Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sowohl bei akuten Verletzungsbildern als auch bei degenerativen Läsionen an Schulter und Ellenbogen scheinen sich oftmals die konservativen und operativen Behandlungsoptionen sowie Meinungen und Erfahrungen der Behandler über deren Wirksamkeit gegenüber zu stehen.

Insbesondere bei relativen Indikationen ist es jedoch erstrebenswert und optimal für die betroffenen Patienten, die komplexe Behandlung in einer Praxis/Abteilung unter primärer Berücksichtigung der gesichert wirksamen Behandlungsmethoden durchzuführen. Unter Betrachtung der vorliegenden Evidenz sollte ein Behandlungspfad mit den Patienten herausgearbeitet werden, der sowohl die aktuellen konservativen als auch operativen Therapieoptionen berücksichtigt, auf die jeweilige Pathologie zuschneidet und eine „vorschnelle“ operative Intervention vermeidet.

In dem vorliegenden Themenheft sollen verschiedene Aspekte der konservativen Therapie an Schulter und Ellenbogen beleuchtet und Besonderheiten ausgewählter konservativer Verfahren dargestellt werden.

Insbesondere bei degenerativen Läsionen sollte der Grundsatz gelten, dass eine operative Behandlung erst dann in Betracht gezogen wird, wenn die konservativen Maßnahmen nicht zu einer für den Patienten akzeptablen Situation geführt haben. Auf der Grundlage einer ausgereizten konservativen Behandlungssituation kann sich die Operationsindikation unter aktiver Beteiligung der Patienten entwickeln. Dieser Behandlungsgrundsatz wird in dem Artikel von Dr. Ambacher („Ganzheitliche Therapie beim Subakromialsyndrom der Schulter“) herausgearbeitet und durch einen Technical Note über die korrekte Ausführung subakromialer Injektionen von Lanzerath et al. ergänzt. Ein Baustein zur Komplexbehandlung kann zudem die funktionelle Elektromyographie (EMG) bieten, welche die komplexen motorischen Zusammenhänge der Problemregion Schulter visualisiert, wodurch Diagnosen genauer beschrieben und Therapieempfehlungen klarer formuliert werden können. Dies wird in einem Beitrag von Sportphysiotherapeut und EMG-Therapeut Philipp Piroth präsentiert.

Eine hoffnungsvolle neue Behandlungsmethode für Erkrankungen und Verletzungen der Rotatorenmanschette (und allgemein des Stütz- und Bewegungsapparats) stellen autologe Stammzellen genauer „adipose derived regenerative cells“ dar. Die Grundlagen und Wirkungsmechanismen werden durch Schmitz et al. herausgearbeitet.

Auch bei akuten Verletzungsfolgen sollte die Einleitung der konservativen Therapie diskutiert werden. Konservative Therapieverfahren sind oft für die Behandler und die Patienten im Verlauf aufwendig und von der finanziellen Honorierungsform meist ungenügend abgedeckt. Die Behandler müssen die Geduld aufweisen, den Patienten „konservativ“ zu begleiten. Eine gut konservativ durchgeführte erfolgreiche Therapie führt jedoch bei den meisten Patienten zu einer Zufriedenheit und deshalb zu einem guten Ruf und „Zuweiserquote“ des Behandlers. Im skandinavischen Raum besteht nach eigenen Erfahrungen eine deutlich höhere Bereitschaft zur Einleitung von konservativen Therapieverfahren und auch im deutschsprachigen Raum setzt sich diese „Primärtherapie“ selbst bei deutlich dislozierten Frakturen oder akuten Schmerzsyndromen zunehmend durch.

So werden die konservativen Therapiemöglichkeiten häufiger Verletzungsbilder am Ellenbogen durch Leschinger et al. herausgearbeitet. Als weiteres Beispiel sei hier die proximale Humerusfraktur genannt, wo die primäre konservative Therapie bei vielen Konstellationen Erfolg versprechend ist. Ein Algorithmus zur konservativen Behandlung von proximalen Humerusfrakturen wird durch Razaeian et al. aufgezeigt und durch eine Kohortenstudie mit eigenen Resultaten nach konservativer Therapie durch Holschen et al. dargestellt.

Abschließend werden die Evidenzlage des Outcomes und Indikationen bei Frakturen des Processus coronoideus am Ellenbogen durch Lanzerath et al. in einer systematischen Literaturanalyse evidenzbasiert präsentiert.

Ein großer Teil der Beiträge wird aus der neu gegründeten Kommission „Konservative Therapie“ der D-A-CH Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie e.V. (DVSE) beigesteuert. Wir danken allen Autoren herzlich für die spannenden Beiträge und wünschen allen Lesern viel Spaß bei der Lektüre.

Sehr herzliche kollegiale Grüße

PD Dr. T. Leschinger, Dr. T. Ambacher und Prof. Dr. L.P. Müller