Zusammenfassung
In Deutschland wird seit fast 50 Jahren über eine neue Architektur des Rechts für junge Menschen mit Behinderung diskutiert. Gegenwärtig werden junge Menschen mit Behinderung zum Teil der Kinder- und Jugendhilfe zugeordnet, zum Teil dem (altersunabhängigen) Rehabilitationsrecht, das auf verschiedene Leistungssysteme verteilt ist und mit der Schaffung des SGB IX im Jahre 2001 ein erstes koordinierendes Dach erhalten hat. Da Formen der Beeinträchtigung bzw. Behinderung bei jungen Menschen in einer starken Wechselwirkung zu ihrer Erziehung und Entwicklung und damit auch dem Erziehungspotential der Eltern stehen, wird eine Konzentration der Eingliederungshilfe für junge Menschen, die heute als Hilfe zur Teilhabe verstanden wird, im System der Kinder- und Jugendhilfe gefordert, weil dieses Leistungssystem auf die Lebenslage von Kindheit und Jugend spezialisiert ist (so genannte große Lösung).
Diese Debatte hat in den letzten Jahren Auftrieb erhalten durch das Verständnis von Inklusion, wie es der UN-Behindertenrechtskonvention zugrunde liegt, sich aber an alle staatlichen Förder-und Leistungssysteme richtet.
In dem Beitrag werden im ersten Schritt die Probleme diskutiert, die im Hinblick auf die Gesetzgebung aber auch die praktische Umsetzung bei der Realisierung der so genannten großen Lösung zu lösen sind. Im zweiten Schritt werden die Herausforderungen des Inklusionsparadigmas, die sich an alle staatlichen Leistungssysteme richten, im Hinblick auf das System der Kinder – und Jugendhilfe und die Zusammenarbeit mit anderen Systemen in den Blick genommen. Schließlich wird der aktuelle Stand der politischen Debatte dargestellt.
Abstract
In Germany we discuss for nearly fifty years about a new system of disability law to be applied for children and young people. So far the regulations are allocated at different laws. As the impairments of young people have to be seen in the context of the child development and the resources of the family there is a wide consensus to allocate the regulations to the system of child and youth welfare (so called “big” solution). This debate has been supported by the UN Convention on the rights of Persons with disabilities and its paradigma of inclusion.
This article discusses first the challenges for legislation and the implementation of the “big” solution. Then it deals with the requirements for an inclusive law system and the current state of the political discussion.
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Wiesner, R. Die große Lösung als eine Etappe auf dem Weg zur Inklusion. Soz Passagen 6, 55–68 (2014). https://doi.org/10.1007/s12592-014-0163-9
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DOI: https://doi.org/10.1007/s12592-014-0163-9
Schlüsselwörter
- Kinder- und Jugendhilferecht
- Große Lösung
- Eingliederungshilfe für junge Menschen mit Behinderung
- UN-Behindertenrechtskonvention
- Inklusion