedeutet dies, dass derzeit primär die Organisationen der Weiterbildung bzw. die in ihnen verantwortlichen Mitarbeitenden Professionalisierungsprozesse für Lehrkräfte eröffnen oder verschließen, weniger die (nur in geringem Maße) gewerkschaftlich oder berufsständisch organisierten Lehrkräfte (vgl. Martin et al. 2016). Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Mechanismen zur Schließung des Arbeitsmarktes der Weiterbildung wie die Begrenzung des Arbeitskräfteangebots, die Erhöhung der Nachfrage einer Lehrdienstleistung, die Festigung des Anspruchs einer bestimmten Berufsgruppe zur Erbringung der interessierenden Dienstleistung oder die Signalisierung besonderer Qualität noch wenig sichtbar sind. Ob sich dies ändert, sollte der Fachkräftemangel auch die Weiterbildung erreichen, wird zu beobachten sein (vgl. Schrader und Kohl 2022).

Betrachtet man die präferierten Rekrutierungswege, die eingesetzten Auswahlverfahren und die bevorzugten Auswahlkriterien, so zeigen sich zum einen kontextübergreifende Gemeinsamkeiten, aber auch statistisch teils schwache, teils mittlere kontextspezifische Differenzen, die Ausdruck unterschiedlicher Handlungslogiken und Beschäftigungsstrategien sind. Angesichts der gleichsam alltäglichen Notwendigkeit, neue Lehrkräfte zu rekrutieren bzw. bereits bekannte Lehrkräfte weiter zu beschäftigen, werden Rekrutierungsstrategien bevorzugt, die eine breite Zielgruppe ansprechen (über Ausschreibungen auf Homepages und in Printmedien) und die sich zugleich zeit- und arbeitsökonomisch bewältigen lassen (z. B. Bewerbungsgespräche im Vergleich zu Assessment-Centern). Gleichzeitig spielen erfahrungsbasierte Rekrutierungen (Einholen der Meinung anderer, Prüfung von Seminarkonzepten, Arbeitsproben) eine große Rolle. Ähnlich stellt sich die Situation bei den Auswahlverfahren dar. Aufwändige Auswahlverfahren wie Assessment-Center oder der Einsatz von Eignungs- und Persönlichkeitstest werden selten genutzt, erfahrungsbasierte Zuschreibungen von Kompetenz und Passung (Probeseminare, Prüfung von Seminarkonzepten; am häufigsten: Einholen von Meinungen Dritter) kommen häufiger zum Einsatz.

Als Auswahlkriterien sind Lizenzen wie formale fachliche oder formale pädagogische Qualifikationen ebenso bedeutsam wie sozial konstruierte Beglaubigungen von Kompetenz und Passung (Erfahrungen mit der Zielgruppe, damit in Verbindung stehend wohl auch Methodenkompetenz, pädagogische Werte und Grundüberzeugungen, mehrjährige Erfahrung als Lehrkraft, wichtiger noch: mehrjährige praktische Berufserfahrung). Allein Zertifizierungen spielen eine nur geringe Rolle, da kaum etabliert. Darüber hinaus zeigen sich theoretisch überwiegend erwartbare kontextspezifische Differenzen in der je spezifischen Mischung von Kriterien wie Zertifikaten oder institutionell verankerten bzw. sozial konstruierten Beglaubigungen und Nachweisen. So werden im Kontext der Gemeinschaften, wo mittelfristige Kooperationen angestrebt werden, neben formalen Kriterien insbesondere im fachlichen Bereich (bei Einrichtungen von Interessengemeinschaften wie Berufsverbänden oder Kammern) auch pädagogische Werte und Grundüberzeugungen (bei Einrichtungen von Wertegemeinschaften wie Kirchen) hoch gewichtet. Im öffentlich-rechtlichen Kontext werden bei der Rekrutierung überwiegend nebenberuflich tätiger Lehrkräfte formale pädagogische Qualifikationen vergleichsweise hoch gewichtet, zum einen aufgrund rechtlicher Vorgaben etwa in Weiterbildungsgesetzen der Länder, zum anderen aufgrund des Selbstverständnisses als öffentlich geförderte Bildungseinrichtungen. Im Kontext der Unternehmen, in dem auch mittel- bis längerfristige Verträge geschlossen werden, werden zwar ebenfalls formale fachliche Qualifikationen, vor allem aber mehrjährige Berufserfahrung hoch gewichtet. Zudem ist das Einholen der Meinung anderer oder die Kooperation mit anderen Einrichtungen bei der Rekrutierung von vergleichsweise großer Bedeutung. Am ehesten spielen hier auch Zertifizierungen eine gewisse Rolle, da sich Trainerinnen, Coaches und Beraterinnen in diesem Kontext berufsständisch organisiert haben und Berufszugang und Berufsausübung zu reglementieren versuchen, indem sie entsprechende Zertifizierungen anbieten und gleichzeitig versuchen, Honorarordnungen durchzusetzen (https://www.bdvt.de/bdvt-wAssets/docs/berufsverband/Honorarempfehlung_2020.pdf). Und im marktlichen Kontext, in dem nicht nur kurzfristige, sondern auch mittelfristige vertragliche Vereinbarungen angestrebt werden, beobachten wir eine spezifische Mischung aus formalen fachlichen Qualifikationen und der Einholung von Meinungen anderer, ergänzend zu Bewerbungsgesprächen. Insgesamt erscheint die Mischung aus einem Rückgriff auf Lizenzen und Beglaubigungen mit sozial konstruierten Zuschreibungen von Kompetenz und Passung als eine Strategie, die konstitutiven Informationsdefizite und Informationsasymmetrien zwischen Programmverantwortlichen und Lehrkräften auf einem nur gering reglementierten Arbeitsmarkt in ihrer Komplexität dadurch zu reduzieren, dass bei der Rekrutierung auch auf Vertrauen in Erfahrungen oder auf Bindung zu Gemeinschaften gesetzt wird, teils ergänzend, teils komplementär zu formalen Kriterien (vgl. Schrader 2001). Auf die Frage, welche prognostische Validität die kontextspezifisch bevorzugten Mischungen aus Rekrutierungsstrategien haben, wie erfolgreich sie sind im Blick auf die Gewinnung einer „guten“ und „passenden“ Lehrkraft, hat die Weiterbildungsforschung noch keine Antwort. Folgt man den Befunden der Lehrerbildungsforschung, so scheint die prognostische Validität von Zertifikaten und formalen Abschlüssen gegenüber dem Nachweis praktischer Erfahrungen vergleichsweise hoch (OECD 2018).

Neben diesen Befunden bleiben aber auch eine Reihe offener Fragen, deren Beantwortung künftigen Arbeiten vorbehalten bleibt. Zunächst ist zu betonen, dass die hier vorliegenden Daten lediglich über Rekrutierungswege, Auswahlverfahren und Auswahlkriterien informieren, die praktiziert und favorisiert werden. Noch nicht erfasst sind damit konkrete Entscheidungsprozesse, die immer auch dadurch geprägt sind, dass zwischen ggfls. konkurrierenden Kriterien abgewogen werden muss – in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage nach Lehrkräften, die mehr oder weniger definierte Erwartungen erfüllen. Auch die Sicherheit, mit der Rekrutierende ihre Auswahlentscheidungen treffen, und die Folgen, die das für die Fortsetzung der Zusammenarbeit hat, verdient Aufmerksamkeit.

Wir haben zudem zwar zum einen kontextspezifische Differenzen in den Rekrutierungsstrategien beobachten können, zum Teil aber auch große kontextinterne Varianz. Diese Beobachtung lädt dazu ein, kontrastierende qualitative oder auch quantitative Fallstudien durchzuführen, die sowohl die Kompetenzen, das Selbstverständnis und die Ressourcen der Rekrutierenden, das Wissen und Können der Lehrkräfte sowie das themenspezifisch variierende Verhältnis von Angebot und Nachfrage an „passenden“ Lehrkräften in Rechnung stellen. Genauer zu untersuchen wäre zudem, ob sich bei Rekrutierungsstrategien, kontextspezifisch oder kontextübergreifend, auch differentielle Effekte beobachten lassen, indem etwa Merkmale der Lehrkräfte wie Geschlecht oder Einwanderungsgeschichte Rekrutierungsentscheidungen beeinflussen (vgl. Weeden 2002, S. 59 im Anschluss an Weber 1976). Auch die Zufriedenheit mit und die Akzeptanz von Rekrutierungsentscheidungen durch Lehrkräfte stellt ein Forschungsdesiderat dar. Von besonderem Interesse scheinen zudem die Effekte unterschiedlicher Rekrutierungsstrategien nicht nur auf das Einkommen der Lehrkräfte, sondern auch auf nicht-monetäre Erträge (so bereits als Option benannt bei Weeden 2002, S. 57) wie soziale Anerkennung, professionelles Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen. Aufgrund der Vielzahl der notwendigen Rekrutierungen, der bestehenden Informationsasymmetrien und der damit einhergehenden Unsicherheit, die Kompetenz von Lehrkräften verlässlich einzuschätzen, besteht das Risiko adverser Selektionen (grundlegend Akerlof 1970), indem jene, die ihre pädagogischen Kompetenzen hoch einschätzen, aber sich dafür nicht angemessen anerkannt sehen, gezielt nach anderen Beschäftigungsfeldern suchen und damit den drohenden Fachkräftemangel in der Weiterbildung verschärfen. Die verlässliche und fundierte Rekrutierung von Lehrkräften bleibt also eine große Herausforderung für die Bildungspraxis, allerdings nicht nur in der Erwachsenen- und Weiterbildung, sondern auch im Schulbereich, wie internationale Studien zeigen (Klassen und Kim 2021). Ein Grund für Zufriedenheit ist das nicht.