Die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität ist bei Patient:innen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) deutlich erhöht. Ursächlich hierfür ist vor allem die starke Zunahme der vaskulären Kalzifizierung, die bei CKD-Patient:innen sowohl auf Störungen des Phosphathaushalts (i.e. Hyperphosphatämie bei eingeschränkter renaler Phosphatausscheidung) als auch auf eine exzessive Kalziumüberladung (u. a. durch kalziumhaltige Phosphatbinder, Nahrungsergänzungsmittel, Vitamin-D-Supplementation etc.) zurückgeführt wird [1, 2].

Interessanterweise korreliert die koronare Kalzifikation bei jungen Dialysepatient:innen primär mit dem Ausmaß der Kalziumzufuhr jedoch nicht mit dem Phosphat- oder Kalziumspiegel im Serum [3]. Vor allem das Vorhandensein eines erniedrigten Knochenturnovers scheint das Risiko für das Auftreten von Gefäßkalzifizierungen bei hoher Kalziumzufuhr negativ zu beeinflussen [4]. Um einer höheren Kalziumbelastung bei CKD-Patient:innen vorzubeugen, empfehlen die aktuellen KDIGO-Leitlinie daher primär den Einsatz kalziumfreier Phosphatbinder und die sparsame Verwendung von aktiven Vitamin-D-Präparaten [5].

Da nicht alle CKD-Patient:innen bei hoher Kalziumzufuhr Gefäßkalzifizierungen entwickeln und der diesbezügliche Zusammenhang mit dem Knochenstoffwechsel nicht absolut ist, müssen weitere Faktoren in Erwägung gezogen werden, um das individuelle Kalzifizierungsrisiko besser vorherzusagen. Betrachtet man die Kalziumregulation genauer, so wurde bislang weitgehend vernachlässigt, dass Kalzium aus der Nahrung im Intestinaltrakt sehr rasch aufgenommen wird. Die absolute Menge an Kalzium in der Extrazellulärflüssigkeit (EZF) ist jedoch niedrig und die Konzentration muss aus neuromuskulären Gründen in engen Grenzen konstant gehalten werden. Daher müssen – sowohl bei Gesunden als auch bei CKD-Patient:innen – Mechanismen existieren, die die rasch zugeführte Kalziummenge im Falle kalziumreicher Mahlzeiten, aber auch während einer Dialysebehandlung akut ausscheiden oder zumindest sicher deponieren, um gefährliche Hyperkalziämien zu vermeiden. Im Falle von Kalium wird dieses Problem durch einen akuten zwischenzeitigen Transfer in den Intrazellulärraum (IZR) gelöst, dieser Mechanismus scheidet aufgrund der Rolle von Kalzium als intrazellulärem „second messenger“ und der dadurch bedingten deutlich niedrigeren Konzentration im IZR für Kalzium jedoch aus. Auch die fehlende eindeutige Korrelation zwischen Kalziumzufuhr und Serumkalziumspiegel [6] spricht für die Existenz eines akuten Kalziumpuffers. Im Folgenden soll auf mögliche Mechanismen der akuten Kalziumregulation und deren klinische Bedeutung genauer eingegangen werden.

Akute vs. mittel- bis langfristige Kalziumregulation

Der menschliche Körper enthält etwa 1 kg Kalzium, das zu über 99 % als Mineral im Knochen gebunden ist und sich nur zu < 1 % in der EZF befindet. Die extrazelluläre Kalziumkonzentration wird in engen Grenzen konstant gehalten, da bereits kleinste Abweichungen zu einer Störung einer Vielzahl von zellulären Funktionen führen können. Das Verständnis der Kalziumregulation hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert, vor allem seit der Entdeckung des kalziumsensitiven Rezeptors (CaSR) in der Nebenschilddrüse durch Hebert und Brown im Jahre 1993 [7].

Der menschliche Körper enthält ca. 1 kg Kalzium, das zu >99 % als Mineral im Knochen gebunden ist

Dieser CaSR moduliert – abhängig von der Serumkalziumkonzentration – die Parathormon- (PTH-)Sekretion und -Produktion im Sinne eines negativen Feedback-Mechanismus. So kommt es bei Hypokalziämie CaSR-vermittelt zu einer Steigerung der PTH-Sekretion mit konsekutiver Steigerung des PTH-vermittelten Kalziumtransfers von Niere, Darm und Knochen in die EZF. Die Reaktion der Nebenschilddrüse auf den Hypokalziämiestimulus kann dabei in mehrere Phasen unterteilt werden: Präformierte sekretorische Granula setzen PTH innerhalb weniger Sekunden frei. Parallel dazu wird innerhalb der nächsten 15–30 min der intrazelluläre PTH-Abbau reduziert und dadurch mehr PTH zur Sekretion bereitgestellt. Bei länger anhaltender Hypokalziämie kommt es zur Proliferation der Nebenschilddrüse selbst über die nächsten Tage bis Wochen.

Die Niere reagiert auf die erhöhte PTH-Konzentration im Serum mit gesteigerter Phosphatausscheidung, erhöhter transtubulärer Kalziumrückresorption und vermehrter Produktion von aktivem Vitamin D. Letzteres führt zu verstärkter transzellulärer Aufnahme von Kalzium aber auch Phosphat im Intestinaltrakt (die parazelluläre Resorption ist nicht aktiv reguliert). Ein direkter PTH-Effekt auf die intestinale Kalzium- bzw. Phosphataufnahme wurde bislang nicht beschrieben. Im Knochen führt PTH über Osteoklastenstimulation ebenfalls zu einer Freisetzung von mineralisch gebundenem Kalzium und Phosphat. Obwohl diese komplexen Mechanismen maßgeblich an der mittel- bis langfristigen Kalziumregulation (über Stunden bis Wochen) sowie dem Erhalt der Knochenmasse beteiligt sind, ist ihr Beitrag zur akuten Kalziumregulation (innerhalb weniger Minuten) wohl zu vernachlässigen. Während die PTH-Sekretion zwar innerhalb weniger Minuten auf Änderungen der Serumkalziumkonzentration reagiert, benötigt die PTH-vermittelte Wirkung an den Effektororganen deutlich mehr Zeit. So konnte bei parathyreoidektomierten Ratten gezeigt werden, dass die Serumkalziumkonzentration nach Beginn einer PTH-Substitution zwar dosisabhängig steigt, dieser PTH-Effekt jedoch erst etwa 4–6 h nach Substitutionsstart einsetzt. Noch spannender ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es nach Auslösung einer akuten Hypokalziämie mittels Kalziumchelatoren sowohl in gesunden als auch parathyreoidektomierten Ratten innerhalb weniger Minuten bereits wieder zu einem signifikanten Kalziumanstieg kommt und die Ausgangskalziumwerte schon nach etwa 60 min wieder erreicht werden [8].

Dieses Experiment weist eindeutig darauf hin, dass die hypokalziämieinduzierte PTH-Sekretion nicht direkt an der akuten Kalziumregulation beteiligt sein kann. Da dieser rasche Serumkalziumanstieg nach akuter Hypokalziämie auch in kombiniert parathyreoidektomierten und nephrektomierten Tieren gezeigt werden konnte, ist auch die Beteiligung der Niere im Rahmen der akuten Kalziumregulation auszuschließen. Diesbezüglich konnte in weiteren Tiermodellen gezeigt werden, dass die Halbwertszeit einer akuten intravenösen Kalziumbeladung in der EZF nur knapp 15 min beträgt [9], wobei hier nur etwa 5 % der zugeführten Menge über die Niere akut ausgeschieden wurden [10].

Diese akuten Korrekturmechanismen, die unabhängig von PTH und renaler Funktion sowohl bei akuter Hypo- als auch Hyperkalziämie stattfinden, wurden auch bereits im Menschen beschrieben und machen die Existenz eines akuten Kalziumpuffers unabdingbar. So konnte bei Hämodialysepatient:innen im Rahmen einer 4‑stündigen Dialysebehandlung mit unterschiedlich hoher Dialysatkalzium- (dCa-)konzentration gezeigt werden, dass die am Ende der Dialysesitzung rechnerisch erwartete Serumkalziumkonzentration deutlich niedriger (im Falle hoher dCa-Konzentrationen) bzw. höher (im Falle niedriger dCa-Konzentrationen) ausfällt als erwartet. Die Autoren haben daraus ebenfalls die Existenz eines akuten Kalziumpuffers, auch labiler Kalziumpool genannt, abgeleitet [11].

Das Konzept des labilen Kalziumpools

Um die Art und Lokalisation eines solchen Kalziumpufferpools, der Serumkalziumdeviationen unmittelbar entgegenwirkt, weiter aufzuklären wurden in den letzten Jahren einige interessante Überlegungen angestellt. Eine Neubewertung von Radiokalziumstudien aus den 1970er-Jahren legt nahe, dass nur der Knochen als Ort für diesen labilen Kalziumpool infrage zu kommen scheint. So konnte gezeigt werden, dass mehr als 50 % von radioaktivem Kalzium bereits innerhalb einer einzigen Durchblutungspassage des Knochens (= nach ca. 9 min) aus dem Blut gecleart wird. Demgegenüber war die Halbwertszeit von radioaktivem Kalzium bei Nieren- (ca. 300 min) oder Darmpassage (ca. 200 min) um ein Vielfaches höher. Die Tatsache, dass die Serumkalziumkonzentration insgesamt gesehen – also die Summe aus radioaktivem und nicht radioaktivem Kalzium – nach Knochenpassage unverändert blieb, weist auf ein bislang nicht vermutetes Ausmaß von Kalziumaustausch zwischen Knochen und EZF hin [12].

Der auf Basis dieser Radiokalziumdaten errechnete Kalziumaustausch zwischen Knochen und EZF von mehr als 6000 mg pro Tag übertrifft die durch zelluläres Knochenremodeling mobilisierbare Kalziummenge (ca. 400 mg pro Tag) um ein Vielfaches und lässt vermuten, dass zelluläres Remodeling zumindest nicht direkt an der akuten Kalziumpufferung im Knochen beteiligt ist.

Auch wenn die prinzipielle Existenz eines labilen Kalziumpools sowie dessen Lokalisation im Knochen auf Basis der bisher besprochenen Daten plausibel erscheinen, sind die genaue Natur und die involvierten Mechanismen weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Auch hier können längst vergessen geglaubte Experimente einen Beitrag zur genauen Lokalisierung des akuten Kalziumpuffers im Knochen liefern.

Der Knochen besteht aus verschiedenen Kalziumsalzen mit unterschiedlicher Löslichkeit, wobei Hydroxylapatit das am häufigsten vertretene und gleichzeitig unlöslichste Kalziumsalz (= hohe Kalziumbindungsaffinität) darstellt. Demgegenüber ist Kalzium-Phosphat-Dihydrat, auch Brushit genannt, das löslichste (= geringe Kalziumbindungsaffinität) der im Knochen vorkommenden Kalziumsalze. Obwohl die EZF in direktem Kontakt mit der Knochenoberfläche steht, ist dessen Equilibrium mit Hydroxylapatit, dem Hauptbestandteil der Knochenmatrix, kaum untersucht. Im Vergleich zu Hydroxylapatit ist die EZF mit Kalzium übersaturiert.

Der Knochen besteht aus verschiedenen Kalziumsalzen mit unterschiedlicher Löslichkeit

Auf Basis der hohen Kalziumbindungsaffinität von Hydroxylapatit würde dies bei direktem Kontakt mit der EZF zu einem konstanten Kalziumgradienten in Richtung Knochen und damit zu kontinuierlichem Hydroxylapatit-Wachstum bzw. einem dramatischen Abfall der extrazellulären Kalziumkonzentration führen. Da dies offenkundig nicht der Fall ist, muss eine Barriere zwischen dem Hydroxylapatit auf der einen und der EZF auf der anderen Seite existieren, die solch eine freie Kalziumdiffusion verhindert. Zwischenzeitig wurden aktive zelluläre Mechanismen propagiert, die diesem Gradienten entgegenwirken sollen, allerdings wurden diese theoretischen Überlegungen nie experimentell belegt. Allerdings konnte gezeigt werden, dass Brushit eine zentrale Rolle als Barriere spielen könnte. Brushit findet sich vor allem an der Knochenoberfläche in Bereichen von neu gebildetem Knochen und wandelt sich über die Zeit schrittweise in Hydroxylapatit um. Diese Konversion kann durch sogenannte nicht kollagene Knochenproteine (z. B. Osteocalcin, Osteonectin, Osteopontin etc.), die an der Knochenoberfläche an Hydroxylapatit binden und sowohl an der primären als auch sekundären Mineralisation beteiligt sind, verlangsamt werden [13].

In-vitro-Experimente in den 1970er-Jahren konnten zeigen, dass die Zugabe dieser nicht kollagenen Proteine zu Hydroxylapatit in gepufferter Lösung zum Anstieg der Kalziumkonzentration in der umgebenden Lösung führt. Daraus wurde geschlussfolgert, dass nicht kollagene Knochenproteine die Löslichkeit des Knochenminerals durch Hemmung des Hydroxylapatit-Wachstums (sog. „crystal poison“) erhöhen können und diesem Phänomen eine Stabilisierung von Brushit an der Knochenoberfläche zugrunde liegen könnte [14]. Neben der Verhinderung einer ungehinderten Kalziumdiffusion in Richtung Hydroxylapatit könnte Brushit an der Knochenoberfläche aufgrund der hohen Löslichkeit auch den Ort des labilen Kalziumpools darstellen.

Einflussfaktoren auf den labilen Kalziumpool

Während die steady-state Serumkalziumkonzentration maßgeblich durch PTH und Vitamin D beeinflusst wird (= mittel- bis langfristige Kalziumregulation), ist die rasch einsetzende Gegenregulation bei akuter Serumkalziumdeviation vermutlich nur durch rein physikochemische Mechanismen eines labilen Kalziumpools zu erklären. Das erhöhte Risiko für extraossäre Kalzifikationen bei Patient:innen mit CKD könnte durch einen – zumindest indirekten – Einfluss CKD-abhängiger Faktoren auf die akute Kalziumpufferkapazität des labilen Kalziumpools erklärt werden.

So wurde zum Beispiel gezeigt, dass sowohl die Phosphatkonzentration als auch der pH-Wert Einfluss auf die Löslichkeit des Knochens und von Brushit im Speziellen haben. Auch PTH und Vitamin D könnten in diesem Zusammenhang zumindest indirekt Einfluss auf die Kalziumpufferkapazität nehmen, indem sie das Ausmaß der Knochenneusynthese und damit die Menge an Brushit beeinflussen. Die Tatsache, dass eine erhöhte Kalziumzufuhr (z. B. in Form von kalziumhaltigen Phosphatbindern) bei Dialysepatient:innen vor allem bei adynamem Knochenturnover (= reduziertes Knochenremodeling) mit erhöhter Gefäßkalzifizierung einhergeht, könnte darauf zurückgeführt werden, dass die aus reduzierter Knochenneusynthese resultierende geringere Brushitmenge die akute Kalziumpufferkapazität negativ beeinflusst. Steht der Knochen nicht oder nur in geringerem Ausmaß als Ort der Kalzium Zwischenspeicherung zur Verfügung, prädisponiert dies eventuell für die Entstehung extraossärer Kalzifikationen.

Die Assoziation von Vitamin-K-antagonisierenden Blutverdünnern mit Gefäßverkalkungsrisiko könnte ihren Ursprung in der Tatsache haben, dass die für Brushitstabilisierung essenziellen nicht kollagenen Knochenproteine vorwiegend Vitamin-K-abhängig sind [15].

Von der Hypothese zur Klinik

Um die Existenz des labilen Kalziumpools und die Beteiligung des Knochens im Rahmen der akuten Kalziumregulation in vivo zu untersuchen, wurde mittels aufwendigen Kalziumkinetikstudien bei Hämodialysepatient:innen die dialysatseitige Kalziummassenbilanz sowie die Serumkalziumkinetik gemessen. Dabei konnte tatsächlich bestätigt werden, dass die intradialytische Kalziumbeladung deutlich größer ist als erwartet (> 400 mg pro Dialysesitzung), der Großteil dieser akut zugeführten Menge (> 75 %) jedoch nicht in der EZF verbleibt, sondern in einem labilen Kalziumpool gepuffert wird [16, 17].

Die Änderung der Serumkalziumkonzentration ist somit keine geeignete Größe, um die intradialytische Kalziumbelastung genau abzuschätzen. Die Größenordnung der so erstmals gemessenen akuten Kalziumpufferkapazität deckt sich dabei weitgehend mit bisherigen mathematischen Modellen des labilen Kalziumpools [18]. Die negative Assoziation von Osteocalcin, einem nicht kollagenen Knochenprotein, mit der akuten Kalziumpufferkapazität stellt darüber hinaus den ersten experimentellen Hinweis für die Rolle des Knochens im Zusammenhang mit der akuten Kalziumregulation dar und kann als „proof of concept“ der aufgestellten Hypothesen verstanden werden. Eine weitere Studie konnte erste Hinweise für eine mögliche prognostische Relevanz der akuten Kalziumkinetik bei Hämodialysepatient:innen zeigen. Neben deutlichen interindividuellen Unterschieden in der akuten Kalziumpufferkapazität zeigte sich, dass das Ausmaß der intradialytischen Serumkalziumänderung mit dem Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit unabhängig assoziiert ist [17].

Des Weiteren konnte erstmalig gezeigt werden, dass die zugeführte Kalziummenge und die intradialytische Kalziumkinetik weitgehend unabhängig voneinander sind und somit unterschiedliche Risikofaktoren darstellen. Zusätzlich zu den vorliegenden Querschnittsstudien untersuchen prospektive Studien derzeit den prognostischen Wert der intradialytischen Kalziumkinetik sowie entsprechender Biomarker in Hinblick auf die kardiovaskuläre Eventrate sowie vaskuläre bzw. extraossäre Kalzifikation.