Zusammenfassung
Schon seit der Studie zur Parteiendifferenz in den Bundesländern von Manfred G. Schmidt, die 1980 erschien, sucht die vergleichende Politikfeldanalyse danach, ob, inwiefern, wie sehr und warum sich die Policies der deutschen Länder unterscheiden. Das vorliegende Special Issue schließt an diese Debatte an und hat das Ziel, diese zu aktualisieren. Jüngere Entwicklungen, insbesondere die Föderalismusreformen 2006 und 2009, haben den Spielraum der Länder, eigenständige Policies zu formulieren, deutlich verändert. Tatsächlich ist in der Folge eine zunehmende Varianz der Policies in den deutschen Ländern festzustellen. Dies gilt jedoch nicht für alle Politikfelder gleichermaßen. Auch zeigt sich, dass bestimmte Länder eher gewillt sind, den neuen Spielraum zu nutzen, als andere. Mit Blick auf die Bedingungen der Policy-Varianz thematisieren die meisten Beiträge den „üblichen Verdächtigen“ der komparativen Policy-Forschung, nämlich die Parteiendifferenz. Festzuhalten ist hier, dass dieser Faktor nur noch im Zusammenwirken mit anderen Faktoren erklärungskräftig sein kann und eine empirische Ermittlung der Policy-Positionen von Landesregierungen zunehmend notwendig geworden ist; man kann auf eine „a priori Theorie der Parteiendifferenz“ kaum mehr zurückgreifen. Die Aktualisierung der Forschung zur Policy-Varianz in den Ländern erfolgt in den Special Issue auch methodisch. Es werden aktuelle Datensätze vorgestellt und Scoring-Verfahren, automatisierte Textanalyseverfahren wie auch QCA-Analysen angewandt. Damit wird die Forschung zur Policy Varianz in den deutschen Ländern an den derzeitigen Stand der methodischen Debatte in der Policy-Forschung angebunden.
Abstract
Comparative Policy Analysis has conducted research on the variance of policies in the German Länder since the early 1980s. The Special Issue aims at continuing and updating this research. Recent developments, among others and most prominent the Reforms of German federalism in 2006 and 2009, have changed the room to manoeuvre for the Länder. Subsequently, the variance of policies increased in general but differently in the policy arenas affected. It also needs to be stated that the German Länder made use of their new competences quite differently. In order to explain policy variance in the German Länder, most contributions of the Special Issue address the “usual suspect” of comparative policy analysis, i.e. the partisan theory. It can be shown that meanwhile this factor proves its explanatory character only in conjunction with other factors. Instead of relying on an increasingly obsolete “a priori theory” of party differences, the empirical identification of policy positions of the Länder governments on the base of documents deserves more endeavour by now. Updating the comparative policy analysis of the German Länder also encompasses new data sets and the application of recent methods of policy analysis, among them scoring of laws, mass text analysis, and Qualitative Comparative Analysis.
Notes
Davon abzugrenzen sind Konvergenz und Divergenz, die eine Bewegung hin zu mehr oder weniger Diversität beschreiben.
Die Föderalismusreform 2017 können wir naturgemäß nicht behandeln.
Die sechzehn Felder beinhalten auch direkte Demokratie und Wahlsysteme, also auch sogenannte Polity-Policies.
Im genannten Band von Hildebrandt und Wolf (2016) findet die QCA beispielsweise keine Anwendung.
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Danksagung
Das Themenheft hätte ohne die Mithilfe zahlreicher Personen nicht in dieser Weise erstellt werden können. Wir bedanken uns bei den TeilnehmerInnen der Tagung „Policyanalysen in den Ländern“, die von der DVPW-Sektion Policy-Analyse und Verwaltungswissenschaft, der FernUniversität in Hagen und der Universität Bielefeld ausgerichtet wurde. Die AutorInnen haben hier kritisch-positives Feed Back erhalten. Unser großer Dank gilt den GutachterInnen, die mit ihrer kritischen Würdigung und ihren Vorschlägen wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Beiträge in der vorliegenden Qualität erstellt werden konnten. Frau Regina Herzbruch-Schütte und Frau Gundula Karpf danken wir für das Lektorat. Die Redaktion der ZfVP und der Springer-Verlag haben uns in vielfältiger Weise sehr unterstützt. Schließlich möchten wir den AutorInnen für ihre Beiträge und den konzentrierten wie geduldigen Umgang mit jenen vielfältigen Hinweisen danken, die HerausgeberInnen haben und haben müssen.
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Sack, D., Töller, A.E. Einleitung: Policies in den deutschen Ländern. Z Vgl Polit Wiss 12, 603–619 (2018). https://doi.org/10.1007/s12286-018-0408-7
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- Länder
- Vergleichende Policy-Analyse
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- Policy-Vielfalt
- Föderalismus
- Parteiendifferenz
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