Die Entwicklung der „digitalen Gesundheit“ hat zahlreiche Implikationen für die moderne Medizin [1], mit vielen Möglichkeiten und Herausforderungen auch für die Rheumatologie [2]. Die fundamentale Voraussetzung für die „digitale Gesundheit“ ist die IT-Dokumentation der klinischen Daten und Verläufe.

Die Verpflichtung zur Dokumentation ergibt sich für den Arzt aufgrund der gesetzlichen Vorgaben: „Die Pflicht, eine ausreichende ärztliche Dokumentation vorzunehmen, ergibt sich sowohl aus § 51 Abs. 1 Ärztegesetz als auch aus § 10 Abs. 3 KAKuG …“ [3]. In den letzten Jahren sind die juristischen Anforderungen an die Dokumentation sogar angestiegen. Eine Dokumentations-IT kann derart definiert werden, dass ihre alleinige Aufgabe ebendiese Dokumentation ist, was die Akzeptanz der Anwender sicher nicht erhöht. Dokumentation ist somit zeitraubend, eine Dokumentations-IT ist aber zusätzlich auch eine finanzielle Belastung. Erst wenn man die Dokumentations-IT als Werkzeug versteht, das neben der gesetzlichen und der administrativen Funktion auch andere wichtige ärztliche Aufgaben wie die Qualitätssicherung unterstützt, dann besteht die Chance, dem zeitlichen und finanziellen Aufwand der Dokumentation einen unmittelbaren Nutzen für die Ärzteschaft gegenüberzustellen [4].

Tatsächlich haben Ärzte laut Ärztegesetz § 49 (2a) „regelmäßig eine umfassende Evaluierung der Qualität durchzuführen und die jeweiligen Ergebnisse nach Maßgabe der technischen Ausstattung im Wege der elektronischen Datenfernübertragung zu übermitteln“. Diese Qualitätssicherung kann ohne entsprechende IT jedoch nicht, nur sehr schwer oder nur eingeschränkt (zum Beispiel auf die Strukturqualität) durchgeführt werden. Diese Evaluierung der Qualität kann somit erst mittels einer Dokumentations-IT umgesetzt werden, welche die Ansprüche einer hochwertigen Qualitätssicherung (durch Dokumentation der Prozess- und der Outcome-orientierten Qualitätsparameter) erfüllt.

Qualitätssicherung kann ohne entsprechende IT nicht, nur sehr schwer oder eingeschränkt erfolgen

Bei den fachspezifischen Anforderungen an eine Dokumentations-IT imponieren zahlreiche Merkmale, die technisch abzubilden sind, um eben nicht nur die reine Dokumentationspflicht zu erfüllen, sondern auch die eigentliche ärztliche Tätigkeit zu unterstützen. Der Formenkreis der rheumatologischen Erkrankungen betrifft etwa 5–8 % der Patienten in der Bevölkerung [5] und umfasst eine Vielfalt an Diagnosen, sowohl akute als auch chronische Erkrankungen, sowohl organspezifische als auch systemische Erkrankungen, sichtbare wie unsichtbare (Beispiele in Abb. 1; Tab. 1).

Abb. 1
figure 1

Beispiele zur Sichtbarkeit der rheumatologischen Erkrankungen: sichtbare Manifestationen wie a Gelenkschwellung bei Gicht = Arthritis urica (häufig), b orale Aphten bei Morbus Adamantiades Behçet (selten)

Tab. 1 Beispiele für unsichtbare Manifestationen von rheumatologischen Erkrankungen

Zudem gewinnen Komorbiditäten (z. B. Osteoporose bei 30 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis [6]) und pharmakologische Aspekte (z. B. Polypharmazie [7]) zunehmend an Bedeutung in der klinischen Praxis. Eine umfassende Rheuma-Dokumentation betrifft dann mehrere Gesundheitsdienstleister, nicht nur Hausärzte und Rheumatologen, sondern auch die Patienten und Spezialisten anderer Fachdisziplinen – mit gezieltem Augenmerk auf die rheumatologische Fragestellung (Tab. 2).

Tab. 2 Fachdisziplinen (in alphabetischer Reihenfolge) und Beispiele von gezielten Fragestellungen an diese Fachdisziplinen im Rahmen einer interdisziplinären Behandlung von Patienten mit Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises

Damit besteht in der Rheumatologie eine Vielzahl an Anforderungen, die durch eine gute Dokumentations-IT auch technisch bewältigt werden muss. Es ist davon auszugehen, dass dadurch für die Patienten der bestehende Mangel an ausgebildeten Rheumatologen in Österreich [8], verbunden mit der Einführung des Arbeitszeitgesetzes im österreichischen Krankenhausbereich [9], zumindest ansatzweise im Bereich der Rheumatologie abgepuffert werden kann.

Die Qualität der Dokumentation ist für alle weiteren Datenanwendungen entscheidend. Weitere Anforderungen an den Rheumatologen sind für die Zukunft abzusehen, wie der zusätzliche Einsatz von unterstützender Befundung (Stichwort „künstliche Intelligenz“) und die Herausforderungen einer mehr und mehr personalisierten Medizin. Dies hat unmittelbare Konsequenzen für die medizinische Versorgung des einzelnen Patienten, wobei auf Basis einer umfassenden, der Klinik angepassten Dokumentations-IT in Zukunft sicher auch die personalisierte Medizin in der Rheumatologie besser implementiert werden kann [10].

Im Folgenden werden verschiedene Aspekte der Dokumentations-IT dargestellt und näher diskutiert. Je besser die Dokumentations-IT geplant wird, desto besser sind die Voraussetzungen für jegliche weiterführenden, die Ärzte unterstützenden IT-Funktionen.

Notwendige Spezifika einer Dokumentations-IT für die Rheumatologie

Ziel jedes Mediziners ist die möglichst frühe Diagnosestellung und eine sichere, effiziente Therapie. Diese Vorgabe spiegelt sich auch in den Treat-to-Target(T2T)-Empfehlungen für einzelne Erkrankungen des rheumatologischen Formenkreises wider. Wichtig für eine Dokumentations-IT ist somit, dass alle krankheitsspezifischen Befunde (insbesondere die funktionellen und strukturellen Outcome-Parameter) auch im Verlauf dargestellt werden. Dieser Verlauf kann dann mit den durchgeführten therapeutischen Interventionen auf deren Effektivität hin analysiert werden. Auf Allergien und andere Kontraindikationen, Komorbiditäten und frühere Nebenwirkungen von Medikamenten ist separat zu verweisen, insbesondere bei Durchführung oder Umstellung einer therapeutischen weiteren Intervention.

Eine Dokumentations-IT muss alle krankheitsspezifischen Befunde auch im Verlauf darstellen können

Eine Dokumentations-IT muss alle krankheitsspezifischen Befunde auch im Verlauf darstellen können. Aufgrund der vielen unterschiedlichen Diagnosen, die ein Rheumatologe Tag für Tag sieht, ist ein einfaches und schnelles Zugreifen auf unterschiedlichste Dokumentationsunterlagen erforderlich. Die Ziele einer Dokumentations-IT aus rheumatologischer Sicht sind in Tab. 3 zusammengefasst. Die Vielfalt der möglichen Erstmanifestationen und der letztlich diagnostizierten Erkrankungen, zusammen mit den oft zahlreich involvierten anderen Fachdisziplinen, erfordert nicht nur das fachliche rheumatologische Wissen der alltäglichen Praxis am Patienten, sondern auch eine Dokumentations-IT, die flexibel und situationsspezifisch die fachlichen Entwicklungen auf dem neuesten Stand abbilden kann.

Tab. 3 Ärztliche Zielvorgaben für optimale Dokumentations-IT

Die Basis jeglicher Dokumentations-IT besteht aus den erhobenen Fakten, ergänzt durch vorhandenes rheumatologisches Wissen und weitere Funktionen. Je nach Art der Daten sind damit die technischen Herausforderungen zu gestalten: Bei den Fakten sind die subjektiven am besten direkt von den Patienten zu erheben, die objektiven aus bestehenden Labor‑, Krankenhaus- und anderen Informationssystemen zu übertragen. Daten zu Interventionen können entweder ebenfalls über diese Systeme oder auch direkt (z. B. vom Ultraschallgerät) in die Dokumentations-IT eingespielt werden.

Dazu kommt dann eine profunde rheumatologische Wissensbasis – alleine für die Interpretation der Befunde bedarf es aktualisierter Normwerte und Interpretationsupdates, dazu kommen die stets aktuellen Patienteninformationen in verständlicher Patientensprache neben der ständig wachsenden Zahl an medizinischen Informationen, die immer aktuell in der jeweiligen Situation vorhanden sein sollten (z. B. Warnungen des Bundesministeriums). Neben Fakten und Wissen sind spezifische Funktionen sowohl in der Dokumentation (z. B. Anwendung von Scores zur Krankheitsaktivitätsmessung) als auch in der Administration (z. B. Meldung von meldepflichtigen Infektionen) und der Qualitätssicherung (z. B. bei Betonung von Outcome-orientierter Qualität) für eine gute Dokumentations-IT wichtig.

Die elektronische Gesundheitsakte als Grundlage der Dokumentations-IT

Die elektronische Gesundheitsakte (Electronic Health Record, EHR) wird in Österreich zentral verwaltet (Stichwort: ELGA), und durch dezentrale Lösungen von verschiedenen Firmen für Ordinationen und Krankenhäuser ergänzt. Die allgemeinen Voraussetzungen für EHRs aus ärztlicher Sicht werden immer wieder diskutiert und umfassen insbesondere den Schutz der persönlichen Daten, die Medikamentensicherheit und die erforderliche Kompatibilität der Datenübertragung.

Eine korrekte Erfassung von Daten und Fakten kann nur durch einen zugrundeliegenden konzeptionellen Rahmen verstanden und gemessen werden, der relevante Fakten definiert. Dies soll im Rahmen der dezentralen IT-Lösungen realisiert werden und könnte einige entscheidende Vorteile für Kliniker und Qualitätsverantwortliche bringen:

  • Bereitstellung detaillierter Informationen, einschließlich klinischer, funktioneller und radiologischer Details in einem Datensatz als vollständige Patientenakte, einfach und schnell verfügbar

  • Standortunabhängige Beratung mit anderen Rheumatologen – schnellere und einfachere Kommunikation zwischen Experten

  • Vereinfachung und individuelle Darstellung von Befunden (Klinik, Bildgebung, Labor), verlinkt mit Details durch digitale Werkzeuge wie Anmerkungen, Messungen und Zählungen

  • Verbesserte Standardisierung und Optimierung der Methoden, mit Unterstützung des Bewertungsprozesses, zum Beispiel durch zertifizierte digitale Quantifizierung von diagnostischen und prädiktiven Markern, Verwendung anderer validierter Anwendungen für künstliche Intelligenz, Klassifizierungssysteme und andere Entscheidungshilfen

  • Unterstützung von Akkreditierungsprozessen

  • Entwicklungsoptionen für neue Anwendungen einer künstlichen Intelligenz zur Analyse vorhandener Daten, Klassifizierungssysteme für Diagnostik, Forschung, Lehre und andere neuer Entscheidungshilfen

Die technische Umsetzung der rheumatologischen Dokumentations-IT ist sicher eine besondere Herausforderung. Zuvor aber bedarf es der ärztlichen Diskussion über fachspezifische Anforderungen und Konsensbildung [11]. Dann bedarf es jedenfalls einiger zusätzlicher technischer Entwicklungen zur Optimierung (Tab. 4). Diese Entwicklungen sind zwar dann auch in anderen Disziplinen einsetzbar, aber in ihrer Komplexität sicherlich primär eine Herausforderung für jede IT-Technik.

Tab. 4 Technische Herausforderungen einer rheumatologischen Dokumentations-IT

Zudem bedarf eine solche Dokumentations-IT der konsequenten laufenden Weiterentwicklung in Zusammenarbeit der Technik mit den Rheumatologen. Sollten die Aufwand-Nutzen-Relationen der EHRs die Ärzte nicht zufriedenstellen, können EHRs sogar zu Burnout führen [12]. Information und Kosten-Nutzen-Analysen alleine reichen offenbar nicht immer aus, die Ärzte zu EHRs zu motivieren.

Datenqualität der klinischen Dokumentation

Die beste Datenqualität von Real-World-Daten (RWD) ist dann gegeben, wenn diese Daten im Rahmen der routinemäßigen klinischen Versorgung (also im Rahmen eines EHRs) dokumentiert werden. Dies umzusetzen ist die zentrale Aufgabe einer Dokumentations-IT und ermöglicht auch eine gute Entwicklung von umsetzbarer und aussagekräftiger Real-World-Evidenz.

Standardisierte Leitlinien erleichtern derartige Auswertung von RWD und die Datenanalyse, um auch das Konfidenzniveau einer Real-World-Evidenz zu ermitteln. Strukturierte Daten wie Diagnosecodes können mit geeigneten Technologie- und Softwarelösungen aus den EHRs extrahiert werden [13]. Auch die Abstraktion unstrukturierter Daten kann die strukturierten Kerndatenelemente ergänzen [14].

Bei der Verwendung von EHR-Daten können methodische Probleme hinsichtlich der Datenqualität auftreten. Die gesammelten Informationen müssen daher sehr genau sein, sonst sind Datenanalysen, darauf aufbauende Anwendungen oder weitere Prozesse unzuverlässig. Etablierte Prozesse sind erforderlich, um sicherzustellen, dass qualitativ hochwertige Daten in den Gesundheitsinformationsmanagement- und Pflegesystemen eingegeben werden [15].

Diese Aufrechterhaltung und Verbesserung der Datenqualität hängt wesentlich ab von der verwendeten Dokumentations-IT. Derzeit gibt es jedoch keine endgültige Einigung über die Komponenten der Datenqualität, zu den gängigen Datenqualitätszielen gehören Datengenauigkeit, Vollständigkeit, Konsistenz, Glaubwürdigkeit und Aktualität [16,17,18,19,20]. Daher wird Datenqualität als mehrdimensionales Konzept verstanden [17, 19, 21,22,23]. In Tab. 5 wird ein Überblick über diese Datenqualitätsbereiche sowie Ansätze zur Qualitätsbewertung gegeben.

Tab. 5 Datenqualitätsbereiche (Domänen) und Ansätze zur Qualitätsbewertung der Daten. (Mod. nach [20])

Zukunftsperspektiven zur rheumatologischen Dokumentations-IT

Eine gute Dokumentations-IT erfüllt in Zukunft sicher mehr als eine reine Dokumentation von klinischen Daten und Leistungen. Die Dokumentations-IT kann sich zu einem wertvollen Werkzeug des Arztes entwickeln, das diesem hilft, umfassend in Hinblick auf alle vorliegenden Befunde die besten Entscheidungen zu treffen.

Die Zukunft einer weit verbreiteten rheumatologischen Dokumentations-IT – und gerade durch die Verbreitung steigt der Wert einer solchen IT – liegt in ihrer Anwenderfreundlichkeit, ihrer Interoperabilität, der diagnosespezifischen Flexibilität und somit dem Gesamtnutzen für die Anwender. Anbindungen an Wissenschaftsinitiativen wie Register und klinische Studien ergänzen das Repertoire der möglichen Perspektiven.

Dazu bedarf es neben dem zugrundeliegenden rheumatologischen Spezialwissen einer möglichst einfachen, strukturierten Bedieneroberfläche und vielfältigen Funktionalitäten – auch zur Qualitätssicherung und -verbesserung. Es ist vorstellbar, dass in der Summe der Zeitersparnisse für Ärzte und andere involvierte Gesundheitsberufe die Dokumentations-IT dann zum unerlässlichen Werkzeug wird, das sowohl dem einzelnen Patienten durch seine Übersichtlichkeit hilft, als auch dem Qualitätsanspruch des behandelnden Rheumatologen entgegenkommt. Somit kann auf der gesetzlichen Verpflichtung aufbauend ein Werkzeug entstehen, das individuell beim Patienten das vorhandene Wissen der modernen Medizin mit einbringt und seine Anwendung am Patienten fördert.

Die Kriterien für eine positive Akzeptanz einer Dokumentations-IT werden in Zukunft vielfältig sein, unter anderem aber folgende Punkte berücksichtigen:

  1. 1.

    Darstellung der Befunde nach Relevanz – auch interdisziplinär und im Verlauf,

  2. 2.

    situationsgerechte Angebote von Patienteninformationen/-aufklärungen, Risikoassessment und Präventionsmaßnahmen,

  3. 3.

    Entscheidungshilfen bezüglich Polypharmazie, Pharmakovigilanz und personalisierter Medizin,

  4. 4.

    automatisierte Qualitätserfassung und -sicherung ebenso wie andere diagnostisch oder therapeutisch relevante Anwendungen künstlicher Intelligenz,

  5. 5.

    Unterstützung bei gesetzlich vorgesehenen „Post-Authorization“-Studien, Registern und klinischen Studien.

Fazit

Wenn die Dokumentations-IT die ärztliche Tätigkeit, insbesondere die administrativen Tätigkeiten und die Qualitätssicherung, unterstützt, wird sie in Zukunft von Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern ernstgenommen, angenommen und weiterentwickelt.