Zusammenfassung
Dieser Beitrag der Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie (ZPS) entwickelt aus psychodramatischer Perspektive die These, dass schwule Männer ihre Rollen als Männer, Partner, Geliebte, Freunde etc. entwickeln müssen, ohne sich in einfacher Weise auf normative Rollenmodelle beziehen zu können. Anschließend werden Elemente dargestellt, die als typische Barrieren erfüllter Liebesbeziehungen verstanden werden können. In diesem Rahmen wird die Rolle internalisierter Homophobie diskutiert. Daran anschließend werden Beispiele aus psychodramatischen Selbsterfahrungsgruppen für erwachsene schwule Männer beschrieben, die unterschiedliche Ansätze aufzeigen, wie Psychodrama und Soziometrie individuelle und soziale Ressourcen zur Überwindung der betrachteten Barrieren stärken können.
Abstract
This article in the German journal “Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie (ZPS)” develops the argument that—from a psychodramatic perspective—gay men face the challenge to develop their role identities, such as men, partner, lover, friend, without being able to simply follow normative role models. Subsequently, elements that could constitute typical barriers for developing gay relationships are discussed. These include the aspect of internalized homophobia. Finally, some examples from a psychodramatic group for gay men are presented to explore how the development of individual and social resources can be supported to help overcome the described barriers.
Notes
Im Rahmen dieses Beitrags beschränke ich mich auf die Arbeit mit schwulen Männern. Nicht, weil andere Gruppen der mit Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexuell, Queer oder Intersex* (LGBTQI*) bezeichneten Gruppe von Menschen weniger beachtenswert wären, sondern weil ich der Überzeugung bin, dass in gemischten Gruppen eine weitere Ebene – nämlich die der gegenseitigen Stereotype – hinzukommt, die spezifischer Aufmerksamkeit bedarf, der ich mich aber hier nicht widme.
Genau genommen also die verinnerlichte, in der Gesellschaft herrschende phobische Reaktion (Vermeidung und Versuch der Elimination) auf Homosexuelle. Zwar schlagen Steffens & Geisler vor, von Homonegativität zu sprechen, da sie eine phobische Reaktion auf das Selbst für widersprüchlich halten. Denkt man jedoch in Rollenanteilen, so ergibt sich hier keinesfalls ein Widerspruch, sondern es scheint plausibel Angst davor zu empfinden, dass bestimmte Rollen(-anteile) durchbrechen könnten. Auch ein anderer Aspekt legt den Begriff nahe, da auch die Internalisierung von Bildern feindlicher Übergriffe auf Homosexuelle mit hineinspielt und hier Angst vor körperlicher Versehrung eine Rolle spielt (Wiesendanger 2001). Besonders gut fasst das hier vertretene Verständnis von Homophobie folgendes Zitat aus als „learnt dislike of other gay men (ourselves?) and mistrust or disapproval of them (us? me?)“ (Neal 2000, S. 108). Das Mistrauen schwulen Männern und so mit sich selbst gegenüber bedeutet die Angst vor eigenen unerwünschten Impulsen und Angst vor dem als Schwuler erkannt und (schlecht) behandelt zu werden.
Oft wird mit dem Begriff Coming-Out vor allem eine soziale Dimension beschrieben, nämlich die öffentliche Präsentation der eigenen Homosexualität, z. B. gegenüber Familie, KollegInnen und weiterem sozialen Umfeld. Der Begriff umfasst aber auch innerpsychische Vorgänge (Wiesendanger 2001, S. 61). Letztere stehen im Rahmen dieses Beitrags im Fokus, und zwar mit dem Fokus auf psychische Vorgänge auch nach einem öffentlichen Coming-Out. Entsprechend gründen die hier entwickelten Gedanken auf einer Selbsterfahrungsgruppe für schwule Männer, die das „öffentliche“ Coming-Out bereits in unterschiedlicher Weise bewältigen konnten.
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Danksagung
gilt Prof. Dr. Konrad Schnabel für die gemeinsame Arbeit an der Konzeption und Umsetzung der Selbsterfahrungsgruppe.
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Krauskopf, K. Allein unter Männern?!. Z Psychodrama Soziom 17, 33–42 (2018). https://doi.org/10.1007/s11620-017-0422-9
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