1 Einleitung

Bereits vor mehr als dreißig Jahren attestierte Hans Tietgens insbesondere den Organisationen der öffentlich anerkannten Erwachsenenbildung eine „Nothelferfunktion“ und kritisierte zugleich ihre Reduktion darauf in Teilen der öffentlichen Wahrnehmung (vgl. Tietgens 1986). Auch aktuell werden der Erwachsenenbildung Aufgaben zugetragen, die diese Bezeichnung rechtfertigen (vgl. Schrader 2017) und sie vor mindestens zwei große Herausforderungen stellen: Die erste umfasst – bereits seit längerem – den erfolgreichen Spracherwerb von Migrantinnen und Migranten sowie – gegenwärtig besonders – von Geflüchteten und Vertriebenen. Dabei übersteigt die Nachfrage durch die hohe Zahl der Geflüchteten und Vertriebenen nach Deutschland die vorhandenen Angebotskapazitäten im Bereich Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache (vgl. DVV 2015). Zweitens hat insbesondere die öffentlich verantwortete Erwachsenenbildung die ihr zugeschriebene Aufgabe übernommen, gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten (funktionaler) Analphabeten zu verbessern. Dies trifft zunächst für deutschsprachige Erwachsene zu, aber auch für Zugewanderte, die in ihrem Heimatland keine hinreichenden schriftsprachlichen Kompetenzen erworben haben. So gilt, dass Lehrende mit einer Heterogenität von Lerngruppen im Hinblick auf das Vorwissen, die Herkunftssprachen, die kognitiven Fähigkeiten und die Motivationen konfrontiert werden, die deutlich größer als im schulischen Bereich ist. Dass die Bedeutung dieser Herausforderung gesellschaftlich wahrgenommen wird, zeigt sich unter anderem in der Ausrufung der Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung 2016–2026 durch Bund und Länder (vgl. BMBF/KMK 2016), die von einem breiten Bündnis zivilgesellschaftlicher Akteure gestützt wird. Die zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in diesem Feld, die teils bereits aus vorangegangenen Förderprogrammen stammen, sind inzwischen auch in einem viel beachteten Handbuch dokumentiert (vgl. Löffler und Korfkamp 2016). Der Erwerb der Landessprache, d. h. der in der jeweiligen Gesellschaft favorisierten Verkehrssprache, wird auch in mehrsprachigen Gesellschaften (vgl. Gogolin 2013) weithin unbestritten als eine elementare Voraussetzung für die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt betrachtet. Diese verbreitete Überzeugung stützt sich auf empirische Befunde, die zeigen, dass ein erfolgreicher Spracherwerb positive Auswirkungen auf spätere Erwerbssituationen hat (für Zugewanderte z. B. Deeke 2011; Isphording und Sinning 2012), aber auch die Teilhabe an sozialen Aktivitäten befördert (Costa et al. 2014).

Doch was wissen wir über die Voraussetzungen und Gelingensbedingungen eines erfolgreichen Spracherwerbs Erwachsener? Welche Rolle spielen das Vorwissen und die Kompetenzen sowohl der Lernenden als auch der Lehrenden? Unter welchen didaktischen Bedingungen und auf welche Weise werden Lehr-Lernprozesse wirksam? Welche Konzepte, Methoden und Materialien versprechen Erfolg, und wie lassen sie sich angemessen einsetzen? Der folgende Literaturüberblick sichtet den nationalen und internationalen Forschungsstand zum Spracherwerb Erwachsener dahingehend, welche Fragen die Wissenschaft der Erwachsenenbildung und andere Wissenschaftsdisziplinen stellen und zu welchen Ergebnissen sie dabei kommen.

2 Ziel des Beitrags und methodisches Vorgehen

Das Ziel dieses Beitrags ist es, den aktuellen Forschungsstand dahingehend zu sichten und zu analysieren, auf welche Art und Weise der Spracherwerb Erwachsener in den letzten Jahren beforscht wurde. Dabei konzentrieren wir uns auf jene Lehr-Lernprozesse, die Kompetenzen in der jeweiligen Landessprache fördern sollen. Je nach biographischer Lebenssituation der Adressaten handelt es sich also um Prozesse des Zweitspracherwerbs, des Fremdsprachenlernens und/oder der (funktionalen) Alphabetisierung. Nur vereinzelt betrachtet wird die Forschung zu Angeboten, die sich mit dem Fremdspracherwerb im Allgemeinen beschäftigen, d. h. mit dem Erlernen fremder Sprachen durch Personen, die nicht Zugewanderte sind oder die über hinreichende schriftsprachliche Kompetenzen verfügen (vgl. dazu Nolda 2017). Das Interesse ist darauf gerichtet, relevante Themen, Forschungsstrategien und Erkenntnisse zu sichten und Forschungsdesiderata zu benennen.

Für den Bereich Alphabetisierung haben Grosche und Schroeder (2013) in einem Überblicksartikel den aktuellen Forschungsstand sowie die aktuellen Forschungsdesiderata bereits aufgezeigt. Dieser Überblick ist allerdings weniger auf organisierte Lehr-Lernprozesse des Spracherwerbs (funktionaler) Analphabeten als vielmehr auf allgemeine Fragen der Alphabetisierungsforschung hin ausgerichtet. Für die Alphabetisierung von Migrantinnen und Migranten verweisen Feick und Schramm (2016) auf ein erst langsam steigendes Forschungsinteresse und stellen fest, dass bislang oft methodisch-didaktische und materialbezogene Fragen fokussiert werden. Diesen Adressaten widmet sich auch das so gennannte „LESSLA“-Netzwerk (Literacy Education and Second Language Learning for Adults), das 2005 mit dem Ziel gegründet wurde, die weniger gebildeten Zweitsprachenlernenden und Teilnehmenden an Alphabetisierungskursen in den Fokus wissenschaftlicher Forschung zu stellen. Die Aktivitäten umfassen sowohl Reviews zu Effekten experimenteller Spracherwerbsforschung (Kurvers et al. 2015) als auch empirische Arbeiten zu Fragen des Lehrens und Lernens bzw. zu didaktischen Materialen sowie zu Einstellungen und Überzeugungen verschiedener Akteure (z. B. Huettig 2015; Feldmeier 2015; Young-Scholten et al. 2015). Die Perspektiven der hier begonnenen Arbeit werden als positiv eingeschätzt (vgl. van de Craats et al. 2015; Feick und Schramm 2016, S. 215).

Der vorliegende Beitrag bietet einen breiter angelegten Überblick über aktuelle Forschungsfragen, methodische Zugänge und Befunde zum Spracherwerb Erwachsener. Die Literatur wird u. a. daraufhin gesichtet, ob eher theoriegenerierende (qualitative) oder eher theorieprüfende (quantitative) Studien durchgeführt wurden. Von Interesse sind zudem Befunde zu den Lehrenden, den Lernenden, deren Interaktion in Lehr-Lernprozessen sowie die Rolle didaktischer Materialien, insbesondere im Blick auf den Einsatz digitaler Materialien beim Spracherwerb.

Um diese Fragen zu beantworten, wurde eine breit angelegte Literaturrecherche durchgeführt. Dabei lag der Fokus auf empirischen Studien aus der Zeit von Januar 2010 bis Juli 2016. Zusätzlich wurden aber auch relevante Lehrwerke und didaktische Materialien erfasst. Im Kern ging es um Publikationen, die sich mit organisierten Lehr-Lernprozessen für Erwachsene beschäftigen. Die deutlich weiter entwickelte schulbezogene Forschung wurde hier aus Gründen der Arbeitsökonomie zunächst ebenso ausgeklammert wie ältere Forschungsarbeiten. Um das Thema Spracherwerb in allen Facetten zu erfassen und eventuelle Unterschiede zwischen den einzelnen Themenbereichen zu identifizieren, wurden Forschungsarbeiten aus den Bereichen Deutsch als Zweitsprache (DaZ), Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Alphabetisierung in die Recherche einbezogen. Wir teilen die verbreitete Auffassung, dass sich Lehr-Lernprozesse im Bereich DaF grundlegend von denen im DaZ-Bereich und in Alphabetisierungskursen unterscheiden. Während im DaF-Bereich Menschen im Heimatland eine Fremdsprache erwerben, ist im DaZ-Bereich das Erlernen der Sprache im Zielland gemeint. Mit dieser eher formalen Unterscheidung geht einher, dass in der Regel sehr unterschiedliche Adressatengruppen angesprochen sind, im ersten Bereich häufig gut qualifizierte, im zweiten Bereich auch gering qualifizierte Personen. Besonders für Geflüchtete und Vertriebene, die im Heimatland sozial- und bildungsbenachteiligt waren, ist ein erfolgreicher Spracherwerb ungleich anspruchsvoller, oft verstärkt durch psychische Probleme und Traumata. Für einen Überblicksartikel scheint es uns dennoch sinnvoll, alle drei Bereiche des Spracherwerbs Erwachsener in den Blick zu nehmen, da die Erkenntnisse aus den verschiedenen Bereichen (DaZ, DaF und Alphabetisierung) durchaus wechselseitig relevant sein können.

Für die Recherche wurden sowohl nationale als auch internationale Veröffentlichungen berücksichtigt. Neben der traditionellen Spracherwerbsforschung im Feld der Erwachsenenbildung, die jüngst von Nolda erneut als ein „vernachlässigtes Feld“ charakterisiert wurde (vgl. Nolda 1989, 2017), schließt die vorliegende Recherche auch Arbeiten aus benachbarten Disziplinen, wie z. B. der Linguistik, der Unterrichtsforschung und der Psychologie, ein.

Im deutschsprachigen Bereich wurden über das Fachinformationssystem Bildung (FIS-Bildung) alle Veröffentlichungen zum Spracherwerb im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung gesichtet. Hierbei handelt es sich um 209 Veröffentlichungen, die anhand der mit Platzhaltern versehenen Suchwörter „Spracherwerb“ und „erwachsene*“ sowie „*sprach*“ und „Erwachsene*“ als auch „*sprach*“ und „Weiterbildung“ erschlossen wurden. Für die internationale Forschung wurde die Suche mit Hilfe des Education Resources Information Center (ERIC) durchgeführt. Die Suche ist auf die Zeit von Januar 2015 bis Juli 2016 beschränkt, da die Anzahl der Treffer den Umfang der Analyse andernfalls enorm ausgeweitet hätte. Gesucht wurde nach referierten Beiträgen der Kategorie „second language learning“ aus dem Bereich „adult education“. Diese Suche ergab 47 Veröffentlichungen. Zusätzlich wurde die Suchmaschine Sagepub des SAGE-Publications Verlag anhand der Suchbegriffe „adult*“ und „language“ durchsucht. Hierdurch wurden weitere 58 Veröffentlichungen zum Spracherwerb Erwachsener identifiziert. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Literaturrecherche vorgestellt.

3 Ausgewählte Befunde

Im Rahmen der Literaturrecherche wurden insgesamt 314 Artikel erfasst und auf Basis ihrer Abstracts nach den oben aufgezeigten Kriterien kategorisiert. Unter den 314 Artikeln befanden sich auch Veröffentlichungen, die zwar in den Suchmaschinen als passend identifiziert worden waren, allerdings aus folgenden Gründen aus der weiteren Analyse ausgeschlossen wurden: 17 Artikel befassten sich ausschließlich mit dem Spracherwerb von Kindern und elf Berichte über Tagungen und Konferenzen präsentierten keine eigene Forschung. Ferner wurden 19 Veröffentlichungen nicht berücksichtigt, da sie mit maximal drei Seiten eher eine kurze Zusammenfassung als einen wissenschaftlichen Beitrag anboten. Acht der ausgeschlossenen Artikel behandelten im Kern soziologische oder andere nicht pädagogische Fragestellungen (z. B. nach den soziodemographischen Merkmalen der Teilnehmenden). Weitere sieben Veröffentlichungen widmeten sich zwar dem Spracherwerb Erwachsener, allerdings ohne Bezug auf organisierte Lehr-Lernprozesse. 16 Beiträge erwiesen sich schließlich aus sonstigen Gründen als nicht passend, da es sich z. B. um bildungspolitische Anfragen oder Stellungnahmen handelte.

Die 236 letztlich als passend zum Themenfeld Spracherwerb in der Erwachsenen- und Weiterbildung identifizierten Veröffentlichungen lassen sich wie folgt systematisieren (Tab. 1):

Tab. 1 Übersicht zu Veröffentlichungen und Untersuchungsdesigns (N = 236)a

111 der 236 Veröffentlichungen sind in englischer Sprache verfasst. Mit Blick auf die Forschungsmethodik lässt sich feststellen, dass sich 73 Arbeiten einem quantitativen Untersuchungsdesign und 50 Arbeiten einem qualitativen Design zuordnen lassen; weitere sechs Artikel stützen sich auf ein triangulierendes Vorgehen mit qualitativen und quantitativen Elementen. Des Weiteren finden sich im Analysepool neun systematische Reviews und 15 Überblicksartikel. 32 Veröffentlichungen beschreiben didaktische Methoden oder didaktische Konzepte, mit denen Lehrende den Spracherwerb Erwachsener unterstützen können. Neben einigen wenigen Veröffentlichungen, die keinem genauen Publikationstyp zugeordnet werden können, finden sich außerdem vereinzelt Plädoyers, Diskursaufsätze sowie ein historischer Aufriss zum Thema Spracherwerb.

Die Klassifizierung zeigt, dass mit 47 von 236 Veröffentlichungen mehr als jeder fünfte Artikel thematisch unter die Kategorie der Lehrbücher fällt oder als Handreichung zur Gestaltung und zum Einsatz didaktischer Materialien zu verorten ist (vgl. Tab. 1). 23 Artikel beschäftigen sich explizit mit Lehrenden (und deren subjektiven Überzeugungen). Demgegenüber ist die Anzahl der Publikationen, die sich mit Lernenden (und deren subjektiven Überzeugungen) befassen, fast doppelt so hoch (41 Veröffentlichungen). Die Mehrheit der Studien (91 Artikel) adressiert Fragen, die sich auf Lehr-Lernprozesse des Spracherwerbs beziehen. In Bezug auf den Einsatz digitaler Medien lässt sich feststellen, dass die Zahl der Veröffentlichungen, die digitale Medien und diesbezügliche Unterstützungsmöglichkeiten für Lehrende untersuchen (8), deutlich geringer ist als die Erforschung der Nutzungsmöglichkeiten für Lernende (14). Bemerkenswert ist auch, dass sich 58 Publikationen mit Unterrichts- und Kursmethoden zum Spracherwerb beschäftigen.

Bezüglich der sprachlichen Inhalte zeigt sich, dass 48 der 111 internationalen Veröffentlichungen gezielt den Erwerb von Englisch als Fremd- oder Zweitsprache untersuchen. Bei den 125 deutschen Veröffentlichungen gibt es 40 Veröffentlichungen, bei denen das Thema Alphabetisierung im Vordergrund steht, 32 adressieren explizit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und Deutsch als Fremdsprache (DaF). Weitere 18 Veröffentlichungen befassen sich mit der Frage, wie Sprachstanderhebungen angemessen durchgeführt bzw. gefördert werden können.

Ein erstes Zwischenfazit ergibt, dass der Spracherwerb Erwachsener national sowie international ein Thema mit Konjunktur ist. Gleichwohl fällt es aufgrund der vielen unterschiedlichen Facetten schwer, konkrete Forschungsschwerpunkte zu identifizieren. International geht es vor allem um Englisch als Zweit- oder Fremdsprache, im deutschsprachigen Raum wird insbesondere die Frage der Alphabetisierung sowie die Evaluation von Sprachlernmethoden beforscht. Dabei sind es neben der traditionellen Erwachsenenbildungsforschung Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Psychologie und der Linguistik, die den Spracherwerb in organisierten Lehr-Lernprozessen in methodologischer und thematischer Breite untersuchen. Das Spektrum reicht hierbei von einfachen Erfahrungsberichten über Fallstudien bis hin zu experimentellen Studien. Zur Veranschaulichung werden im Folgenden jeweils eine oder mehrere Studien zu thematisch bestimmten Schwerpunkten exemplarisch dargestellt. Die ausgewählten Beiträge repräsentieren typische Publikationen der jeweiligen Kategorie und versuchen, Thematik und Anlage der Forschungsarbeiten kontrastiv oder beispielhaft zu verdeutlichen.

3.1 Lehrbücher und die Gestaltung didaktischer Materialien

Einen ersten Forschungsschwerpunkt bilden Studien zur Gestaltung didaktischer Materialien in Lehrbüchern. Ein Beispiel für diesen Forschungsschwerpunkt stellt die Studie von Targonska (2015) dar, in der Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache für Erwachsene mit den Niveaustufen A2 und B1 (nach Gemeinsamem europäischen Referenzrahmen) untersucht wurden. Im Zentrum der qualitativen Analyse stand die Frage, inwieweit Kollokationen (häufig gebrauchte Wortverbindungen) in der gesprochenen und geschriebenen Sprache thematisiert werden. Mittels einer Analyse von Glossaren und lexikalischen Wortverbindungen wurde beurteilt, ob Kollokationen als ein spezifisches fachdidaktisches Thema Teil der Lehrwerke sind und wie sich Übungen hierzu gestalten. Targonska stellt nach Analyse zweier Lehrbücher fest, dass Übungen zu Kollokationen nicht explizit thematisiert werden und auch in den Glossaren kein Bezug darauf genommen wird. Aufgaben zu Kollokationen sind lediglich in andere Übungen eingeflochten. Abschließend fordert sie daher eine stärkere Thematisierung der Kollokationsproblematik in DaF-Lehrwerken.

Andere Untersuchungen beschäftigen sich mit der Bedeutung der didaktischen Gestaltung von Lehrmaterialien für Lehr-Lernprozesse. Hier lässt sich die Studie von LaBrozzi (2015) hervorheben, in der aufgezeigt wird, auf welcher Ebene die Gestaltung von didaktischen Materialien Lernprozesse beeinflussen kann. Aus pädagogischer und linguistischer Perspektive analysiert er, welchen Einfluss verschiedene Formen der Textanreicherung und Textdarstellung auf die Texterkennung und das Leseverständnis beim Zweitspracherwerb haben. In einem Experimental-Kontrollgruppen-Design wurde die Wirkung von zusätzlichen Textmitteln (Unterstreichungen, Schriftgrößen, Markierungen etc.) an n = 109 Personen untersucht. Die Studie zeigt, dass sich durch den Einsatz von Textmitteln zwar die Textwahrnehmung, nicht aber das Textverständnis der Experimentalgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe verbesserte.

Neben grundständigen Lehr- und Handbüchern zum Spracherwerb, die aufgrund der Kürze des Artikels nicht aufgeführt werden können, findet sich eine Vielzahl an themenspezifischen Veröffentlichungen, deren Typen im Folgenden kurz skizziert werden soll: Inhaltlich verbinden diese häufig Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung mit einer weiteren Disziplin. Beispielsweise zeigt Teuchert (2015) in ihrer Veröffentlichung praxisrelevante Ansätze zur Gesprächs- und Redepädagogik auf. Dabei stehen Informationen und Instrumente zur Beurteilung und Förderung mündlicher Kommunikation im Vordergrund. Zielgruppe des Werks sind Lehrende und Lernende, die sich mit mündlicher Kommunikation und Rhetorik beschäftigen. Das Lehrbuch bietet eine systematische Einführung in kommunikative Kompetenzen, welche in drei Teilbereiche unterteilt werden: Eigenkompetenz (z. B. die Wirkung unterschiedlicher Parameter im Sprechstil), Analyse- bzw. Diagnosekompetenz (z. B. die Einschätzung rhetorischer Leistungen) und drittens Lehrkompetenz (z. B. Vermittlungsprozesse). Heidler (2013) verbindet in ihrer Veröffentlichung den Spracherwerb mit Analysen zur Kapazität des Arbeitsgedächtnisses. Abgeleitet werden daraus Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten für Therapeutinnen und Therapeuten, aber auch Pädagoginnen und Pädagogen.

3.2 Lehrkräfte (und ihre subjektiven Überzeugungen)

Blickt man auf die Veröffentlichungen zur Gruppe der Lehrenden, lassen sich die drei Publikationen von Buss (2016), Larrotta et al. (2016) sowie Calvert und Sheen (2015) hervorheben. Die Bedeutung der Lehrenden für den Spracherwerb Erwachsener wird in diesen drei Arbeiten auf unterschiedlichen Abstraktionsgraden untersucht. Während Buss die Frage nach dem Einfluss wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Überzeugungen von Lehrenden erforscht, untersuchen Larrotta et al. den Einfluss bestimmter Methoden und Konzepte auf die Überzeugungen Lehrender. Auf mikrodidaktischer Ebene analysieren Calvert und Sheen, wie sich bestimmte Überzeugungen konstituieren und gegebenenfalls verändern lassen.

Buss (2016) geht der Frage nach, inwieweit die intensive Beforschung des Spracherwerbs und die damit einhergehende wachsende Zahl an Veröffentlichungen (z. B. zu Aussprachetrainings) Überzeugungen und Praktiken von Lehrenden beeinflusst. Ausgehend von einer internationalen Beschreibung des aktuellen Forschungsstands zu Überzeugungen von Lehrenden wurde eine online-gestützte Fragebogenstudie durchgeführt. Dabei wurden 60 Lehrende im Feld Englisch als Zweit- und Fremdsprache zu ihrem Lehrverhalten bei Aussprachetrainings befragt. Mittels Fragebogen konnten deskriptive Befunde zur Häufigkeit der Anwendung unterschiedlicher Aussprachetrainings sowie qualitativ analysierte Einstellungen der Lehrenden zu den verschiedenen Aussprachetrainings identifiziert werden. Buss stellt fest, dass Erkenntnisse aus der Forschung und aus aktuellen Studien den Lehrenden durchaus bekannt waren, diese sich jedoch weitere Unterstützungsmöglichkeiten zur Umsetzung dieser Befunde in der Praxis (z. B. Trainings) wünschten.

Larrotta et al. (2016) untersuchen die Rezeption von Lehrmethoden von Erwachsenenbildnerinnen und -bildnern. Sie erfassen, welchen Stellenwert Lehrende der Erwachsenenbildung aus dem Bereich Englisch als Fremd- oder Zweitsprache dem Konzept „Learning to learn“ beimessen. Unter Berücksichtigung von lerntheoretischen Überlegungen befragten sie dafür 24 Lehrende mittels eines Online-Fragebogens. Die qualitativ ausgewerteten Ergebnisse liefern nun Erkenntnisse darüber, welche Ansichten Lehrende über das Lernen ihrer Kursteilnehmenden haben, wie Learning-to-learn-Konzepte gestaltet werden und welche möglichen Erträge sich daraus für die Lernenden ergeben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit der Lehrenden das Learning-to-learn-Konzept im Sprachunterricht kennt und anwendet. Ihnen ist die Wirkung des Konzepts bewusst und sie schätzen es als dazu geeignet ein, Lernstrategien zum Spracherwerb mit den Lernenden zu thematisieren.

Auf der Ebene der Einstellungen und Überzeugungen von Lehrenden gegenüber neuen Kursmethoden untersuchen Calvert und Sheen (2015) mittels des Ansatzes der Aktionsforschung, welchen Einfluss Rückmeldungen zum Lernerfolg auf die Ansichten der Unterrichtsgestaltung von Sprachlehrenden haben. Die Autoren wandten im Selbstversuch die Unterrichtsmethode des Task-Based Learning an, indem sie handlungsorientierte Aufgaben für ihren eigenen Sprachkurs entwickelten, implementierten, evaluierten und modifizierten. Aufgrund dessen konnten sie feststellen, dass die Evaluation und anschließende Modifikation selbstentwickelter Aufgaben zum Spracherwerb zum einen den Lernerfolg bei den Lernenden und zum anderen die Ansicht und Einstellung der Lehrenden gegenüber den eingesetzten Methoden positiv beeinflusste.

3.3 Lernende (und ihre subjektiven Überzeugungen)

Im Bereich der Studien, die die Lernenden ins Zentrum der Spracherwerbsforschung stellen, dominieren neben traditionellen pädagogischen Zugängen aus der Alphabetisierungsforschung (z. B. Doberer-Bey 2013; Egloff und Grotlüschen 2011) auch psychologische Forschungsansätze, die die kognitiven Aspekte erfolgreichen Lernens adressieren (z. B. Ouellette-Schramm 2016).

Die Veröffentlichung von Doberer-Bey (2013) lässt sich als typische Publikation aus der Alphabetisierungsforschung beschreiben. Sie beschäftigt sich mit den Faktoren, die dem Erwerb schriftsprachlicher Kompetenzen entgegenwirken. Aufbauend auf den Ergebnissen qualitativer Interviews wurden systemische und biographische Faktoren identifiziert, die zum (funktionalen) Analphabetismus beitragen können. Nachdem die aktuelle Lebenssituation sowie das soziale und schulische Umfeld als mögliche Ursachen identifiziert wurden, untersucht die Autorin, inwieweit der Besuch von Alphabetisierungs- und Grundbildungskursen das Alltagsleben und die weiteren beruflichen und gesellschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Teilnehmenden beeinflusst. Hierbei stellt Doberer-Bey fest, dass die Lernenden durch Alphabetisierungskurse zu weiteren Lerngelegenheiten angeregt werden können, insofern die Lehrkraft es schafft, ein lernförderliches und von Vertrauen getragenes Kursklima zu erzeugen. Die Lernenden nehmen sich durch den Besuch von Alphabetisierungskursen oft als souveräner und selbstsicherer im Umgang mit alltäglichen Herausforderungen wahr.

Ähnliche Schwerpunkte setzt auch die sogenannte Verbleibstudie (Egloff und Grotlüschen 2011), in der in fünf Teilprojekten die aktuelle Lebenssituation von Kursteilnehmenden erhoben und analysiert wurde. Mit qualitativen und quantitativen Zugängen lieferten die Studienergebnisse Erkenntnisse zur Lebenslage von Kursteilnehmenden und zur Akzeptanz diagnostischer Instrumentarien bei Lernenden und Lehrenden. Mit Blick auf den Umgang Lehrender mit Diagnoseinstrumenten im Alphabetisierungsunterricht konnte u. a. gezeigt werden, dass der Diagnostikbegriff bei Lehrenden der Erwachsenenbildung polarisiert und vielfach mit einer selektiven Funktion verbunden und daher negativ besetzt ist. Darüber hinaus werden in weiteren Teilstudien Zugänge zum Feld der Alphabetisierung beschrieben und Herausforderungen bei der Datenerhebung, z. B. in der Studie Alphapanel (von Rosenbladt und Lehmann 2013), aufgezeigt.

Das Alphapanel erbrachte u. a. Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen der Dauer des Kursbesuchs und der schriftsprachlichen Kompetenz. Von Rosenbladt und Lehmann (2013) untersuchten in einer Längsschnittstudie mit 299 deutschsprachigen funktionalen Analphabeten, die an Kursen der Volkshochschulen teilnahmen, wie sich die Schriftbeherrschung über die Dauer des Kursbesuchs veränderte und wie sich die Lernenden selbst einschätzten. Die Studie zeigte auch einige kontrainduktive Ergebnisse. So stellen die Autoren z. B. fest, dass der Kursbesuch zwar zur sozialen Stabilisierung beiträgt, der durchschnittliche Grad der Schriftbeherrschung auf Kursebene jedoch nicht zu-, sondern abnimmt. Als Grund hierfür vermuten die Autoren, dass vor allem Teilnehmende mit Lernschwierigkeiten die Kurse länger besuchten (vgl. Rosenbladt und Lehmann 2013).

Doch nicht nur im Bereich der Alphabetisierungsforschung, sondern auch in der klassischen Spracherwerbsforschung Erwachsener finden sich Studien, die sich mit den Lernenden und deren subjektiven Überzeugungen und Ansichten befassen. Ouellette-Schramm (2016) erforscht z. B., welchen Einfluss sogenannte „developmental perspectives“ der Lernenden auf den Spracherwerb im Bereich Englisch als Zweitsprache haben. Ausgehend von Kegans Constructive-Development-Framework (Kegan 2003, cop. 1995) wird erfasst, welche unterschiedlichen Entwicklungsperspektiven die Lernenden in Spracherwerbskursen äußern. Kegan unterscheidet dabei drei Perspektiven; auf instrumentelle, auf sozialisierende und auf selbstbestimmte Entwicklungen. Während Lernende mit erstgenannter Perspektive den Lernprozess mittels einer dichotomen Richtig-Falsch-Kategorie als erfolgreich oder nicht erfolgreich bewerteten, orientierten sich Lernende mit sozialisierender Entwicklungsperspektive bei der Beurteilung des Lernprozesses an den Erwartungen anderer (in der Regel der Lehrenden). Lernende mit selbstbestimmten Entwicklungsperspektiven richteten sich beim Lernen primär an eigenen Vorstellungen aus. Für die Studie wurden neun Kursteilnehmende mit 18 teilstandardisierten Interviews und Kursbeobachtungen untersucht. Es konnten unterschiedliche Begründungszusammenhänge für den jeweiligen Spracherwerb identifiziert werden, die es ermöglichten, verschiedene subjektbezogene Entwicklungsperspektiven nachzuvollziehen. Oulette-Schramm schlussfolgert, dass sich die verschiedenen „developmental perspectives“ erwartungskonform des der Studie zugrunde liegenden theoretischen Modells von Kegan zuordnen lassen. Personen mit einer eher instrumentellen Entwicklungsperspektive verwiesen bei der Frage nach erfolgreichen Lernprozessen auf Situationen, in denen sie eine Übung lösen konnten. Lernende mit sozialisierender Entwicklungsperspektive beschrieben sich selbst als erfolgreich, wenn sie den Anforderungen des Lehrenden gerecht wurden und Fähigkeiten erworben hatten, um Transferprobleme im Sprachbereich erfolgreich zu lösen. Lernende mit einer selbstbestimmten Entwicklungsperspektive orientierten sich dagegen bei der Bewertung erfolgreicher Lernereignisse an ihren eigenen Erwartungen und bewerteten oft den dabei erlebten Lernprozess.

Rüsseler et al. (2011) untersuchen in ihrer Studie schließlich grundlegende Wahrnehmungsfunktionen bei erwachsenen funktionalen Analphabeten im Vergleich zu Kindern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS). Den Ausgang der Untersuchung bildeten psychologische Annahmen darüber, dass funktionaler Analphabetismus durch Wahrnehmungsdefizite bei den Lernenden bedingt sein könnte. Dabei stützten sich die Autoren unter anderem auf Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung zur LRS und zur phonologischen Bewusstheit. In der Studie, an der 60 funktionale Analphabeten, 30 Kinder mit LRS und 60 normal lesende Erwachse teilnahmen, stellten die Autoren fest, dass letztere über deutlich bessere Wahrnehmungsfunktionen verfügten als funktionale Analphabeten. Zwischen funktionalen Analphabeten und Kindern mit LRS gab es hingegen keine Unterschiede. Die Ergebnisse lassen nach Meinung der Autoren eine Schulung der Wahrnehmungsfähigkeiten in Alphabetisierungskursen sinnvoll erscheinen.

3.4 Lehr-Lernprozesse

Betrachtet man empirische Studien, die als Untersuchungsgegenstand die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden adressieren, findet sich eine breite und methodisch heterogene Zahl an Arbeiten, von denen die Folgenden einen exemplarischen Eindruck geben. Während durch die Literaturrecherche 42 Studien identifiziert werden konnten, die die Lernenden in den Fokus rückten, existieren im Bereich der Forschung zu den Lehrenden nur etwa halb so viele Studien (24 Publikationen). Empirische Studien zu Lehr-Lernprozessen dagegen sind mit 92 Veröffentlichungen deutlich häufiger zu finden. Zwei Drittel (63 Publikationen) dieser Studien wurden international veröffentlicht.

Die Studie von Rassaei (2015) ist ein exemplarisches Beispiel für Forschungsfragen, die in diesem Bereich häufig gestellt werden. Rassaei betrachtet, welche Bedeutung das psychologische Merkmal der Feld(un)abhängigkeit für die Fehlerkorrektur in Sprachkursen hat. Ausgehend von Studien, die belegen, dass Menschen sich hinsichtlich ihres Wahrnehmungsstils in zwei Gruppen aufteilen lassen (Personen mit feldabhängigem, d. h. auf die Wahrnehmungsumgebung fixiertem, und feldunabhängigem, d. h. auf den wahrzunehmenden Gegenstand selbst fixiertem Wahrnehmungsstil), untersucht Rassaei die Frage, ob diese beiden Gruppen von unterschiedlichen Formen der Fehlerkorrektur profitieren. Analysiert wurden dabei die Aussprache- und Schreibfähigkeit der Teilnehmenden in der Zielsprache Englisch. Hierzu konnte in einem Experimental-Kontrollgruppen-Design mit Pre‑, Post- und Follow-up-Testung an n = 76 Teilnehmenden gezeigt werden, dass Lernende mit feldunabhängigem Wahrnehmungsstil von Fehlerkorrekturen der Lehrenden profitierten. Lernende mit feldabhängigem Wahrnehmungsstil sowie die Kontrollgruppen, die keinerlei Fehlerkorrektur im Sprachkurs erhielten, zeigten keinen signifikanten Leistungszuwachs.

Im Bereich der Blended-Learning-Forschung lässt sich die Studie von Frederiksen und Laursen (2015) hervorheben, da sie als klassische Evaluationsstudie der Lehr-Lern-Forschung einzuordnen ist. Die Autoren sind im Bereich Nordische Studien und Linguistik sowie Wissenschaftssprache tätig. Im Rahmen der Studie wurde ein Sprachkurs für Dänisch am Arbeitsplatz entwickelt, der sowohl Präsenz- als auch Online-Formate enthielt. Mit einem Fragebogen wurden 167 Kursteilnehmende zur gelungenen Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien befragt. Anschließend wurden 71 Fragebögen deskriptiv ausgewertet. Die Anreicherung des klassischen Kursformats mit Online-Einheiten beurteilten die Lernenden positiv. Besonders die freie Zeiteinteilung zur Bearbeitung der Online-Einheiten wurde als hilfreich eingeschätzt.

Auch Pulker und Vialleton (2015) beschäftigen sich im Bereich Linguistics and Language mit der Frage, wie sich vorhandene Blended-Learning- und Online-Learning-Konzepte für Spracherwerb in der Erwachsenenbildung adaptieren lassen bzw. welche Anforderungen und Schwierigkeiten bei der Kombination von Spracherwerb in Präsenz- und Online-Phasen auftreten können. Hierzu wurden Interviews mit Kursteilnehmenden aus einem Blended-Learning-Seminar geführt, die den Kurs entweder abgebrochen oder keine Prüfungsleistung abgegeben hatten. Die Interviews wurden anschließend inhaltsanalytisch ausgewertet und theoriegestützt kodiert. Pulker und Vialleton identifizieren Faktoren wie fehlende soziale Interaktion und Unklarheiten in der Bedienung und Nutzung der Online-Lern-Umgebung als mögliche Ursachen für gescheiterte Lehr-Lern-Arrangements.

3.5 Nutzung digitaler Medien für Lernende

Die Forschung zu digitalen Medien und Spracherwerb Erwachsener ist noch sehr übersichtlich, hat aber in den letzten Jahren zugenommen. Dies lässt sich am Erscheinungsdatum der einschlägigen Studien erkennen.

Ausgehend vom Interaktionsansatz der Zweitspracherwerbsforschung beschäftigen sich Rouhshad et al. (2016) beispielsweise mit der Frage, wie digitale Medien bei der Methode der Gesprächsführung wirksam eingesetzt werden können. Mit Verweis auf aktuelle Studienergebnisse zeigen sie, dass die Methode der Gesprächsführung den Zweitspracherwerb maßgeblich begünstigt, da sie Raum für Feedback und Korrekturen durch den Lehrenden ermöglicht. Die Autoren untersuchten, inwiefern es einen Unterschied macht, ob Lernende die Gespräche entweder in klassischen Face-to-Face-Situationen (FTF) oder anhand von textbasierten, computergestützten Medien (SCMC = synchronous computer-mediated communication) durchführten. Die Studie wurde mit 24 Lernenden in Zweiergruppen absolviert und zeigte, dass diejenigen Gruppen, die sich in klassischen FTF-Situationen austauschten, deutlich länger interagierten als die Gruppen, die die Unterhaltung mit der textbasierten, computergestützten Variante durchführten. In FTF-Situationen wurden dadurch mehr Möglichkeiten für Feedback und Korrekturen erzeugt und diese insbesondere für zusätzliche inhaltliche Rückmeldungen genutzt.

Ebenfalls mit einem psycholinguistischen Zugang analysiert Hagiwara (2015), wie Spracherwerb durch digitale Medien unterstützt werden kann. Die zentrale Frage seiner Studie war, ob sich Erkenntnisse aus der Kognitionspsychologie zum Arbeitsgedächtnis (bessere Enkodierung mittels audiovisueller gegenüber unimodaler Stimulationen) auch auf den Spracherwerb übertragen lassen. Hierfür wurden den 32 Teilnehmenden mündlich Aufgaben zur Morphem-Verarbeitung jeweils mit und ohne piktoraler Unterstützung dargeboten. Der Autor stellt fest, dass eine Visualisierung des Lerngegenstands die Leistung der Teilnehmenden verbesserte.

Rafieyan et al. (2015) untersuchen, ob der Kontakt von Sprachlernenden mit Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern mittels digitaler Medien den Spracherwerbsprozess unterstützen kann. Alle 60 teilnehmenden Erwachsenen der dargestellten Studie, die zu diesem Zeitpunkt einen Englischkurs besuchten, sollten verschiedene Schreibaufgaben erledigen. Teilnehmende der Experimentalgruppe konnten über einen Smartphone-Kommunikationsdienst (WhatsApp) mit Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern in Kontakt treten, während die Personen aus der Kontrollgruppe keine Unterstützung bekamen. Die Autoren beobachteten, dass der über digitale Medien moderierte Austausch mit Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern zu signifikant besseren Schreibleistungen führte.

Die Studie von Romaña Correa (2015) widmet sich der Frage, ob sich Skype-Konferenzen dazu eignen, die mündliche Kommunikation der Zielsprache zu trainieren. Methodisch wurden 12 Lernende eines Spracheninstituts in Fokusgruppen und mittels Fragebogen zu ihren Kleingruppenarbeiten in Skype-Konferenzen befragt. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass ein computergestützter Medieneinsatz (wie z. B. via Skype) für Sprachkurse geeignet ist. Besonders sinnvoll erscheint er für die Verbesserung der mündlichen Kommunikation hinsichtlich der Sprechflüssigkeit und für den Aufbau von Kenntnissen über Kursinhalte.

Eine weitere Veröffentlichung, die sich mit den sprachlichen Fähigkeiten der Kursteilnehmenden beschäftigt, ist der Artikel von Stollhans (2015) über eine Fallstudie zu einer Online-Plattform, die anstelle von Schriftsprache auf Audioaufnahmen der Nutzenden basiert. Dadurch sollen die Lernenden ihre sprachlichen Fähigkeiten der jeweiligen Zielsprache trainieren. Die von Linguisten entwickelte Plattform hat den Anspruch, selbsterklärend und benutzerfreundlich bedienbar zu sein. Das Ziel des Projekts bestand darin, Lernenden eine Möglichkeit zu geben, unabhängig und selbstständig die eigenen Aussprachefähigkeiten zu trainieren und sich dabei gegenseitig zu unterstützen. Die Plattform wurde mit 48 Studierenden im Rahmen eines Auslandsaufenthalts in Deutschland getestet. Im Anschluss wurden diese mit einem Fragebogen zur Akzeptanz und Nutzung befragt. Die deskriptiven Befunde zeigen, dass die Mehrheit der Befragten die Plattform gerne nutzte und die Lernenden zur Reflektion der eigenen sprachlichen Fähigkeiten angeregt wurden.

González Romero (2016) untersucht in ihrer Publikation, welchen Einfluss Probeklausuren bzw. Übungen in einem Online-Sprachkurs auf die Entwicklung der Sprachkompetenz haben. Zwanzig Spanisch sprechende Erwachsene, die einen Business-Englisch-Kurs besuchten, erhielten nach jeder Kursstunde Übungsaufgaben als freiwillige Hausaufgabe. Personen, die diese bearbeiteten, schnitten in der Abschlussprüfung besser ab als alle anderen. Ob dies auf die Bearbeitung der Übungen zurückgeführt werden kann oder z. B. Merkmale der Personen wie ihre Vorkenntnisse ausschlaggebend waren, konnte aufgrund der Anlage der Studie nicht geklärt werden.

Die Recherche förderte neben den empirischen Studien auch eine Vielzahl von Berichten aus der und für die Praxis zutage. Dazu gehören Kurzberichte über den Einsatz von Sprachlernprogrammen. Auerbach (2013) beschreibt beispielsweise den Einsatz einer Lernsoftware zum Spracherwerb für Austauschschülerinnen und -schüler sowie junge Erwachsene und berichtet über ihren Mehrwert. Feick (2015) geht der Frage nach, wie digitale Medien für Lernende in der Schule und der Erwachsenenbildung eingesetzt werden können, um einen sprachlernbezogenen Mehrwert zu erzeugen. Der Beitrag umfasst dabei verschiedene Best-Practice-Beispiele, die Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien exemplarisch illustrieren. Reisenleutner (2015) beschreibt in ihrem Artikel verschiedene digitale Werkzeuge, die sich für den Unterricht in DaF mit Erwachsenen eignen. Neben einer Zusammenfassung verschiedener Tools verortet sie diese auch hinsichtlich ihrer Anwendungsmöglichkeiten und Funktionen für den Deutschunterricht. Und auch Gillies (2012) berichtet über Methoden des digitalen Lernens sowie über Sprachlernprogramme für Lernende.

3.6 Nutzung digitaler Medien für Lehrende

Die Unterstützung Lehrender beim Spracherwerb durch digitale Medien spielt in Veröffentlichungen der Erwachsenen- und Weiterbildung derzeit eine eher untergeordnete Rolle. Arbeiten zur Nutzung digitaler Medien durch Lernende überwiegen deutlich. Wenn der Gebrauch digitaler Medien durch Lehrende thematisiert wird, geht es häufig um die Frage, wie der Kursraum durch digitale Medien angereichert werden kann. So begleitete Haines (2015) beispielsweise zwei Lehrende über einen Zeitraum von 14 Monaten, um sie qualitativ zu wahrgenommenen Verwendungsmöglichkeiten digitaler Tools wie Wikis oder Blogs zu befragen. Haines, die selbst in der Lehrerbildung aktiv ist, fragte in ihren beiden Fallstudien darüber hinaus, inwieweit sich die Verwendungsmöglichkeiten für eine erfolgreiche Anwendung digitaler Tools über die Zeit verändern. Das zentrale Ergebnis dieser Untersuchung war, dass die subjektiven Einschätzungen stark von der einzelnen Lehrkraft und ihrer jeweiligen pädagogischen Erfahrung abhingen. Eine Veröffentlichung von Böttcher (2015) beschäftigt sich ebenfalls mit der Frage, wie Lehrende digitale Medien im Spracherwerbsprozess unterstützend einsetzen können. Hierbei wird aus einem konzeptionellen Interesse heraus skizziert, wie Lehrende digitale Medien nutzen können, um individuelle Lernprozesse zu unterstützen. Der Artikel mündet in einem kurzen Überblick über vorhandene digitale Werkzeuge für den Sprachenunterricht.

Angesichts der geringen Zahl von Arbeiten zu digitalen Medien, die Lehrende bei ihren Aufgaben unterstützen, sollen im Folgenden zwei aktuell begonnene Projekte vorgestellt werden. Zum einen hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt „Kompetenz-adaptive, nutzerorientierte Suchmaschine für authentische Sprachlerntexte (KANSAS)“ bewilligt, das auf einer interdisziplinären Kooperation von Erwachsenenbildung, Computerlinguistik, Kognitionspsychologie und Sprachdidaktik beruht (Schrader et al. 2017). Ziel dieses Projekts ist die Entwicklung und Evaluation eines digitalen Instruments zur Unterstützung von Lehrkräften bei der Auswahl geeigneter, lebensweltnaher Sprachlernmaterialien für Kurse der Alphabetisierung und Grundbildung sowie DaZ. Das Instrument soll eine internetbasierte Inhaltsuche unter Berücksichtigung sprachlicher Eigenschaften der Webseitentexte (z. B. globales Anforderungsniveau im Sinne des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens, spezifische sprachliche Konstruktionen) ermöglichen. Zudem wird derzeit am Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache ein an der Universität Tübingen entwickeltes digitales Tool adaptiert (Schrader und Schöb 2016), welches zukünftig Lehrkräfte in der Kurs- und Unterrichtsvorbereitung bei der Identifikation sprachsensibler Unterrichtsmethoden unterstützen soll.

4 Fazit und Perspektiven

Betrachtet man die vorgestellten Studien, so wird deutlich, dass der aktuelle Forschungsstand sich sehr differenziert, oder treffender: zersplittert darstellt. Die thematische Breite variiert von sehr speziellen Detailfragen zu psychologischen Konstrukten für erfolgreichen Spracherwerb über didaktische und personale Einflussfaktoren bis hin zu Studien über die institutionellen Rahmenbedingungen erfolgreichen Spracherwerbs ganzer gesellschaftlicher Gruppen, wie sie z. B. in Large-Scale-Assessments wie PIAAC (Rammstedt 2013) behandelt werden. Forschende aus dem Bereich der Linguistik und der Psychologie setzen sich vor allem mit den Inhalten und der Qualität von didaktischen Materialen sowie mit den kognitiven Prozessen beim Spracherwerb auseinander. Dabei ergeben sich überwiegend im DaF-Bereich hilfreiche, aber oft auch sehr kleinteilige Hinweise, so z. B. auf die Gestaltung und Nutzung didaktischer Materialen oder auf das Training kognitiver Kompetenzen. In der Erwachsenenbildung werden Fragen des professionellen Handelns der Lehrkräfte häufiger untersucht. Dazu gehören Studien, die sich mit der Rezeption didaktischer und wissenschaftlicher Konzepte durch Lehrende beschäftigen, oder untersuchen, wie sich Einstellungen zu Unterrichtsmethoden verändern. Diese Erkenntnisse helfen dabei, relevante professionelle Faktoren für die Förderung des Spracherwerbs zu identifizieren. Über die Bedeutung der unterschiedlichen Einflussfaktoren auf erfolgreichen Spracherwerb lässt die bisherige Forschung jedoch oft noch keine Schlüsse zu, da es an generalisierenden, theorieprüfenden Studien fehlt. Auf Seite der Lernenden wurden, besonders im DaZ-Bereich und in der Alphabetisierungsforschung, Einflussfaktoren und Ursachen für (nicht stattfindende) Spracherwerbsprozesse vornehmlich explorativ erforscht. Hier konnten in den letzten Jahren verstärkt subjektive Begründungszusammenhänge rekonstruiert werden. Nach Sichtung des Forschungsstandes wird auch deutlich, dass Lehr-Lernprozesse im Bereich Blended-Learning und Online-Learning noch wenig theoriegestützt untersucht werden. Hier haben Studien derzeit oftmals einen eher explorativen Charakter.

Im Feld der digitalen Unterstützungsmöglichkeiten für Lehrende und Lernende stehen Fragen danach im Vordergrund, wie interaktive Materialien beim Spracherwerb erfolgreich eingesetzt werden können. Zudem werden bereits bewährte Techniken auf ihre Wirksamkeit untersucht und auch neue, in anderen Kontexten entstandene digitale Unterstützungsmöglichkeiten erprobt. Auch macht die große Zahl der Erfahrungsberichte von Praktikerinnen und Praktikern und für Praktikerinnen und Praktiker deutlich, dass ein reges Interesse der Lehrenden an digitalen Medien zur Unterstützung von Lernenden besteht. Digitale Medien zur Unterstützung von Lehrkräften werden derzeit vergleichsweise selten von der Forschung adressiert.

Abschließend kann für das vergangene Jahrzehnt bilanziert werden, dass eine durchaus breit angelegte (fach-)didaktische, linguistische und empirische Forschung zum Spracherwerb Erwachsener existiert. Es scheint zudem, dass die Forschungsintensität mindestens für einige Themen wie etwa die Nutzung digitaler Medien zunimmt. Gleichzeitig beobachten wir jedoch ein hohes Maß an disziplinärer Vielfalt, die die wechselseitige Rezeption der Forschungsergebnisse erschwert. Es überwiegen zudem Einzelstudien mit oft kleinen Stichproben und deskriptiven Untersuchungsdesigns. Länger angelegte, durch Drittmittelgeber abgesicherte Forschungsprogramme, die auch (feld-)experimentelle oder gar längsschnittliche Studien ermöglichen würden, lassen sich nicht absehen. Auch finden sich noch kaum Studien, die die Bedingungen der Möglichkeit innerer Differenzierung in oft sehr heterogenen Lerngruppen behandeln. Die disziplinäre Vielfalt der Zugänge sowie der singuläre Charakter vieler Studien stellen hohe Hürden für eine handlungsrelevante Rezeption von Forschungsbefunden durch Akteure der Praxis dar. Insbesondere fehlt es noch an belastbaren Befunden zu den Bedingungen erfolgreicher Lehr-Lernprozesse für den Spracherwerb Erwachsener im Zusammenspiel von didaktischen Konzepten und Materialien, professionellen Kompetenzen der Lehrenden und kognitiven Voraussetzungen und Aktivitäten der Teilnehmenden. Angesichts der Relevanz der eingangs beschriebenen praktischen und bildungspolitischen Herausforderungen kann dies nicht befriedigen.

Um die Herausforderungen für die Wissenschaft genauer definieren zu können, bedarf es u. a. systematischer Reviews, die noch differenzierter und umfassender angelegt sind als der hier vorgelegte, auf jüngere Arbeiten beschränkte Überblicksbeitrag. Diese sollten zukünftig auch die schulbezogene Forschung einbeziehen, da die wechselseitige Wahrnehmung disziplinär vielfältiger Forschung zu verschiedenen Bildungsbereichen theoretisch wie empirisch anregend sein kann.