Systemtheorie und Kontstruktivismus stellen als erkenntnistheoretische Standbeine systemischer Praxis in der Sozialen Arbeit ergiebige Inspirationsquellen dar, um sich in selbiger dem Thema Emotionen praxisorientiert, kreativ und hilfreich anzunähern.

Viele Pioniere des systemischen Ansatzes waren vom Grundberuf Sozialarbeiter_innen (z. B. Virginia Satir, Steve de Shazer): „Sucht man nach den Wurzeln der Familientherapie, so findet man sie vor allem in zwei Praxisfeldern: in der Sozialarbeit und der psychodynamisch orientierten Schizophrenietherapie. [… .]Sozialarbeiter sind von jeher mit Problemen konfrontiert, die sich nicht auf das Individuum beschränken. In ihrem Arbeitsbereich läßt sich nicht übersehen, daß die Schwierigkeiten eines einzelnen stets mit den Schwierigkeiten anderer, in der Regel der Familie, verbunden sind. Sozialarbeiterische Interventionen bezogen daher in der Regel von Anfang an mehrere Personen ein. Den Anforderungen des Alltags entsprechend wurden pragmatische Methoden der „Familienarbeit“ entwickelt …“ (Stierlin und Simon 1986, S. 250f). Und tatsächlich: Es kann eine Art „Zusammenströmen“ von Systemik und Sozialer Arbeit insofern konstatiert werden, als dass systemisches Arbeiten für basale Blickrichtungen sozialarbeiterischer Praxis, wie etwa Partizipation, Lebenswelt- und Subjektorientierung sowie Empowerment, eine Praxeologie (Methoden, Techniken und professionelle Haltungen) zur Verfügung stellt, um diese in der konkreten Fallarbeit zu realisieren.

Systemik: What?! Emotions: What?!

Arist von Schlippe hat einmal die schöne Aussage getätigt: „Systemisches Arbeiten ist praktizierte Erkenntnistheorie“ (von Schlippe und Schweitzer 2019). An diese Aussage knüpft sich allerdings die Frage an, welche Erkenntnistheorie(n) es denn sei(en), die da praktiziert werden soll(en)? Die Antwort auf diese Frage wäre: Konstruktivismus (Ochs und Kriz 2022) und Systemtheorie (Kriz und Ochs 2022). Sie sollen als Gerüst dienen, an dem im Folgenden einige Überlegungen und Ideen zur Bedeutung von Emotionen im systemischen Arbeiten skizziert werden. Auch wenn es Überschneidungen zwischen beiden gibt, so erscheint es gerechtfertigt, diese beiden erkenntnistheoretischen Standbeine separat bezüglich ihrer Implikationen für die systemische Praxis in den Blick zu nehmen: Denn es gibt konstruktivistische Ansätze, die komplett ohne Systemtheorie auskommen, und systemtheoretische Perspektiven, die sich explizit vom Konstruktivismus distanzieren.

Ausgehend von diesen beiden epistemologischen Säulen wurde eine Systematik sechs praxeologischerFootnote 1 Grundorientierungen systemischen Arbeitens vorgeschlagen (Ochs 2020); Lösungs- und Ressourcenorientierung, Kontext- und Musterorientierung, Kunden- und Auftragsorientierung, Kooperations- und Beziehungsorientierung sowie Neugier- und Kreativitätsorientierung und Allparteilichkeit- und Neutralitätsorientierung. Was das Konzept der Emotionen angeht, wird im Weiteren eine breite, umfassende sowie dynamische Definition zugrunde gelegt werden, wie sie Luc Ciompi (1982) entworfen hat. Dieser leistete mit seiner Affektlogik einen wesentlichsten Beitrag zu einem auf Selbstorganisationstheorien basierenden Verständnis von Gefühlen: „Emotionen sind umfassende, evolutionär verankerte körperlichseelische Gestimmtheiten unterschiedlicher Dauer, Intensität und Bewusstseinsnähe, die mit spezifischen Energien (bzw. Energieverbrauchsmustern) mit der Grundtendenz eines ‚Weg von‘ oder ‚Hin zu‘ gekoppelt sind“ (Ciompi 2018).Footnote 2

Emotionen in der Systemtheorie

Was Systemtheorie angeht, so lassen sich zwei Strömungen unterscheiden, die im deutschsprachigen Raum zur theoretischen Fundierung systemischer Praxis relevant sind: die soziologische (Luhmann 1984) und die synergetische Systemtheorie (Haken 1983). Bei der Betrachtung sozialer Beziehungsgefüge, wie Interaktionen, Familien, Organisationen oder Netzwerken, steht innerhalb der soziologischen Systemtheorie Kommunikation im Mittelpunkt; im Rahmen der Theorien dynamischer Systeme, wie der synergetischen Systemtheorie, geht es um Komplexität.

Was die soziologische Systemtheorie betrifft, so scheinen Emotionen eher ein randständiges Dasein zu fristen. Dennoch hat Luhmann hier und da auch Aussagen zu Emotionen getätigt: „Auf ihre Funktion hin gesehen, lassen sich Gefühle mit Immunsystemen vergleichen; sie scheinen geradezu die Immunfunktion des psychischen Systems zu übernehmen. Sie sichern angesichts von auftretenden Problemen den Weitervollzug der Autopoiesis – hier nicht das Leben, sondern des Bewußtseins – mit ungewöhnlichen Mitteln, und sie verwenden dazu vereinfachte Diskriminierungserfahrungen, die Entscheidungen ohne Rücksicht auf Konsequenzen erlauben. Sie lassen sich, ohne direkten Bezug zum Geschehen zur Umwelt, steigern oder abschwächen je nach Erfahrung des Bewußtseins mit sich selbst“ (Luhmann 1984, S. 371). Diese quasi affirmative Sichtweise von Gefühlen als „systemischer Immunschutz“ passt schon einmal gut zur Ressourcen- und Lösungsorientierung systemischer Praxis; sie bezieht sich aber auf das psychische System, das eigentlich eher der „Beritt“ von Psycholog_innen als der von Soziolog_innen ist – und zudem wurde oben bereits Kommunikation (und nicht Bewußtseinsakte) als zentrales Konzept soziologischer Systemtheorie markiert.

Dementsprechend beschäftigt sich Simon (2004) systemtheoretisch mit dem Zusammenhang von Emotion und Kommunikation. Er stellt zunächst fest: „Das soziale System kann […] nicht selbst irgendwelche Emotionen entwickeln, und wenn davon gesprochen wird, es herrsche (etwa im Wirtschaftssystem) große Depression, so ist dies entweder nur metaphorisch zu verstehen oder aber, was näher liegt, es wird auf die depressive Zustandslage der psychischen Umwelten (Produzenten, Händler, Konsumenten etc.) verwiesen“ (Simon 2004, S. 124). Im sozialen System kann aber über Emotionen kommuniziert werden und Emotionen können kommuniziert werden, wobei Simon vor allem am letzteren Aspekt, also dem Kommunizieren von Emotionen – konzeptualisiert als „symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien“ –, interessiert ist (Simon 2004).

Luhmann (1997) hat bekanntlich in „Die Gesellschaft der Gesellschaft“ dargestellt, dass die fünf symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien Macht, Geld, Liebe, Wahrheit und Kunst in besonderer Weise die Ausdifferenzierung von gesellschaftlichen Funktionssystemen angeregt bzw. geprägt haben. Im Unterschied zu den anderen symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien führen Emotionen interessanterweise nicht zur Herausbildung von für diese Kommunikationsmedium spezialisierte Funktionssystemen (wie etwa Wirtschaft, Wissenschaft oder Politik): „Ganz im Gegenteil, viel plausibler scheint die These, dass die gesellschaftlich strukturierende Wirkung von Emotionen darin besteht, die Entwicklung spezialisierter Funktionssysteme zu fördern, die es wahrscheinlicher machen, dass nicht emotional kommuniziert wird. Emotionen bilden gewissermaßen die andere Seite der Organisationen und Funktionssysteme der Gesellschaft“ (Simon 2004, S. 129). In bestimmter Weise gilt dies auch für Soziale Arbeit, etwa im Kontext chronischer psychischer Erkrankungen: So weiß man, dass das Ausdrücken von zu starken Gefühle (vor allem Gefühle von Feindseligkeit, Kritik, Unzufriedenheit und Überinvolviertheit) von Angehörigen gegenüber chronisch psychisch Erkrankten die Rückfallrate signifikant erhöht (Brown et al. 1972). Eine Aufgabe gemeindepsychiatrisch tätiger Sozialarbeiter_innen besteht folglich darin, benignere Formen emotionaler Kommunikation und Interaktion zu fördern und zu unterstützen bzw. selbige im Kontakt mit als chronisch psychisch erkrankt Adressat_innen zu realisieren.

Und was sagt nun die synergetische Systemtheorie bzw. Synergetik (vgl. Kriz und Ochs 2022) zu Gefühlen? Zunächst einmal: die Synergetik stellt eine Theorie dar, die es ermöglicht, auf elegante und sparsame Art und Weise selbstorganisierte Veränderungsprozesse in lebenden komplexen Systemen, wie Familien, Gruppen, Teams oder sozialen Milieus, mit wenigen Theoriebausteinen zu konzeptualisieren und für die Praxis verstehbar zu machen. Dennoch wird sie im Kontext der akademischen Sozialen Arbeit bis auf wenige Ausnahmen fast gar nicht rezipiert.

Zu erwähnen ist hier das Konzept der „Affektlogik“ von Luc Ciompi (1982), das betont, dass in jedem Augenblick Affekte und Kognitionen („Logiken“) gleichzeitig und in komplexer Wechselwirkung das menschliche Leben bestimmen. „Im Zustand der Angst zum Beispiel sehen wir die Welt vorwiegend im Rahmen einer (bewussten oder unbewussten) Angstlogik. Entsprechend gibt es eine Logik der Wut oder des Hasses, eine Logik der Freude, der Liebe, der Trauer usw.“Footnote 3 Das komplexe Wechselwirkungsgeschehen besteht aber nicht nur zwischen Gefühl und Gedanken, sondern geht darüber hinaus: „Affektive Stimmungen (kommen) nicht einfach aus dem Nichts, sondern werden oft, in zirkulärer Dynamik, von situativen Gegebenheiten der Umwelt beeinflusst (was wir nicht selten in unseren Lebenswelt unter einseitigem Blickwinkel gar als ‚verursacht‘ bezeichnen)“ (Kriz 2017, S. 186). Kriz (2017, S. 151) formuliert zudem weiter: „Affekte ‚machen Sinn‘ und sie beeinflussen vor allem die sinnhaften Prozesse auf der psychischen und interpersonellen Ebene sehr stark (und werden, andersherum, von diesen wiederum beeinflusst. Aber ihr ‚Sinn‘ muss eben kognitiv erschlossen werden)“.

Diese synergetisch-systemtheoretischen Überlegungen zu komplexen Verflechtungen und Rückkopplungen von Fühl‑, Denk- und Verhaltensakten mit körperlichen Vorgängen sowie vielfältigsten Umweltaspekten ermöglichen im Diskurs mit den Adressat_innen das Explorieren erlebter und vermuteter Rückkopplungsprozesse zwischen diesen verschiedenen Ebenen sowie den Möglichkeitsraum diesbezüglich zu entfalten:

  • Mal angenommen, Ihre Mutter hätte Ihnen eine andere emotionale Sicherheit geben können, wie hätte sich das eventuell auf Ihr heutiges Gefühlsleben in Beziehungen ausgewirkt?

  • Wenn ich Ihre Frau fragen würde, inwiefern Ihr Alkoholkonsum mit Ihrer Niedergeschlagenheit zusammenhängt, was würde sie mir wohl antworten und wie würde sie mir vielleicht den Zusammenhang erklären?

  • Mal angenommen, Sie möchten ihre Angst vergrößern, auf welche körperlichen Vorgänge oder Regionen

  • in Ihrem Körper müssten Sie sich konzentrieren?

Gefühle im Konstruktivismus

Konstruktivismus ist ein Oberbegriff für Erkenntnistheorien, die davon ausgehen,

  1. 1.

    dass unser Erleben von der Welt, der Wirklichkeit und von uns selbst hergestellt, gemacht, eben „konstruiert“ ist, sowie

  2. 2.

    dass es, daraus folgend, keinen objektiven Zugang zur Welt gibt.

Der biologische oder auch radikale Konstruktivismus (RK) betont die Bedeutung neurobiologischer Prozesse, besonders die Funktionsweise unserer Nerven und Sinnesorgane bei der menschlichen Erkenntnisherstellung. Menschliche Nervenzellen registrieren das Ausmaß einer Erregung, nicht aber deren Qualität: „Da draußen gibt es nämlich weder Licht noch Farben, sondern lediglich elektromagnetische Wellen; da draußen gibt es weder Klänge noch Musik, sondern lediglich periodische Druckwellen der Luft; da draußen gibt es keine Kälte und Wärme, sondern nur bewegte Moleküle mit größerer oder geringerer durchschnittlicher kinetischer Energie usw.“ (von Foerster 1993, S. 26).

Daraus kann geschlussfolgert werden, dass die ‚bunte Welt‘, in der wir uns selbst verorten und von der wir Teil sind – auch all unser Erleben von tiefsten Gefühlen, Verbundenheit mit unseren Liebsten sowie spirituellen Einheitserfahrungen –, notwendigerweise eine Konstruktion sein muss – ein Bild, aber nicht ein Abbild der Wirklichkeit. Ein schönes Beispiel für eine biologisch-konstruktivistische Konzeptualisierung subjektiven Emotionserlebens ist die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität des Mainzer Neurophilosophen Thomas Metzinger (2005). Sie besagt, dass unser Selbst zunächst nichts anderes als ein Modell der globalen Form des Körpers im Raum ist. Dazu gehören dann aber auch etwa der Gleichgewichtssinn und die Innenwahrnehmung, aus der sich die Emotionen entfalten.

Natürlich erscheint der Transfer von der Neurophilosophie in die Praxis der Sozialarbeit nicht trivial oder selbsterklärend. Es bedeutet aber, dass die emotionalen Landschaften der Akteur_innen füreinander tatsächlich eine Art terra incognita darstellen, die es sich lohnt, achtsam und respektvoll-neugierig zu erkunden – und zwar mittels vielleicht auf den ersten Blick ungewöhnlicher und zugleich möglicherweise ergiebiger Fragen:

  • Wie erleben Sie Ihren Ärger und wofür ist die Art, wie Sie Ihren Ärger erleben, gut?

  • Mal angenommen, ich würde Ihre Frau fragen, wie sie beschreiben würde, wie sie Ihren Ärger erleben, was würde sie mir erzählen, und wie würde sie möglicherweise beschreiben, wofür die Art des Erlebens gut wäre?

  • Wenn wir davon einmal ausgehen würden, dass Ihr Erleben von Traurigkeit nicht einfach über Sie kommt, sondern möglicherweise durch äußere Umstände und inneren Zuständen und Vorgängen in Ihrem Körper sowie von Ihnen selbst mitbeeinflusst werden kann – welche Aspekte würden Ihnen da eventuell in dem Sinn kommen?

Der soziale Konstruktivismus (SK) betont zwar wie der radikale Konstruktivismus das sozusagen Manufakturhafte menschlicher Erkenntnis. Er begründet dies aber weniger mit dem Funktionieren von Nervenzellen, sondern damit, dass wir unsere Wirklichkeit mittels Sprache, Kommunikation und Interaktion herstellen. Emotionale Erlebniswelten sind also in der Lesart des sozialen Konstruktivismus weniger neuronale als vielmehr soziale Konstruktionen. Durch kommunikative und interaktionelle Alltagspraktiken, die sowohl inter- als auch intrapsychisch verstanden werden können (denn wir kommunizieren und interagieren auch ständig in uns selbst (vgl. Hermans 2001)), konstruieren wir Erkenntnis über uns selbst und die Welt „da draußen“. Deshalb stellen systemische Sozialarbeiter_innen gern so viele Fragen, denn so können in der Fallarbeit die subjektiven Sichtweisen der einzelnen Akteur_innen erkundet, geäußert und verändert werden. Die systemische Methode par excellence hierzu sind die zirkulären Fragen.

Während der soziale Konstruktivismus die Perspektive einnimmt, dass Wirklichkeitskonstruktionen in sprachlichen Diskursen mittels Kommunikations- und Interaktionsmustern hergestellt werden, nimmt der relationale Konstruktivismus (RelK) die Sichtweise ein, dass sich diese in der ganzheitlichen Begegnung und Bezogenheit von Menschen erst entfalten. Dabei wird deren Leiblichkeit, Geschichtlichkeit und soziokulturelle Prädisponierung (Habitus) als quasi nicht endender, offener Prozess mitberücksichtigt. Wer hierbei an Martin Bubers (1923, S. 32) berühmtes Diktum denkt: „Der Mensch wird am Du zum Ich“, denkt richtig. Denn die philosophische Tradition des Dialogismus, als einer deren Väter Martin Buber bekanntlich gilt, durchdringt regelrecht den RelK, so dass er auch als eine postmoderne Ausformung des Dialogismus betrachtet werden kann. Systemiker_innen, die relational-konstruktivistisch „unterwegs“ sind, berufen sich zudem gerne auf den epistemologischen Dialogismus des russischen Literaturwissenschaftler und Philosophen Michail Bakhtin, der vor sich allem auch mit Dostojewski beschäftigt hat. Jede sprachliche Äußerung ist nach Bakhtin (1984) eingebunden in eine Kette von Äußerungen innerhalb des Diskurses, denen sie folgt oder vorausgeht. Daraus ergibt sich eine quasi gleichberechtigte Polyphonie, die unsere soziale Wirklichkeit epistemologisch bestimmt.

Der finnische Psychiater Jaakko Seikkula (2020), einer der Begründer des Open-Dialogue-Ansatzes, ein evidenzbasierter Ansatz zur psychotherapeutisch-systemischen Behandlung von Psychosen, entdeckt spannende und deutliche Parallelen zwischen der Bakhtin’schen Dostojewski-Rezeption und seinen Erfahrungen innerhalb multiprofessioneller Familiengespräche im Rahmen des Open Dialogue. Die erkenntnistheoretische Perspektive des RelK erscheint als sehr anschlussfähig hinsichtlich der erlebnisorientierten Methoden in Systemischer Therapie, wie etwa Skulpturen, Aufstellungen und Zeitlinien, in denen vor allem das emotionale Erleben im Vordergrund steht und ausführlich erkundet wird.

Systemische Beziehungsorientierung unterscheidet sich aber bedeutsam etwa von psychodynamischer, bei der die Beziehung als Substrat für die Anwendung von Methoden/Techniken dient. Systemische Beziehungsorientierung bedeutet vor allem affektive Rahmung im Sinne von emotional-relationaler Kontextsteuerung für gelingende Selbstorganisationsprozesse (Ochs 2020, S. 147). Systemische Ansätze, die in diesem Zusammenhang genannt werden können, sind (vgl. zusammenfassend Schlippe und Schweitzer 2012, S. 300ff.):

  • Narrative Bindungstherapie, in der u. a. erkundet wird, mit welchen Gefühlen die Geschichten in Familien, Arbeitsteams oder Netzwerken quasi „durchtränkt“ sind.

  • Mentalisierungsbasierte Familientherapie, in der es darum geht, das gegenseitige Mentalisieren in Familien anzuregen, was u. a. bedeutet, neugierig zu sein auf die Gedanken und Gefühle der anderen Familienmitglieder.

  • Bindungsorientierte Familientherapie, die darauf abzielt, unterbrochene und beschädigte Eltern-Kind-Bindungen im emotionalen Austausch zwischen diesen zu verbessern.

  • Emotionsfokussierte Paartherapie, die humanistische, z. B. gestalttherapeutische Praktiken (wie etwa Reflektieren zugrunde liegender Emotionen oder Intensivierung von Emotionen) mit systemischen Praktiken (z. B. Teilearbeit und restrukturierende Interaktionen) verbindet.

„Gute Gründe“ für die Verwirrung der Gefühle

Die Überschrift dieses Beitrags, „Can’t go with my heart, when I can’t feel what’s in it“, ist eine Zeile aus dem Lied „Katy Song“ der amerikanischen Slowcore-Band Red House PaintersFootnote 4, in dem der Protagonist Gefühle von Einsamkeit, Verlorenheit und Verwirrtheit im Zusammenhang mit einer komplexen und komplizierten Liebe beschreibt, nämlich Katy, die unerreicht in London lebt, und der er nach seinem Empfinden nicht viel zu bieten hat. Würde dieser Protagonist mit seinem Liebeskummer und Seelenschmerz eine systemische Beratung aufsuchen, so könnte etwa in folgende Richtungen zu Explorationen angeregt werden:

  • Darf ich mir erlauben, Ihnen vielleicht zunächst etwas ungewöhnlich erscheinende Fragen zu stellen: Welche guten Gründe könnte es möglicherweise dafür geben, dass Sie sich so verloren und verwirrt fühlen? Wer aus Ihrem Familien- und Freundeskreis könnte solche guten Gründe eventuell nennen und welche wären dies?

  • Mal angenommen, Sie würden trotz der möglichen guten Gründe für Ihre Gefühle von Verlorenheit und Verwirrtheit andere Gefühle erleben wollen – auf welche Körperempfindungen und -regionen müssten Sie hierzu Ihre Aufmerksamkeit lenken?

  • Mal vorgestellt, Katy würde aus London anreisen, auf diesem Stuhl dort sitzen und sie hätte unser Gespräch zu Ihrem Gefühlserleben verfolgt und ich würde Katy fragen: ‚was denken und fühlen Sie zu der Unterhaltung, der Sie gerade beigewohnt haben‘, was würde sie möglicherweise antworten?

  • Mal angenommen, Sie würden einen kleinen Schritt vorankommen wollen in Ihren Gefühlen mit und zu der Geschichte mit Katy – wie könnte dieser kleine Schritt vielleicht ausschauen?