Liebe Leserinnen und Leser!

Anfang der 90er-Jahre wurde ich als junger Facharzt in einem großen Schwerpunktkrankenhaus (mit mehr als 1000 Betten) von meinem verehrten Abteilungsvorstand aufgefordert eine Rheumaambulanz einzurichten. Dafür hatte ich drei Wochenstunden zur Verfügung.

Die Medikation war im Vergleich zu heute leicht überblickbar. Zu dieser Zeit standen uns nur wenige, ausschließlich synthetische, Basistherapeutika wie Gold, Salazopyrin, Methotrexat und Leflunomid zur Verfügung, um das Fortschreiten einer entzündlich rheumatischen Erkrankung zu verzögern. Wir mussten zufrieden sein, wenn die Zahl synovitisch-geschwollener Gelenke um die Hälfte reduziert werden konnte.

Eine Änderung, um nicht zu sagen eine Revolution, stellte sich erst 1999/2000 ein: Ein Team am Kennedy Institute in London verfolgte die therapeutische Strategie den Tumornekrosefaktor‑α durch einen monoklonalen Antikörper (MAK) zu blockieren. Der angewandte chimärische MAK Infliximab zeigte in einer plazebokontrollierten, doppelblinden 4‑Zentren-Studie (London, Leiden, Erlangen, Wien) eine hochsignifikante Verbesserung der klinischen Symptomatik von Patient*innen mit rheumatoider Arthritis – ein Meilenstein in der Geschichte der Medizin an der zwei Österreicher, Josef Smolen und Burkhard Leeb, mitgeschrieben haben.

Ziel: Remission

Seit Einführung biologischer Basistherapeutika ist die Remission das erklärte und mögliche Ziel. Das Leben der Patient*innen wurde deutlich verbessert, eine ambulante bzw. eine Betreuung im niedergelassenen Bereich ist in den meisten Fällen ohne Probleme möglich.

Die Behandlung von entzündlich rheumatischen Erkrankungen ist komplexer und aufwendiger geworden

Die Behandlung von Patient*innen mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen ist naturgemäß für die betreuenden Ärzt*innen viel komplexer und aufwendiger geworden. Es sind derzeit mehr als 30 biologische und targeted synthetische DMARDs (z. B. Januskinase Inhibitoren) für die Behandlung entzündlich rheumatischer Erkrankungen zugelassen; weitere folgen kontinuierlich. Dazu kommt die Aufklärung über Wirkungen und Nebenwirkungen der verordneten Medikamente und die Sensibilität auch für seltene aber schwerwiegende Nebenwirkungen. Eine regelmäßige Überwachung mit klinischen und serologischen Kontrollen ist, nicht nur in Zeiten von Covid-19, während der gesamten Behandlung unumgänglich.

Mehr Rheumatolog*innen werden gebraucht

Daher brauchen wir eine deutlich höhere Zahl von Rheumatolog*innen als in früheren Jahren, um die notwendige fachärztliche Betreuung zu gewährleisten. Als Folge der neuen Ausbildungsordnung müssen sich Ärzt*innen schon sehr früh in ihrer beruflichen Laufbahn für eine Spezialisierung entscheiden und es ist unsere Aufgabe, junge Kolleg*innen über das Fach zu informieren und für die Rheumatologie zu motivieren.

Im Sommer 2017 wurde daher von drei Vorstandsmitgliedern der ÖGR (Christian Dejaco, Judith Sautner und von mir) die Rheuma Summer School in Saalfelden ins Leben gerufen. Durch diese Initiative konnten schon zahlreiche Student*innen bzw. junge Ärzt*innen für die Rheumatologie begeistert werden.

Ob sich in der Zukunft mehr internistische Rheumatolog*innen niederlassen werden, hängt von der (wirtschaftlichen) Attraktivität einer Praxis ab. Erst in zwei Bundesländern – Oberösterreich und Kärnten – ist es bis dato gelungen, spezifisch rheumatologische Verrechnungspositionen für die Therapieeinstellung und den Gelenksultraschall zu erreichen.

Mangel an Fachärzt*innen

Naturgemäß müssen genügend Ausbildungsstellen zur Verfügung stehen. Derzeit gibt es ca. 65 „neue“ Stellen (ab 2015). Eine notwendige Voraussetzung, um vor den Entscheidungsträger*innen unsere Forderungen nach mehr Rheumatolog*innen belegen zu können, sind entsprechende wissenschaftliche Daten und Berechnungen, die seit 2020 vorliegen [1].

Derzeit gibt es in Österreich 300 Rheumatolog*innen (ab 2002 Facharzt für Innere Medizin mit Additivfach Rheumatologie und ab 2015 Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie), davon sind 34 % weiblich [3]. Leider ist zu bemerken, dass 39 (der 300) Rheumatolog*innen bereits 65 Jahre und älter sind. Erfahrungsgemäß arbeiten die meisten dieser Kolleg*innen nur mehr geringfügig bzw. an ein bis zwei Tagen pro Woche. 103 Rheumatolog*innen sind 55 Jahre und älter und werden wahrscheinlich innerhalb den nächsten 10 Jahre in Pension gehen. Das Durchschnittsalter der österreichischen Rheumatolog*innen beträgt immerhin 53,8 Jahre [2, 3]. Wir steuern wieder auf einen Fachärzt*innenmangel zu, was auch im Rahmen der ÖGR-Jahrestagung und darüber hinaus Thema sein wird: „Gibt es 2030 noch Rheumatolog*innen?“